Eliza R. Snow (1804-1887), von Joseph SMITH »die Dichterin Zions« genannt, ist noch heute für ihre Kirchenliedertexte bekannt, von denen im englischen Gesangbuch der Kirche (1985) zehn Lieder enthalten sind. Im deutschen Gesangbuch (Ausgabe von 1996) sind sechs Lieder von Eliza R. Snow enthalten. Das Lied »O mein Vater«, das 1845 in Nauvoo veröffentlicht und zu verschiedenen Melodien gesungen wurde, war von Anfang an ein Lieblingslied der Heiligen der Letzten Tage. Die Vertonungen von Snows Gedichten »Wie groß die Weisheit und die Lieb« sowie »Ihr Heilgen, schauet auf zu Gott« werden auch immer wieder gerne gesungen. Eliza R. Snows bedeutendstes Vermächtnis war aber nicht ihre Gedichte, sondern der im Jahr 1867 erhaltene Auftrag, die Frauenhilfsvereinigung kirchenweit wieder auf die Beine zu stellen, ihre Arbeit in der Gemeinschaftlichen Fortbildungsvereinigung Junger Damen (später in »Junge Damen« umbenannt), in der Primarvereinigung und in anderen wirtschaftlichen und kirchlichen Vereinen. Eliza R. Snows Stellung als »Hauptmann der weiblichen Heerscharen Utahs« war unbestritten.
Von Zeitgenossen wurde Eliza R. Snow als mittelgroß und sehr zierlich beschrieben. Trotz des silbrigen Schimmers ihrer braunen Haare sah sie mit sechzig Jahren noch wie eine Vierzigjährige aus. Sie hatte dunkle Augen und eine hohe Stirn und trug ständig eine Haube auf ihrem in der Mitte gescheitelten Haar, sowie herabhängende Ohrringe. Sie war ein ruhiger und würdevoller Mensch, einfach gekleidet, ernst, damenhaft und im Wesen eher kühl, wie mehrere ihrer Zeitgenossen anmerkten. Als Siebzigjährige wirkte ihr nun von Falten durchzogenes Gesicht auf viele Menschen als eher hart. Die Beschreibung der achtzigjährigen Eliza R. Snow ist deswegen interessant, weil sie als geistig sehr rege, körperlich aktiv und unermüdlich wie eine nicht einmal halb so alte Frau beschrieben wurde. Sie war ihr Leben lang stets ordentlich und reinlich und verfügte über tadellose Manieren »nach der alten Schule«. Ihre Kritiker hielten sie für eine religiöse Fanatikerin, ihre Freunde wiederum bewunderten ihre Genauigkeit und ihre Begeisterung bei der Verteidigung ihres Glaubens.
Eliza Roxcy Snow (ihr zweiter Vorname wird oft fälschlicherweise »Roxey« geschrieben; meistens wurde jedoch einfach »Eliza R.« geschrieben) wurde am 21. Januar 1804 in Becket, Kreis Berkshire im Bundesstaat Massachussetts geboren und wuchs nach ihrem zweiten Lebensjahr in Mantua, Kreis Portage, in Ohio auf. Ihr Vater, Oliver Snow, stammte aus Becket und ihre Mutter, Rosetta Pettibone, aus Simsbury in Connecticut. Mit ihren beiden Töchtern Leonora und Eliza sowie Verwandten auf beiden Seiten der Familie war die Familie Snow 1806 eine der vielen Pionierfamilien, die die »Western Reserve« des nordöstlichen Ohio besiedelten. Sie rodeten Land für eine Farm und errichteten 1814 eines der ersten stabilen Wohnhäuser in Mantua. Oliver Snow war Stadt- und Kreisbeamter und seine Tochter Eliza half ihm als Jugendliche gelegentlich als Sekretärin.
Eliza war ein frühreifes Kind und sprachlich sowie beim Schreiben und Lesen ihren Altersgenossinnen weit voraus. Ihre ersten veröffentlichten Gedichte waren Oden im neuklassischen Stil des achtzehnten Jahrhunderts und zeigen, daß Eliza Snow in den Werken der Meister der englischen Literatur, Shakespeare und Milton, sowie in der Literatur der Antike gut belesen war. In ihrer Autobiographie beschrieb sie sich als »in der Küche geschult«, denn sie beherrschte die Künste der Haushaltsführung. Was ihre Schulbildung betraf, so hatte sie zwar die örtliche Grundschule besucht, aber im Gegensatz zu ihrem Bruder Lorenzo SNOW keine weiterführende Schule.
Eliza schreibt, in Ohio mehrere Freier gehabt zu haben; sie hat aber dort nicht geheiratet. Als Mitglied der Reformierten Baptistengemeinde des Sidney RIGDON lernte sie gemeinsam mit ihrer Familie ein Jahr nach seiner Ankunft in Ohio Joseph Smith kennen. Erst 1835 schloß sie sich nach ihrer Mutter und ihrer Schwester der Kirche an, da sie »erst alles bewiesen haben mußte«. Kurz nach ihrer Taufe zog sie nach KIRTLAND, wo sie mit Joseph und Emma Smith im gemeinsamen Haushalt lebte und deren sowie andere Kinder zu Hause unterrichtete. Sie war bei der Weihung des KIRTLAND-TEMPELS zugegen und hat diese schriftlich festgehalten. Sie kaufte in Kirtland ein Grundstück und ließ ihre Angehörigen nachkommen, war aber schon bald gezwungen, mit den anderen Heiligen der Letzten Tage nach Missouri zu ziehen.
Die Familie Snow ließ sich nördlich von FAR WEST in ADAM-ONDI-AHMAN nieder, konnte aber nur neun Monate bleiben, da sie und die übrigen Heiligen der Letzten Tage gezwungen waren, nach Illinois zu fliehen. In Illinois wurde die Familie in drei Teile getrennt: Lorenzo Snow ging in den amerikanischen Süden auf Mission, Elizas Eltern und die jüngeren Brüder zogen nach LaHarpe und Eliza und Leonora sowie deren beiden Töchter blieben in Quincy. Die dortige Zeitung Quincy Whig veröffentlichte einige der Gedichte Elizas, die sie zur Verteidigung der Heiligen der Letzten Tage verfaßt hatte.
Auf Einladung Sidney Rigdons zog Eliza R. Snow in die spätere Stadt Nauvoo um, wo sie wiederum als Schullehrerin tätig war. Obwohl sich ihr Vater ebenfalls in Nauvoo niederließ, verließ er schon bald die Kirche und zog mit seiner Familie nach Walnut Grove in Illinois, wo er und seine Frau Rosetta starben.
Allein in Nauvoo veröffentlichte Eliza mehrere Gedichte in verschiedenen HLT-Tageszeitungen. Als im März 1842 die Frauenhilfsvereinigung gegründet wurde, wurde sie gebeten, deren Statuten zu verfassen und als Sekretärin zu dienen. Als die FHV 1844 zu bestehen aufgehört hatte, hob Eliza R. Snow die Versammlungsberichte auf, die sich bei der Neugründung der FHV in Utah in den sechziger Jahren als unersetzliches Hilfsmittel erwiesen, da sie die Anweisungen Joseph Smiths an die Frauen enthielten.
Nicht einmal zehn Wochen nach Gründung der Frauenhilfsvereinigung in Nauvoo am 29. Juni 1842 ging Eliza R. Snow mit Joseph Smith die Mehrehe ein und lebte sechs Monate im Haus der Familie Smith. (Siehe MEHREHE.) Dort war sie wiederum als Lehrerin tätig und unterrichtete unter anderem auch die Kinder der Familie Smith. Nach Joseph Smiths Tod, zu dessen Zeitpunkt sie in der Dachkammer im Haus der Familie Markham lebte, heiratete sie Brigham YOUNG »für Zeit«. Seinen Namen nahm sie jedoch nie an und wurde auch als Eliza Roxcy Snow Smith beerdigt.
Eliza R. Snow überquerte mit der Familie Markham und zuletzt auch mit der Familie von Robert Pierce die Prärie und machte sich mit den anderen Pionieren auf die Reise in das Salzseetal. Den Winter, der zwischen den beiden Reisesaisonen lag, verbrachte sie krank in WINTER QUARTERS, Nebraska. Nach ihrer Genesung fand sie ihre Stelle unter den »führenden Schwestern«, jenen Ehefrauen und Töchtern der Kirchenführer, die jahrelang das Leben der HLT-Frauen in den Siedlungen Utahs prägen sollten. Sie reiste mit der größten Gruppe und erreichte am 9. Oktober 1847 das Salzseetal.
Über das erste Jahrzehnt ihres Lebens in Utah ist nur wenig bekannt. Susa Young GATES, die sie später kennenlernte, schrieb, daß Eliza Snow an Tuberkulose erkrankt war, von der sie in den späten fünfziger Jahren genas. In anderen Quellen wird eine weniger schwere Erkrankung erwähnt. Während der beiden ersten Jahrzehnte ihres Lebens in Utah schrieb und sammelte sie Gedichte, die sie dann in zwei Bänden veröffentlichte. Der erste, Poems: Religious, Historical, and Political erschien 1856 in Liverpool. Eliza Snows Ruf als Dichterin und Denkerin machte sie zum Mittelpunkt der weiblichen Intelligenz in Utahs Gesellschaft. Im Jahr 1856 gründete sie mit ihrem Bruder Lorenzo Snow eine polysophische Gesellschaft, wo sich eine ausgewählte Gruppe ihrer Freunde regelmäßig traf, um einander Verschiedenes darzubieten. Einige der tiefsinnigsten Gedichte von Eliza R. Snow wurden für diese Anlässe verfaßt. Einige Führer der Kirche nahmen an dieser Gesellschaft jedoch Anstoß, und daher wurde sie 1856 aufgelöst.
Im selben Jahr wie die Gründung der »Polysophischen Gesellschaft« entstanden in mehreren Gemeinden von Salt Lake City einzelne FHV-Gruppen, was kurze Zeit später von Brigham Young offziell gefördert wurde. Eliza Snow hatte damit nur am Rand zu tun und da nur in ihrer eigenen Gemeinde (der Gemeinde Salt Lake City 18). Diese FHV-Gruppen lösten sich jedoch wegen des Utah-Krieges (siehe UTAH-EXPEDITION) fast alle wieder auf und nur ganz wenige bestanden weiter.
Nach Ende des amerikanischen Bürgerkrieges befand Präsident Young es im Dezember 1866 für nötig, daß sich die Frauen wieder in einer Vereinigung zusammenfinden sollten und berief Eliza R. Snow dazu, dieser nun kirchenweiten Vereinigung vorzustehen, und so entstand die Frauenhilfsvereinigung, wie es sie noch heute gibt, nämlich mit einer zentralen Leitung, deren Anweisungen überall dort an Pfahl- und Gemeindebeamtinnen ergehen, wo die Kirche besteht. Zuerst war die FHV eher locker organisiert und funktionierte durch das bestehende Netzwerk von Frauen, ehe die Vollmachtslinien genau festgelegt wurden, in deren Mittelpunkt stets »Schwester Snow« bzw. »Tante Eliza« (wie sie genannt wurde) stand, die entweder persönlich oder durch Abgesandte die Frauen in den vielen Siedlungen unterwies, unterstützte oder ermutigte. Die Versammlungen der »Cooperative Junior and Senior Retrenchment Society«, die 1869 gegründet wurde, um Fleiß und HEIMARBEIT zu fördern, fanden vierzehntägig im Gemeindehaus der 14. Gemeinde statt und dienten als erste Versammlungen der Schwestern. Im Laufe der Zeit wurden diese durch geregelte Einzelorganisationen ersetzt.
Unter Eliza R. Snows Leitung als »Präsidentin der Frauenorganisationen« standen ab 1884 sowohl die Frauenhilfsvereinigung als auch die Gemeinschaftliche Fortbildungsvereinigung junger Damen sowie die Primarvereinigung, die sie alle hatte gründen geholfen. Sie war auch für die Arbeit der Frauen im Endowment House zuständig sowie Mitglied des Beratungsausschusses des Woman's Exponent, einer vierzehntägig erscheinenden Zeitung für HLT-Frauen, die von Lula Greene (Richards) und Emmeline B. Wells herausgegeben wurde.
Auch verschiedene besondere Projekte standen unter Eliza R. Snows Leitung, so zum Beispiel die Idee, Frauen verstärkt zum Medizinstudium anzuregen, ebenso die Durchführung von Hebammen- und Krankenpflegekurse, die Begehung der Hundertjahrfeier der USA durch Handarbeitsprojekte, die im Frauenkommissionsladen zum Kauf angeboten wurden, die Arbeit an dem gemeinsam mit Edward Tullidge verfaßten Manuskript des in New York erschienenen Buches Women of Mormondom sowie die Gründung des ersten in Kirchenbesitz stehenden Krankenhauses – das DESERET-KRANKENHAUS.
Zusätzlich zu ihrem öffentlichen Wirken arbeitete Eliza R. Snow an privaten Projekten. Sie schrieb bzw. war die Herausgeberin neun verschiedener Bücher, unter anderem ihrer beiden Gedichtbände, einer Biographie ihres Bruders Lorenzo Snow, einer Sammlung ihrer Briefe während ihrer Reise nach Europa und Palästina in den Jahren 1872/1873 sowie von fünf Lehrbüchern für Kinder.
Bereits zu Lebzeiten wurde sie während ihrer vielen Reisen in die Pioniersiedlungen durch Feste, Geburtstagsfeiern, Lobgedichte und Bitten um Ansprachen vor weiblichem als auch männlichem Publikum geehrt. Es existieren Berichte über von ihr vollzogene Heilungen, Segen und Prophezeiungen. Ihre Anweisungen an Frauengruppen wurden als verbindlich betrachtet. Als Eliza R. Snow 1881 von der Frauenhilfsvereinigung der Gemeinde Kanab als »Präsidentin der weiblichen Hälfte des Menschengeschlechts« und »leitende Priesterin dieser Evangeliumszeit« bezeichnet wurde, war dies keinesfalls eine Übertreibung. (Woman's Exponent 9, 1. April 1881, S. 165.) Noch zwanzig Jahre nach Eliza R. Snows Tod im Jahr 1887 wurden die PV-Kinder dazu angehalten, »dem Propheten, dem Priestertum und Eliza R. Snow« Hochachtung entgegenzubringen.
BIBLIOGRAPHIE
Autobiographisches:
Es existieren drei handschriftliche Tagebücher sowie eine Autobiographie. Zwei Tagebücher befinden sich in den Huntington Libraries, San Marino, Kalifornien, das dritte in den Archiven der Kirche. Die Autobiographie befindet sich in der Bancroft Library in Berkeley, Kalifornien. Obige Werke wurden bisher mehr oder weniger vollständig abgedruckt, und zwar als »Trail Journals 1846-1849« in Fortsetzungen in der Zeitschrift Improvement Era, 1943-1944; »Sketch of My Life«, in Relief Society Magazine, März bis Oktober 1944; auszugsweise auch bei Edward Tullidge, Women of Mormondom (New York, 1877). Teile der »Trail Journals« sind in Eliza R. Snow: An Immortal (Salt Lake City, 1957) abgedruckt. Eliza R. Snows Nauvoo-Tagebuch und Notizbuch aus den Jahren 1842-1844 wurden in BYU Studies 15, Sommer 1975, S. 391-414 als »Eliza R. Snow's Nauvoo Journal« abgedruckt.
Eliza R. Snows Werke:
Poems, Religious, Historical, and Political, 2 Bde. Liverpool, 1856 und Salt Lake City, 1877.
Correspondence of Palestine Tourists. … Überarbeitung, Salt Lake City, 1875.
Biography and Family Records of Lorenzo Snow. … Salt Lake City, 1884.
Werke über Eliza R. Snow:
Beecher, Maureen Ursenbach. »The Eliza Enigma.« Dialogue: A Journal of Mormon Thought 11, Frühjahr 1978, S. 30-43.
---. »`The Leading Sisters': A Female Hierarchy in Nineteenth Century Mormon Society.« Journal of Mormon History 9 (1982), S. 26-29.
---. »Leonora, Eliza, and Lorenzo: An Affectionate Portrait of the Snow Family.« Ensign 10, Juni 1980, S. 64-69.
---; Linda King Newell und Valeen Tippetts Avery. »Emma and Eliza and the Stairs.« BYU Studies 22, Winter 1982, S. 87-96.
Madsen, Carol Cornwall und Susan Staker Oman. Sisters and Little Saints: One Hundred Years of Primary. Salt Lake City, 1979.
Mulvay Derr, Jill und Susan Staker Oman. »The Nauvoo Generation: Our First Five Relief Society Presidents.« Ensign 7, Dezember 1977, S. 36-43.
Terry, Keith und Ann Terry. Eliza. Santa Barbara, Kalifornien, 1981.
MAUREEN URSENBACH BEECHER