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»SMOOT-ANHÖRUNGEN« IM US-SENAT

Bevor der gewählte Senator und Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel, Reed Smoot, sein Amt antreten konnte, führte der amerikanische Senat umfangreiche Anhörungen durch, und zwar deswegen, weil man Smoot die Ausübung der MEHREHE nachsagte, und außerdem wegen verschiedener Richtlinien und Praktiken der Kirche. Nur wenige andere Ereignisse haben auf die Kirche und deren öffentliches Ansehen größeren Einfluß gehabt als die weithin publizierten sogenannten »Smoot-Anhörungen« der Jahre 1903-1907.

Die neunziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts waren eine der größten Herausforderungen für die Kirche gewesen, wozu nach dem MANIFEST von 1890 (das neuen Mehreheschließungen ein Ende machte) und der Generalamnestie durch den amerikanischen Präsidenten für Kirchenbeamte, die die Mehrehe praktiziert hatten, nicht zuletzt auch der politische Kampf um die Gewährung der Eigenstaatlichkeit Utahs gehörte. Dadurch wurde die langsame, schrittweise Anpassung der Kirche an die amerikanische Kultur eingeleitet. Die Euphorie war aber nur von kurzer Dauer.

Durch die Wahl des bekannten Kirchenführers Reed Smoot in den amerikanischen Senat wurden starke mormonenfeindliche Emotionen entfacht, die nach der Gewährung der Eigenstaatlichkeit Utahs abgeflaut waren. Im Jahr nach seiner Wahl erreichten 3.100 Petitionen die Bundeshauptstadt Washington, in denen gegen seine Wahl protestiert wurde und die einen derartigen Aufruhr verursachten, daß der amerikanische Senat gezwungen war, eine Untersuchung einzuleiten. Die Vorwürfe konzentrierten sich auf zwei Punkte: Smoots angebliche Mehrehen und seine Loyalität gegenüber der Kirche und ihrer Führung, weswegen man ihm vorwarf, daß er seinem Amtseid als amerikanischer Senator nicht treu sein könne. Obwohl sich die Untersuchungen auf Senator Smoot konzentrierten, wurde schon bald klar, daß sich eigentlich die Kirche auf dem Prüfstand befand.

Die Untersuchungen begannen mit Vorladungen an die Führer der Kirche, die darüber aussagen mußten, welche Macht und welchen Einfluß die Kirche auf ihre Mitglieder im allgemeinen und auf Generalautoritäten im besondern ausübe. Die vergangenen und damals bestehenden Mehrehen der Kirchenführer und einfachen Mitglieder wurden untersucht, ebenso die Lehren der Kirche, die sich mit dem Verhältnis der Mitglieder und Führer der Kirche zur amerikanischen Gesellschaft befaßten.

Verschiedene Aussagen führten dazu, daß die Kirche in einem ungünstigen Licht dastand. Präsident Joseph F. SMITH wurde besonders scharf ins Kreuzverhör genommen. Einige Mitglieder des Kollegiums der Zwölf verweigerten die Aussage, was die Feindseligkeit der anderen Senatoren, die die Motive und ehrliche Vorgangsweise der Kirche bereits stark in Zweifel gezogen hatten, noch verstärkte. Unter immensem Druck legten die Apostel Matthias Cowley und John W. Taylor ihr Amt als Apostel nieder, da man ihnen Gerüchte zur Last legte, auch nach dem Manifest Mehrehen eingegangen zu haben. Um ihren guten Willen noch weiter unter Beweis zu stellen, erließ Präsident Smith anläßlich der Generalkonferenz im April 1904 ein zusätzliches Manifest, daß dem Manifest von 1890 kirchlichen Biß verlieh. Wer ab sofort Mehrehen einging, sollte aus der Kirche ausgeschlossen werden.

Trotz verschiedener ungünstiger Aussagen nahm die Unterstützung für Senator Smoot langsam zu, und zwar aus dreierlei Gründen: Erstens wurde er für charakterlich einwandfrei und die Beschuldigungen gegen ihn und die Kirche für unbegründet befunden. Zweitens stand ihm der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt wohlwollend gegenüber. Seine Motive waren einerseits persönlicher andererseits politischer Art, denn Smoot war Republikaner und ein Republikanisches Utah war Roosevelt wichtig. Drittens konnte die Verteidigung die Mehrheit der Senatoren davon überzeugen, daß Smoots Amt als Apostel keinen Einfluß auf seinen Amtseid und sein Mandat als Senator haben würde.

Elder bzw. Senator Smoots Sieg war ein Sieg für die Kirche und verschaffte ihr die politische Legitimität, um die sie schon seit 1850 gekämpft hatte. Und damit begann Smoots dreißigjährige Amtszeit als Senator, deren Höhepunkt die zwanziger Jahre waren, als er zu einem der zwei oder drei einflußreichsten Senatoren in Amerika geworden war. Reed Smoot hat wohl mehr zum positiven Ansehen der Kirche im Amerika des 20. Jahrhunderts beigetragen als irgendein anderer Mensch.

BIBLIOGRAPHIE

Alexander, Thomas G. Mormonism in Transition: A History of the Latter-day Saints, 1890-1930. Chicago, 1986.

Heath, Harvard. »Reed Smoot: The First Modern Mormon.« Dissertation, Brigham Young University, 1990.

Merrill, Milton R. Reed Smoot: Apostle in Politics. Logan, Utah, 1990.

United States Senate, Committee on Privileges and Elections. In the Matter of the Protests Against the Right of Hon. Reed Smoot, A Senator from the State of Utah to Hold His Seat, 4 Bde., Washington, D.C., 1904-1906.

HARVARD S. HEATH