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VOLKSTÜMLICHE KUNST

Durch Kombinieren religiöser und westamerikanischer Metaphoren und Bilder ist die gesamte Saga der Kirche von ihren Anfängen im Jahre 1820 in einem Hain nahe Palmyra, New York bis in die Gegenwart künstlerisch dargestellt worden. Lieder und Geschichten über den Auszug nach Utah und die Besiedlung des Great Basin, anekdotische Biographien von Kirchenführern, glaubenserfüllte Folkloreereignisse und die Wunder und manchmal komischen Mühen der Pionier-Heiligen formen wichtige Teile der HLT-Kultur (Siehe HLT-Kunst). Mormonenvolkskunst lässt einen Sinn der Zugehörigkeit fortbestehen und dient dazu Heilige der Letzten Tage zu verbinden und hilft ihnen sich selbst zu definieren. Zum größten Teil ist Mormonenvolkskunst das Werk glaubenstreuer, pragmatischer Menschen gewesen.

Für HLT-Künstler war der Auszug in den Westen „die schlimmste Zeit und die beste Zeit“. Aus Nauvoo vertrieben hatten sie den Aufbau eines neuen Zion vor sich, eines Zuhauses in den Bergen. Ihre Volkskunst drückt reiche Verbindungen mit ihrer Vergangenheit und ihrer einzigartigen Erfahrung im Neuland aus. Als die Pionierin, Bathsheba Smith, ihre Truhe für den Treck ins Westterritorium packte, wählte sie sorgfältig, was sie bringen und was sie zurücklassen sollte. Tief in die Ecke ihrer einzigen Reisetruhe legte sie ihre Farben, Papier und in Stoffe gewickelte Pinsel. Sie fügte ihre Spitzenhäkelwerkzeuge und Fasern für das Fertigen der hübschen feinen Spitze hinzu, für die sie berühmt ist. Diese Kunstwerkzeuge legte sie unter einen zusammengelegten Quilt, den ihre Mutter für ihren Hochzeitstag gemacht hatte.

Im konkreten Sinn mischte Bathsheba Smith das Alte und das Neue, indem sie das Vergangene erhielt und die Zukunft willkommen hieß. Als sie ihre Farben, und zwar dieses Mal in Utah, zur Hand nahm, malte sie die Geschichte der Reise. Pionierkünstler C. C. A. Christensen tat dasselbe und hielt eine Geschichte fest, die in der HLT-Volkskunst einen prominenten Platz einnimmt. William Clayton verewigte den Glauben der Pioniere in den Worten eines Kirchenliedes: „Kommt, Heilge, kommt, nicht Müh und Plagen scheut, wandert froh euern Pfad!“"

Mormonenvolkskunst war praktisch-funktionell, und trotzdem oft schön und dekorativ. Die Bildhaftigkeit des HLT-Pionierquilts reflektiert eine westliche Voreingenommenheit mit der natürlichen Umgebung. Kiefern, Eichen und Berglorbeer waren immer beliebte Quiltmotive, aber neuer Bilder, vor allem die Segolilie und der Bienenstock erzählten von der Arbeit der Mormonenpioniere in Deseret.

Der Bienenstock erscheint in jedem Genre der Mormonenvolkskunst-Quilts, Gemälde, Skulpturen, Architektur und Grabsteine. Die Steinarbeiten der Mormonenkultur im 19. Jahrhundert ist eine reiche Aussage über populäre Wertvorstellungen, Legenden und Religion. Eine starke visuelle Verbindung besteht zwischen Pioniergrabsteinbildern und der Grabsteinkunst von Neuengland. Aber die Friedhöfe kleiner Städte überall in Utah sprechen auch für den einzigartigen HLT-Glauben und das Pioniererbe. Außer traditionellen Motiven blühten religiöse Embleme, die in Verbindung mit dem Äußeren der Tempel standen, in dieser lebhaften lokalen Kunstform.

Man muss nicht weit in das ländliche Utah hineinfahren, um die andersartige Volksarchitektur zu bemerken, die unter den Heiligen existierte. Das am weitesten verbreitete Design war das „I“-Haus oder das alte Haus im „Nauvoo-Stil“. Es war ein hohes zweistöckiges Haus mit einem Schornstein an jedem Giebelende und gewöhnlich einem symmetrischen Arrangement der Türen und Fenster entlang der vorderen Fassade. Größere Häuser wurden gebaut, indem man zwei oder drei „I“-Häuser zu einem  „T“, „L“ oder „H“-Haus verband. Das am weitesten verbreitete lokale Baumaterial war Adobe, ein lokaler ungebrannter Backstein mit einer Mischung aus Schlamm und Stroh.

Deutliche HLT-Folklore spiegelt auch den Glauben der Heiligen der Letzten Tage wider. Geschichten über Besuche der drei Nephiten dienten oft als geistige Erkennungszeichen für den Erzähler, und Elder J. Golden Kimball wurde eine Art Volksheld durch Geschichten über seine Erfahrungen und seinen Witz. Wie Quilts hatte HLT-Folklore eine sehr spezifische Funktion: Gewöhnlich war sie darauf aus, den Glauben und den geistigen Sinn ihres Publikums zu bereichern. Die Geschichte des Auszugs der Mormonenpioniere und das Errichten Zions wurden fast zu einer Art moderner Schrift.

Anfang des 20. Jahrhunderts führten HLT-Frauen die Pioniertradition ihrer Mütter fort. Ihre Frauenhilfsvereinigungs-„Arbeitstage“ wurden das institutionelle Mittel, um Volkskunsttraditionen zu erhalten. Die Betonung auf Heimgestaltung spiegelt Respekt für traditionelle Kunstformen wider, die sich in Quilten, feiner Nadelarbeit und anderen Haushaltskünsten und Handarbeiten zeigen. Heimgestaltungstage waren ein monatlicher gesellschaftlicher Anlass, als Frauenhilfsvereinigungs-Schwestern sich in einer Gruppe trafen, um an Bastelarbeiten, Heimgestaltungslektionen und einem Abendessen teilzunehmen. Das Resultat war manchmal eine etwas moderne Version der Mormonenvolkskunst, die sich von dem mehr persönlichen Ausdruck der Frauen im 19. Jahrhundert unterschied.

Mitte des 20. Jahrhunderts benutzte die Kirche oft eine institutionelle Methode, um vergangene Kunstformen zu erhalten. Die kirchenweiten Tanzfestivals bis in die 1970er Jahre brachten junge Leute aus der ganzen Welt zusammen, um einen Abend lang Volkstanzformen zu feiern. In ähnlicher Weise gaben Roadshows lokalen Talenten unter den Mitgliedern in Kurzdramen eine Chance, die oft Werte und Sitten aus dem Pioniererbe darstellten (Siehe Drama). Musicals wie My Turn on Earth und Saturday's Warrior überlieferten in sehr ähnlicher Weise wie die Folklore des 19. Jahrhunderts Volkstraditionen über das vorirdische Dasein und die Bedeutung des Erdenlebens (Siehe Musik).

HLT-Volkskunst des 20. Jahrhunderts zeigt auch ein glaubenstreues Volk, während die Geschichte der Gründungsereignisse und der Pioniere weiterhin eine wichtige Rolle in jeder Art Volkskunst spielt. Im Allgemeinen zeigt sich Respekt vor traditionellen Kunstformen und Teilnahme der Massen. Volkskunstformen, die nun in vielen verschiedenen Kulturen aufblühen, werden als persönlicher Ausdruck des Zeugnisses und der Liebe der Kirchenmitglieder in der ganzen Welt willkommen geheißen. [Siehe auch Folklore, Materielle Kultur.]

MARTHA SONNTAG BRADLEY

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