Heilige der Letzten Tage betrachten das Vaterunser, das zweimal im Neuen Testament und einmal im Buch Mormon vorkommt (Matthäus 6:9-13; Lukas 11:2-4; 3 Nephi 13:9-13), als eine Anleitung für jedes öffentliche und persönliche Gebet. Die drei Versionen lehren ähnliche Prinzipien, sind aber nicht identisch. Die Joseph Smith Übersetzung (JSÜ) der Bibel klärt einige Redewendungen in den biblischen Textstellen.
Lukas schrieb seine Version vom Vaterunser nachdem Jesus von seinen Jüngern gebeten wurde „lehre uns beten“ (Lukas 11:1). In den Predigten, die in Matthäus und im Buch Mormon wiedergegeben sind, führt Jesus das Gebet ein. Zunächst hält er seine Zuhörer dazu an „nutzlose Wiederholungen“ zu vermeiden und „auf diese Weise“ zu beten, wodurch er darauf hinweist, dass das Gebet als ein Muster gedacht ist.
Alle Versionen des Vaterunsers beginnen mit der Anrede „Unser Vater im Himmel“, was eine enge und treue Beziehung zwischen Gott und den Menschen, seinen Geistkindern, einschließt. Es gibt ein Musterbeispiel für Gebete, die an Gott Vater gerichtet werden.
Auf die Anrede folgt die Zeilee „dein Name werde geheiligt“, was Respekt und eine verehrende Haltung darstellt, die der heiligen Wesensart des Gebets angemessen sind. Nachdem dann Hoffnung auf das Kommen des göttlichen Reiches ausgedrückt wirf, unterwirft sich der Erlöser dem Willen Gottes mit den Worten „dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf der Erde“ (Matthäus 6:10). Dies stellt eine weitere wichtige Komponente des Gebets dar.
Nachdem er einen angemessenen Rahmen für das Gebet hergestellt hat, äußert Christus seine erste Bitte um „tägliches Brot“ (in Matt. steht „heute das Brot, das wir brauchen“). Wenn diese Redewendung als Beispiel für ein Gebet betrachtet wird, kann man sie als ein Flehen nach sowohl zeitlichem Bedarf als auch geistiger Nahrung verstehen. In seiner zweiten Bitte sagt Christus „erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben“ (Matthäus 6:12 und 3 Nephi 13:11). Diese Bitte erscheint im Lukasevangelium als „und erlass uns unsere Schulden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist“ (Lukas 11:4). Ein wichtiger Bestandteil des persönlichen Gebets ist die Anerkennung und Frage nach der Vergebung für seine Sünden, aber immer in Verbindung mit unserer Vergebung der Vergehen anderer (vgl. LuB 64:10).
Der Text enthält dann eine Redewendung, die wahrscheinlich am schwierigsten zu verstehen ist in allen allgemeinen Übersetzungen des Vaterunsers, nämlich „führe uns nicht in Versuchung“. Man kann dies so verstehen, dass Gott auf das Böse Einfluss habe, es sei denn man flehe ihn an anders zu handeln. Dieses Problem wird in der JSÜ gelöst, wo steht: „Und lass uns nicht in Versuchung geführt werden“ (JSÜ Matt. 6:14; vgl. die Syrische Übersetzung; siehe auch Jakobus 1:13). Es scheint, dass Christus bezweckt, Sterbliche dazu zu inspirieren täglich um Gottes Hilfe zu bitten während sie versuchen dem Bösen zu widerstehen und rein zu sein.
Christus beendet das Gebet, indem er wieder Gottes Macht und Herrlichkeit anerkennt und dann mit „Amen“ schließt, so wie es alle Gebete der Heiligen der Letzten Tage tun. (Lesen Sie über das lange Ende des Vaterunsers nach bei Welch, 1990, S. 157-60).
Heilige der Letzten Tage trachten nach wahrer Gemeinschaft mit Gott Vater durch seinen Sohn Jesus Christus, indem sie „auf diese Weise“ mit ihren persönlich und von Herzen kommenden Gefühlen beten, anstatt das Vaterunser als ein auswendig gelerntes Gebet aufzusagen.
[Siehe auch Bergpredigt.]
BIBLIOGRAPHIE
Welch, John W. "The Lord's Prayers." Ensign 6 (Jan. 1976):14-17.
Welch, John W. The Sermon at the Temple and the Sermon on the Mount. Salt Lake City, 1990.
SUE BERGIN