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SMITH, LUCY MACK

Lucy Mack Smith (1775-1856) war die Mutter des Propheten Joseph SMITH und seine wichtigste Biographin in den so bedeutenden Jahren der Anfangstage der wiederhergestellten Kirche. Zwischen Eltern und Kindern der Familie Smith bestand ein ungewöhnlich herzliches Verhältnis. Lucy Smith lebte während aller schwierigen Zeiten ihres Sohnes Joseph immer in dessen Nähe oder sogar in seinem Heim – in den Bundesstaaten New York, Ohio, Missouri und Illinois. Mutter und Sohn bewahrten in diesen Jahren der Veränderungen, des Opferns und der Verfolgung große persönliche Achtung voreinander.

Der Glaube an Gott stand im Mittelpunkt von Lucy Smiths Wesen. Als sie als junge Mutter schwer erkrankte und eines Nachts dem Sterben nahe war, flehte sie um die Kraft, »meine Kinder großzuziehen und meinem Mann ein Trost zu sein« und gelobte, ausschließlich Gott dienen zu wollen. Da verhieß ihr eine Stimme, daß sie leben werde. Über vierzig Jahre später sprachen ihr Mann Joseph SMITH sen. und sie öffentlich über die Ergebnisse ihrer Bemühungen als Eltern. Von elf Kindern erreichten neun das Erwachsenenalter. Mit der ihr eigenen Stärke sagte Lucy Smith: »Wir haben sie in Gottesfurcht erzogen. … Es hat wohl keine gehorsamere Familie als die meine gegeben.« (MS, Konferenzmitschrift, 8. Okt. 1845, Historische Abteilung der Kirche.)

Lucy Smiths Vater, Solomon Mack, war ein dynamischer Unternehmer, der zuerst im Französischen Krieg und in den Indianerkriegen und später als Kaufmann, Realitätenhändler, Bauunternehmer, Müller, Seefahrer und Farmer Mut und Selbstvertrauen bewies. Er war mit der scheinbaren Sinnlosigkeit seines Lebens unzufrieden und fand nach einer schweren Krankheit zu Gott. Sodann veröffentlichte er eine Kurzautobiographie, in der er erzählte, wie Gott ihn auf seinen Reisen beschützt und schließlich seine Seele mit Liebe und Erkenntnis erfüllt hatte. Lucy Mack Smith identifizierte sich sehr stark mit ihrer Mutter Lydia Gates, die der wohlhabenden Familie eines Diakons einer »freien« Kirchengemeinde entstammte. Lydia Gates wandte ihre Ausbildung als Lehrerin zu Hause an und schuf das, was ihr Mann Solomon als eine Atmosphäre der »Frömmigkeit, Sanftmut und inneren Einkehr« beschrieb. (Anderson, 1971, S. 27.) Alle Kinder der Familie Mack besaßen den wagemutigen Unternehmungsgeist des Vaters und die nicht hinter dem Berg haltende Frömmigkeit der Mutter. Lucy Mack Smith blieb diesem Erbe – nämlich nach Licht zu suchen und es dann an andere weiterzugeben – treu.

Lucy Mack Smith kam in Gilsum im Bundesstaat New Hampshire auf die Welt, wo in den Urkunden der 8. Juli 1775 – das Jahr, in dem die amerikanische Revolution ausbrach – als Tag ihrer Geburt angegeben wird. Die Schule besuchte sie in Gilsum und in Montague im Bundesstaat Massachussetts und wurde auch von ihrer Mutter zu Hause unterrichtet. Aus Lucy Smiths Reden und Aufsätzen geht hervor, daß sie ein intelligenter, gläubiger Mensch war und ihre Muttersprache gut beherrschte. Als ältere Jugendliche zeigte sie sich vom Tod ihrer älteren Schwestern äußerst beeindruckt, die als über Dreißigjährige nach mehreren persönlichen Offenbarungen über das Leben nach dem Tod und die Liebe Christi würdevoll verstorben waren.

Lucy Mack Smiths Bruder, der Unternehmer Stephen Mack, nahm sie nach Tunbridge in Vermont mit, wo sie ihren zukünftigen Mann Joseph Smith sen. kennenlernte. Sie schätzte seine Familie als »ehrbar, anständig, freundlich und intelligent« ein. Die Hochzeit fand am 24. Januar 1796 statt, und Lucy brachte eine Mitgift von 1000 Dollar in die Ehe – ein Geschenk ihres Bruders und dessen Kompagnons. Ihr Mann besaß eine Farm, die beinahe ebensoviel wert war. Das junge Ehepaar Smith investierte in ein riesiges Exportunternehmen, das aufgrund der Unehrlichkeit eines Agenten in die Brüche ging. Um nicht in Zahlungsverzug für die Waren zu geraten, die sie für ihren Laden im Bundesstaat Vermont gekauft hatten, opferten sie ihren gesamten Besitz zur Schuldentilgung. Die ersten zwanzig Jahre ihrer Ehe verbrachten sie in kleinen Ortschaften der Bundesstaaten Vermont und New Hampshire. Schließlich gelang es ihnen, finanziell wieder auf die Beine zu kommen, da Joseph Smith sen. als Lehrer arbeitete und nebenbei die Farm bewirtschaftete, während Lucy in der Heimmanufaktur tätig war. In den Jahren 1812 und 1813 kam es infolge von Krankheit, und in den Jahren 1814-1816 durch große Ernteschäden, zu schweren finanziellen Rückschlägen, in deren Folge die Familie Smith nach Palmyra im Bundesstaat New York zog.

Lucy und Joseph Smith sen. waren religiös Suchende. Lucy war eine junge, einfühlsame Frau und trachtete nach der Bekehrung, die man ihr in den verschiedenen Kirchen auch verhieß. Als sie »die Bibel genau durchlas und unaufhörlich betete«, kam Lucy Smith zu dem Schluß, daß die biblische Kirche »nichts mit den damals existierenden Kirchen gemein hatte.« Nachdem sie in ihren ersten Ehejahren einmal auf wundersame Weise geheilt worden war, bat sie einen Geistlichen, sie ohne weitere Verpflichtung zum Besuch seiner Gemeinde zu taufen. Die Presbyterianerkirche Neu-Englands sagte ihr nicht zu, und daher untersuchte sie die Methodistenkirche, aber ihr Mann, der sich keiner Kirche angeschlossen hatte, war dagegen. Damals hatte er wiederholt Träume, in denen ihm künftige Antworten verheißen wurden. Lucy wiederum träumte gelegentlich von ihrem Mann als biegsamen Baum. Daraus schloß sie, daß er später die volle Wahrheit von Gott erhalten werde.

Lucy Smith war vierzig Jahre alt und voller Lebenskraft, als ein Ernteausfall die Familie Smith dazu zwang, in das neue bebaubare Weizengebiet im Westen New Yorks zu ziehen. Der Umzug dürfte 1816 erfolgt sein, wobei Joseph sen. vorausreiste und Lucy Geld schickte, um einige wenige Habseligkeiten und die acht Kinder, angefangen vom Baby (Don Carlos) bis zum achtzehnjährigen Alvin mitzubringen. Lucy Smith stellte ihre Selbständigkeit unter Beweis und entließ in aller Öffentlichkeit den Fuhrmann, der beim Umzug hätte helfen sollen, der sich jedoch als egoistisch und unverläßlich erwies. Das Wiedersehen mit ihrem Mann war voller Rührung, als sie und die Kinder sich endlich wieder »unter die Obhut und Liebe eines zärtlichen Ehemannes und Vater« begeben konnten. (Coray MS.)

In Palmyra erlangte die Familie Smith wieder finanzielle Stabilität. Dies änderte sich aber schon bald aufgrund der feindseligen Reaktionen der Nachbarn auf die Offenbarungen Joseph Smiths. Lucy Smith begann ihr Haus zu verschönern, indem sie Stoffüberwürfe für Tische, Ständer usw. bemalte. Wie viele andere neue Siedler unterschrieben auch die Smiths einen Kurzvertrag zum Kauf ungerodeten Landes. Jahrelang rodeten sie mehrere Quadratkilometer Land, stellten Zäune auf und errichteten Nebengebäude, betrieben eine Böttcherei und stellten Ahornzucker her, bewirtschafteten Obstplantagen und bauten Weizen an. Dies widerspricht eindeutig den eidesstattlichen Aussagen ihrer Nachbarn, in denen behauptet wurde, Lucy Smith und ihre Familie seien faule und abergläubische Menschen gewesen. Als Wahrheit steht hinter diesen Aussagen einfach die Armut und der Glaube an Wunder. Ganz offensichtlich war man bemüht, die neue Kirche zu diskreditieren, indem man ihren Gründer samt seiner Familie in Mißkredit brachte.

In Lucy Smiths Aufzeichnungen steht zu lesen, daß man ihrer Familie okkulte Schatzsucherei nachsagte, aber sie geht darüber einfach hinweg, indem sie das Ziel ihres Lebens in New York folgendermaßen beschreibt: »Während wir mit unseren Händen arbeiteten, bemühten wir uns, Gott und unserem Seelenheil zu dienen.« (MS Coray.) In diesem Zusammenhang erzählt sie, wie die Gebete ihres Sohnes beantwortet wurden. Der Prophet erwähnt nirgendwo, daß er seiner Familie über seine ERSTE VISION erzählt hat, und seine Mutter berichtet lediglich, daß sie bereits sehr früh davon wußte, daß ihm ein Engel die Existenz des Buches Mormon offenbart hatte. Lucy Smith beschreibt jedoch genau, wie sie den Urim und Tummim und den antiken Brustschild in Händen gehalten hatte. Wie ein Brief aus dem Jahr 1831 an ihren Bruder bezeugt, war sie vom göttlichen Ursprung des Buches Mormon vollständig überzeugt: »Ich möchte, daß du diese Dinge ernst nimmst, denn sie sind Wahrheiten des lebendigen Gottes.« (Kirkham, S. 67.)

Einige Zeit lang war Lucy Smith Mitglied der Presbyterianerkirche in Palmyra, wurde aber im Monat vor der Gründung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wegen mangelnden Kirchenbesuchs ausgeschlossen. Ihren mächtigen Glauben an die neue junge Kirche stellte sie unter Beweis, indem sie 1831 eine große Gruppe von Mitgliedern aus New York per Schiff nach Buffalo und über den teilweise zugefrorenen Erie-See nach Ohio führte. Sie trotzte der Kälte und Mutlosigkeit, indem sie mit ihnen betete, Missionsarbeit betrieb und Organisatorisches erledigte, ehe sie wieder mit ihrem Mann und ihren Söhnen in Ohio vereint wurde. Sodann belehrte sie ihre Verwandten auf der Mack-Seite in Detroit und bekehrte dabei Temperance Mack, Stephen Macks Witwe. »Mutter Smith«, wie sie genannt wurde, machte zwei weitere Umzüge mit, einen 1838 während der Frühlingsstürme nach Missouri und einen im Naßschnee Anfang 1839 nach Illinois.

Joseph Smith sen. starb Ende 1840 als Opfer eines zehnjährigen Leidens und der Entkräftung. Kurz vor seinem Tode segnete er seine Kinder und erwähnte dabei seine Liebe zu seiner »einzigartigen Frau«, wobei er ihr verhieß, daß ihre letzten Tage die besten ihres Lebens sein würden. Der Erfüllung dieser Verheißung des Friedens gingen jedoch noch mehrere traurige Abschiede voran: Als junge Mutter hatte Lucy Smith zwei Söhne verloren, und einige Jahre später, in New York, folgte der Tod ihres ältesten Sohnes Alvin. Ihren Ehemann begrub sie in Illinois und innerhalb der darauffolgenden vier Jahre verlor sie vier weitere Söhne – Samuel und Don Carlos, die nach einer Erkrankung verstarben sowie Joseph und Hyrum, die vom Pöbel ermordet wurden.

»O Gott, warum hast du nur zugelassen, daß meine edlen Söhne als Märtyrer sterben mußten?«, rief sie beim Anblick deren Leichen aus. (Anderson, 1977, S. 135.) Eine innere Stimme versicherte ihr jedoch, daß hinter dieser Tragödie göttliches Walten verborgen liege. Lucy Smith verlor nie ihren Glauben an Gott, an die Offenbarungen ihres Sohnes und die Bestimmung ihrer Familie. Bis 1844 hatten sich Joseph und Emma Smith um sie gekümmert und dann ihre Tochter Lucy Millikin. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie wieder bei Emma Smith in Nauvoo. Schwach und des Schreibens nicht mehr fähig beeindruckte sie ihre Besucher durch ihre geistige und gesellschaftliche Regsamkeit. Sie starb am 14. Mai 1856, kurz vor ihrem einundachtzigsten Geburtstag.

Nach 1844 schien Lucy Smith einige Zeit lang seelisch von ihrem einzigen überlebenden Sohn William abhängig gewesen zu sein, wobei William Smith ihren Namen dabei zugunsten seiner eigenen Pläne mißbraucht haben dürfte. Im Jahr 1845 wollte er seinem Amt des Patriarchen größere Vollmacht hinzufügen. Aus John TAYLORS Tagebuch geht hervor, daß Lucy angeblich Visionen über Williams Vollmacht, was die Führung der Kirche anging, gehabt habe. William Smith dürfte ihr beim Niederschreiben geholfen haben, da Lucy Smith – als die Apostel zu ihr kamen – bezweifelte, daß sie die »richtige Abschrift« hätten. Taylor beschrieb Lucy Smiths »gute Gefühle« gegenüber den Zwölf Aposteln. (S. 63-68.) Lucy Smith und die meisten Witwen ihrer Söhne waren Teil der ersten Gruppen, die im NAUVOO-TEMPEL die höheren Verordnungen empfingen. Am 11. Dezember 1845 empfing sie die Waschungen und Salbungen, und tags darauf das Endowment. (HC, Bd. 7, S. 42-44.)

Während der Konferenz der Kirche im Oktober 1845 gab Lucy Smith eine begeisterte Ansprache, in der sie von der Notwendigkeit sprach, bei ihren Kindern in Nauvoo bleiben zu müssen, aber den Zwölf Aposteln samt deren Auszugsplänen ihren Segen gab: »Ich spüre, daß der Herr zuläßt, daß Bruder Brigham das Volk nun wegführt.« Sie sagte auch, daß ihre Memoiren vollständig seien: »Ich habe alles in meiner Geschichte aufgeschrieben und ich möchte, daß ihr so freundlich seid und sie drucken laßt.« (MS, Konferenzmitschrift, 8. Okt. 1845, Historische Abteilung der Kirche.) Diktiert hat sie sie Martha Jane Knowlton Coray, deren erste Aufzeichnung noch heute existiert. Lucy Smiths Geschichte wurde später von Orson PRATT 1853 in England gedruckt, nachdem er sich eine Abschrift des Coray-Manuskripts besorgt hatte.

Die Erstausgabe der Memoiren wurde von Brigham YOUNG zurückgerufen und zwar nicht in der Absicht, sie zu verbieten, sondern um sie im Detail zu verbessern und eine neue Auflage herauszubringen. Laut Wilford WOODRUFFS Tagebuch hatte Präsident Young den als sehr genauen Menschen bekannten Woodruff sowie zwei Mitglieder der Familie Smith damit beauftragt, »die Fehler in der von Mutter Smith verfaßten `Geschichte von Joseph Smith' zu verbessern und sie dann zu veröffentlichen.« (22. April 1866.)

In den zahlreichen Entwürfen von Lucy Smiths »Geschichte« werden über zweihundert Namen und hunderte Details erwähnt. So gut wie alle erwähnten Namen und Ereignisse lassen sich durch andere unabhängige zeitgenössische Dokumente bestätigen. Der nicht unintelligente John Taylor bildete sich ein Urteil, nachdem er mit Lucy Smith über ihre »Geschichte« gesprochen hatte: »Obwohl sie nun schon eine ziemlich alte Frau ist, überrascht ihr gutes Gedächtnis. Sie vermag Ereignisse aus dem Leben ihrer Familie sehr deutlich und genau zu erzählen.« (S. 52.) Abgesehen von den Fakten strahlt ihre »Geschichte« eine große Hingabe aus, die die Ereignisse der Wiederherstellung erst möglich gemacht haben. Lucy Mack Smith war eine große religiöse Persönlichkeit – als Mutter und als aktive Mitarbeiterin der jungen Kirche. Ihre »Geschichte« ist unersetzlich und ihr ausdrückliches Ziel bestand darin, »die näheren Umstände zu beschreiben, wie Joseph die Platten erhielt, zum ersten Mal Engel sah und noch viele andere Dinge, die Joseph nie niedergeschrieben oder veröffentlicht hat«. (Lucy Smith an William Smith, 23. Jan. 1845, Historische Abteilung der Kirche.)

BIBLIOGRAPHIE

Anderson, Richard Lloyd. »The Reliability of the Early History of Lucy and Joseph Smith.« Dialogue 4, Sommer 1969, S. 13-28.

---. Joseph Smith's New England Heritage. Salt Lake City, 1971.

---. »Joseph Smith's Home Environment.« Ensign 1, Juli 1971, S. 57-59.

---. »His Mother's Manuscript: An Intimate View of Joseph Smith.« Vortrag, BYU Forum, 27. Januar 1976.

---. »The Emotional Dimensions of Lucy Smith and Her History.« In: Dedication Colloquiums, Harold B. Lee Library, S. 129-137. Provo, Utah, 1977.

Kirkham, Francis W. A New Witness for Christ in America, 4. Aufl., Bd. 1, Salt Lake City, 1967.

Smith, Lucy. Alle in diesem Artikel verwendeten Zitate ohne Quellennachweis stammen aus Martha Jane Knowlton Corays vorläufigem Manuskript, das sich im Besitz der Historischen Abteilung der Kirche befindet. Der Großteil der Zitate sind in überarbeiteter Fassung in Lucy Mack Smith, Biographical Sketches of Joseph Smith, the Prophet, and His Progenitors for Many Generations (Liverpool, 1853) enthalten. Von den Neudrucken ist die von Preston Nibley leicht überarbeitete und schon früh in Utah erschienene Fassung die meistverbreitete: History of Joseph Smith, by His Mother, Lucy Mack Smith (Salt Lake City, kein Datum).

Taylor, John. »The John Taylor Nauvoo Journal«, Dean C. Jessee, Hrsg. BYU Studies 23, Sommer 1983, S. 63-68.

Youngreen, Buddy. »The Death Date of Lucy Mack Smith.« BYU Studies 12, Frühjahr 1972, S. 318.

RICHARD LLOYD ANDERSON