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ZEREMONIE

Zeremonie und Ritual sind Schlüsselkonzepte zum Verständnis von religiösem Verhalten. In der Ausdrucksweise der HLT schließt das Wort Verordnung eine höchst offizielle Einhaltung mit ein. Heilige der Letzten Tage gebrauchen häufig das Wort „Zeremonie“ in Bezug auf den Gottesdienst im Tempel. Sie reden von Zeremonien bei der Tempeleinweihung mit feierlichen Versammlungen, Weihungsgebeten und dem Hosannaruf.

In der Eigenwahrnehmung der HLT bildet eine Folge von Verordnungen mit Tempelzeremonien als Höhepunkt die Hauptachse religiöser Existenz. Joseph Smith nannte diese Verordnungen  „Riten der Erlösung“ (LPJS, S. 191). Sie definieren den Charakter und das Zusammenwirken des Priestertums, der Kirchenorganisation, der Vollmacht, der lebendigen Offenbarung, der Familienstruktur, der verwandtschaftlichen Verhältnisse und der moralischen Verantwortung.

Im sozialwissenschaftlichen Diskurs hingegen bezieht sich Zeremonie gewöhnlich auf jegliche kulturelle Erfüllung, welche den sozialen Status einer Person bestimmt oder ändert. Eine Zeremonie, die sich auf etwas Göttliches oder Heiliges bezieht, nennt man Ritual.

Vergleichende Studien diverser Kulturen und Völker weisen auf einige Verallgemeinerungen von Ritualen hin, welche Heilige der Letzten Tage Verordnungen oder heilige Zeremonien (Handlungen) nennen würden.

Zunächst ist ein Ritual ein Symbol. Die hauptsächlichen Werte, Vorraussetzungen und Annahmen einer Lebensführung sind in Zeremonien verschlüsselt. Eine einfache Geste, Handhaltung, oder Körperhaltung kann ein ganzes Gedankensystem zum Ausdruck bringen. Für Heilige der Letzten Tage erneuert das Segnen und Austeilen des Abendmahls, zunächst mit den präsidierenden Priestertumsvollmachten, den Bund zwischen einem jeden Mitglied und Jesus Christus. Es erneuert auch die Beziehung zum gesamten Komplex lebender Propheten, zur Priestertumsvollmacht, Offenbarung und den Einflüssen des Heiligen Geistes.

Zweitens bestimmt es heiligen oder eingesetzten Raum und Zeit und kennzeichnet grundlegende Wandlungen sozialer Verhältnisse. Für Heilige der Letzten Tage ist der Sabbat eine heilige Zeit. Dabei sollte man sogar ein Auge nur auf die Herrlichkeit Gottes richten und „mit Lauterkeit des Herzens“ Speisen zubereiten (LuB 59:13). Der Tempel steht als Inbegriff von heiligem Raum und heiliger Zeit und der Stätte göttlichen Namens und göttlicher Gegenwart. Er verkörpert die andauernden Bündnisse der Ehe, Familie und Siegelung.

Drittens erhält das Ritual die Gemeinschaft durch ein heiliges Schauspiel aufrecht. Es kennzeichnet und erzeugt eine gesitige Geburt und geistige Wiedergeburt. Eine regelmäßige Teilnahme erneuert Gefühle der Anhänglichkeit. In dieser Hinsicht ist die Zeremonie für die Fortpflanzung der Familie und Gemeinde das, was die DNA für ein biologisches Individuum ist. Bei Heiligen der Letzten Tage schließen solche Zeremonien die Segnung und Namensgebung von Säuglingen, Priestertumsverordnungen, Patriarchalische Segen und väterliche Segen durch Händeauflegen, die Segnung von Kranken mit geweihtem Öl und die Einsetzung von Personen in verschiedene Berufungen des Lehrens und Dienens mit ein.

Viertens erinnern Rituale und andere soziale Zeremonien der HLT an Schlüsselereignisse in ihrer geschichtlichen Entstehung. Durch regelmäßige Gedenkfeiern, Schauspiele, Weihungen und Gedenkgottesdienste in Gruppen für Schlüsselereignisse während der Wiederherstellung feiern Heilige der Letzten Tage ihr geschichtliches Bewusstsein (siehe Einhaltung von Hundertjahrfeiern; Cumorah Schauspiel; Generalkonferenz; Pioniertag).

Fünftens ist ein Rital häufig gegenkulturell, indem es die Prinzipien religiöser Gemeinschaften definiert und diese denen von umliegenden Gesellschaften gegenüberstellt. HLT betonen die „Sammlung“ der Nachfolger Jesu in einem geographischen und geistigen Zion sowie die zeremonielle Erneuerung von Verantwortungen durch regelmäßiges Zeugnis geben. Diese steigern die Jüngerschaft und sind Gegengewichte für die Zerrüttung einer säkularen Welt, in der zerbrechliche und kurzlebige Verhältnisse zunehmen.

Sechstens bietet ein Rital moralische Vollmacht und Beständigkeit, um mit rapidem Wandel und sozialem Aufruhr klarzukommen. Es ist der Zement, welcher Einzelne in einer gemeinsamen Sache vereint. Während die Kirche eine geometrische Ausdehnung erfährt, zieht sie Völker jeder verschiedener Herkunft zusammen und bildet die Grundlage für Kommunikation und Vertrauen inmitten nationaler, kultureller und ethnischer Vielfalt.

Keine Gesellschaft oder Gruppe existiert ohne sowohl soziale als auch heilige Zeremonien. Unter Heiligen der Letzten Tage gibt es eine einzigartige, ausdrucksstarke HLT Schriftstelle bezüglich der grundlegenden Bedeutung der Zeremonie und der göttlichen Vollmacht bei ihrer Ausübung: „In seinen Verordnungen [wird] die Macht des Göttlichen kundgetan. Und ohne seine Verordnungen und die Vollmacht des Priestertums wird die Macht des Göttlichen kundgetan“ (LuB 84:20-21).

BIBLIOGRAPHIE

Alexander, Bobby C. "Ceremony." In The Encyclopedia of Religion, ed. Mircea Eliade, Vol. 3, pp. 179-83. New York, 1987.
Morris, Brian. Anthropological Studies of Religion: An Introductory Text. New York, 1987.

JOHN HAWKINS