Der Zehnte ist der grundlegende Beitrag, wodurch Heilige der Letzten Tage die Aktivitäten der Kirche finanzieren. In einer Offenbarung an den Propheten Joseph Smith erklärte der Herr, dass alle Mitglieder „jährlich ein Zehntel all ihres Ertrags bezahlen“ sollen und „das soll für sie [...] ein feststehendes Gesetz sein immerdar“ (LuB 119:4). Das Gesetz des Zehnten ist alten Ursprungs. Das Wort „Zehnte“ bedeutet „ Zehntel“ und bezieht sich auf einen gegebenen zehnten Teil von etwas als freiwillige Spende. Abraham zahlte seinen Zehnten an Melchisedek (Genesis 14:18-20; Alma 13:14-15). Jokob schloss ebenfalls den Bund, einen Zehnten all dessen zu bezahlen, was der Herr ihm gab (Genesis 28:20-22). Der Zehnte war ein grundlegender Teil des Gesetz des Mose (Levitikus 27:30-32; Numeri 18:25-28; Deuteronomium 26:12-14) und wurde zur Unterstützung von Priestern, heiligen Gebäuden und Heiligtümern verwendet (Amos 4:4).
Der Prophet Maleachi betonte die Bedeutung des Zahlen des Zehnten:
Darf ein Mensch Gott betrügen? Denn ihr betrügt mich...mit den Zehnten und Abgaben! Dem Fluch seid ihr verfallen, doch ihr betrügt mich weiter...bringt den ganzen Zehnten ins Vorratshaus...stellt mich auf die Probe...ob ich euch nicht die Schleusen des Himmels öffne und Segen im Übermaß auf euch herabschütte [Maleachi 3:8-10].
In jeder Gemeinde ist das Einsammeln des Zehnten die Verantwortung des Bischofs. Die Zehntenspenden werden ihm und seinen Ratgebern anvertraut. Der Bischof leitet die vor Ort gesammelten Zehntengelder an den Hauptsitz der Kirche weiter, wo ein Komitee die Verteilung und die Ausgaben des Zehntenfonds beaufsichtigt (LuB 120). Dieses Komitee besteht aus der Ersten Präsidentschaft, der Präsidierenden Bischofschaft und dem Kollegium der Zwölf Apostel.
Diese Geldsummen werden zu solchen Zwecken wie dem Bau und der Instandhaltung von Versammlungshäusern, Tempeln und anderen Anlagen genutzt. Teilweise werden dadurch auch die Missions-, Ausbildungs- und Wohlfahrtsprogramme der Kirche unterstützt.
Am Ende eines jeden Jahres treffen sich Gemeindemitglieder einzeln mit ihrem Bischof für ein Interview zur Zehntenerklärung, um die Kirchenaufzeichnungen ihrer individuellen Spenden zu bestätigen und vertraulich dem Bischof zu erklären, ob der gezahlte Betrag ihrem „vollen Zehnten“ entspricht.
Der Zehnte wird üblicherweise mit Bargeld gezahlt. Wenn jedoch das Einkommen in einer anderen Form ausgezahlt wurde, kann das Mitglied auf die entsprechende Weise zahlen, so wie es früher gemacht wurde (Levitikus 27:30, 32). In ihren frühen Jahren hatte die Kirche „Zehntenhäuser“, um Zahlungen in Form von Getreide, Vieh, Gemüse und Früchten entgegenzunehmen.
Ein Brief von der Ersten Präsidentschaft aus dem Jahre 1970 erklärte, dass obwohl Mitglieder ein Zehntel ihres Einkommens zahlen sollten, „es jedem Mitglied der Kirche zusteht eine eigene Entscheidung im Bezug darauf zu treffen, was er oder sie meint dem Herrn zu schulden und dementsprechend zu zahlen“ (Mar. 19, 1970; cf. Doxey, pp. 16, 18). Daher ist der genaue, gezahlte Betrag weniger wichtig, als dass jedes Mitglied das Gefühl hat, einen ehrlichen Zehnten gezahlt zu haben.
Das Gesetz des Zehnten ist Teil der Wiederherstellung des Evangeliums in den letzten Tagen. Joseph Smith und Oliver Cowdery führten diesen Grundsatz im Jahre 1834 erstmals ein, als sie versprachen, ein Zehntel all dessen, was der Herr ihnen geben würde, als Opfergabe den Armen zu geben (GK 2:174-75). 1838 fragte der Prophet nach dem Zehnten der Kirche (GK 3:44) und empfing das Gesetz, was heute in Lehre und Bündnisse Abschnitt 119 zu finden ist. Der Begriff „Zehnte“ war schon in einigen Offenbarungen vor dem Jahre 1838 gebraucht worden (z.B. LuB 64:23; 85:3; 97:11-12), bezog sich aber auf alle freiwilligen Opfergaben oder Beiträge, egal ob es mehr oder weniger als 10 Prozent waren.
Vor der Offenbarung des Zehnten wurde eine Abwandlung des Gesetzes der Weihung des Eigentums in der Kirche praktiziert, um für die Bedürftigen zu sorgen, Land zu erwerben und Kirchenhäuser zu bauen (LuB 42:30-39). Das (erklärte) geistige Ziel dieses Gesetzes war, „die Sache zu fördern“, nämlich „die Errettung des Menschen“ (LuB 78:4-7), indem „irdische Dinge“ und „himmlische Dinge“ gleich gemacht wurden. Dies erwies sich derzeit als zu schwierig, besonders unter den Unruhe stiftenden Bedingungen, worunter viele Kirchenmitglieder in Missouri litten. Daher wurde im Jahre 1840 die Praktizierung zeitweilig aufgehoben (GK 4:93). Das Gesetz des Zehnten wurde teilweise gegeben, um materiellen Bedarf zu decken und um die Mitgliedschaft der Kirche darauf vorzubereiten, die materiellen Aspekte des Gesetzes der Weihung zu einem späteren Zeitpunkt zu leben. Der Zehnte ist verschiedenartig als Spende beschrieben worden: (1) ein Zehntel dessen, was die Menschen besaßen als sie sich der Kirche anschlossen, (2) ein Zehntel ihres jährlichen „Ertrags“ oder Einkommens und (3) einer von zehn Werktagen sowie Teams und Werkzeuge für öffentliche Projekte. Heute zahlen Mitglieder ein Zehntel ihres „Ertrags“ oder Einkommens.
Obwohl viele in den frühen Jahrzehnten der Kirche den Grundsatz langsam und nur zögernd befolgten, bestätigten Führer weiterhin den verpflichtenden Charakter des Gebots. Im Januar 1845 brachten das Kollegium der Zwölf Apostel unter der Leitung von Präsident Brigham Young ein Sendschreiben heraus, um die Heiligen an ihre Pflicht zu erinnern , den Zehnten zu zahlen, (GK 7:358). 1881 wurde für diejenigen, die ein Einkommen hatten, der Gehorsam gegenüber dem Gesetz des Zehnten eine Vorraussetzung dafür, in den Tempel zu gehen (JD 22:207-208). Im Mai 1899 empfing Präsident Lorenzo Snow eine Kundgebung, dass die Kirche, als auch ihre einzelnen Mitglieder, trotz (zutnehmender) finanzieller Schwierigkeiten dem Gesetz des Zehnten gegenüber verpflichtet waren. Alle würden materiell und geistig gesegnet werden, wenn sie das Gesetz des Zehnten beachten würden (Snow, S. 439).
Wie auch mit allen anderen Geboten gibt es einen Zusammenhang zwischen der Einhaltung des Gesetzes des Zehnten und den Segnungen oder Strafen. Die Verheißungen für die Gehorsamen sind groß, aber die Offenbarung warnt auch: „Es wird sich begeben...[alle] sollen dieses Gesetz befolgen, sonst werden sie nicht für würdig befunden werden, bei euch zu bleiben“ (LuB 119:5). Präsident Joseph F. Smith lehrte, dass die Ungehorsamen „sich selbst von den Segnungen Zions abgeschnitten haben“, fügte jedoch hinzu, dass der Herr seine reichen Verheißungen den treuen Zehntenzahlern der Kirche wahrmachen wird (GD, S. 225-27). „Eine Schar von Zeugnissen kann sich der Freude im Leben sicher sein, die infolge von Gehorsam gegenüber diesem wichtigen Gesetz Gottes kommt“ (Widtsoe, Vol. 1, S. 228). Präsident Heber J. Grant riet der Kirche, dass Gehorsam gegenüber dem Gesetz des Zehnten ein schützendes Schild (LuB 64:23-24) vor wirtschaftlicher Bedrängnis bietet (S. 59-60).
[Siehe auch Bischof, Geschichte des Amtes.]
BIBLIOGRAPHIE
Doxey, Roy W. Tithing: The Lord’s Law. Salt Lake City, 1976.
Grant, Heber J. Gospel Standards. Salt Lake City, 1941.
Kimball, Spencer W. “Tithing.” In Faith Precedes the Miracle, pp. 281-90. Salt Lake City, 1975.
Snow, LeRoi C. “The Lord’s Way Out of Bondage.” IE 41 (July 1938):400-401, 439-42.
Widtsoe, John A. Evidences and Reconciliations, 3 vols. Salt Lake City, 1943.
HOWARD D. SWAINSTON