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VORHERWISSEN GOTTES

Moderne Schriften sprechen unmissverständlich über das Vorherwissen Gottes: „Alles ist vor meinen Augen gegenwärtig“ (LuB 38:2). Dies bestätigt, dass Gott eine Fülle der Wahrheit besitzt, eine „Kenntnis von etwas, wie es ist und wie es war und wie es künftig sein wird“ (LuB 93:24,Betonung hinzugefügt).

Göttliches Vorherwissen beinhaltet die Macht sogar die Gedanken und Vorsätze des menschlichen Herzens zu wissen: „Es gibt niemanden außer Gott, der deine Gedanken und deine Herzensabsichten kennt“ (LuB 6:16). Göttliches Vorherwissen ist zumindest teilweises Wissen seiner gezielten Pläne für den Kosmos und für die Menschheit, Pläne, die „nicht vereitelt und auch nicht zunichte gemacht werden“ können (LuB 3:1). „Gott führt das aus, was ihm seit Ewigkeit bekannt ist“ (Apg 15:18, Abr. 2:8). Dazu gehören die Bedingungen des Plans der Erlösung. Zum Beispiel „hat Gott ausgewählt oder prädestiniert, dass all jenen, die errettet werden wollen, die Errettung in Jesus Christus zuteil werden muss und dadurch, dass sie das Evangelium befolgen“ (LPJS, S. 193). Gleichermaßen ist im Voraus bekannt, dass alle Menschen sterben, auferstehen und vor Gericht gestellt werden.

In den Schriften bedeuten die Grundausdrücke für göttliches Wissen mehr als eine kognitive Beziehung zwischen Subjekt und Objekt. Sie setzen ein genaues, direktes, teilnehmendes, bewegendes Bewusstsein voraus. Göttliches Vorherwissen ist die Kenntnis eines Himmlischen Vaters, nicht das Wissen einer metaphysischen Abstraktion. Schriften, die von göttlichem Vorherwissen sprechen, betonen eher Gottes Verständnis einer Erfahrung mit seinem Volk und ihres Schicksals als den Inhalt und die Logik dieser Kenntnis. Jeder, der das göttliche Vorherwissen verstehen möchte, muss mit der Erkenntnis beginnen, dass die Schriften die Frage nicht direkt ansprechen, wie sie in der Philosophie und Theologie, wo die Betonung auf dem Inhalt und der Logik dieses Wissens liegt, formuliert worden ist. Die Schriften sagen deutlich, dass Gott alles weiß und dass wir ihm vertrauen können. Sie sprechen nicht ausdrücklich darüber, was dies philosophisch oder theologisch gesehen bedeutet. Folglich kann jede Antwort auf die theologische Frage bezüglich Gottes Vorherwissens mangels Offenbarung nur rein spekulativ sein.

In einem Versuch göttliches Vorherwissen und menschliche Freiheit zu vereinen, haben bedeutende jüdische und christliche Theologen und Philosophen drei Alternativen angeboten. Gemäß der ersten werden beide Seiten des Dilemmas bekräftigt: „Alles ist vorhergesehen, und die Entscheidungsfreiheit ist gegeben.“ Dies ist die Position von Rabbi Akiba und Maimonides (Aboth 3, 19, Yad, Teshuvah 5:5) wie auch von Augustin und Anselm (City of God 5.9-10, The Harmony of the Foreknowledge, the Predestination, and the Grace of God with Free Choice 1.3). Maimonides argumentiert, dass sich Gottes Vorherwissen, das anders und mysteriös ist, mit der Freiheit verträgt, während sich im Gegensatz dazu das menschliche Vorherwissen der eigenen Handlungen mit der Freiheit logischerweise unmöglich vertragen kann.

Gemäß der zweiten Alternative ist Gottes Vorherwissen begrenzt. Da Menschen frei sind, kennt Gott die Möglichkeiten und die Wahrscheinlichkeitsraten der menschlichen Entscheidungen, aber nicht, was unausweichlich ist. Gott weiß alles, was man wissen kann, aber weiß nicht vorher genau, wie die Menschen ihre Freiheit benutzen werden, weil man das nicht wissen kann, denn zukünftige, eventuelle Ereignisse existieren nicht. Dies ist die Ansicht des Talmudisten Gersonides (Levi Ben Gershon, 1288-1344, Milhamot Adonai, III, 6) und mit einigen Abänderungen von Charles Hartshorne und Prozessphilosophen.

Gemäß der dritten Alternative sind Menschen nicht wirklich frei. Freiheit ist eine Illusion, die sich aus menschlichem Uniwssen in Bezug auf göttliche Verursachung und Notwendigkiet ergibt. Alles, was einzelne tun, ist tatsächlich bestimmt und vorherbestimmt. Gott weiß und verursacht alles vorher, was passiert. Dies ist die Ansicht von Spinoza und Calvin.

Historisch gesehen haben die meisten Heiligen der Letzten Tage den ersten allgemeinen Standpunkt eingenommen: Alles wird vorhergesehen und die Freiheit verbleibt. Einige halten sich an die zweite Position, dass Gottes Vorherwissen nicht absolut ist. Die dritte Alternative, dass menschliche Freiheit eine Illusion ist, ist unvereinbar mit dem HLT-Glauben an echte Entscheidungsfreiheit und Verantwortung. Lob und Tadel, Verantwortlichkeit und Urteilsvermögen, bedeuten nichts, wenn Menschen nicht frei sind. Jegliche Lehre in Bezug auf ein Vorherwissen, die diesen Grundsatz undergräbt, verletzt den Geist und Text der HLT-Schriften.

Folglich ist göttliches Vorherwissen, wie auch immer es schlussendlich definiert wird, nicht Prädestination. Was Gott vorhersieht, ist daher nicht von Gott verursacht, obwohl es auf eine Art bekannt ist (Talmage, S. 317). Göttliches Vorherwissen ist der Hintergrund der Vorherordinierung. Aber wie gesagt, Vorherordinierung ist nicht Vorher-Verursachung. Eher ist „Vorherordinierung ein bedingtes Übertragen einer Rolle, einer Verantwortung oder eines Segens, der gleichermaßen vorhersieht, aber das Resultat nicht festsetzt“ (Maxwell, S. 71).

BIBLIOGRAPHIE

Hartshorne, Charles und William L. Reese. Philosophers Speak of God. Chicago, 1953.

Maxwell, Neal A. „A More Determined Discipleship“. Ensign 9 (Febr. 1979):69-73.

Talmage, James E. The Vitality of Mormonism, S. 317 ff. Boston, 1919.

JAMES E. FAULCONER

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