Joseph Smith, der erste Prophet der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, fertigte eine „neue Übersetzung“ der King James Bibel (KJB) an. Diese Übersetzungsarbeit unterscheidet sich von der KJB in mindestens 3410 Versen. Sie beinhaltet Zusätze, Streichungen, Umgestaltungen und andere Änderungen, wodurch sie sich nicht nur von der KJB, sondern auch von anderen biblischen Schriften unterscheidet. Es gibt Änderungen kleinster Details, jedoch wurden auch ganze Kapitel wiederhergestellt. Dieser Artikel enthält Kommentare von Joseph Smith, in denen er erklärt, warum er eine Bibelübersetzung machte. Außerdem bietet dieser Artikel Informationen über die Entwicklung und Herstellung seiner Übersetzungsarbeit, behandelt eine Anzahl wesentlicher Unterschiede und geht auf einige lehrgemäße Befunde und geschichtliche Folgerungen ein.
Auffassung der Bibel. Der offizielle Standpunkt der Kirche ist im achten Glaubensartikel enthalten: „Wir glauben, daß die Bibel, soweit richtig übersetzt, das Wort Gottes ist“. Die Botschaft der Bibel wird als wahr betrachtet, wobei einige Details in Bezug auf Genauigkeit und Vollständigkeit jedoch nur begrenzt anerkannt werden. Der Prophet Joseph Smith erklärte: „Ich glaube [dem Wortlaut] der Bibel, wie sie von den ursprünglichen Verfassern geschrieben wurde. Durch ungebildete Übersetzer, unachtsames Abschreiben oder Umgestalten und durch bestechliche Priester sind viele Fehler entstanden“ (LPJS, S. 9-11).
Joseph Smith hat häufig die Wörter „übersetzt“ und „Übersetzung“ verwendet. Dabei ging es ihm nicht lediglich um die Übertragung des Textes von einer Sprache in die andere. Im weiteren Sinne meinte er mit „Überlieferung“ das Kopieren, Bearbeiten, Hinzufügen, Entfernen, Umformulieren und Interpretieren. Dies geht wesentlich über die gewöhnliche Definition von „Übersetzung“ hinaus. Als er sagte, die Bibel sei nicht richtig übersetzt, bezog er sich nicht nur auf die Schwierigkeit, die Bibel in einer anderen Sprache wiederzugeben. Er bedachte dabei auch, dass die Manuskripte, die den Bibeltext enthielten, unter der Jahrzehnte langen Überlieferung in den Händen von Bearbeitern, Kopierern und Revisionisten gelitten hatten. Folglich sind die vorhandenen Bibeltexte weder so vollständig noch so genau wie die Originalfassung.
Das Buch Mormon enthält einen Bericht über eine Vison, in der ein Engel die Bibel als zukünftige „Überlieferung der Juden“ beschreibt, die die Schriften „der Propheten“ und der „Zwölf Apostel des Lammes“ enthält. Die Vision bestätigt, (1) dass die alten Verfasser vom Heiligen Geist inspiriert schrieben, (2) dass ihre Worte ursprünglich die Fülle des Evangeliums enthielten und klar und deutlich verständlich waren, doch (3) dass viele klare und wertvolle Teile sowie viele Bündnisse aus den originalen Manuscripten „herausgenommen“ werden würden. Folglich (4) würden viele Menschen sogar allein mit der Bibel die Fülle des Evangeliums nicht verstehen, aber (5) „andere Bücher“, die der Herr hervorbringen wird, sollen verlorene Wahrheiten wiederherstellen (1 Nephi 13:21-41). Im Juni 1830 erhielt Joseph Smith eine ganz ähnliche Bekundung während er eine Offenbarung wiederherstellte, die Mose empfangen hatte. Darin hieß es, dass viele Teile „aus dem Buch“, das Mose schreiben würde, entfernt werden , die fehlenden Angaben jedoch durch einen anderen Propheten wiederhergestellt werden und somit für alle, die glauben, „wieder [...] vorhanden sein“ würden (Mose 1:41). Heilige der Letzten Tage glauben, dass die sogenannten „anderen Bücher“ das Buch Mormon, Lehre und Bündnisse, die Köstliche Perle, die JSÜ und andere Aufzeichnungen, die noch hervorkommen werden, mit einschließen. Der Prophet, der für die Wiederherstellung der verlorenen Wahrheiten auf göttliche Weise hervorkommen sollte, ist Joseph Smith (siehe in den Schriften: Hervorkommende Schriften). Angesichts der oben angeführten Aussagen ist zu bemerken, dass die prinzipielle Problematik der Bibel seit jeher wahrscheinlich in Auslassungen begründet waren. Der verbleibende Text ist wahrscheinlich generell in sich richtig, aber viele wichtige Lehren (als Folge des Verlusts einzelner Wörter, Verse, längerer Passagen, oder in manchen Fällen sogar ganzer Büchern) fehlen heute.
VOLLMACHT ZU ÜBERSETZEN. Der Prophet Joseph Smith behauptete göttlich beauftragt zu sein, eine inspirierte Wiedergabe, oder wie er es bezeichnete, eine „neue Übersetzung“ der Bibel zu machen. Auszüge aus seinen Aufzeichnungen veranschaulichen diesen Auftrag. Nachdem er zehn Monate lang von Zeit zu Zeit an den frühgeschichtlichen Kapiteln in Genesis gearbeitet hatte, erhielt Joseph Smith am 7. März 1831 eine Offenbarung vom Herrn. Er solle mit der Arbeit am Neuen Testamnent beginnen: „Es ist euch nicht gewährt, noch Weiteres über dieses Kapitel zu wissen, bis das Neue Testament übersetzt ist; und darin wird dies alles kundgetan werden; darum gewähre ich dir, es jetzt zu übersetzen“ (LuB 45:60-61). Das Manuscript der JSÜ zeigt, dass Joseph Smith am nächsten Tag mit der Übersetzung von Matthäus begann. Am 1. Dezember 1831 machte der Prophet den folgenden Eintrag in sein Tagebuch: „Ich fuhr mit der Übersetzung der Schriften fort und arbeitete weiter an diesem Teil meiner Berufung mit Bruder Sidney Rigdon als Schreiber“ (HC 1:238-39). Am 16. Februar 1832 berichtete er von einer Offenbarung, die sich auf die Auferstehung der Toten bezog. Der folgende Bericht enthält seine göttliche Bestimmung zu übersetzen: „Denn als wir [Joseph Smith and Sidney Rigdon] mit der Übersetzungsarbeit beschäftigt waren, die der Herr uns aufgetragen hatte, kamen wir zu dem neunundzwanzigstem Vers im fünften Kapitel des Johannes“ (LuB 76:15). Am 8. März 1833 berichtete er von dem Wort des Herrn, der zu ihm sprach: „Und wenn ihr die Übersetzung der Propheten [des Alten Testaments] beendet habt, sollt ihr hinfort über die Angelegenheiten der Kirche und der Schule präsidieren“ (LuB 90:13). Am 6. Mai 1833 erhielt Joseph Smith folgende Offenbarung: „Es ist mein Wille, dass ihr euch beeilt, meine Schriften zu übersetzen“ (LuB 93:53). Obwohl die Auflistung nicht vollständig ist, erläutern die vorangehenden Einträge den Anspruch Joseph Smiths auf eine göttliche Bestimmung, das Alte und das Neue Testament zu übersetzen.
ARBEITSABLAUF UND ZEITRAHMEN. Als Joseph Smith 1830 mit seiner Arbeit begann, wusste er nichts über biblische Sprachen. Seine Übersetzungsarbeit unterschied sich deutlich von der üblichen Verfahrensweise eines Gelehrten, denn er übersetzte mittels Offenbarung und benutzte nur den englischen Text. Er hinterließ keine Beschreibung seines Übersetzungsverfahrens, aber es scheint, dass er in der KJB las und einem Schreiber Änderungen diktierte.
Joseph Smith hatte verschiedene Schreiber. Das Manuscript zeigt, dass Oliver Cowdery als erster Schreiber zwischen Juni und Oktober 1830 arbeitete. Er dokumentierte eine einführende Offenbarung (Mose 1) und die Übersetzung der KJB von Genesis 1:1 bis Genesis 4:18. John Whitmer diente als zweiter Schreiber von Oktober bis Dezember 1830 und schrieb die Übersetzung der KJB von Genesis 4:19 bis etwa Genesis 5:20 auf. Sidney Rigdon war der nächste Hauptschreiber. Er arbeitete von Anfang Dezember 1830 bis die Übersetzung am 2. July 1833 abgeschlossen war. Er dokumentierte größtenteils die Übersetzung von Genesis 5:21 bis zum Ende der KJB, obwohl auch andere [whärend dieser Zeit] kurze Teile niederschrieben.
Sie benutzten eine große Ausgabe der KJB (23 cm mal 28 cm mal 5 cm), die 1828 von der H. und E. Phinnez Company of Cooperation in New York gedruckt worden war. Diese Ausgabe enthielt die Apocryphen des Alten Testaments. (Ein Vermerk auf dem Deckblatt, der scheinbar Joseph Smiths Handschrift entspricht, spricht dafür, dass sie im Egbert B. Grandin Buchladen in Palmyra, New York, am 8. Oktober 1829 für $3.75 gekauft wurde). Dieses Exemplar der Phinney Bibel enthält hunderte Vermerke mit Bleistift und Tinte geschrieben. Hauptsächlich bestehen diese aus Häkchen oder Kreuzen, um verschiedene Stellen zu markieren, die revidiert werden sollten. Ebenso sind eine Anzahl von kursiv geschriebenen Wörtern in der KJB ausgestrichen, wobei es sich gewöhnlich um Wörter handelt, die im Griechischen oder Hebräischen klar verständlich sind. Revisionen wurden nicht direkt auf den Bibelseiten vermerkt, sondern auf Papierblättern festgehalten und mit der jeweiligen Literaturstelle gekennzeichnet. Das Manuscript ist von Genesis 1:1 bis Genesis 24 und von Matthäus 1:1 bis Johannes 5 vollständig. Darunter gibt es auch Kapitel, die nicht geändert wurden. Schließlich wurde ein schnelleres und effizienteres Verfahren verwendet, bei dem nur die Korrekturen aufgeschrieben wurden. Diese bestanden manchmal nur aus ein oder zwei Wörtern. Die Markierungen in der Bibel, die die zu übersetzenden Verse kennzeichnen, tauchen nur in den Bereichen auf, wo die kürzere Methode angewandt wurde. Das Manuskript besteht aus etwa 43 mal 35 cm großen Blättern, die zusammengefaltet eine jeweilige Seitengröße von etwa 35 mal 20 cm ergeben. Eine geeignete Menge Manuskriptseiten wurde in der mittleren Falte einmal zusammengenäht. Das gesamte Manuskript besteht aus 477 Seiten.
Das genaue Datum, an dem die Übersetzung begonnen wurde, ist nicht bekannt. Allerdings wird es mit der Offenbarung im Juni 1830 in direkten Zusammenhang gebracht. Diese Offenbarung enthält einen Bericht von Visionen, die Mose empfing, ehe er das Buch Genesis zusammenstellte (siehe Mose 1). Die Arbeit ging vom Juni 1830 bis zum 2. Juli 1833 weiter. Genesis 1-17 wurde zwischen Juni 1830 und dem 7. März 1831 als erstes übersetzt. Danach empfing Joseph Smith die Offenbarung, die ihn anwies das Neue Testament zu „übersetzten“ (LuB 45:60-62). Er fing mit Matthäus 1:1 an. Für wenige Tage scheint die Übersetzung von Genesis und Matthäus weitergegangen zu sein, aber das Alte Testament wurde anschließend beiseite gelegt, möglicherweise am Ende von Genesis 24, um bevorzugt am Neuen Testament arbeiten zu können. Die Übersetzungsarbeit ging bis zum 2. Februar 1833 fortlaufend weiter das ganze Neue Testament hindurch. Der restliche Teil des Alten Testaments (Genesis 25 bis Maleachi) wurde danach übersetzt und fünf Monate später fertiggestellt. Als Antwort auf sein Gebet, in dem er den Herrn fragte, ob er die Apocryphen übersetzen sollte, empfing Joseph Smith am 9. März 1833 eine Offenbarung. Diese besagte, dass er jene nicht zu beachten brauche: „sie sind im wesentlichen richtig übersetzt“, obwohl es einige Fehler gibt und „Hinzufügungen von Menschenhand“ (LuB 91:1-2).
Wenn man die Daten auf den Manuskripten der JSÜ mit den Daten ähnlicher Offenbarungen aus Lehre und Bündnisse und den Daten und Ereignissen in Joseph Smiths Tagebucheintragungen vergleicht, deuten diese auf ein unregelmäßiges Arbeiten Hin und Her zwischen dem Altem und Neuen Testament hin. Dies entspricht der obigen Erklärung und nicht einer beständigen Übersetzungsarbeit von Genesis bis zur Offenbarung des Johannes. Ebenso entsprechen die variierenden wechselnden Handschriften im Manuskript dem erwähnten Abwechseln derer, die als Schreiber arbeiteten. Obgleich der Großteil der Übersetzung bis zum 2. Juli 1833 vollendet war, war die bisherige Arbeit nur ein vorläufiger Entwurf. Als man das Manuskript später durchsah und für dessen Veröffentlichung vorbereitete , nahm man weitere Revisionen, Verfeinerungen und Änderungen vor.
Nach Joseph Smiths Tod im Juni 1844 waren die markierte Phinney Bibel und das 477 Seiten lange Manuskript im Besitz seiner Witwe Emma Smith. Im Frühling 1845 bei Nauvoo, Illinois,
ließ sie Dr. John M. Bernhisel die Unterlagen durchsehen. Bernhisel berichtete später, dass er eine vollständige Kopie der Markierungen in der Bibel und eine ausführliche, jedoch unvollständige, Kopie der Manuskripteinträge gemacht hatte (Matthews, 1975, S. 118). Das Bernhisel Manuskript befindet sich in der Geschichtsabteilung der Bibliothek der Kirche der Heiligen der Letzten Tage in Salt Lake City. Wo sich die von Bernhisel markierte Bibel befindet, ist jedoch nicht bekannt. Emma Smith gab im Jahre 1866 die Phinney Bibel und das Originalmanuskript einem Veröffentlichungskomitee der Reorganisierten Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (RHLT Kirche). Diese sind heute in der Verwahrung der RHLT Kirche in Independence, Missouri.
VERÖFFENTLICHUNG. Obwohl Auszüge der JSÜ in Kirchenzeitungen veröffentlicht wurden, wurde zu Joseph Smiths Lebzeiten nie das gesamte Werk veröffentlicht. Er hatte sich jedoch bemüht dies zu erreichen. Ablenkungen wie Verfolgung, Kirchenangelegenheiten und das Fehlen finanzieller Mittel hielten ihn jedoch davon ab, ein druckbereites Manuskript zu vervollständigen und zu autorisieren (Matthews, S. 57-63).
Nach beachtlichem Bemühen und groβem Aufwand veröffentlichte die Reorganisierte Kirche 1867 eine urheberrechtlich geschützte Ausgabe der Bibel unter dem Titel Heilige Schriften. Darin ist die Übersetzung des Propheten in das Format des KJB Textes eingegliedert. Darauf folgten viele anschließende Drucke, alle von denselben stereotypischen Platten. 1936 veröffentlichte die Reorganisierte Kirche eine Ausgabe für Lehrer, die Studienhilfen enthielten. Zu dieser Zeit wurde der Untertitel „Inspirierte Version“ hinzugefügt, obwohl der Text gleich geblieben war und der Ausgabe von 1867 entsprach. 1944 veröffentlichte die Reorganisierte Kirche eine „Neu Korrigierte Ausgabe“, worin mindestens 352 Verse abgeändert worden waren, um drucktechnische und abwertende Fehler der Ausgabe von 1867 zu korrigieren. Diese Korrekturen bezogen sich auf Details, obwohl sie in einigen Fällen die Bedeutung von Schriftstellen deutlich beeinflussten, wodurch der gedruckte Text mehr mit dem Manuskript in Einklang gebracht wurde. 1970 erstellte das Verlagshaus der Reorganisierten Kirche eine Ausgabe mit parallelen Textspalten aus der Inspirierten Version und der King James Version.
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat nie die gesamte Joseph Smith Übersetzung der Bibel veröffentlicht. Teile von Genesis und Matthäus, die während der Zeit, als Joseph Smith in Kirtland und Nauvoo war, verteilt wurden, sind in der Köstlichen Perle enthalten unter dem Titel Buch Mose (JSÜ Gen. 1 bis 8:18) und der Joseph Smith Version von Matthäus (JSÜ Matt. 24). Umfangreiche Teile der JSÜ Genesis 1-5 und ein einzelner Auszug aus jeweils Römer und Hebräer wurden für Predigten zum Thema Glaube verwendet und sind immer noch darin enthalten. 1979 veröffentlichte die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage eine Ausgabe der King James Version mit hunderten Fuβnoten und einem Anhang im Umfang von 17 Seiten, die Auszüge der JSÜ enthielten (siehe LDS Veröffentlichung der Bibel).
AUSMAβ DER ÄNDERUNGEN. Joseph Smith machte umfangreiche Korrekturen und fügte Erweiterungen hinzu zu den Büchern Genesis, Exodus, Psalmen, Jesaja, Matthäus, Lukas, Römer, 1 Korinther, Galater, Hebräer, Jakobus, 2 Petrus und Offenbarung. Er machte auch viele Veränderungen in den Schriften der Propheten aus dem Alten Testament sowie in Markus, Johannes, Apostelgeschichte und einigen anderen Briefen. Er machte keine Äderungen in Rut, Esra, Ester, Kohelet, Klagelieder, Obadja, Micha, Habakuk, Zefanja, Haggai, Maleachi, Philemon, 2 Johannes und 3 Johannes. In allen anderen Büchern der Bibel machte er ein paar Korrekturen, wobei er das Lied Salomons als nicht inspirierte Schrift verwarf.
TITEL. Joseph Smiths Bearbeitung der Bibel ist unter verschiedenen Titeln bekannt. Die Offenbarungen in Lehre und Bündnisse nennen sie eine „Übersetzung“ (LuB 37:1, 90:13). Joseph Smith gab ihr den Namen „neue Übersetzung“, worunter sie auch in der frühen Literatur der Kirche bekannt ist. Die Reorganisierte Kirche veröffentlichte die Arbeit unter dem Titel „Heilige Schriften“ mit dem später beigefügten Untertitel „Inspirierte Version“ . Viele nennen sie eine „inspirierte Revision“. 1978 gab die Kirche Jesu Christi ihr offiziell den Namen „Joseph Smith Übersetzung“ bzw. JSÜ als Abkürzung.
BEITRÄGE DER JSÜ. Man muss zwischen der Herstellung und dem Endprodukt der JSÜ unterscheiden, um ihren Beitrag abzuschätzen. Die Übersetzungsarbeit war aufschlussreich und lehrreich, wodurch der Prophet Joseph Smith sein Wissen und seine Erkenntnis der Lehre erweiterte (vgl. LuB 45:60-61). Die Beiträge gehen daher über den jeweiligen biblischen Text hinaus, der den Arbeitsvorgang begonnen haben mag. Zu den Lehren der Kirche der HLT, die sich aus der Übersetzungsarbeit der JSÜ ergaben, gehören das Errichten Zions nach dem Muster der Stadt Enochs, das Alter der Verantwortlichkeit von Kindern mit der Taufe im Alter von 8 Jahren, die umfangreiche Offenbarung über die Grade der Herrlichkeit und Vielehe (beinhaltet auch celestiale, ewige Ehe) und verschiedene Einzelheiten zur Organisation und Verantwortung des Priestertums. Diese und weitere Lehren wurden oft während der Übersetzungsarbeit und danach durch aufeinanderfolgende Offenbarungen gegeben, die nun in Lehre und Bündnisse enthalten sind. Die Offenbarungen in Lehre und Bündnisse, die der Prophet während dieser Zeit empfing, sind Abschnitte 76, 77, 86, 91 sowie Teile in 107 und 132. Auf diese Weise hat die JSÜ das geistige Leben jedes Mitglieds der Kirche beeinflusst, wobei die meisten Mitglieder nichts von der JSÜ wussten.
Das handfeste Werk, die gedruckte JSÜ, besteht aus einer Bibel, die Tausende von einzelnen Korrekturen, Zusätzen und Versionen enthält. Viele Heilige der Letzten Tage betrachten diese Version der Bibel als die richtigste, verfügbare Version und nutzen sie daher als eine wertvolle Quelle für biblischees Verständnis. Dennoch hat die JSÜ durch ihre aufschlussreiche Wirkung auf Joseph Smith und die nachfolgenden Offenbarungen, die durch ihn gegeben wurden, sowohl Lehre als auch Praxis der Kirche geprägt. Die meisten Offenbarungen, die die Lehre und Organisation der Kirche bestimmt haben und nun in Lehre und Bündisse veröffentlicht sind, erhielt Joseph Smith während der Zeit als er die Bibel übersetzte (1830-1833).
Viele Einträge im Buch Lehre und Bündnisse stehen in direktem Zusammenhang mit der Übersetzungsarbeit der JSÜ. Diese gaben dem Propheten Anweisung in Bezug auf Angelegenheiten mit der Übersetzung, die Auswahl von Schreibern, wenn mit der Übersetzung fortgefahren werden sollte, welche Teile der Bibel als nächstes bearbeitet werden sollten, wann die Arbeit beiseite gelegt werden sollte, damit er sich um andere Angelegenheiten kümmern konnte, sowie andere solche Angaben. Diese Einträge enthalten jedoch keine Zitate aus der JSÜ. Diese Art von ähnlichen Angaben sind in den Kapitelüberschriften der Abschnitte 35, 71, 76, 77, 86 und 91 zu finden, sowie in den folgenden Textstellen: LuB 9:2, 35:20, 37:1, 41:7, 42: 56-58, 45:60-62, 73:3, 76:15-18, 77:1-15, 86:1-11, 93:53, 94:10, 104:58 und 124:89. Die Köstliche Perle bietet Teile der JSÜ und enthält zwei Auszüge aus dem Text der JSÜ, dem Buch Mose und Joseph Smith – Matthäus.
WESENTLICHE LEHRTHEMEN. Die meisten Stellen, die Joseph Smith revidierte oder hinzufügte, sind von lehrmäßiger Bedeutung. Einige Hauptthemen der vielen individuellen Themen sind (1) eine Hervorhebung der Mission und Göttlichkeit Jesu Christi im Alten und Neuen Testament, (2) das Wesen Gottes, (3) die Unschuld von Kindern, (4) der Plan der Erlösung, (5) das Vorirdische Leben, (6) das heilige Priestertum und Zeugnisse der Patriarchen, (7) das Wirken Enochs und Melchisedeks und (8) Erläuterungen doppeldeutiger Stellen, Beseitigung einiger Widersprüche zwischen biblischen Texten und Erklärungen von Begriffen und Formulierungen.
Der restliche Teil dieses Artikels beschäftigt sich mit repräsentativen Stellen von derartigen Aussagen, die nur in Joseph Smiths Bibelübersetzung zu finden sind.
Der Zweck der JSÜ ist Kenntnisse zu vermitteln, die nicht in anderen Bibeln gefunden werden und sind auf diese Weise erklärend und lehrreich.
1. Jesus Christus betonen. Die JSÜ betont, dass das Evangelium Jesu Christi im frühesten Zeitalter der Menschheit gepredigt wurde. Gemäß der JSÜ von Genesis 1-8 (als Mose 1-8 in der Köstlichen Perle veröffentlicht) predigten Adam, Enoch, Noach und die anderen Patriarchen Rechtschaffenheit und lehrten das Evangelium Jesu Christi, insbesondere Glauben, Umkehr, Taufe und das Empfangen des Heiligen Geistes.
Die JSÜ erklärt, dass Adam von einem Engel des Himmels Belehrung empfing. Er wurde angewiesen ein Tieropfer als Sinnbild und Symbol für das sühnende Opfer darzubringen, welches der Sohn Gottes vollbringen würde. Adam wurde im Evangelium unterwiesen, durch Untertauchen getauft, empfing den Heiligen Geist und wurde aus Geist geboren (Mose 5,6).
Enoch wusste auf ähnliche Weise vom Evangelium Jesu Christi. Er wurde zu demselben Priestertum, das Adam hatte, ordiniert und lehrte andere diese Prinzipien. Enoch empfing eine Vision, die eine Geisterwelt und zukünftige Ereignisse auf Erden von jenem Tag an bis zum zweiten Kommen Jesu Christi enthielt. Er präsidierte in einer Stadt rechtschaffener Menschen, die Zion hieß. Die Stadt Zion wurde entrückt und in den Himmel aufgenommen (Mose 6-7; siehe Entrückte Wesen).
Noach predigte ebenfalls Rechtschaffenheit und wurde zu demselben Priestertum wie Adam und Enoch ordiniert. Er lehrte seine Zeitgenossen das Evangelium Jesu Christi, insbesondere Glauben, an Jesus Christus, Taufe und das Empfangen des Heiligen Geistes (Mose 8:12-25).
Die JSÜ des Neuen Testaments stellt ein etwas aussagekräftigeres Erscheinungsbild Jesu dar als die King James Bibel. Es lassen sich folgende Beispiele finden: In der KJB fragen die weisen Männer Herodes nach der Geburt von einem „König der Juden“ (Matt. 2:2). In der JSÜ stellen sie eine ausführlichere Frage: „Wo ist das Kind, das geboren ist, der Messias der Juden?“ (JSÜ Matt. 3:2). [JSÜ Versionen werden hier und weiterhin kursiv geschrieben.] Als sich Herodes bei den Schriftgelehrten erkundigte, erfährt er, dass es geschrieben steht, dass Christus in Betlehem geboren werden sollte, „denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel“ (Matt. 2:6). In der JSÜ heißt es: „Denn aus dir wird der Messias hervorkommen, der mein Volk Israel erretten wird“ (JSÜ Matt. 3:6).
In der JSÜ befindet sich eine Übergangsstelle, zu der es keinen entsprechenden Teil in der KJB gibt. Diese ist zwischen dem Ende von Matthäus Kapitel 2 und dem Anfang von Matthäus Kapitel 3 der KJB eingefügt:
Und es begab sich, dass Jesus mit seinen Brüdern aufwuchs, stark wurde und auf den Herrn wartete, wenn die Zeit seines Wirkens kommen sollte. Und er diente seinem Vater und sprach nicht wie andere Menschen, auch konnte er nicht belehrt werden, denn er brauchte keine Unterweisung von Menschen. Und nach vielen Jahren kam die Stunde seines Wirkens näher [JST Matt. 3:24-26].
Als Jesus im Alter von zwölf Jahren im Tempel lehrte, berichtet die KJB (Lukas 2:46) über ihn: „er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen.“ Die JSÜ besagt, „sie hörten ihm zu und stellten ihm Fragen“ (JSÜ Lukas 2:46).
Der Bericht in der KJB erzählt von den 40 Tagen, die Jesus in der Wüste verbrachte, denn „dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger“ (Matt. 4:1-2). In der JSÜ heisst es: „Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste geführt, um mit Gott zu sein. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte und mit Gott war, wurde er ein Hungernder, der zurückblieb, um vom Teufel versucht zu werden“ (JSÜ Matt. 4:1-2). Der Bericht von Lukas (KJB) besagt: „Darauf führte ihn der Geist vierzig Tage lang in der Wüste umher, und dabei wurde Jesus vom Teufel in Versuchung geführt“ (Lukas 4:1-2). In der JSÜ steht: „Und nach vierzig Tagen kam der Teufel zu ihm, um ihn in Versuchung zu führen“ (JSÜ Lukas 4:2).
Die KJB sagt aus, dass „der Teufel“ Jesus „mit sich“ nahm und er „stellte ihn oben auf den Tempel“ und „führte ihn auf einen sehr hohen Berg“ (Matt. 4: 5-8; Lukas 5:4-9).
In der KJB steht in Johannes 3:23, dass Jesus Taufen vollzog, aber Johannes 4:2 verneint größtenteils das Handeln Jesu als Täufer: „allerdings taufte nicht Jesus selbst, sondern seine Jünger“. Die JSÜ besagt: „Doch taufte er nicht so viele wie seine Jünger, denn er gab ihnen ein Beispiel, einander zu bevorzugen“ (JSÜ Johannes 4:3-4).
In vielen Stellen der JSÜ werden die Gleichnisse Jesu angesprochen. Eine der wichtigsten Aussagen darüber wird als die Worte Jesu selbst dargestellt. Darin erklärt er, warum er Gleichnisse gebrauchte, um die geitige Botschaft zu verhüllen, als er zu gewissen Menschen sprach: „Höret ein weiteres Gleichnis, denn wegen euch, die nicht glauben, spreche in in Gleichnissen; so dass euch gemäß eurer Unrechtschaffenheit gegeben wird“ (JSÜ Matt. 21:34).
In Markus 7:22-24 (KJB) betritt Jesus ein Haus, „wollte aber, dass niemand davon erfuhr; doch es konnte nicht verborgen bleiben“. Mark 7:22-23 in der JSÜ berichtet: „und er wollte, dass kein Mensch zu ihm komme. Aber er konnte sie nicht verleugnen; denn er hatte Mitgefühl für alle Menschen“.
Lukas berichtet, dass Jesus während er am Kreuz war ausrief „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (KJB Lukas 23:34). Die JSÜ fügt eine eingeschobene Erklärung hinzu: „(er meinte die Soldaten, die ihn kreuzigten)“ (JSÜ Lukas 23:35).
2. Gottes Angelegenheiten mit der Menschheit. Zu den Stellen in der JSÜ, die sich auf Gottes Angelegenheiten mit den Menschen beziehen, gehören folgende: In Genesis 6:6 (KJB) steht, dass „es den Herrn [reute], auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh“. Die JSÜ übersetzt die Stelle in Genesis 8:13 (Mose 8:25) folgendermaßen: „Und es reute Noach, und das Herz tat ihm weh, daß der Herr den Menschen auf Erden gemacht hatte“. Exodus 7:3; 13; 9:12; 10:1, 20 (KJB) sagen alle aus, dass Gott das Herz des Pharaos verhärten wird. In jedem dieser Fälle steht in der JSÜ, dass der Pharao sein eigenes Herz verhärten wird:
In Jesaja 63:17 (KJB) steht: „Warum lässt du uns, Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart“. In der JSÜ steht: „Warum lässt du es zu, dass wir irren und unser Herz verhärten“.
In Matthäus 6:13 (KJB) steht: „Und führe uns nicht in Versuchung“, wohingegen in der JSÜ steht „lass uns nicht in Versuchung geführt werden“ (JSÜ Matt. 6:14).
3. Unschuld von Kindern. Viele Stellen beziehen sich auf die Natur des Menschen im Verhältnis zum Fall Adams, seiner Entscheidungsfreiheit und Verantwortlichkeit vor Gott. Beispielsweise, was die Unschuld von Kindern betrifft, sagt die JSÜ aus, dass der Herr in den Tagen Adams offenbarte, „der Sohn Gottes habe die ursprüngliche Schuld gesühnt, wodurch die Sünden der Eltern nicht auf dem Haupt der Kinder zu verantworten sind, denn diese sind von der Grundlegung der Welt an heil“ (JSÜ Gen. 6:56; Nose 6:54). Der Herr sagte zu Abraham, „Kinder sind vor mir nicht verantwortlich, bis sie acht Jahre alt sind“ (JSÜ Gen. 17:11). Matthäus 18:11 in der KJB besagt in Bezug auf Kinder: „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu retten, was verloren ist“. Die JSÜ fügt hinzu: „und um Sünder zur Umkehr zu rufen; aber diese Kleinen brauchen keine Umkehr, und ich werde sie erretten“.
4. Die Schriften von Paulus. Die JSÜ bietet viele Erklärungen in Bezug auf die Lehren im Neuen Testament, die Paulus beigemessen werden. Einige davon lauten wie folgt:
1 Korinther 14:35 (KJB) berichtet wie Paulus schreibt: „denn es gehört sich nicht für eine Frau, vor der Gemeinde zu reden“. Die JSÜ besagt: „für Frauen, in der Kirche zu bestimmen“.
In Hebräer 6:1 (KJB) steht: Darum wollen wir beiseite lassen, was man zuerst von Christus verkünden muss, und uns dem Vollkommeneren zuwenden“. In der JSÜ steht „nicht beiseite lassen“.
Hebräer 7:3 (KJB) erweckt den Eindruck, dass der Prophet Melchisedek „ohne Vater, ohne Mutter und ohne Stammbaum ist, ohne Anfang seiner Tage und ohne Ende seines Lebens“. Die JSÜ sagt aus, dass es sich dabei nicht um den Mann Melchisedek handelt, sondern um sein Priestertum, das ohne Stammbaum oder Verminderung war und somit sich vom Levitischen (Aaronischen) Priestertum unterschied.
Gemäß 1 Timotheus 3:15-16 (KJB) soll Paulus gesagt haben, dass die Kirche „die Säule und das Fundament der Wahrheit ist“. In der JSÜ ist es Jesus, wie Gott es im Fleische offenbarte, der „die Säule und das Fundament der Wahrheit“ ist.
[Siehe auch andere Stellen der JSÜ in den Anhängen, Vol. 4.]
BIBLIOGRAPHIE
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