Joseph Fielding Smith (1876-1972) war der zehnte Präsident der Kirche und wurde am 19. Juli 1876 in Salt Lake City als erster Sohn von Apostel Joseph F. SMITH geboren, der später der sechste Präsident der Kirche werden sollte, und Julina Lambson, der ersten seiner sechs Ehefrauen, mit denen er in MEHREHE lebte. Patriarch Hyrum SMITH war sein Großvater. Unter dem Einfluß seiner Eltern entwickelte Joseph Fielding, wie er damals in der Kirche genannt wurde, eine tiefe Liebe zum Propheten Joseph SMITH und dessen Lehren. Sobald er lesen konnte, las er die Zeitschriften, Broschüren sowie die anderen Veröffentlichungen der Kirche durch, und noch vor seinem zehnten Geburtstag hatte er das Buch Mormon zweimal ganz gelesen. Wenige Jahre später las er die in der Zeitschrift Millennial Star in Fortsetzungen abgedruckte, lange Geschichte der Kirche. Als älterer Jugendlicher las er das Neue Testament auf dem Hin- und Nachhauseweg von der Arbeit bei ZCMI (Zion's Cooperative Mercantile Institution), dem großen, in Kirchenbesitz stehenden Kaufhaus. Seine unzähligen späteren schriftlichen Werke und Ansprachen baute er auf das in der Jugend erworbene Fundament des ständigen Lernens.
Am 26. April 1898 heiratete er Louie Emily (Emyla) Shurtliff im Salt-Lake-Tempel. Im Jahr darauf wurde er auf eine zweijährige Mission (1899-1901) nach Nottingham in England berufen. Nach seiner Rückkehr nahm er eine Stelle im Büro des Geschichtsschreibers der Kirche an und im April 1906 wurde er Assistent des Geschichtsschreibers der Kirche.
Als in den Anfangsjahren des zwanzigsten Jahrhunderts die Feindseligkeiten gegen die Kirche wegen der Mehrehe ihren Höhepunkt fanden, litt Joseph Fielding unter den Ungerechtigkeiten gegen die Kirche und besonders gegen Männer wie seinen Vater, die er so gut kannte und liebte. Einige seiner ersten Veröffentlichungen waren Verteidigungsschriften zugunsten der Lehren und Praktiken der Kirche, z.B. Blood Atonement and the Origin of Plural Marriage (1905) (»Blutsühne und der Ursprung der Mehrehe«) und Origin of the »Reorganized« Church: The Question of Succession (1907) (»Der Ursprung der ›Reorganisierten‹ Kirche – Die Frage der Nachfolge«).
Im März 1908 starb seine Frau Louie. Zurückblieben die beiden Töchter. Noch im November desselben Jahres heiratete er Ethel Georgina Reynolds, die ihm fünf Söhne und vier Töchter gebar. Ethel Smith starb im August 1937, und im April 1938 heiratete er Jessie Ella Evans, die am 3. August 1971, ein Jahr vor Präsident Smiths Tod, starb.
Der Einfluß der Familie war ein wichtiger Faktor in Joseph Fielding Smiths Einstellung zu Fragen der Religion und in seinem Verständnis des Evangeliums. In späteren Jahren erzählte er oft, wie er stets von seinem Vater belehrt worden sei, der als Präsident der Kirche berufen wurde, als Joseph Fielding gerade fünfundzwanzig war. »Ich liebe meinen Vater sehr«, sagte er. »Es war wunderbar, wie Worte des lebendigen, feurigen Lichts seinem Mund entströmten.« (Zit. während eines Familientreffens der Familie Smith am 13. Nov. 1970. Die Abschrift befindet sich im Besitz der Familie.) Dann fuhr er fort: »Mein Leben lang habe ich mich stets, wenn ich von Versuchung befallen wurde, gefragt, wie mein Vater denn handeln würde.« Ein Jahr später berichtete er von dem Einfluß seines Vaters auf sein Studium des Evangeliums und sagte dabei: »Ich fühle mich meinem Vater, meinem Großvater und meinem Großonkel, dem Propheten Joseph Smith, und den anderen Brüdern dieser Evangeliumszeit sehr nahe. Ich glaube, woran sie geglaubt haben und bin mir sicher, daß ich im großen und ganzen so denke wie sie.« (Fireside-Ansprache vor Studenten der HLT-Studentenvereinigung am HLT-Religionsinstitut der University of Utah, 21. Nov. 1971.)
Der Einfluß der Familie wurde auch zu einem entscheidenden Faktor im Leben der Kinder von Joseph Fielding Smith, die erzählen, wie unablässig er bemüht war, sie zu unterweisen. Beim Essen, bei Familienzusammenkünften, während Fahrten von und zur Schule und Kirche sowie in Briefen an die Kinder auf Mission oder beim Militär – immer unterwies er seine Kinder in den Grundsätzen des Evangeliums. Seine Briefe und Ansprachen waren gespickt voll mit Zitaten aus der heiligen Schrift, und oft deutete er Ereignisse in der Welt oder innerhalb der Familie im Zusammenhang mit Aussagen aus der Heiligen Schrift. Durch diese ständigen Belehrungen verdiente er sich das, was er als eine der größten Segnungen des Lebens betrachtete, daß nämlich alle seine Kinder treue Heilige der Letzten Tage geblieben sind. Alle seine Kinder haben im Tempel geheiratet und alle Söhne waren auf Mission. Nach Joseph Fieldings Tod meinte sein Nachfolger Harold B. LEE: »Sein größtes Andenken ist seine große Nachkommenschaft, die er der Welt geschenkt hat.« (Brief an die Familie Smith, 14. Juli 1972, Historische Abteilung der Kirche.)
Als Joseph Fielding Smith am 7. April 1910 zum Apostel ordiniert wurde, veröffentlichte die Tageszeitung Salt Lake Tribune kritische Artikel gegen ihn, seinen Vater und die Familie Smith im allgemeinen und beschuldigte sie der Vetternwirtschaft. In diesen Verleumdungen wurde auf seine Qualifikationen für das Amt eines Apostels jedoch nicht näher eingegangen. In jenen schwierigen Tagen zog er sich ganz in den Schoß seiner Familie zurück, die besonderen Grund hatte, seine neue Berufung gläubig anzunehmen, da seine Mutter Jahre zuvor eine persönliche Offenbarung empfangen hatte, in der ihr gesagt wurde, daß ihr Sohn eines Tages ein Apostel würde. (Bruce R. McConkie, S. 24-41.) In seinem Patriarchalischen Segen, den er als Neunzehnjähriger empfangen hatte, wurde ihm ebenfalls gesagt: »Es wird deine Pflicht sein, mit deinen Brüdern in Ratsversammlungen zu sitzen und über das Kirchenvolk zu präsidieren.« (John Smith, Patriarchalischer Segen an Joseph Fielding Smith, 19. Jan. 1896; die Abschrift befindet sich in der Bibliothek des Geschichtsschreibers der Kirche.)
Während seiner Amtszeit als Apostel war Joseph Fielding Smith trotz seiner vielen Pflichten und Aufgaben am besten als Theologe und Studierender des Evangeliums bekannt. Präsident Heber J. GRANT nannte ihn einmal »den besten Kenner der heiligen Schriften unter allen Generalautoritäten der Kirche.« (Brief an Joseph Fielding Smith, 31. Dez. 1938, HDC.) Joseph Fielding Smith hat mehr Bücher und Artikel veröffentlicht als irgendein anderer Präsident der Kirche nach ihm, obwohl ihm dies nie am Herzen gelegen war. Viele seiner schriftlichen Werke sind Ansprachen, Antworten auf an ihn gerichtete Evangeliumsfragen, Anweisungen an Priestertumsführer und Versuche, immer wieder auftauchende Unklarheiten zu beseitigen.
Eines seiner Bücher, The Signs of the Times (1942) («Die Zeichen der Zeit«) wurde gedruckt, als sich die Nachfrage nach den Manuskripten von Ansprachen, die er zum Thema »Die Letzten Tage« gehalten hatte, häuften. The Restoration of All Things (1945) (»Die Wiederherstellung aller Dinge«) ist eine Sammlung von Rundfunkansprachen, die er gehalten hatte; die zweibändige Church History and Modern Revelation (1953) («Kirchengeschichte und heutige Offenbarung«) war ein Unterrichtsleitfaden für Kollegien im Melchisedekischen Priestertum; das fünfbändige Werk Answers to Gospel Questions (1957-1966) (»Antworten auf Evangeliumsfragen«) ist eine Zusammenstellung seiner Antworten auf Evangeliumsfragen, die im Laufe der Jahre in Zeitschriften der Kirche abgedruckt worden waren.
In den Jahren, als sich viele Menschen mit Fragen rund um die Evolutionstheorie beschäftigten, gab Elder Smith den Artikel Man: His Origin and Destiny (1954) (»Der Mensch: Woher kommt er und wo geht er hin?«) heraus, in dem er die Lehre der Kirche, daß der Mensch ein Abkömmling Gottes ist, von Gott auf diese Erde gestellt wurde und kein Produkt eines zufälligen Evolutionprozesses ist, durch Aussagen in den heiligen Schriften theologisch verteidigte. Seine Ruhe während dieses intellektuellen Sturms war Ausdruck seiner inneren Gelassenheit und Weisheit.
Seine Ansprachen baute er immer auf Themen aus den heiligen Schriften auf. »Ich habe nie gelernt, eine Ansprache ohne heilige Schriften zu halten«, sagte er einmal. (Joseph F. McConkie, S. 44, 45.) In seiner zweiundsechzigjährigen Amtszeit als Apostel und Prophet hat Joseph Fielding Smith so gut wie über jedes Evangeliumsthema gesprochen. Nur wenige Heilige der Letzten Tage haben so klar und ausdrücklich darüber gesprochen, daß Gott ein persönliches Wesen ist, daß er der Schöpfer aller Dinge ist, daß er der buchstäbliche Vater Jesu Christi ist und daß das Sühnopfer Jesu Christi nur durch seine göttliche Sohnschaft möglich war. Joseph Fielding Smith verteidigte den Propheten Joseph Smith, das Buch Mormon und die Lehren der Wiederherstellung in den Letzten Tagen und erfüllte dadurch eine Verheißung, die ihm in einem zweiten Patriarchalischen Segen gegeben worden war und die lautete, daß seine Lehren und schriftlichen Werke »als Schutzwall gegen diejenigen dastehen werden, die danach trachten und noch danach trachten werden, die Beweise für den göttlichen Ursprung der Mission des Propheten Joseph Smith zu vernichten.« (Joseph D. Smith. Patriarchalischer Segen an Joseph Fielding Smith, 11. Mai, 1913; die Abschrift befindet sich im Besitz der Familie.)
Auch die Lehre des »göttlichen Gesetzes von Zeugen« (CR, Apr. 1930) lehrte er mit einer Kraft und Klarheit, die in der Literatur der Heiligen der Letzten Tage ihresgleichen sucht. Die Bücher The Way to Perfection (1931) (»Der Weg zur Vollkommenheit«) und Elijah the Prophet and His Mission (1957) (»Der Prophet Elija und seine Mission«) sind klassische Werke zum Thema »Erlösung der Toten«. Seine Zusammenfassung Teachings of the Prophet Joseph Smith (1938) (»Lehren des Propheten Joseph Smith«) ist eines der am häufigsten verwendeten Nachschlagewerke der gesamten HLT-Literatur. Essentials in Church History (1922) (»Das Wichtigste aus der Kirchengeschichte«) und The Life of Joseph F. Smith (1938) sind Beispiele für die Auslegung der Geschichte aus der Perspektive eines Propheten und im Sinne der Heiligen Schrift.
Obwohl Joseph Fielding Smith als Sachkundiger in Evangeliumsfragen bekannt wurde, war seine Lebensfreude und Liebe zu den Menschen, mit denen er zusammenarbeitete, stets das stärkste Element in seinem Leben. Anläßlich Präsident Smiths dreiundneunzigsten Geburtstags sagte Elder Gordon B. Hinckley: »Ich habe aus seinem Mund nie ein gemeines, böses oder unfreundliches Wort vernommen … Wenn er über andere spricht, sagt er nur Gutes.« Joseph Fielding Smith pflegte oft zu sagen: »Ich liebe die Brüder in der Kirche.« Er empfahl, »im Zweifelsfalle zugunsten eines Abgeirrten zu entscheiden, denn jede Geschichte hat zwei Seiten.« Bischöfen empfahl er: »Wenn Sie eine Fehlentscheidung treffen, dann treffen Sie sie bitte zugunsten der Barmherzigkeit.« Er finanzierte zahlreichen Missionaren ihre Mission, beglich Krankenhausrechungen für Bedürftige oder schickte ihnen Lebensmittel ins Haus. Seine Kinder erzog er in Liebe und lehnte körperliche Züchtigung ab. Statt dessen blickte er ihnen in die Augen und sagte: »Ich möchte, daß meine Kinder brav sind!« Eine seiner Töchter sagte dazu: »Keine Schläge hätten bewirken können, was dieser gütige Vater mit Liebe erreichte.« (Joseph F. McConkie, S. 71-90.)
Joseph Fielding Smith wurde am 23. Januar 1970 nach Präsident David O. McKays Tod Präsident der Kirche. Seine zweieinhalbjährige Amtszeit war von stetem Anwachsen der Missionsarbeit gekennzeichnet. Die Tempel in Ogden und Provo wurden geweiht, die Sonntagsschule und der Sozialdienst der Kirche wurden im Zuge einer großangelegten Verwaltungsreform umgebildet, und das interne Kommunikationssystem der Kirche wurde teilweise umgebildet, was unter anderem zur Zusammenlegung der drei Zeitschriften der Kirche führte.
Nach einem langen Leben des Studierens und des Einflusses auf die Mitglieder der Kirche war eine seiner wichtigsten Handlungen als Präsident der Kirche die, daß er die Lehren, die er während seiner Amtszeit als Apostel verkündet hatte, erneut bestätigte. »Was ich in der Vergangenheit gelehrt und geschrieben habe«, sagte er anläßlich der Generalkonferenz im Oktober 1970, »würde ich unter den gleichen Umständen wieder lehren und schreiben.« (CR, Okt. 1970.) Joseph Fielding Smith starb am 2. Juli 1972 in Salt Lake City.
BIBLIOGRAPHIE
McConkie, Bruce R. »Joseph Fielding Smith, Apostle, Prophet, Father in Israel.« Ensign 2, Aug. 1972, S. 23-31.
McConkie, Joseph F. True and Faithful: The Life Story of Joseph Fielding Smith. Salt Lake City, 1971.
Smith, Joseph Fielding, Jr. und John J. Stewart. The Life of Joseph Fielding Smith. Salt Lake City, 1972.
AMELIA S. MCCONKIE
MARK L. MCCONKIE