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SMITH, JOSEPH F.

Joseph F. Smith (1838-1918) war von 1901 bis 1918 der sechste Präsident der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und führte die Kirche in die beiden ersten Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts, wobei er ihr zu größerem Ansehen in der amerikanischen Gesellschaft verhalf. Er war der Sohn von Hyrum SMITH und Mary Fielding SMITH und Neffe des Propheten Joseph SMITH.

Joseph Fielding Smith wurde am 13. November 1838, eines der konfliktreichsten Jahre der Kirche, in Far West, Missouri geboren. Er wurde nach seinem Onkel, dem Propheten Joseph Smith, und nach einem Onkel mütterlicherseits, Joseph Fielding, benannt. Nicht einmal zwei Wochen vor seiner Geburt waren Joseph und Hyrum Smith während der bewaffneten Auseinandersetzung in FAR WEST von der Missouri-Miliz verhaftet worden (siehe MISSOURI, KONFLIKTE IN MISSOURI). Mary Fielding, eine Bekehrte der Kirche aus Kanada, die Hyrum Smith nach dem Tod seiner ersten Frau Jerusha Barden Smith geheiratet hatte, war zum Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes sehr krank. Glücklicherweise konnte Marys Schwester, Mercy Fielding Thompson, die damals auch ihre fünfmonatige Tochter stillte, den kleinen Joseph stillen. Kurz nach seiner Geburt fielen Feinde der Kirche über die Familie Smith her, brachen in das Haus ein und stahlen alle Wertgegenstände. Während des Überfalls warfen die Männer unabsichtlich Bettdecken auf den kleinen Joseph, der beinahe erstickt wäre.

Im Januar 1839 besuchte Mary mit ihrem zweimonatigen Sohn ihren Mann Hyrum im Gefängnis in LIBERTY. Im Februar floh sie mit den anderen Heiligen der Letzten Tage nach Quincy in Illinois. Im Mai zog die Familie Smith nach Hyrums Flucht aus Missouri zum neuen Sammlungsort der Kirche in NAUVOO. Joseph Fielding Smith war erst fünfeinhalb Jahre alt, als sein Vater und Joseph Smith 1844 ermordet wurden, aber er bewahrte sich viele Erinnerungen an die beiden Männer aus der Zeit in Nauvoo.

Im Jahr 1846 verließ Mary Fielding Smith zusammen mit Joseph und ihren drei anderen Kindern Nauvoo und zog in den Westen. Ihr Sohn John wartete in Iowa auf sie. Mary Fielding Smith hatte nur zwei leibliche Kinder, nämlich Josephund Martha Ann, aber sie zog auch Hyrums fünf Kinder aus dessen erster Ehe mit Jerusha Barden groß. Obwohl Joseph damals erst sieben Jahre alt war, lenkte er ein Ochsengespann quer durch Iowa. Vom Herbst 1846 bis zum Frühjahr 1848 litt die vaterlose Familie große Entbehrungen in WINTER QUARTERS, Nebraska, wo viele Heilige der Letzten Tage krank lagen und 359 den Tod fanden. Einige Pferde und Rinder der Familie Smith, um die Joseph sich kümmern mußte, gingen ein. Als Neunjähriger fuhr er das Gespann seiner Mutter über die Prärie bis zum Tal des Großen Salzsees.

Während der ersten Jahre im Salzseetal hütete Joseph Rinder und Schafe, schnitt Holz und verdingte sich zur Erntezeit als Arbeiter. Im Jahr 1852, als er dreizehn Jahre alt war, starb seine Mutter an Erschöpfung und Unterernährung. Während seines langen Lebens vergaß er nie ihr Beispiel an Glauben und Anständigkeit und erzählte immer wieder Geschichten aus ihrem Leben. Nach dem Tod seiner Mutter wurde er zum Ziehvater seiner Schwester Martha Ann. Während die beiden Kinder im Winter 1853/1854 zur Schule gingen, griff ihr grausamer Lehrer zu einem Lederriemen, um das kleine Mädchen zu bestrafen. »Schlagen Sie sie ja nicht!«, rief Joseph. Später erzählte er: »Da kam er auf mich zu und wollte mich verprügeln, aber anstatt mich von ihm verprügeln zu lassen, habe ich ihn selbst ordentlich verdroschen.« (Gibbons, S. 26,27.) Seine Jugend lang machte ihm sein Jähzorn sehr zu schaffen, aber nach und nach gelang es ihm, Beherrschung zu erlernen.

Jener Vorfall bedeutete das Ende von Joseph F. Smiths Schullaufbahn und stellte den Anfang seiner kirchlichen Laufbahn dar. Während der darauffolgenden Generalkonferenz der Kirche wurde der damals Fünfzehnjährige auf die Sandwich-Inseln (Hawaii) auf Mission berufen. Er wurde von Apostel Parley P. PRATT eingesetzt, der ihm verhieß, daß er die Sprache der Hawaiianer durch Studium und durch die Gabe des Geistes erlernen werde. Joseph F. Smith war während seiner beinahe vierjährigen Mission ein ungewöhnlich erfolgreicher Missionar. Als Zonenleiter war er für die Inseln Maui und Hawaii zuständig. Er hatte wiederholt gegen Anfälle von »Inselkrankheit« zu kämpfen und wurde für seine Gabe des Heilens und das Austreiben böser Geister bekannt.

Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Salt Lake City im Jahr 1858 ging Joseph F. Smith zur NAUVOO-LEGION (der damaligen Miliz des Utah-Territoriums) und führte eine tausendköpfige Einheit an, um Johnstons Armee den Weg nach Utah abzuschneiden. Nach seiner Rückkehr bis zum Ende des Krieges im Juni war er fast immer im Sattel und patrouillierte die Strecke zwischen Echo Canyon und Fort Bridger in Wyoming. Nach dem friedlichen Ende des Utah-Krieges half Joseph F. Smith seinen Verwandten, von den Siedlungen im Süden Utahs, wohin sie sich beim Herannahen der feindlichen Armeen zurückgezogen hatten, nach Salt Lake City zurückzukehren. (Siehe UTAH-EXPEDITION.)

Im April 1859 heiratete der einundzwanzigjährige Joseph F. Smith seine sechzehnjährige Cousine Levira, die Tochter von Samuel Harrison Smith. Mit Leviras Zustimmung nahm er sich eine weitere Frau, nämlich Julina Lambson und lebte in MEHREHE. Im Laufe der Jahre heiratete er auch Sarah Ellen Richards, Edna Lambson, Alice Ann Kimball und Mary Taylor Schwartz. Er war der Vater von dreiundvierzig Kindern, von denen dreizehn vor ihm starben. Joseph F. Smith war ein liebevoller und gütiger Ehemann und Vater.

Joseph F. Smith war von 1860 bis 1863 in England auf Mission und kehrte 1864 kurze Zeit nach Hawaii zurück, um dort verschiedene Unregelmäßigkeiten, die in der Kirche aufgetreten waren, zu bereinigen. Während seines Aufenthalts in Hawaii wählte er auf der Insel Oahu in Laie ein Grundstück für eine Siedlung, die der Kirche gehören sollte, aus. Heute befinden sich dort der Hawaii-Tempel, der Campus der Brigham Young Universität auf Hawaii sowie das Polynesische Kulturzentrum. Nach seiner Rückkehr nach Salt Lake City 1865 begann er als Sekretär im Büro des Geschichtsschreibers der Kirche zu arbeiten. Im Jahr 1865 wurde er in das Abgeordnetenhaus des Utah-Territoriums gewählt, 1866 in den Stadtrat von Salt Lake City. In späteren Jahren war er mehrere Legislaturperioden lang Abgeordneter im Parlament des Bundesstaates und Hoher Rat im Pfahl Salt Lake.

Im Jahr 1866 ordinierte Brigham YOUNG den siebenundzwanzigjährigen Joseph F. Smith zum Apostel, und 1867 begleitete er den ehemaligen Bürgermeister von Salt Lake City Abraham O. Smoot sowie die Apostel John TAYLOR und Wilford WOODRUFF nach Provo, Utah, wo sie als Beamte mehrere »Stadtrüpel«, deren Verhalten zu einer dauerhaften Belästigung geworden waren, zur Ordnung riefen und neu in die Gesellschaft eingliederten. Im Jahr 1869 nahm Joseph F. Smith nach seiner Rückkehr nach Salt Lake City erneut seine Aufgaben im Büro des Kirchengeschichtsschreibers auf und begann, heilige Handlungen im »Endowment House« zu vollziehen.

Ab 1874 präsidierte Präsident Smith, wie er nun genannt wurde, sowohl über die Britische als auch über die Europäische Mission. Nach seiner Rückkehr gegen Ende 1875 wurde er als Pfahlpräsident im Kreis Davis in Utah berufen. Er war ebenfalls Präsident der »Davis County Cooperative Company«, einer der Genossenschaften der Kirche, die zur Zeit der Vereinigten Ordnung von Brigham Young 1874 gegründet worden war. Im April 1877 wurde Elder Smith erneut nach Großbritannien entsandt, von wo aus er über die Europäische Mission präsidierte. Diese Berufung wurde durch Brigham Youngs Tod im August 1877 unterbrochen, denn Elder Smith mußte nach Salt Lake City zurückkehren, um Präsident Youngs Nachlaß zu regeln. Er verbrachte zahllose Stunden bei der komplizierten Aufgabe, Brigham Youngs Akten und Korrespondenz zu sichten.

Im Oktober 1890 nahmen Joseph F. Smiths Aufgaben in der Kirche eine neue Dimension an, als er im Alter von einundvierzig Jahren als John Taylors Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft berufen wurde; George Q. Cannon war Erster Ratgeber und wurde sein langjähriger Freund. Die beiden blieben auch Präsident Wilford Woodruffs und Lorenzo SNOWS Ratgeber. Sie waren erfahrene Missionare und Kirchenbeamte und in der Geschichte und Lehre der Kirche gut beschlagen.

In den siebziger und achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts führten amerikaweite Massenkundgebungen gegen die Ausübung der Mehrehe in der Kirche zu erhöhtem Druck seitens der amerikanischen Bundesregierung. Anstatt sich den ihrer Meinung nach ungerechten Gesetzen zu beugen, entschlossen sich Präsident Taylor und seine Ratgeber zu bürgerlichem Ungehorsam. Den Großteil der Jahre 1883 und 1884 verbrachte Joseph F. Smith im Exil, und als 1885 ein Haftbefehl für die Erste Präsidentschaft ausgestellt wurde, flüchtete er nach Hawaii, wo er unter dem Decknamen J. F. Speight lebte. Zweieinhalb Jahre litt er darunter, nichts für den Unterhalt seiner Frauen und Kinder tun zu können. Im Juni 1887 wurde er nach Utah an Präsident Taylors Sterbebett gerufen, der am 25. Juli starb.

Nach Präsident Taylors Tod bis zur Bestätigung Wilford Woodruffs als neuer Präsident der Kirche war Joseph F. Smith Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel und versah in den Jahren 1888 und 1889 die Aufgabe des Hauptverhandlers der Kirche mit der amerikanischen Regierung in der Bundeshauptstadt Washington. Im April 1889 wurde die Erste Präsidentschaft umgebildet und Joseph F. Smith als Präsident Woodruffs Zweiter Ratgeber berufen.

Die neue Präsidentschaft der Kirche führte die politischen Verhandlungen in der Frage der Mehrehe in dem Bemühen fort, dem von der amerikanischen Regierung ausgeübten Druck ein Ende zu bereiten. Die Verhandlungen erwiesen sich als ergebnislos, aber eine Offenbarung an Präsident Woodruff, das sogenannte MANIFEST von 1890, wies die Heiligen der Letzten Tage an, – wo verboten – keinesfalls Mehrehen einzugehen. Das Manifest zeigte den gewünschten Erfolg: Die Verfolgung der Polygamisten hörte auf, die Kirche erhielt ihr Eigentum zurück, und Utah wurde ein eigener Bundesstaat. Joseph F. Smith bat den amerikanischen Präsidenten Benjamin Harrison um eine Amnestie, die ihm auch gewährt wurde. Zum ersten Mal in beinahe zehn Jahren konnte Joseph F. Smith sich frei in der Gesellschaft bewegen und ein normales Leben führen. Auch nach dem Manifest kümmerte er sich um alle seine Frauen und setzte weiterhin mit ihnen Kinder in die Welt.

Auch in der Politik war Joseph F. Smith äußerst aktiv. Immer wieder war der Kirche vorgeworfen worden, durch die »People's Party« die Politik in Utah zu monopolisieren. Im Jahr 1891 wurde die »People's Party« aufgelöst und ihren Mitgliedern ans Herz gelegt, sich in den beiden nationalen amerikanischen Parteien zu betätigen. Um einer zahlenmäßigen Ungleichheit vorzubeugen, wurde Joseph F. Smith von der Ersten Präsidentschaft gebeten, der Republikanischen Partei beizutreten, die damals wegen ihrer führenden Rolle im Kampf gegen die Mehrehe in Utah weniger beliebt war. Joseph F. Smith verfaßte zur Stärkung der Partei ein politisches Pamphlet, das Another Plain Talk: Reasons Why the People of Utah Should Be Republicans («Noch ein offenes Wort: Warum das Volk von Utah Republikanisch gesinnt sein soll«) betitelt war.

Nach Wilford Woodruffs Tod blieb Joseph F. Smith auch während der Amtszeit von Lorenzo Snow in den Jahren 1898 bis 1901 Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft. Präsident Snow starb am 10. Oktober 1901. Während der nächsten Sitzung des Kollegiums der Zwölf im Tempel, die am 17. Oktober stattfand, wurde die Erste Präsidentschaft umgebildet, und der zweiundsechzigjährige Joseph F. Smith wurde Präsident der Kirche. John R. Winder und Anthon H. Lund wurden seine Ratgeber.

Präsident Smith übernahm voller Tatkraft die Führung der Kirche und war fest entschlossen, die öffentliche Meinung über die Kirche und deren Mitglieder zu verbessern. In der ersten Hälfte seiner siebzehnjährigen Amtszeit gelang ihm dies kaum. Er war dazu gezwungen, während der »Smoot-Anhörungen« (siehe SMOOT, ANHÖRUNGEN IM US-SENAT) zermürbende Befragungen vor dem US-Senat über sich ergehen zu lassen sowie Angriffe und Hetzartikel der Tageszeitung Salt Lake Tribune und führender amerikanischer Zeitschriften zu ertragen. Nach und nach – zum Teil wegen seines gütigen Wesens und seines großväterlichen Ansehens – ließen die Spannungen zwischen der Kirche und der amerikanischen Regierung und Gesellschaft jedoch nach. Unermüdlich bemühte sich Präsident Smith, die Kirche zu stärken und ihr Ansehen zu verbessern, indem er die Finanzen der Kirche äußerst vorsichtig handhabte und die Kirche aus der Verschuldung herausführte und HISTORISCHE SEHENSWÜRDIGKEITEN wie z.B. Joseph Smiths Geburtsstätte in Vermont, die Farm der Familie Smith in New York, wichtige Stätten in Missouri und das CARTHAGE-GEFÄNGNIS in Illinois erwarb, in Salt Lake City ein Kirchenverwaltungsgebäude, das LDS-Hospital, ein Besucherzentrum und das Hotel Utah errichten ließ und die Missionsarbeit und das Bildungswesen der Kirche ausbaute.

Eines seiner wichtigsten Vermächtnisse waren seine Ausführungen über die Lehre der Kirche und die Grundsätze der Führung durch das Priestertum. Er vertrat den Standpunkt, daß die Mitglieder der Kirche »gesunde Lehre« hören sollten. Nach seinem Tod im Jahr 1918 wurden viele seiner Aufsätze und Ansprachen, die in den fünf Jahrzehnten seiner Tätigkeit als Generalautorität aufgezeichnet worden waren, unter dem Titel Gospel Doctrine (»Evangeliumslehre«) herausgegeben. Präsident Smiths vermutlich wichtigster Beitrag zur Lehre der Kirche war seine »Vision über die Erlösung der Verstorbenen«, die er am 3. Oktober 1918, nur sechs Wochen vor seinem Tod am 19. November, empfangen hatte. In dieser Vision sah er die Welt der Verstorbenen und viele Personen, die dort verweilten, darunter viele Propheten aus alter und neuer Zeit. Er sah, wie Christus die Geisterwelt besuchte, um den Rechtschaffenen die Erlösung aus den Banden des Todes zu verkünden und die Missionsarbeit unter den Schlechten zu beginnen. Im Jahr 1981 wurde die schriftliche Aufzeichnung dieser Vision als Abschnitt 138 dem Buch »Lehre und Bündnisse« hinzugefügt.

BIBLIOGRAPHIE

Gibbons, Francis M. Joseph F. Smith: Patriarch and Preacher, Prophet of God. Salt Lake City, 1984.

Smith, Joseph. Gospel Doctrine (Evangeliumslehre).

Smith, Joseph Fielding. Life of Joseph F. Smith. Salt Lake City, 1969.

BRUCE A. VAN ORDEN