Jesus prophezeite seinen Anhängern, daß sie verfolgt werden würden, versprach ihnen jedoch großen Lohn im Himmel (Mt. 5:11–12). Die Heiligen der Letzten Tage glauben, daß ein rechtschaffener Mensch, der unschuldig Verfolgung erleidet, Segnungen in diesem Leben und nach dem Tode empfangen kann. Obgleich die Heiligen der Letzten Tage genausowenig wie andere Menschen leiden wollen, versuchen sie geduldig und gläubig zu sein anstatt verbittert und rachsüchtig. (Mt. 5:43–47; LuB 101:35; 98:23–27.)
Die Heiligen der Letzten Tage behaupten zwar nicht, daß sie wegen ihres Glaubens stärker verfolgt wurden als andere Menschen im Laufe der Geschichte, dennoch haben viele Mitglieder der Kirche Verfolgung erlitten, angefangen mit Joseph SMITH <Smith, Joseph>. (Siehe JS–H 1:33.) Mit dem Wachstum der Kirche nahmen auch die Verfolgungen zu. Heilige der Letzten Tage wurden in KIRTLAND, Ohio (1831–1838), in Missouri (1831–1839) und in und um NAUVOO, Illinois (1839–1846) beleidigt, bedroht, schwer verletzt, vergewaltigt oder ermordet, und ihr Eigentum vernichtet. Die Verfolgungen gipfelten 1844 in der Ermordung des Propheten Joseph Smith und seines Bruders Hyrum <Smith, Joseph und Hyrum, Märtyrertod> im CARTHAGE-GEFÄNGNIS <Carthage-Gefängnis> (Hull S. 643–652.)
Die Isolation und Geborgenheit in den großen Tälern des amerikanischen Westens, in die die meisten Mitglieder der Kirche 1846 und 1847 geflohen waren, dauerte nur wenige Jahre, und dann begannen die Verfolgungen erneut. Nach dem Krieg gegen Mexiko annektierten die Vereinigten Staaten große Teile des amerikanischen Westens, und bald darauf wurden viele Mitglieder der Kirche aufgrund neuer amerikanischer Gesetze gegen die Mehrehe <Mehrehe> verfolgt und mußten sich verbergen oder nach Mexiko oder Kanada fliehen. Über tausend Heilige der Letzten Tage, hauptsächlich Männer, die mehrere Frauen geheiratet hatten, wurden mit Geldstrafen belegt oder inhaftiert. Schließlich wurden den Heiligen der Letzten Tage aufgrund von Gesetzen gegen die Mehrehe (siehe GESETZGEBUNG GEGEN DIE MEHREHE) die Bürgerrechte und der Kirche der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts entzogen und ihre Besitztümer beschlagnahmt. Nach der Veröffentlichung des MANIFESTS <Manifest> im Jahre 1890 nahmen die Verfolgungen merklich ab, die feindselige Einstellung gegenüber der Kirche blieb jedoch weiterhin bestehen.
Mormonenfeindliche Literatur hat oft zu Verfolgungen geführt, angefangen bei den frühesten Versuchen, Joseph Smith und das Buch Mormon zu diskreditieren bis hin zu modernen Filmen, in denen die Lehren der Kirche verfälscht dargestellt werden. Die Missionare der Kirche wurden zuweilen besonders verfolgt. In den dreißiger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden Missionare in England und Skandinavien inhaftiert und vom Pöbel bedroht und verletzt. Mehrere Missionare und Untersucher der Kirche wurden in den Vereinigten Staaten ermordet, und zwar in den siebziger Jahren des 19. Jahrunderts, als die Agitation gegen die Mehrehe ihren Höhepunkt erreicht hatte. Noch 1990 wurden zwei Missionare der Kirche in Huancayo, Peru, von amerikafeindlichen Terroristen getötet, und in mehreren südamerikanischen Ländern wurde Kircheneigentum verwüstet oder zerstört.
Beispiele aus den heiligen Schriften vermitteln den Heiligen der Letzten Tage Trost sowie die Einsicht, daß Gott als Teil seines ewigen Plans manchmal zwar Verfolgungen zuläßt, aber die Verfolgten am Ende segnet. (Ivins, S. 408–413.) Die Bibelgeschichten von Joseph (Gen. 37–46) und Ester (Ester 2–9) beweisen, daß Verfolgungen durch den Glauben überwunden werden können und den Verfolgten zur Ehre gereichen. Im Buch Mormon sind die Ammoniter ein ergreifendes Beispiel eines Volkes, das rechtschaffen war und lieber Verfolgungen und selbst den Tod auf sich nahm, als seine Bündnisse zu brechen (Alma 24). Viele Heilige der Letzten Tage haben Trost in den Worten des Herrn an Joseph Smith gefunden, als dieser fälschlicherweise angeklagt und inhaftiert worden war. Joseph Smith <Smith, Joseph> erfuhr großes Unrecht, aber der Herr erinnerte ihn daran, daß die Leiden Jesu Christi noch größer waren und verhieß ihm, “daß dies alles dir Erfahrung bringen und dir zum Guten dienen wird”. (LuB 122:7.) Er lenkte das Augenmerk des Propheten auf die Ewigkeit mit den Worten: “Fürchte nicht, was Menschen tun können, denn Gott wird mit dir sein für immer und immer.” (LuB 122:9.)
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sieht Leid und Zorn im Sinne der heiligen Schriften als Gelegenheit dazu, Selbstbeherrschung zu erlernen. Die Ermahnung des Erretters, die andere Wange hinzuhalten (Mt. 5:39–42), hat der Herr im Buch “Lehre und Bündnisse” noch erweitert: Großer Lohn wird denen verheißen, die nicht nach Rache trachten. Die Verfolgten dürfen jedoch Gerechtigkeit fordern, nachdem man ihnen wiederholt Unrecht zugefügt hat und nachdem sie ihre Peiniger vorher genügend gewarnt haben (LuB 98:23–31). Die Ausübung von Langmut und Duldsamkeit werden im Buch Mormon (Alma 1:21) und in den Glaubensartikeln (11 und 13) empfohlen. Ein glaubenstreuer Heiliger der Letzten Tage hofft, sich mit seinem Gegner zu versöhnen und ihn vielleicht sogar zu bekehren.
BIBLOGRAPHIE
Allen, James B. “Why Did People Act That Way? Some Observations on Religious Intolerance and Persecution in the American Past.” Ensign 8, Dezember 1978, S. 21–24.
Arrington, Leonard J. und Davis Bitton. The Mormon Experience (Kap. 3–5, 9), New York, 1979.
The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, Hrsg. My Kingdom Shall Roll Forth (Kap. 8), Salt Lake City, 1979.
Hull, T. “Persecution: The Heritage of the Saints.” IE 4, Juli 1901, S. 643–652.
Ivins, A. “Is Persecution the Result of Transgression or Righteousness?” IE 27, März 1924, S. 408–413.
LISA BOLIN HAWKINS