Joseph Smith jun. (1805-1844), der oft auch als »der Prophet Joseph Smith« bezeichnet wird, war Prophet und Gründer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Die Heiligen der Letzten Tage halten ihn deswegen für einen Propheten, weil er sich in der Tradition der Propheten des Alten und Neuen Testaments bei der Verkündung von Offenbarung nicht auf seine eigene Gelehrsamkeit, sondern auf Offenbarung von Gott stützte. Diese Offenbarungen werden von den Heiligen der Letzten Tage zusätzlich zur Bibel als heilige Schrift betrachtet und sind größtenteils in den Büchern »Lehre und Bündnisse« und »Die Köstliche Perle« enthalten. In seiner Jugend übersetzte Joseph Smith auch einen religiösen Bericht aus dem alten Amerika, nämlich das Buch Mormon. Durch diese Offenbarungen und Berichte wurde das reine Evangelium Jesu Christi auf Erden wiederhergestellt. Joseph Smiths Aufgabe war die Gründung der Kirche Jesu Christi auf dem Fundament des wiederhergestellten Evangeliums und zwar in Vorbereitung auf das Zweite Kommen Christi.
Nichts in der Geschichte der Familie Smith läßt auf eine derart wichtige künftige Berufung Joseph Smiths schließen. Joseph Smiths Vorfahren waren gewöhnliche Farmer aus Neu-England. Seine Vorfahren väterlicherseits waren im siebzehnten Jahrhundert von England nach Amerika ausgewandert und hatten sich in Topsfield im Bundesstaat Massachussetts niedergelassen, wo sie es auf örtlicher Ebene zu einem gewissen Grad an Ansehen brachten. Joseph Smiths Großvater Asael Smith sah sich außerstande, die hypothekarisch belastete Farm seiner Familie weiterzuführen und verkaufte sie daher. Nach Abzahlung der Schulden zog er 1791 nach Tunbridge im Bundesstaat Vermont, wo er Land erwarb und durch dessen Erträge seine Söhne erhalten konnte. Joseph Smiths Vorfahren mütterlicherseits (namens Mack) stammten aus Schottland und ließen sich in Lyme im Bundesstaat Connecticut, nieder, wo sie es zu einigem Wohlstand brachten, ehe sie finanziell Schiffbruch erlitten. Joseph Smiths Großvater mütterlicherseits, Solomon Mack, versuchte sich in Neu-England und im Bundesstaat New York verschiedentlich als Unternehmer, aber ohne nennenswerte Erfolge. Ein Mack-Sohn zog nach Tunbridge, wo seine Schwester Lucy zufällig Asael Smiths Sohn, Joseph Smith sen., kennenlernte. Sie heirateten 1796 und hatten elf Kinder, von denen neun die Kindheit überlebten. Joseph Smith jun. kam am 23. Dezember 1805 in Sharon, Vermont, auf die Welt. Er war der dritte lebende Sohn und das vierte Kind.
Joseph Smith verfügte über eine nur geringe Schulbildung. Im Jahr 1803 verloren seine Eltern infolge eines wirtschaftlichen Fehlschlags ihre Farm in Tunbridge. Die nächsten vierzehn Jahre zogen sie von einem Pachtgut zum anderen. Im Jahr 1816 ließen sie sich in Palmyra im Bundesstaat New York unmittelbar nördlich der Finger-Seen nieder, wo sie 1817 in Farmington (dem späteren Manchester), das direkt südlich von Palmyra lag, eine Farm erwarben. Die Rodung des Landes und der Ackerbau ließen wenig Zeit für den Schulbesuch der Kinder. So schrieb Joseph Smith 1832: »Da alle nach besten Kräften mithelfen mußten, um auf jede nur erdenkliche Art die Familie zu erhalten, blieben uns die Vorteile der Bildung versagt. Es versteht sich daher von selbst, daß ich lediglich Lesen, Schreiben und die Grundbegriffe des Rechnens erlernte – aus dem bestand meine ganze Bildung.« (Jessee, 1989, 1, S. 5.) Seine Mutter beschrieb ihn als »viel weniger an Büchern interessiert als seine Geschwister. Hingegen befaßte er sich mehr mit Meditieren und tiefem Nachsinnen«. (Smith, S. 84.) Seine Kenntnisse der Bibel und sein nach Bibel klingender Schreibstil beweisen, daß ein Großteil seiner frühen Bildung eine Folge oben beschriebener Interessen waren.
Joseph Smith interessierte sich besonders für Religion. Seine Eltern waren unter dem Einfluß der »freien Kirchengemeinden« Neu-Englands großgeworden, waren jedoch mit den verschiedenen Geistlichen jener Gegend nicht zufrieden und keine regelmäßigen Kirchgänger. Beide Eltern Joseph Smiths hatten verschiedene tiefgehende religiöse Erlebnisse gehabt und trachteten nach Seelenheil. Dennoch hatten sie bis dahin keine befriedigende Kirche gefunden. Einige Jahre nach ihrem Umzug nach Palmyra traten Lucy Smith und drei ihrer Kinder der Presbyterianerkirche bei. Ihr Mann und die anderen Kinder, darunter auch Joseph jun., blieben sonntags zu Hause. Die Frage, welcher Kirche er beitreten solle, stellte für den jungen Joseph Smith ein großes Problem dar, und die Predigten der Erweckungsprediger jener Gegend trugen lediglich zur Verstärkung seiner Zweifel bei.
Im Frühjahr 1820, kurz nach seinem vierzehnten Geburtstag, wendete sich Joseph Smith um Hilfe direkt an Gott. Das darauffolgende Geschehen war höchst erstaunlich. Als Joseph Smith in einem kleinen Wald in der Nähe seines Vaterhauses betete, erschienen ihm Gott Vater und Jesus Christus. Sie versicherten ihm, daß ihm seine Sünden vergeben seien, worauf ihm Jesus Christus sagte, daß keine der damals bestehenden Kirchen die wahre sei und er keiner beitreten solle. Die Heiligen der Letzten Tage nennen dieses Ereignis, das die Wiederherstellung des Evangeliums einleitete, Joseph Smiths ERSTE VISION. Die Menschen um Joseph Smith herum zeigten sich von diesem Geschehen so gut wie unbeeindruckt. Er erzählte einem Geistlichen von seinem Erlebnis und wurde schroff abgewiesen. Da die damaligen Geistlichen den Standpunkt vertraten, daß die Bibel in jeder Hinsicht ausreiche, standen sie persönlicher Offenbarung höchst skeptisch gegenüber. Ihre Verachtung bestürzte Joseph Smith, der ja nur versucht hatte, ein persönliches Erlebnis zu schildern, und er distanzierte sich mehr und mehr von allen Kirchen.
Nach drei Jahren ohne weitere Offenbarung fragte sich Joseph Smith, ob er noch in der Gunst Gottes stehe und betete erneut um Führung und Vergebung. Die Vision, die er in der Nacht des 21. September 1823 empfing, war für die darauffolgenden sieben Jahre seines Lebens bestimmend. Es erschien ihm nämlich ein Engel und belehrte ihn über einen heiligen Bericht eines alten Volkes. Der Engel, der sich Moroni nannte, sagte Joseph Smith, daß er diesen auf goldenen Platten gravierten Bericht empfangen werde und übersetzen solle. Weiter sagte der Engel, daß sich Gottes Bund mit dem Volk Israel nun bald erfüllen werde, daß die Vorbereitungen für das Zweite Kommen Christi bald beginnen und das Evangelium allen Völkern gepredigt werden solle, um ein bestimmtes Volk auf die Herrschaft Jesu Christi im Millennium vorzubereiten. Sodann wurde Joseph Smith in einer Vision der Hügel in der Nähe seines Vaterhauses gezeigt, wo die Platten vergraben waren. Als er tags darauf die Platten ausgraben wollte, hielt ihn der Engel davon ab und teilte ihm mit, daß er noch vier Jahre warten müsse, ehe er die Platten bekomme und daß er jährlich einmal zum Hügel zurückkehren solle, um weitere Belehrungen zu empfangen. Am 22. September 1827 erhielt Joseph Smith die Platten, von denen er das Buch Mormon übersetzte. (Siehe MORONI, BESUCHE DES ENGELS MORONI.)
Die Entdeckung der Goldplatten in dem Hügel stimmte seltsam mit anderen Erlebnissen der Familie Smith überein. Wie die meisten Neu-Engländer hatten auch sie Erfahrung bei der Suche nach geheimen Schätzen mithilfe übernatürlicher Mittel. Joseph Smiths Vater war früher angeblich auch ein solcher Schatzgräber gewesen, und Joseph Smith selbst hatte einen sogenannten »Seherstein« gefunden, mit dessen Hilfe auch er angeblich erfolgreich nach verlorenen Gegenständen gesucht hatte. Daher wollten sich gelegentlich Schatzgräber seiner Hilfe versichern, darunter auch ein gewisser Josiah Stowell (oder »Stoal«), der 1825 Joseph Smith und dessen Vater dazu anheuerte, in der Nähe von HARMONY in Pennsylvanien nach einem verborgenen spanischen Schatz zu suchen. Das Unternehmen war jedoch erfolglos, und die beiden Smiths kehrten unverrichteter Dinge nach Hause zurück. Seither haftete ihnen jedoch der Ruf der Schatzgräberei an. In den vier Jahren seines Wartens auf das Buch Mormon lernte Joseph Smith, die Platten ihres religiösen Wertes wegen zu schätzen und nicht wegen ihres Geldwertes. Als Joseph Smith die Platten zum ersten Mal zu Gesicht bekam, verbot ihm der Engel, sie anzufassen, weil er in Gedanken mit ihrem Wert gespielt hatte. Joseph Smith mußte erst lernen, sich auf den religiösen Wert der Platten zu konzentrieren und ihren materiellen Wert völlig aus den Augen zu lassen.
Während seiner Arbeit in Harmony im Jahr 1825 lernte Joseph Smith im Haus der Familie Hale, wo er mit seinem Vater in Untermiete wohnte, Emma Hale, die Tochter des Hauses kennen. Da er sich wegen verschiedener Gelegenheitsarbeiten im darauffolgenden Jahr in jener Gegend aufhielt, nutzte er die Gelegenheit, um Emma zu werben. Die Hochzeit fand am 18. Januar 1827 statt. Emma Hale war groß, von aufrechter Körperhaltung, zierlich und hatte dunkle Haare. Joseph Smith war über 1,80 m groß, breitschultrig, hatte hellbraunes Haar und blaue Augen. Nach der Hochzeit zog das Ehepaar Smith zur Familie Smith in Manchester – ganz in der Nähe des Hügels Cumorah, wo die Platten noch immer verborgen lagen.
Am 22. September 1827 begab sich Joseph Smith zum fünften Mal zum Hügel Cumorah und dieses Mal gestattete ihm der Engel, die Platten mitzunehmen, allerdings mit der strikten Anweisung, sie niemandem zu zeigen. Ränkeschmiedende Leute versuchten immer wieder, an die Platten zu kommen, und Joseph Smith blieb keine ruhige Stunde, um mit der Übersetzung zu beginnen. Schließlich sah er sich dazu gezwungen, um ihrer Sicherheit willen mit seiner Frau Emma nach Harmony zu ziehen, wo sie sich in der Nähe von Emmas Eltern niederließen.
In den folgenden drei Jahren war Joseph Smith in seiner Arbeit von der Unterstützung durch einige treue Freunde abhängig, die ihm halfen und ihn von lästigen Besuchern abschirmten. Sein offenes Wesen wirkte vertrauenserweckend, und die ehrliche Art, in der er seine Erlebnisse erzählte, nahm Skeptikern den Wind aus den Segeln. Joseph Smiths Bruder schrieb später, daß seine Familie durch Josephs Jugend, seinen Mangel an höherer Bildung, seine »ganze Wesensart und seinen Charakter« davon überzeugt war, »daß er gänzlich dazu außerstande war, irgendetwas anderes als die Wahrheit zu sagen«. (William Smith on Mormonism, Lamoni, Iowa, 1883, S. 9, 10.) Als Joseph Smith die Übersetzung des Buches Mormon abgeschlossen hatte, glaubten bereits drei oder vier Dutzend Personen an seine Mission und seine göttlichen Gaben.
Martin HARRIS, ein wohlhabender Farmer aus Palmyra, gehörte zu diesen Freunden. Er half Joseph Smith beim Umzug nach Harmony und zog in der Folge selber nach Harmony, um ihm bei der Übersetzung behilflich zu sein. Um übersetzen zu können, hatte Joseph Smith zusammen mit den Platten ein besonderes Gerät erhalten, das »Übersetzer« oder »der Urim und Tummim« hieß. Joseph Smith diktierte während Martin Harris schrieb. Im Frühjahr 1828 nahm Martin Harris nach dreimonatiger Arbeit die 116-seitige Übersetzung nach Hause, um sie seiner Frau zu zeigen. Dabei kam sie ihm abhanden oder wurde gestohlen. Die Übersetzungsarbeit wurde unterbrochen, und Joseph Smith war seelisch völlig am Ende. Kurze Zeit später wurde er in einer Offenbarung heftig zurechtgewiesen (LuB 3), und außerdem starb Joseph und Emma Smiths erstgeborener Sohn am 15. Juni 1828 kurz nach der Geburt, was Joseph Smith seelisch noch mehr belastete.
Im Herbst 1828 nahm Joseph Smith die Übersetzungsarbeit wieder auf und arbeitete mit einigen Unterbrechungen bis zum Frühjahr 1829 daran, als Oliver COWDERY, ein Lehrer, der durch Joseph Smiths Eltern von den Platten erfahren hatte, an die Wahrheit der Sache glaubte und sich Joseph Smith als Schreiber zur Verfügung stellte. Von April bis Juni 1829 arbeiteten die beiden an der Übersetzung. Als die beiden Freunde Joseph Smith und Oliver Cowdery am 15. Mai gemeinsam beteten, um Fragen bezüglich der Taufe zu klären, erschien ein Bote, der sich ihnen als Johannes der Täufer vorstellte. Er übertrug ihnen die Priestertumsvollmacht und wies sie an, einander zu taufen. Oliver Cowdery schrieb später über diese Zeit: »Das waren unvergeßliche Tage – dazusitzen und einer Stimme lauschen zu dürfen, die unter der Eingebung des Himmels sprach, das erfüllte mein Herz mit tiefster Dankbarkeit!« (Joseph Smith – Lebensgeschichte, S. 56, Fußnote.)
Oliver Cowdery war nicht der einzige Zeuge der Offenbarungen Joseph Smiths. Als in Harmony der Widerstand zunahm, zogen Joseph Smith und Oliver Cowdery im Juni 1829 nach Fayette in New York, und zwar zu Oliver Cowderys Freund David WHITMER. Und wiederum wurde Joseph Smith die Unterstützung von Menschen zuteil, die an ihn glaubten. Nach Fertigstellung der Übersetzung – so wurde Joseph Smith gesagt – dürften auch andere Personen die Platten sehen, die bis dahin ausschließlich er hatte sehen dürfen. Der Engel Moroni erschien Martin Harris, Oliver Cowdery und David Whitmer und zeigte ihnen die goldenen Platten, während ihnen eine Stimme vom Himmel bezeugte, daß die Übersetzung durch die Gabe und Macht Gottes geschehen sei und richtig sei. Joseph Smiths Mutter berichtete, wie Joseph nach dieser Offenbarung nach Hause gekommen, sich neben sie auf den Boden geworfen und dabei ausgerufen habe, daß nun endlich auch andere Personen die Platten gesehen hatten. »Nun wissen sie selbst, daß ich kein Betrüger bin.« (Smith, S. 139.) Aus seinen Worten läßt sich schließen, welche Belastung es für ihn gewesen sein mußte, immer nur selbst der einzige Zeuge seiner erstaunlichen Erlebnisse gewesen sein zu müssen.
Im März 1830 wurde das Buch Mormon veröffentlicht, wodurch ein wesentlicher Lebensabschnitt, nicht aber die göttliche Mission des Joseph Smith zu Ende ging. Im Jahr 1829 empfing er mehrere Offenbarungen, in denen ihm geboten wurde, eine Kirche zu gründen. Am 6. April 1830 wurde die Kirche Christi im Haus der Familie Whitmer in Fayette, New York, gegründet. Joseph Smith wurde der erste und Oliver Cowdery der zweite Älteste der Kirche.
Die Führung der Kirche gab dem Leben Joseph Smiths eine neue Richtung. Bis dahin war er ein junger Mann mit einer Gabe von Gott und der Mission gewesen, das Buch Mormon zu übersetzen. Plötzlich war er nun ohne jede vorherige Erfahrung auf dem Gebiet der Organisation dafür verantwortlich, eine Kirche zu organisieren und ein Volk zu führen. Daher mußte er sich auf Offenbarung verlassen. Im Verlauf der folgenden sechs Jahre empfing er viele Offenbarungen, von denen 90 die 260 Seiten des Buches »Lehre und Bündnisse« füllen. Sie reichen von Anweisungen zu weltlichen Belangen wie Verwaltungsproblemen bis hin zu erhabenen Darstellungen des Lebens nach dem Tod. Immer wenn Schwierigkeiten auftauchten, mochten sie organisatorischer oder theologischer Art gewesen sein, trachtete der Prophet Joseph Smith nach göttlicher Führung und führte so die Kirche.
Die Richtung, die diese Offenbarungen der neuen Kirche vorgaben, stellten eine gewaltige Herausforderung dar. Der Prophet Joseph Smith empfing Anweisungen in Form von Offenbarungen für Unternehmungen, die sich über die Hälfte des amerikanischen Kontinents erstreckten und zu denen die Gründung einer neuen Gesellschaftsordnung gehörte. Der Kern der Anweisungen bezog sich auf die Gründung des Neuen Jerusalems, der Stadt Zion, die in Amerika gegründet werden sollte (siehe 3. Nephi 20:22). Spätere Offenbarungen bezogen sich auf das Wesen dieser neuen Gesellschaftsordnung, in deren Mittelpunkt die Sammlung der reinen und ehrlichen Menschen aller Nationen stand, die in neuen Gemeinschaften unter göttlicher Führung in Frieden und Eintracht miteinander leben lernen sollten, und wo Tempel gebaut würden, in denen man die erlösenden heiligen Handlungen vollziehen konnte.
Im September und Oktober 1830 wurden Missionare dazu berufen, zu den Indianern an der Westgrenze des Staates Missouri zu gehen und ihnen das Evangelium zu predigen. (Siehe LAMANITEN, MISSION ZU DEN LAMANITEN.) Diesen Missionaren war gesagt worden, daß Zion in jenem Gebiet gegründet werden solle. In späteren Offenbarungen wurde den Heiligen der Letzten Tage geboten, sich in Missouri zu sammeln, wo Zion gegründet und eine neue Gesellschaftsordnung eingeführt werden sollte, durch die die Heiligen der Letzten Tage in Eintracht zusammenleben könnten (siehe WEIHUNG). Joseph Smith sowie andere Kirchenführer reisten im Sommer 1831 in den Kreis Jackson nach Missouri, wo ihnen durch eine Offenbarung mitgeteilt wurde, daß die Stadt Zion und der Tempel in der Nähe von Independence errichtet werden sollte. (Siehe MISSOURI: HLT-Gemeinden in den Kreisen Jackson und Clay.) Die Sammlung sollte auf der Stelle beginnen.
Wenn man bedenkt, daß Joseph Smith damals nicht einmal sechsundzwanzig Jahre alt war und noch fünf Jahre zuvor ein ungebildeter Farmer gewesen war, der ausschließlich durch seine spirituellen Gaben zu Berühmtheit gekommen war, müssen diese Pläne äußerst gewagt anmuten. Die Größe seiner Vorhaben stellten für ihn jedoch nie ein Problem dar. »Ich lege den Grundstock für ein Werk, das die ganze Welt revolutionieren wird«, sagte er einmal. (HC 6, S. 365.) Er handelte in der Gewißheit, daß er unter Gottes Führung stand und die Kirche allem Widerstand zum Trotz obsiegen würde.
Im Frühjahr 1831 verließen so gut wie alle Heiligen der Letzten Tage den Bundesstaat New York und zogen nach Ohio. Joseph und Emma Smith ließen sich in KIRTLAND, OHIO, in der Nähe von Neubekehrten nieder, und ihr Haus war die folgenden sechs Jahre lang Hauptsitz der Kirche. Das zweite damalige Zentrum der Kirche bis 1838 war Missouri, und zwar erst Independence, der Ort der künftigen Stadt Zion, und später das nördliche Missouri. Je mehr Heilige der Letzten Tage nach Missouri zogen, desto mehr nahmen die Konflikte mit den örtlichen Siedlern zu. Von 1831 bis 1833 und von 1836 bis 1838 riefen die Versuche der Heiligen der Letzten Tage, im Kreis Jackson beziehungsweise im Kreis Caldwell Zion zu errichten, unter den Nicht-Mormonen gewalttätigen Widerstand hervor, da sich diese in ihrer Lebensweise bedroht fühlten. (Siehe MISSOURI, KONFLIKTE IN MISSOURI.)
Joseph Smith bemühte sich auch in den sieben Jahren des Aufenthalts der Heiligen der Letzten Tag in Ohio seine Vision eines Zion zu verwirklichen. Er gründete die ersten Pfähle und organisierte die Priestertumsordnung innerhalb der Kirche. Er gründete eine Bank, eine Zeitung, eine Druckerei, er beaufsichtigte den Bau des ersten Tempels der Kirche und legte den Grundstein für ein großangelegtes Missionsprogramm in den USA, Kanada und England. Seine Offenbarungen, zu denen auch Gesundheitsregeln gehören, hatten auch auf das tägliche Leben der Heiligen der Letzten Tage Einfluß. Er überarbeitete die Bibel und gründete eine Schule, um die Heiligen der Letzten Tage auf Führungsaufgaben und die Missionsarbeit vorzubereiten. Er selbst lernte in dieser Schule Hebräisch. Der Höhepunkt der Jahre in Kirtland war die Weihung des Tempels. Obwohl Joseph Smith bereits Jahre zuvor das Priestertum empfangen hatte, empfing er 1836 im KIRTLAND-TEMPEL zusätzliche Schlüssel von Mose, Elias und Elija, die mit der Sammlung Israels und der ewigen Siegelung der Familie zu tun hatten.
Seit seiner ersten Vision war Joseph Smith auf den Widerstand der Menschen gestoßen. Im Jahr 1832 wurde er in Hiram, Ohio, von einem Pöbelhaufen überfallen, der in das Haus eindrang, wo er sich mit seiner Familie zu jener Zeit aufhielt, und wurde geteert, gefedert und verprügelt. Als Folge dieses Verbrechens verstarb eines seiner Kinder. In Kirtland entstanden in der Kirche Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der neu geplanten Gesellschaftsordnung sowie wegen Joseph Smiths Beteiligung an verschiedenen finanziellen und politischen Unternehmungen. Er wurde immer wieder beschuldigt, sich in das Privatleben der Mitglieder einzumischen und als »gefallener Prophet« bezeichnet. Zu Beginn 1838 wurde – besonders unter den Führern der Kirche in Ohio – der Widerstand so stark, daß der Prophet mit den treu gebliebenen Mitgliedern nach Missouri zog.
Im März 1838 kam Joseph Smith mit seiner Familie in Far West im Kreis Caldwell an und begann sofort wieder mit der Errichtung eines Sammlungsortes für die Heiligen der Letzten Tage und dem Bau eines Tempels. (Siehe MISSOURI: HLT-Gemeinden in den Kreisen Caldwell und Daviess.) Aber wie bereits zuvor stieß der Zustrom der Außenseiter mit andersartigen gesellschaftlichen, religiösen und wirtschaftlichen Vorstellungen auf den Widerstand der alteingesessenen Bürger. In Gallatin im Kreis Daviess artete am 6. August 1838 der Widerstand in Gewalt aus, und zwar als die Gegner der Kirche die Heiligen der Letzten Tage am Wählen hindern wollten. Die daraus entstehenden Auseinandersetzungen führten zu Verwundeten auf beiden Seiten. Ein späteres Mißverständnis mit dem örtlichen Friedensrichter führte zur gerichtlichen Klage gegen Joseph Smith. Gerüchte breiteten sich aus, und die Bürger und Milizen mehrerer Kreise vereinigten sich, um die Heiligen der Letzten Tage gewaltsam zu vertreiben. (Siehe MISSOURI, KONFLIKTE IN MISSOURI; AUSROTTUNGSBEFEHL.)
Am 31. Oktober 1838 erreichte die Krise ihren Höhpunkt, als Joseph Smith und einige andere Personen verhaftet wurden, wobei sie jedoch angenommen hatten, daß es eine Aussprache zur Lösung der Probleme geben werde. Heraus kam eine fünfmonatige Gefängnishaft für den Propheten. Im November wurden der Prophet und einige andere Heilige der Letzten Tage bei einer Vorverhandlung in Richmond (Kreis Ray) des Hochverrats angeklagt und in das Gefängnis nach LIBERTY überstellt, wo sie auf ihren Prozeß warten sollten. In der Zwischenzeit wurden die anderen Heiligen der Letzten Tage aus Missouri vertrieben.
Die äußerst harten Haftbedingungen zusammen mit der Trennung von seiner Familie und der Kirche gaben Joseph Smith Gelegenheit, sich noch mehr über menschliches Leid Gedanken zu machen. Seine Aufzeichnungen aus dem Gefängnis enthalten einige der erhabensten Schriften seines Wirkens. Verschiedene Auszüge aus seinen Briefen wurden Bestandteil seiner gesammelten Offenbarungen. In Anerkennung seines Leidens wurde er in einer bestimmten Offenbarung daran erinnert, daß sein Leid, wie groß es auch sein mochte, das Leid des Erretters nicht überstieg: »Des Menschen Sohn ist hinabgestiegen unter das alles: bist du denn größer als er?« (LuB 122:8.)
Im darauffolgenden April wurde dem Propheten und seinen Mithäftlingen beim Gefangenentransport in den Kreis Boone, wohin der Gerichtsstand verlegt worden war, die Flucht gestattet. Innerhalb eines Monats, nachdem er wieder bei seiner Familie in Quincy, Illinois, war, gebot Joseph Smith den Kauf des am Mississippi gelegenen Landes in der Nähe von Commerce im Kreis Hancock, und zog dort mit seiner Familie in ein aus zwei Räumen bestehendes Blockhaus. Im Sommer 1839 begannen die Heiligen der Letzten Tage mit der Besiedlung ihres neuen Sammlungsortes, den sie NAUVOO nannten.
Wie es für Flußsenken typisch ist, hatte auch das Land um Nauvoo zuerst keinen natürlichen Abfluß und dies führte zu Seuchen jeder Art. Während einer Malariaepidemie stellte Joseph Smith sein Haus den Kranken zur Verfügung und zog vorübergehend in ein Zelt. Zeugen berichteten, daß Joseph Smith auf wunderbare Weise viele Menschen durch Krankensegnungen heilte. »Es gab unter den Heiligen an beiden Flußufern viele Kranke, und Joseph ging zu ihnen, nahm sie an der Hand und gebot ihnen mit lauter Stimme, im Namen Jesu Christi von ihren Betten aufzustehen und gesund zu werden.« (Tagebuch des Wilford Woodruff, 22. Juli 1839, Manuskript, Kirchenarchiv.) So viele Menschen starben als Opfer der Seuche, daß sie in einem Massengrab bestattet werden mußten.
Gegen Ende 1839 begab sich Joseph Smith in die Bundeshauptstadt Washington, wo er von der amerikanischen Regierung Wiedergutmachung für die Verluste seiner Anhänger in Missouri forderte. Auch wenn ihm eine Unterredung mit dem amerikanischen Präsidenten Martin Van Buren sowie prominenten Kongreßabgeordneten gewährt wurde, so verließ er Washington doch voller Frustration und ohne Erfolg.
Schon bald wurde der Stadt Nauvoo durch die NAUVOO-CHARTA das Stadtrecht verliehen. Innerhalb der darauffolgenden Jahre drohte Nauvoo der Stadt Chicago den Rang als größte Stadt in Illinois abzulaufen. Joseph Smith war in Nauvoo Stadtrat und später auch Bürgermeister. Als Bürgermeister war er vorsitzender Richter des Stadtgerichtshofes und Grundbuchführer. Als Generalleutnant der NAUVOO-LEGION war er Oberbefehlshaber der Stadtmiliz von Nauvoo. Er führte einen Einkaufsladen und war Chefredakteur und Herausgeber der Zeitung Times and Seasons.
Die verhältnismäßig große Sicherheit der Stadt Nauvoo verschaffte Joseph Smith Gelegenheit, sich mit vermehrter Kraft der Arbeit für die Kirche zu widmen. Er entsandte das Kollegium der Zwölf Apostel nach Großbritannien auf Mission, wo die Missionsarbeit ausgebaut und ein Auswanderungsprogramm ins Leben gerufen wurde, durch das ein steter Zustrom an Einwanderern zum neuen Sammlungsort der Kirche kam (siehe MISSION DER ZWÖLF ZU DEN BRITISCHEN INSELN). In Nauvoo gründete Joseph Smith entsprechend den geographischen Gegebenheiten die ersten Bischofsgemeinden der Kirche. Er erweiterte die Kompetenzen der Zwölf Apostel, indem er ihren Wirkungsbereich auf die Pfähle der Kirche ausdehnte und ihnen unter der Leitung der Ersten Präsidentschaft Vollmacht über die Kirche übertrug. Er leitete den Bau des NAUVOO-TEMPELS und gründete die Frauenhilfsvereinigung.
Im Verlauf der Wiederherstellung vieler verlorengegangener alter Grundsätze sah sich Joseph Smith einem großen Dilemma gegenüber. In dem Bewußtsein, daß ihm nur mehr wenige Zeit verblieb, wollte er seine Arbeit beschleunigen. Da seine Mission jedoch von vielen nicht verstanden wurde und sie sich ihm widersetzten, mußte er langsam vorgehen. »Ich könnte hunderte Male mehr über die mir offenbarte Herrlichkeit der Reiche erklären … wenn die Menschen nur bereit wären, sie zu empfangen«, schrieb er im Jahr 1843. (HC 5, S. 402.) Um dieses Problem zu lösen, erklärte er einer kleinen Anzahl treuer Mitglieder bestimmte Grundsätze, in der Hoffnung, noch vor seinem Tod den Grundstein für spätere Entwicklungen zu legen. Bereits 1841 führte er die MEHREHE ein, einen wichtigen Teil der Wiederherstellung aller Dinge und gewann das Kollegium der Zwölf sowie einige andere Mitglieder dafür. Obwohl ihm der Grundsatz der Mehrehe bereits seit 1831 bekannt gewesen war und er kurz danach mit einer anderen Frau die Mehrehe eingegangen sein dürfte, ging er 1841 mit Louisa Beaman offziell die Mehrehe ein. In seinen letzten Lebensjahren dürfte er mit mindestens siebenundzwanzig Frauen in Mehrehe gelebt haben.
Im Mai 1842 erklärte der Prophet Joseph Smith einer kleinen Gruppe von Mitgliedern im oberen Raum seines Ladens in Nauvoo die gesamte Endowment-Zeremonie, die in den Jahren danach in allen HLT-Tempeln vollzogen wurde. Ein Jahr später vollzog er die ersten Siegelungen von Ehepaaren für Zeit und Ewigkeit. Außerdem verkündete er wichtige Lehren in bezug auf das Wesen Gottes und das des Menschen (siehe KING-FOLLETT-VORTRAG). Im März 1844 rief er den RAT DER FÜNFZIG ins Leben, der den politischen Arm der Kirche darstellte. Zum Zeitpunkt seines Todes drei Monate später hatte er alles zustandegebracht, was seiner Meinung nach für den Fortbestand des Gottesreiches auf Erden nötig war, und den Zwölf Aposteln hatte er jede nötige Vollmacht übertragen – im Bewußtsein, daß nun unabhängig von seinem persönlichen Schicksal das Werk, das er ins Leben gerufen hatte, weiterbestehen würde.
Weil Joseph Smith bestimmte Lehren nur im kleinen Kreis verkündete, war es ihm möglich, seine Mission zu vollenden. Allerdings komplizierte dies die Lage in Nauvoo und setzte Kräfte frei, die schließlich zu seinem Tod führten. Vielen Heiligen der Letzten Tage fiel es nämlich schwer, seine ungewöhnlichen Lehren anzunehmen. Brigham YOUNG sagte, daß er zum ersten Mal in seinem Leben den Tod herbeigesehnt hatte, als er von der Mehrehe erfuhr. Joseph Smiths Frau Emma wurde »sehr verbittert und hegte großen Groll« (laut William Clayton, Woman's Exponent 15, 1. Juni 1886, S. 2). Je mehr Gerüchte über die privaten Lehren Joseph Smiths die Runde machten, desto mehr machten sich Spekulationen und falsche Darstellungen breit.
Während Joseph Smith seine Ziele verfolgte, vereinigten sich die Kräfte außerhalb der Kirche gegen ihn. Die Regierung in Missouri hatte dreimal umsonst seine Auslieferung an Illinois beantragt, was zu langwierigen Rechtshändeln führte. Wegen finanzieller Verluste durch frühere Verfolgungen konnte er seine Schulden nicht begleichen und mußte vor seinen Gläubigern flüchten. Als sich die Regierung von Illinois gegen die Heiligen der Letzten Tage wendete und von der amerikanischen Regierung keine Hilfe zu erwarten war, erklärte der Prophet seine Kandidatur für das Amt des amerikanischen Präsidenten, wodurch ihm die Möglichkeit geboten wurde, die geforderten Rechte seiner Anhänger zum Thema öffentlicher Diskussion zu machen. (Siehe NAUVOO, POLITIK IN NAUVOO.)
Trotz der Widerwärtigkeiten, die ihn von der Wiege bis zur Bahre verfolgt hatten, war Joseph Smith kein trübsinniger, gesellschaftsfeindlicher Mensch, wie sich die meisten seiner Zeitgenossen einen Propheten vorstellten. Ein Neubekehrter aus England schrieb, daß Joseph Smith kein »mißmutiger Frömmler« gewesen sei – »ganz im Gegenteil!« (John Needham an Thomas Ward, 7. Juli 1843, Latter-Day Saints' Millennial Star 4, Oktober 1843, S. 89.) Es war durchaus nichts Ungewöhnliches, Joseph Smith bei sportlicher Betätigung mit den jungen, aktiven Männern des Ortes zu sehen. Er mochte Ringen, Stockziehen und Schneeballschlachten und ging mit seinen Kindern gerne auf dem Eis laufen, spielte mit ihnen Murmeln oder ging mit ihnen Zielschießen und Fischen. Joseph Smith war groß, gut gebaut und wußte seine körperliche Kraft einzusetzen. Als junger Mann verprügelte er einmal einen Mann, der seine Ehefrau geschlagen hatte. Als auf der Reise nach der Bundeshauptstadt Washington die Pferde mit der Postkutsche durchgingen, während der Fahrer gerade eine Pause eingelegt hatte, öffnete Joseph Smith die Tür der dahinratternden Kutsche, kletterte auf den Kutschbock, faßte die schleifenden Zügel und brachte die Kutsche zum Stillstand.
Joseph Smith war ein tiefgeistiger Mensch. Seine Mutter sagte über ihn, daß er sich schon als Kind »mehr als andere Menschen seines Alters Gedanken über alles Religiöse« gemacht hatte. (Lucy Smith, Biographical Sketches of Joseph Smith, vorläuf. Manuskript, S. 46, HLT-Kirchenarchiv.) Als Zwölfjähriger »begann ich mich mit allen wichtigen Fragen in bezug auf das Wohl meiner unsterblichen Seele« zu befassen. (PJS 1, S. 5.) Noch Jahre, nachdem er bereits Offenbarungen empfangen hatte, trachtete er immer wieder nach seelischem Trost. Im Jahr 1832 beschrieb er den Besuch eines Waldes »hinter der Stadt, wo ich mich beinahe täglich hin begebe und außerhalb der Sichtweite irgendeines Menschen alle Gefühle meines Herzens im Gebet und in Meditation ausdrücken kann«. (PWJS, S. 238.) Ganz offensichtlich kam es aus dem Innersten seines Herzens, als er sagte: »Die Dinge Gottes sind von tiefer Bedeutung, und nur Zeit, Erfahrung und sorgfältige, gewichtige und ernsthafte Gedanken vermögen sie zu entdecken.« (HC 3, S. 238.)
Joseph Smith liebte seine Familie zutiefst, und seine persönlichen Schriften sind voller gebeterfüllter Ergüsse des Sanftmutes und der Sorge, wie z.B. »O Herr, segne meine kleinen Kinder mit Gesundheit und einem langen Leben, damit sie um Christi willen in dieser Generation Gutes bewirken können. Amen.« (PWJS, S. 28.) Joseph Smith war der Vater von elf Kindern, zu denen auch ein adoptiertes Zwillingspaar gehörte. Von diesen elf Kindern starben vier Söhne und eine Tochter als Säuglinge oder Kleinkinder; fünf lebten, als ihr Vater ums Leben kam, und sein sechster Sohn wurde vier Monate nach Joseph Smiths Tod geboren. Aus seinem Familienleben ist bekannt, wie er mit seinem Sohn Frederick am Eis rutschen ging, mit seinen Kindern Kutschen- oder Schlittenfahren machte oder mit ihnen in den Zirkus ging.
Joseph Smith war ein treuer Freund und hatte andere Menschen sehr gern. Immer wieder streckte er »verlorenen Söhnen« seine verzeihende Hand entgegen – auch denen, die ihm Schmerz und Leid verursacht hatten. »Ich kann nicht umhin, allen ein Freund zu sein … den Gerechten und Ungerechten. Jeder besitzt zu einem gewissen Grad mein Mitgefühl und meine Sympathie.« (PWJS, S. 548.) Man sagte auch über Joseph Smith, daß er nie zu Bett gehen konnte, solange es noch Kranke gab, die der Hilfe bedurften. Er lehrte, daß Liebe »eine der herausragendsten Eigenschaften der Gottheit ist und sich auch im Verhalten derjenigen äußern sollte, die danach trachten, Söhne Gottes zu werden. Ein Mann, der von der Liebe Gottes erfüllt ist, gibt sich nicht damit zufrieden, nur seine Familie zu segnen, sondern durchwandert die Welt in dem Bedürfnis, die gesamte Menschheit zu segnen«. (PWJS, S. 481.) Ein Mitglied der Kirche, das einige Zeit bei der Familie Smith wohnte, konnte die »ernste und demütige Aufopferung des Propheten sehen … der seine Familie, Nachbarn und Freunde versorgte, tröstete und besänftigte«. Das Privatleben des Propheten Joseph Smith war für diesen Beobachter ein größeres Zeugnis seiner göttlichen Berufung als seine öffentlichen Taten.« (JD, 7, S. 176,177.)
Joseph Smith verbrachte sein Leben damit, der Welt unter großen persönlichen Opfern sehr viele religiöse Erkenntnisse zu vermitteln. Ihm war bewußt, daß der »Neid und Zorn der Menschen« sein Los gewesen waren und daß er »gewohnt war, in tiefem Wasser zu schwimmen«. (LuB 132:2.) Kaum ein Jahr vor seinem Tod sagte er vor Zuhörern in Nauvoo: »Wenn ich nicht dieses Werk auf mich genommen hätte und von Gott berufen worden wäre, würde ich davon ablassen. Das kann ich aber nicht, denn ich zweifle nicht an dessen Wahrheit.« (HC, 5, S. 336.) Er lebte in der Hoffnung, diese Wahrheit in der Gemeinschaft der Heiligen der Letzten Tage zum Leben erwecken zu können und starb als Opfer derjenigen, die seine Vision nicht verstanden.
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DEAN C. JESSEE
PROZESSE GEGEN JOSEPH SMITH
Joseph Smith war der Ansicht, daß seine Feinde gesetzliche Maßnahmen als Werkzeug religiöser Verfolgungen gegen ihn einsetzten, wie dies früher bereits gegen viele Apostel Christi und andere Märtyrer geschehen war. Obwohl er oft schnell wieder freigesprochen wurde, so nahmen doch viele »schikanöse und bösartige« Prozesse gegen ihn seine Zeit und Mittel in Anspruch, brachten ihm mehrere Male Gefängnishaft ein und führten schließlich zu seinem Märtyrertod. Joseph Smith wurde schon bald nach Beginn seines geistlichen Wirkens und im Laufe seines Lebens insgesamt etwa dreißigmal strafrechtlich und mindestens ebensooft wegen angehäufter Schulden und danebengegangener finanzieller Spekulationen zivilrechtlich verklagt.
Die erste Klage gegen ihn wurde 1826 in South Bainbridge im Bundesstaat New York eingebracht, und zwar wegen »ordnungswidrigen Verhaltens«, da er gegen Bezahlung auf Schatzsuche gegangen sei. Der Kläger war ein verärgerter Methodistenprediger, der mit Josiah Stowell, Joseph Smiths Auftraggeber, verwandt war. Als Stowell sich weigerte, beim Prozeß gegen Joseph Smith auszusagen, wurde die Klage fallengelassen. Im Juli 1830 stand Joseph Smith erneut wegen »ordnungswidrigen Verhaltens und Ruhestörung durch Predigen des Buches Mormon usw.« vor Gericht und wurde von einem anderen Richter ebenfalls freigesprochen. (HC 1, S. 88.) Die Verhandlung ging um Mitternacht zu Ende. Tags darauf wurde er erneut verhaftet und im Nachbarkreis Broome unter derselben Anklage vor Gericht gestellt. Außerdem wurde ihm »Teufelsaustreibung und Vorgabe von Besuchen eines Engels zwecks Erschleichung fremden Eigentums« zur Last gelegt. Nach einer dreiundzwanzigstündigen Verhandlung und der Einvernahme von über vierzig Zeugen wurde Joseph Smith wiederum freigesprochen. (HC 1, S. 91-96.)
Nach dem Umzug der Kirche nach KIRTLAND, OHIO im Jahr 1831 wurden gegen Joseph Smith und andere Führer der Kirche religiös motivierte Klagen eingebracht, jedoch abgewiesen (die Gründe sind in Klammern angeführt): Schwere tätliche Mißhandlung (es war Selbstverteidigung), unbevollmächtigter Vollzug von Eheschließungen (es war lediglich Anstiftung dazu), versuchter Mord oder strafbare Verabredung dazu (Mangel an Beweisen) sowie Zwangsarbeit ohne Entgelt während des Marsches des ZIONSLAGERS nach Missouri (in nächster Instanz gewonnen). Im Gegenzug klagten die Führer der Kirche auf Schadenersatz wegen tätlicher Mißhandlung während der Ausübung religiöser Pflichten und gewannen den Prozeß. Die schwere Finanzkrise des Jahres 1837 führte jedoch zu zahlreichen Klagen gegen den Propheten sowie andere Mitglieder der Kirche, da sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten. Noch schlimmer waren die Klagen wegen Verletzung des Bankgesetzes des Bundesstaates Ohio, als die »Kirtland Safety Society Anti-Banking Company« (siehe KIRTLAND, WIRTSCHAFT IN KIRTLAND) schon bald nach ihrer ohne Konzession erfolgten Gründung im Jahr 1836 zusammenbrach. Es wurden Klagen wegen Betrugs und Selbstbereicherung eingebracht, die jedoch nicht bewiesen werden konnten. Gegen das Urteil der Geschworenen wurde Einspruch erhoben; Joseph Smith verließ jedoch Ohio und zog nach Missouri, noch ehe das Berufungsverfahren eingeleitet werden konnte.
In Missouri wurde gegen die Heiligen der Letzten Tage fast nur ungesetzlich vorgegangen, und zwar von mormonenfeindlichen Selbstschutzgruppen, die gegen die ablehnende Haltung der Mormonen in bezug auf die Sklaverei, ihren Einfluß als religiöse Gruppe und Joseph Smiths Lehren über moderne Offenbarung und die Gründung Zions im Kreis Jackson waren. Die Mormonen wurden vom Zivilgerichtshof bei Schadenersatzforderungen regelmäßig abgewiesen. Der Buchdrucker, ein Mitglied der Kirche, wurde verprügelt, geteert und gefedert und seine Druckerei vollkommen zerstört. Der ihm zugesprochene Schadenersatz betrug weniger als die anfallenden Prozeßkosten. Dem Präsidierenden Bischof der Kirche wurde als Schadenersatz einmal »ein Penny und ein Pfefferkorn« zugesprochen. Alle drei Gewalten im Bundesstaat Missouri – Judikative, Legislative und Exekutive – schienen, wenn es um die Mormonen ging, wie gelähmt zu sein oder die Ausschreitungen des Pöbels auch noch zu unterstützen, weswegen die Mormonen immer wieder enteignet und von Landkreis zu Landkreis vertrieben wurden.
Am Wahltag, dem 6. August 1838, kam es im Ort Gallatin im Kreis Daviess zu Gewalttätigkeiten zwischen Mormonen und Nichtmormonen. Joseph Smith und andere Mitglieder wandten sich an Friedensrichter Adam Black, der auf ihren Wunsch hin ein »Friedensabkommen« unterschreiben sollte, zum Beweis dafür, daß er auf der Seite des Gesetzes stehe und nichts mit dem Pöbel zu tun habe. Statt dessen wurden Joseph Smith und Lyman Wight verhaftet, und zwar aufgrund einer eidesstattlichen Aussage, laut der ihnen Körperverletzung und Aufruhr vorgeworfen wurde und die von Richter Black unterzeichnet worden war. (HC 3, S. 61.) Smith und Wight wurden Richter Austin King vorgeführt, der ihr Erscheinen vor einer Anklagejury im Kreis Daviess zum nächstmöglichen Termin anordnete. (HC 3, S. 73.)
Am 25. Oktober 1838 wurde Moses Rowland, ein Angehöriger der Bundesstaatsmiliz von Missouri, bei der »Schlacht am Crooked River« getötet, als eine Gruppe Heiliger der Letzten Tage drei entführte Mitglieder befreien wollte. Als Gouverneur Lilburn W. Boggs von dieser bewaffneten Auseinandersetzung sowie von anderen Berichten erfuhr, erließ er seinen berüchtigten AUSROTTUNGSBEFEHL. Joseph Smith sowie andere Führer der Kirche wurden verhaftet. Vom 12. bis zum 29. November 1838 fand unter Vorsitz von Richter Austin King in Richmond, Missouri, die Vorverhandlung statt. Während Joseph Smith und die anderen Angeklagten auf das Urteil der Anklagejury warteten, wurden sie viereinhalb Monate lang im LIBERTY-GEFÄNGNIS festgehalten. Die Anklage lautete auf Mord, Brandstiftung, Diebstahl, Aufruhr und Verrat. Während des Transports zu einem anderen, möglichst unparteiischen Verhandlungsort wurde Joseph Smith und dessen Mitgefangenen die Flucht gestattet, wodurch eine öffentliche Blamage des Bundesstaates durch diesen Prozeß vermieden werden sollte.
Nach ihrer Vertreibung aus Missouri ließen sich die Heiligen der Letzten Tage in den Jahren 1838 und 1839 in NAUVOO, Illinois, nieder. Um die »gesetzlich statthaften« Verfolgungen in früheren Bundesstaaten zu vermeiden, setzten sie für Nauvoo eine großzügige Stadtverfassung durch, die den städtischen Gerichten große Macht einräumte, durch deren Hilfe Joseph Smith und andere Heilige der Letzten Tage vor den Haftbefehlen anderer Bundesstaaten geschützt werden konnten. Im Jahr 1841 ignorierte Bundesstaatsrichter Stephen A. Douglas einen Haftbefehl aus Missouri, laut dem Joseph Smith wegen noch offener Verfahren gegen ihn nach Missouri ausgeliefert werden sollte. Genauso verhielt sich 1843 ein Bundesrichter, nachdem nach der Ermordung des früheren Gouverneurs Boggs ebenfalls ein Haftbefehl gegen Joseph Smith vorlag. Die häufige Anwendung des Habeas-Corpus-Gesetzes durch Richter in Nauvoo, wodurch Richtern auf Bundesstaats- und sogar Bundesebene vorgegriffen wurde, führte zu heftigem Mißtrauen gegen die Mormonen, da die Nichtmormonen das Gefühl hatten, daß Joseph Smith sich über das Gesetz erhaben fühle.
Das Habeas-Corpus-Gesetz wurde im Juni 1844 zum letzten Mal angewendet, als Joseph Smith von einem Kreispolizeiwachtmeister verhaftet wurde, und zwar wegen »Anstiftung zum Aufruhr«, da er die weitere Herausgabe der einmalig erschienenen Zeitung NAUVOO EXPOSITOR verboten hatte. Dieser Tatbestand führte zu mehreren Prozessen zwischen dem Propheten und mehreren abgefallenen Mitgliedern, die ihn des Meineids und Ehebruchs bezichtigten. Seine Gegenklage lautete ebenfalls auf Meineid, Körperverletzung, Verleumdung und Widerstandsleistung bei der Verhaftung. Nach einem weiteren Prozeß in der Sache selbst und nach seinem Freispruch in Nauvoo überredete der Gouverneur Joseph Smith, sich erneut in Haft zu begeben und sich nochmals der Anklage der »Anstiftung zum Aufruhr« zu stellen, und zwar diesmal in Carthage, wo er sofort ohne Kaution verhaftet und des »Hochverrats« angeklagt wurde, da er in Nauvoo das Kriegsrecht verhängt und die Nauvoo-Miliz zwecks Aufrechterhaltung des Friedens hinausbeordert hatte. Joseph Smiths Gegner behaupteten, er habe es auf die Bürger von Illinois abgesehen. Zwei Tage später wurde er zusammen mit seinem Bruder Hyrum von einem maskierten Pöbelhaufen ermordet.
Sogar nach seinem Tod setzten sich die Prozesse in Zusammenhang mit Joseph Smith fort. Von sechzig vor der Anklagejury genannten Mordverdächtigen wurden fünf tatsächlich in Carthage des Mordes an Joseph Smith angeklagt. (Der Mord an Hyrum Smith war Gegenstand eines weiteren Prozesses.) Nach einem sechstägigen Prozeß wurden im Juni 1845 alle Angeklagten mangels Beweisen freigesprochen. Die größte rechtliche Demütigung gegenüber Joseph Smith und der Kirche in Illinois war eine Reihe von Bundesgerichtserlässen aus den Jahren 1851 und 1852, in deren Folge jegliches verbliebene persönliche Eigentum Joseph Smiths und der Kirche, das er zu Lebzeiten erworben hatte, liquidiert wurde, um ein Zahlungsversäumnis aus dem Jahr 1842 auszugleichen. Joseph Smith hatte in den Anfangstagen der Nauvoo-Zeit einen Schuldschein gegenüber der amerikanischen Bundesregierung unterschrieben. Als die Schuld nicht beglichen wurde, wurden mehrere Rechtsverfahren gegen ihn eingeleitet, wodurch seiner Bankrotterklärung vorgegriffen wurde und man ihn des Betrugs und »Fehlverhaltens« anklagte. Trotz des schlechten Rechtsbeistandes und seines finanziellen und wirtschaftlichen Pechs wurde Joseph Smith nie dieses Fehlverhaltens schuldig gesprochen.
BIBLIOGRAPHIE
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History of the Church, Bd. 1, S. 88-96, 377, 390-493; Bd. 2, S. 85-450; Bd. 3, S. 55-465; Bd. 4, S. 40-430; Bd. 5.
Madsen, Gordon A. »Joseph Smith's 1826 Trial: The Legal Setting.« BYU Studies 30, Frühjahr 1990, S. 91.
Oaks, Dallin H. und Joseph I. Bentley. »Joseph Smith and Legal Process: In the Wake of the Steamboat Nauvoo.« BYU Law Review 3 (1976), S. 735-782; Neudruck in BYU Studies 19, Winter 1979, S. 167.
Oaks, Dallin H. und Marvin Hill. Carthage Conspiracy. Urbana, Illinois, 1975.
Walters, Wesley P. »Joseph Smith's Bainbridge, N.Y., Court Trials.« Westminster Theological Journal 36, Winter 1974, S. 123-155.
JOSEPH IVINS BENTLEY
LEHREN DES PROPHETEN JOSEPH SMITH
Die von Joseph Smith erhaltenen schriftlichen und mündlichen Offenbarungen sind klar, direkt und unzweideutig, aber seine Lehren sind schwer zu charakterisieren und zusammenzufassen, da sie nicht in herkömmliche theologische Schemata passen und stets zur Voraussetzung haben, daß Gott noch mehr offenbaren könnte und vermutlich noch offenbaren wird. Joseph Smiths Publikum hörte sich begierig die kühnen Behauptungen und Argumente des Propheten über hunderte verschiedene Themen an, auch wenn seine Aussagen keine systematischen Analysen oder Synthesen beinhalteten. Seine Lehren, Aussprüche, Ratschläge, Anweisungen, Segen, Reaktionen und Kommentare aus den Jahren 1820 bis 1844 erstrecken sich über tausende Seiten von Offenbarungen, heiligen Schriften, Geschichtsberichten, Tagebüchern, Briefen und Protokollbüchern. (Siehe JOSEPH SMITH: SCHRIFTLICHES WERK DES PROPHETEN JOSEPH SMITH.)
Joseph Smiths Lehren können auf verschiedenste Art und Weise untersucht werden. Es gibt sie thematisch geordnet; andere Kommentare untersuchen die historische Einbettung von Joseph Smiths Offenbarungen und Reden. Es gibt vergleichende Fassungen zwischen seinen gedruckten Werken und schriftlichen Aufzeichnungen seiner Aussagen seitens anderer Personen. Wie dem auch sei – sein Werk ist größtenteils folgerichtig und konsequent und von nur geringen Brüchen und Wechseln geprägt.
Die Geschichte zeigt, daß Joseph Smiths Zugang zu seinen Quellen sowie sein Verstand einem Wachstumsprozeß unterworfen waren. Im Jahr 1842, zwei Jahre vor seinem Tod, sagte er, daß er »den gesamten Plan des Reiches« vor Augen habe (HC 5, S. 139). Es steht aber nicht fest, wie früh in seinem Leben der »gesamte Plan« in seiner Vorstellung klare Gestalt angenommen hatte.
Manche seiner Lehren sind heute heilige Schrift, andere wiederum gelten als maßgebliche Aussagen, sind aber nicht heilige Schrift. Laut seiner eigenen Aussage ist ein Prophet nicht immer ein Prophet, sondern nur dann, »wenn er als solcher tätig ist«. (Lehren des Propheten Joseph Smith, S. 283.) Gründliche Forschung macht es möglich, Originalzitate von späteren Aussagen zu unterscheiden, die Joseph Smith in den Mund gelegt wurden. Außerdem gibt es Aussagen, die ihm zugeschrieben werden oder unter seinem Namen veröffentlicht wurden, die jedoch nicht von ihm stammen oder von ihm bestätigt wurden. Die folgende Zusammenfassung seiner Lehren beinhaltet Offenbarungen, Übersetzungen heiliger Schriften und seine bekanntesten Aussagen.
Joseph Smith hat nie behauptet, eine neue Religion gegründet, sondern einen Neubeginn eingeleitet zu haben – die Wiederherstellung des immerwährenden Evangeliums Jesu Christi. »Die wesentlichen Grundsätze unserer Religion sind das Zeugnis der Apostel und Propheten über Jesus Christus, daß er gestorben ist, begraben wurde und am dritten Tag wieder auferstanden und dann in den Himmel aufgefahren ist; und alles andere, was mit unserer Religion zu tun hat, ist nur eine Zugabe dazu.« (LPJS, S. 124.) Er sah eine »gänzliche und vollständige und vollkommene Vereinigung und Verschmelzung der Ausschüttungen und Schlüssel und Mächte und Herrlichkeiten von den Tagen Adams bis in die Gegenwart«. (LuB 128:18.) Zu dieser Wiederherstellung sollte »alle Wahrheit, die die Christenheit je hatte« (LPJS, S. 382) gehören, darunter vieles, was verlorengegangen oder in Vergessenheit geraten war, aber auch Offenbarungen, die »seit Grundlegung der Welt verborgen gewesen sind«. (LPJS, S. 314.) Joseph Smiths Lehren standen oft in Gegensatz zu nachbiblischen Hinzufügungen, Wegnahmen und Veränderungen der Bibel. Er sagte, daß er vorhabe, »eine Grundlage zu schaffen, wodurch die ganze Welt umgestaltet werden wird«. (LPJS, S. 372.)
Es folgt nun eine auszugsweise Auswahl von Zitaten aus den vielen Themen und Ideen des Propheten Joseph Smith, die seine Lehren veranschaulichen:
GOTT UND DIE GOTTHEIT. Joseph Smith lehrte, daß Gott richtigerweise »Vater« genannt wird. Gott ist eine verherrlichte, erhöhte Person mit persönlichen Eigenschaften. Jesus Christus ist der Mittler zwischen Gott und Mensch. Jesus Christus ist nicht Gott, sondern ist wie der Vater geworden. Diese Lehre nimmt den vielen klassischen Glaubensbekenntnissen ihr Mysterium und stellt einen verfeinerten Anthropomorphismus dar, der sich in alter und moderner heiliger Schrift findet.
Weil Gott ein an höchster Stelle stehendes menschliches Wesen ist, kann man sich an ihn wenden, ihm begegnen und ihn kennenlernen. Er nimmt am menschlichen Streben teil. Der Mensch kann sich darauf verlassen, daß Gott nicht stillsteht, sondern handelt, reagiert, liebt, dient und gibt. Aus der Gegenwart Gottes und seines Sohnes geht ein Geist aus, der jedem, der die Sterblichkeit betritt, Licht verleiht. Dieses Licht ist in allem, gibt allem das Leben und ist das Gesetz, wodurch alles regiert wird; es ist die Kraft Gottes. (LuB 88:13.)
WAHRHEIT. Die Erfahrung deutet auf ein pluralistisches Universum hin. Das größte Wissen ist das Wissen über Dinge, über Existenzen in all ihrer Vielfalt. (LuB 93:24,25.) In den von Joseph Smith empfangenen Offenbarungen werden unabhängige Daseinssphären sowie eine Vielzahl der Herrlichkeiten beschrieben. (LuB 76; vgl. auch 88:37.) Daher gibt es keinen mystischen Vorstoß in Richtung einer metaphysischen Union, in der die Individualität verlorengeht.
HEILIGE SCHRIFT. Der Prophet Joseph Smith lehrte, daß die heiligen Schriften schriftliche Aufzeichnungen von Offenbarungserlebnissen sind. Er lehnte, was die Auslegung heiliger Schrift betrifft, die Lehre von der schriftlichen Unfehlbarkeit, vom »menschlichen Ursprung« sowie jede übermäßige allegorische Auslegung der heiligen Schrift gleichermaßen ab. Die Grenzen des Kanons sind fließend, so wie dies zur Zeit des frühen Juden- und Christentums ebenfalls der Fall gewesen war. Mündliche oder schriftliche heilige Schrift ist demjenigen ein Licht, der durch göttliches Leben und Licht belebt ist. Lebende Propheten sind notwendig, um die schriftlichen Quellen aktuellen Bedürfnissen anzupassen, sie zu ergänzen und zu erklären. »Ich habe den Brüdern gesagt, das Buch Mormon sei das richtigste aller Bücher auf Erden und der Schlußstein unserer Religion, und wenn man sich an dessen Weisungen hielte, würde man dadurch näher zu Gott kommen als durch jedes andere Buch.« (LPJS, S. 198.)
SCHÖPFUNG UND KOSMOS. Das charakteristischste Merkmal der Lehren Joseph Smiths ist sein »Eternalismus«: »Jeder von Gott ausgehende Grundsatz ist ewig.« (LPJS, S. 181.) Die »reinen Grundbestandteile des Urstoffs« und der Intelligenz waren von der selben Zeit an vorhanden wie Gott: »Sie lassen sich gestalten und neu gestalten, aber man kann sie nicht vernichten.« (LPJS, S. 358.) Gott hat das Universum aus Chaos geschaffen, das »Urstoff ist, in dem alle Herrlichkeit innewohnt«. (WJS, S. 351.) »Die Urstoffe sind die Wohnstätte Gottes.« (LuB 93:35.) Gott ist mit Raum und Zeit verbunden und hat sie nicht aus dem Nichts erschaffen. Veränderungen werden durch Intelligenz bewirkt. Das Universum wird von Gesetzen beherrscht. Es gab zwei Schöpfungen: Ehe sie »natürlich« erschaffen wurden, wurden alle Dinge zuerst »geistig« erschaffen. (Mose 3:5.) Gott ist durch seinen Sohn der Schöpfer einer Vielzahl von Welten. Gott ist der Vater der Geister aller Menschen, die seine Schöpfungen bewohnen. Seine Schöpfungen sind endlos.
DAS WESEN DES MENSCHEN. Der Mensch war als ewige Intelligenz »am Anfang bei Gott«. (LuB 93:29,30.) Bei seiner Entfaltung von Gnade zu Gnade ist er jedoch auf die liebende Obsorge Gottes angewiesen. Durch das Evangelium und das Sühnopfer sind die Kinder Gottes Erben all dessen, was der Vater ist und hat und können selbst zu Göttern werden. (LuB 76:58-61; 84:35-39; 88:107.)
Geist ist feinere Materie. Er hat »vor dem Körper existiert und kann im Körper existieren; er wird auch ohne den Körper existieren, wenn dieser dereinst im Grab verwest. Geist und Körper werden aber nach der Auferstehung wieder vereinigt sein«. (LPJS, S. 212.)
Es steht dem Menschen zu, die Macht Gottes oder die des Bösen von sich zu weisen oder anzunehmen. Gott, der Mensch, sowie der Satan und seine Scharen sind voneinander unabhängig und können einander zu nichts zwingen.
DER ERLÖSUNGSPLAN. Gott sah sich inmitten seiner Geister und Herrlichkeiten und hielt es für richtig, Gesetze aufzustellen, die es seinen Kindern ermöglichen würden, so wie er Fortschritt zu machen und Herrlichkeit um Herrlichkeit zu empfangen. »Bei der ersten Organisierung im Himmel waren wir alle anwesend und haben gesehen, wie der Erretter erwählt und bestimmt wurde und wie der Plan der Errettung aufgestellt wurde; und wir haben ihn gebilligt.« (LPJS, S. 184.) Gleiches zieht Gleiches an (LuB 88:40); Harmonie wird wiederhergestellt: Wissen ersetzt Unwissenheit, Heiligkeit ersetzt Sünde, und Leben ersetzt den Tod.
DER FALL (DES MENSCHEN). Der Prophet Joseph Smith lehnte die traditionelle Lehre von der Erbsünde ab und kehrte zur Lehre von der Unschuld des Menschen vor dem Fall zurück. Adam und Eva begingen – wie geplant – eine Übertretung, um dadurch den gegensätzlichen Erlebnissen der Sterblichkeit den Weg zu öffnen. Der Fall des Menschen war nicht unvermeidlich, sondern beruhte auf der Entscheidungsfreiheit. Jeder Mensch ist als Kind vor Gott unschuldig. Demnach ist die Kleinkindtaufe unnötig; das Alter der Verantwortlichkeit kommt erst später (und zwar mit acht Jahren), und die Verantwortung für seine Sünden obliegt jedem einzelnen und wird nicht ererbt. (LuB 68:25-27; 93:38.) Der Mensch wird zu dem, wofür er sich entscheidet.
Gott selbst hat einen Körper »so fühlbar wie der eines Menschen« (LuB 130:22), und der menschliche Körper ist ein Tempel. »Das wichtige Prinzip des Glücklichseins besteht darin, daß man einen Körper hat.« (LPJS, S. 181,302.) Die Erlösung betrifft die ganze Seele, d.h. Körper und Geist.
DAS SÜHNOPFER. Die Macht der Erlösung besteht aus dem Sühnopfer Jesu Christi, des Sohnes Gottes. In diesem sich entwickelnden Drama ererbte der Sohn die Fülle des Vaters. Er war nicht »von Ewigkeit geboren«, noch existierten in dem einen Wesen Christi zwei absolut ungleiche Wesen.
Das Sühnopfer Jesu Christi war notwendig, um die Forderungen der Gerechtigkeit und der Gnade miteinander in Einklang zu bringen. Christus reagierte auf diese Forderungen auf freiwillige Art und Weise – er fuhr hinab, um in die Höhe aufzufahren. (LuB 88:6.) Außer durch eigene Erfahrung hätte Christus kein tiefes Erbarmen erleben können. Er erlitt Schmerz und Leid und Versuchung, »auf daß sein Inneres von Barmherzigkeit erfüllt sei gemäß dem Fleische«, denn nur so konnte er »seinem Volk … gemäß dessen Schwächen« beistehen. (Alma 7:12.) Getsemani war Ort und Zeit seines intensivsten Leidens zugunsten der Menschheit; das Kreuz war dessen letzte Stunde. (LuB 19:16-19; Matth. 27:54 der Joseph Smith-Übertragung.)
Christus hat die Menschen von ihren Sünden und nicht in ihren Sünden erlöst. Er unterstellt niemandem Rechtschaffenheit, wo keine Rechtschaffenheit ist. Wer danach trachtet, für sich selbst ein Gesetz zu werden und in Sünde leben will, kann nicht geheiligt werden, es sei denn, er kehrt vorher um. (LuB 88:35.)
Das endlose Sühnopfer soll allen Kindern des Ewigen Vaters Leben und Erlösung bringen – auch denen auf anderen Welten, die »durch ein und denselben Erretter wie wir errettet sind«. (T&S 4, S. 82-85.)
ERKENNTNIS. Intelligenz im Sinne von Licht und Wahrheit ist die Herrlichkeit Gottes. (LuB 93:36.) Der Verstand ist ewig. Ihm steht die Weite des Universums offen. Erkenntnis ist eine Bedingung der Erlösung: »Ohne Erkenntnis können wir nicht errettet werden« (LPJS, S. 222), und wir erlangen Erkenntnis von den Wahrheiten des Evangeliums nicht schneller als wir erlöst werden, d.h. nicht schneller als man Christus in sein Leben einläßt. »Erkenntnis durch unseren Herrn und Erretter Jesus Christus ist demnach der Schlüssel, womit sich die Herrlichkeiten und Geheimnisse des Himmelreiches erschließen lassen.« (LPJS, S. 303.) »Denn Gott hat Joseph nichts offenbart, was er nicht auch den Zwölf kundtun wird, und selbst der letzte Heilige kann alles wissen, sobald er imstande ist, es zu ertragen.« (LPJS, S. 151.)
Gotteserkenntnis und die Erkenntnis göttlicher Dinge kommen durch den Geist. Zu Offenbarung zählen sichtbare Erscheinungen, Visionen, Träume, der Besuch von Engeln und Geistern, Eindrücke, Stimmen, blitzartige Inspiration durch Eingebungen und Licht sowie der Fluß reiner Intelligenz in Herz und Verstand. Solche unmittelbaren Offenbarungen sind ein wesentlicher Bestandteil im religiösen Erleben jedes Menschen. Jedem gläubigen Menschen ist mindestens eine Gabe des Geistes gegeben. »Niemand empfängt den Heiligen Geist, ohne Offenbarungen zu empfangen.« (LPJS, S. 335.) »Keiner kann wissen, daß Jesus der Herr ist, außer durch den Heiligen Geist.« (LPJS, S. 228.) »Keine Generation wurde je durch ein totes Zeugnis errettet oder erlöst, und kann es auch nicht werden, sondern nur durch ein lebendiges Zeugnis.« (WJS, S. 159.) Innerhalb dieser Grenzen können solche Erlebnisse in Worte gefaßt und mitgeteilt werden.
DER ZWECK DES LEBENS: FREUDE. »Glücklich zu sein ist der Zweck und die Absicht unseres Daseins.« (LPJS, S. 260.) »Wir sind auf diese Erde gekommen, damit wir einen Körper erlangen und ihn rein darbringen können, nämlich vor Gott im celestialen Reich.« (LPJS, S. 184.) Verherrlichte Körper besitzen Macht und Vorrechte über nicht derart Beschaffene, und einen Körper verweigert zu bekommen oder von seinem Körper getrennt zu sein ist wie Knechtschaft. Die Verbindung von Geistkörper und physischem Körper kann zu einer Fülle der Freude führen. (LuB 93:33,34.)
Die Herrlichkeit Gottes besteht darin, zugunsten anderer zu wirken. Daher kann sich der Mensch erst dann wirklich selbst finden, wenn er sich in dem christusähnlichen Bedürfnis verliert, andere zu erheben, zu ihrem Vorteil zu wirken und sie zu segnen. (PWJS, S. 483.) Sogar in diesem Leben können die Mitglieder der Familie Gottes die Freude zu erfahren beginnen, die im späteren Leben zu einer Fülle wird. (LPJS, S. 300.)
PRÜFUNGEN UND LEID. Das Böse ist real, Schmerz ist real, Verlust ist real, Versuchungen sind real, deren Bewältigung ist real. Die Erfahrungen der Sterblichkeit beinhalten sowohl Risiken als auch ihren Lohn. Dies sind die Bedingungen für das Wachstum der Seele. Gottes Absicht besteht darin, seine Kinder auf eine höhere Stufe zu heben; er kann dies jedoch nicht ohne deren Mitarbeit. Er kann auch nicht auf eine Weise einschreiten, die den Bedarf an persönlichen Erfahrungen, auch bitteren Erfahrungen, aufheben würde.
Das Leben ist eine Prüfung, eine Bewährungszeit: »Dann wisse … daß dies alles dir Erfahrung bringen … wird.« (LuB 122:7.) Abrahams Bereitschaft, seinen Sohn Isaak zu opfern, war ein Sinnbild für das Opfer des Vaters, der seinen einziggeborenen Sohn geopfert hat. Ohne die Bereitschaft, alles Irdische zu opfern, ist es unmöglich, das Erbe des Sohnes zu empfangen. Die Bewältigung dieser Prüfung ist das Fundament vollkommener Liebe, und ohne vollkommene Liebe ist man der Gefahr ausgesetzt zu fallen. (LPJS, S. 11.) Die Meinung, daß das ganze Leid der Welt eine Strafe für Sünde ist, ist ein unheiliges Prinzip. Die Heiligen müssen damit rechnen, viel Leid durchmachen zu müssen, aber dies wird ihnen zum Guten dienen.
DAS PRIESTERTUM. Das Priestertum ist eine Vollmacht und Kraft, in deren Mittelpunkt Christus steht. Es kann nur durch eine sichtbare Ordinierung übertragen werden, indem durch einen Bevollmächtigten einer Person die Hände aufgelegt werden. Joseph Smith lehrte die Wichtigkeit der Priestertumsschlüssel: »Jesus Christus … hat die Schlüssel über diese ganze Welt.« (LPJS, S. 330.) Johannes der Täufer, Petrus, Jakobus, Johannes, Mose, Elija und Elias hielten die Schlüssel der verschiedenen Priestertumsfunktionen inne und stellten sie auf der Erde wieder her, indem sie sie Joseph Smith und Oliver COWDERY übertrugen.
Das Priestertum ist nicht untilgbar. Es kann verlorengehen. Es ist nicht unfehlbar, und nur unter dem Einfluß des Geistes ist es möglich, anstelle und mit Gottes Zustimmung zu sprechen.
Die Fülle aller Priestertumssegnungen steht sowohl Männern als auch Frauen offen, wenn sie mit Jesus Christus und sodann miteinander als Mann und Frau vorbehaltlos Bündnisse eingehen und diese halten.
In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage erklärte und führte Joseph Smith entsprechend ihrer Funktion zur neutestamentlichen Zeit das Amt des Apostels, Propheten, Bischofs, Evangelisten, Predigers, Lehrers usw. ein. Er hob den Unterschied zwischen Laien und Priesterklasse auf. Alle Priester, Lehrer und leitenden Beamten sind Laien, und alle würdigen Laien sind Priesterumsträger.
VERORDNUNGEN. Joseph Smith lehrte und stellte Verordnungen wieder her, die in fortschreitender Ordnung empfangen werden und geistige Erleuchtung und Kraft vermitteln. Diese Verordnungen wurden »schon vor der Grundlegung der Welt eingerichtet«. (LPJS, S. 314.) »Daß man von neuem geboren wird, geschieht durch Verordnungen mittels des Geistes Gottes.« (LPJS, S. 164.) Alle notwendigen Verordnungen von der Taufe bis hin zur Tempelehe bestehen aus Gebet(en), Bündnissen und göttlicher Bestätigung.
TEMPEL. Einige Verordnungen werden im Tempel vollzogen, wo »die Macht der Frömmigkeit offenbar« wird. (LuB 84:20.) Tempel verkörpern heilige Wahrheiten, »die Geheimnisse und das Friedfertige« (LuB 42:61) und offenbaren sie. Dadurch wird es den Kindern Gottes möglich, das Verderbte in ihrem Leben zu überwinden und das Reich des Lichts und des Feuers, die Gegenwart des Vaters und des Sohnes zu betreten. Alle Funktionen und Kräfte des Tempels sind heute wiederhergestellt, und zwar durch die Vollmacht des heiligen Priestertums. In deren Mittelpunkt steht die Taufe für Verstorbene, das heilige Endowment und die Siegelung der Familie. »Wir brauchen den Tempel dringender als alles andere«, lehrte Joseph Smith. (Journal History, 4. Mai, 1844.)
Alle Tempelverordnungen weisen auf Christus hin. Heute wie damals ist der Tempel sein Heiligtum und ist mit seiner Herrlichkeit ausgestattet, mit seinem Namen und wird künftig auch mit seiner Gegenwart gesegnet werden. Christus ist ein lebendiger Tempel, und durch ihn kann der Mensch zu einem ebensolchen werden. (LuB 93:35, siehe Offenbarung 21:22.)
EHE, FAMILIE, HEIM. In Abänderung der augustinischen Tradition, nach der in diesem Leben die Ehelosigkeit der Ehe vorzuziehen ist und dies im nächsten Leben allgemeingültig sein wird, lehrte Joseph Smith, daß ein christusähnliches Leben seine höchste Erfüllung in der Ehe und Elternschaft findet. Die größten Propheten und Prophetinnen waren auch Patriarchen und Matriarchen. Die höchste Verordnung ist die Eheschließung, bei der König und Königin ihr ewiges Familienreich gründen. Die dazugehörende Symbolik besteht aus Ordinierung, Krönung und Siegelung.
GESELLSCHAFTS- UND WIRTSCHAFTSLEHRE, POLITISCHE LEHREN. Das irdische Gottesreich soll eine Theo-Demokratie sein – ein von Jesus Christus, dem gnädigen König der Könige, geführtes Bündnisreich. Das Reich Gottes auf Erden soll wie Henochs Stadt Zion werden, mit utopischem Gedankengut und einer Kultur, die in einer Gemeinschaft der Herzensreinen verwirklicht werden soll. Joseph Smith lehrte das Gesetz der Verwalterschaft und WEIHUNG. Die ganze Erde gehört dem Herrn. Jeder Besitz in Zion wird zugunsten der Errichtung Zions zu treuen Händen verwaltet. In den Anfangstagen der Kirche versuchten die Heiligen der Letzten Tage gemäß diesem Wirtschaftssystem zu leben, versagten jedoch. Sie scheiterten an dem, was durch dieses System eigentlich hätte überwunden werden sollen: Habsucht, Gier und Neid. Dem Propheten wurde in der Folge geboten, als Vorbereitung auf dieses höhere Gesetz statt dessen das Gesetz des Zehnten einzuführen.
«Die Verfassung der Vereinigten Staaten ist ein herrlicher Maßstab, sie ist auf die Weisheit Gottes gegründet.« (LPJS, S. 149.) Schutz durch eine verfassungsmäßige Regierung sollte jedem gewährt werden. Wilford WOODRUFF erinnerte sich, daß Joseph Smith einmal sagte, »wenn er der Herrscher der Welt wäre und über die gesamte Menschheit regieren würde, so würde er jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in der freien Ausübung seiner Religion unterstützen«. (Journal History, 12. März, 1897.) Dies würde ohne den geringsten Zwang zum Wachstum des Reiches Gottes führen, das schließlich von den beiden Welthauptstädten aus – Jerusalem im Osten und dem Neuen Jerusalem im Westen – regiert würde.
Die Kirche stellt die Gesamtheit der Mitglieder dar, die ein Bündnis eingegangen sind und die eine Gemeinschaft zur Vervollkommnung ihrer einzelnen Mitglieder gebildet haben. Lebende Propheten, Seher und Offenbarer stellen den autoritativen Kern des Reiches Gottes dar, die Kirche vollbringt ihr Werk jedoch in kleinen Gemeinschaften – in der Familie, Gemeinde und im Pfahl.
DIE AUFERSTEHUNG. Das ewige Leben der Familie findet nur in der höchsten Herrlichkeit des celestialen Reiches Gottes ihre Vollkommenheit. In der Auferstehung und beim jüngsten Gericht wird jedem Körper (mit einigen Ausnahmen) ein Grad der Herrlichkeit zugewiesen. Die körperliche als auch geistige Identität des Einzelnen bleibt ewig erhalten. Das Ideal ist Gott als celestiales, vollkommenes und verherrlichtes Wesen. Die Erde, die mit Wasser und Feuer getauft worden sein wird, wird sterben, auferstehen und verherrlicht werden (LuB 88:25,26) und in die Gegenwart Gottes zurückkehren. Die Schönheit, Herrlichkeit, Vollkommenheit und Macht eines verherrlichten, auferstandenen Körpers ist unbeschreiblich: »Kein Mensch kann euch das schildern, kein Mensch kann das niederschreiben.« (LPJS, S. 368.) »All euer Verlust wird euch in der Auferstehung wettgemacht werden, wenn ihr treu bleibt. Das habe ich durch die Vision des Allmächtigen erkannt.« (LPJS, S. 300.)
ESCHATOLOGIE. Joseph Smith machte viele prophetische Äußerungen hinsichtlich der Zukunft. Seine Eschatologie ist allumfassend. Das Evangelium wird der gesamten Menschheit gebracht werden – entweder auf dieser Erde oder in der Geisterwelt, so daß es jeder empfangen kann. Die Familie Abrahams, die sich durch alle menschliche Rassen hindurchzieht, wird vereinigt sein. Die Familien Juda und Joseph werden sich in der erlösenden Erfüllung die Hand reichen. Viele dieser Erwartungen und Verwirklichungen entziehen sich in ihrer Erlangung oder Behinderung der Macht des Menschen. Das Werk ist dazu bestimmt, »den Untergang der finsteren Mächte ebenso herbeizuführen wie die Erneuerung der Erde, die Herrlichkeit Gottes und die Errettung der Menschheit«. (LPJS, S. 237.)
BIBLIOGRAPHIE
Burton, Alma P., Discourses of the Prophet Joseph Smith, 3. Aufl., Salt Lake City, 1968 (thematisch geordnet).
Ehat, Andrew F. und Lyndon W. Cook, Hrsg., The Words of Joseph Smith: The Contemporary Accounts of the Nauvoo Discourses of the Prophet Joseph. Provo, Utah, 1980 (Auszüge aus 173 Ansprachen).
Roberts, B. H. Joseph Smith: The Prophet Teacher. Salt Lake City, 1908; Nachdruck, Princeton, New Jersey, 1967.
Smith, Joseph Fielding. Teachings of the Prophet Joseph Smith. Salt Lake City, 1938 (chronologisch geordnet).
Widtsoe, John A. Joseph Smith: Seeker After Truth, Prophet of God. Salt Lake City, 1957.
TRUMAN G. MADSEN
DAS SCHRIFTLICHE WERK DES PROPHETEN JOSEPH SMITH
Die Laufbahn des Propheten Joseph Smith als Verfasser schriftlicher Werke begann im Alter von zweiundzwanzig Jahren, als er mit der Übersetzung des Buches Mormon begann. Zum Zeitpunkt seines Todes, siebzehn Jahre später im Jahr 1844, hinterließ er eine umfassende Sammlung, die das Studium seines Lebens und der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ermöglichte, zu deren Gründung er so wesentlich beigetragen hatte. Abgesehen vom Buch Mormon zählen zu seinen schriftlichen Werken Tagebücher (die mit Unterbrechungen die Zeit von 1832 bis 1844 umfassen), seine Korrespondenz, Aufzeichnungen seiner Ansprachen, über 130 Offenbarungen, die in Form des Buches »Lehre und Bündnisse« veröffentlicht wurden, die Schriften des Abraham, eine Bibelüberarbeitung (inklusive einiger wiederhergestellter Schriften des Henoch und Mose) sowie die Anfänge einer vielbändigen, auf seinen Aufzeichnungen fußenden Dokumentargeschichte der Kirche («DOCUMENTARY HISTORY OF THE CHURCH«).
Der Umfang der schriftlichen Werke Joseph Smiths sowie sein Prosastil wurde von mehreren Faktoren beeinflußt und anfänglich durch diese auch eingeschränkt. Aufgrund der armseligen Verhältnisse, unter denen er aufwuchs, besaß er nur eine geringe Schulbildung. Die einfachen Grundlagen des Lesens, Schreibens und Rechnens machten seiner Aussage nach seine gesamte Vorbildung aus. Manche, die ihn kannten, wiesen darauf hin, über wie wenig angeborenes Redetalent und rhetorische Schulung er verfügte. Er fühlte sich als Schreiber unzulänglich und bezeichnete Papier, Feder und Tinte einmal als »kleines, enges Gefängnis«.
Was dem Propheten Joseph Smith an rhetorischer Schulung gefehlt haben mochte, machte er durch seine Botschaft wett. Schon früh im Leben wurde in ihm durch religiöse Erlebnisse ein starkes Sendungsbewußtsein wachgerufen, das ihn heftigen öffentlichen Kontroversen aussetzte. Er sah seine Mission darin, das Fundament eines Werkes zu errichten, das die gesamte Welt revolutionieren sollte, und zwar nicht durch Säbel und Gewehre, sondern durch »die Macht der Wahrheit«. Die Artikulation dieser Wahrheit war die treibende Kraft hinter seinem schriftlichen Werk. Viele seiner Zuhörer waren von dem Grad seiner Fähigkeit erstaunt, den »Weg des Lebens und der Errettung« mit so klaren Worten darzulegen. Viele Außenstehende fanden seine Ansichten verblüffend und anziehend. Sein schriftliches Werk ist von derselben Begeisterung und derselben Überzeugung geprägt.
Eine Untersuchung des Quellenmaterials aus den frühen Tagen der Kirche zeigt, daß nur ein Bruchteil der Lehren und schriftlichen Werke Joseph Smiths erhalten geblieben ist. Die Ursache dessen ist unsystematische Berichtsführung während seiner frühen Lebensjahre, mangelnde Kompetenz oder der vorzeitige Tod seiner Schreiber, lange Gefängnisaufenthalte, zahllose Prozesse, Armut und wiederholte Verfolgungen, die die Heiligen der Letzten Tage zwangen, zwei Drittel des amerikanischen Kontinents zu überqueren.
Joseph Smiths Abhängigkeit von Schreibern kompliziert die Situation ebenfalls. Er lebte nach der Philosophie: »Ein Prophet kann nicht sein eigener Schreiber sein«. Daher diktierte er den Großteil seiner Werke, manche wurden von einem Ghostwriter (also einem Autor, der für eine andere Person schreibt, aber nicht als Verfasser genannt wird) verfaßt, jedoch von Joseph Smith bestätigt. Obwohl verschiedene unter seinen Papieren gefundene datierte Büroarbeiten bei der Datierung des Quellenmaterials helfen, wird das Bild des Propheten dadurch doch etwas unscharf und macht eine gründliche Untersuchung des Quellenmaterials notwendig, um Denkweise und Persönlichkeit des Propheten Joseph Smith von der seiner Mitarbeiter zu unterscheiden.
Joseph Smiths schriftliches Werk ist gekennzeichnet von langen, durch Konjunktionen aneinandergereihten Sätzen, anschaulichen Bildern und scharfsinnigen Erzählungen. Da er in der Bibel gründlich belesen war, gehören zu seinem Schreibstil auch Formulierungen und Beispiele aus der Bibel. Seine Werke sind stets positiv gehalten und spiegeln Lebensfreude und Liebe wieder. Am besten zeigt sich sein Stil und seine Persönlichkeit in seinen eigenhändig geschriebenen Texten, die in einer Art Konversationsstil gehalten sind und im Gegensatz zum förmlicheren Stil seiner Mitarbeiter, wie z.B. Sidney RIGDON stehen. Ein typisches Beispiel Joseph Smiths handschriftlicher Prosa ist ein Auszug aus einem Brief an seine Frau Emma aus dem Jahr 1838, den er während seiner Haft im Gefängnis in Richmond, Missouri verfaßte:
» … Bruder Robison is neben mir angekettet, er hat ein gutes Herz und einen festen Sinn, Bruder Wight liegt neben ihm, daneben Br. Rigdon, Hyrum, Parley und Amasa, und so sind wir durch die Bande der Ketten als auch durch immerwährende Liebe aneinandergekettet, wir sind frohen Mutes und freuen uns, daß wir würdig befunden wurden, um Christi willen verfolgt zu werden. Sag dem kleinen Joseph, daß er ein guter Junge sein muß und daß Vati ihn mit vollkommener Liebe liebt, er ist der Älteste und darf den Kleineren nicht weh tun, sondern soll sie trösten. Sag dem kleinen Frederick, daß Vati ihn von ganzem Herzen liebt, er ist ein ganz lieber Junge. Julia ist ein süßes kleines Mädchen, ich liebe sie ebenfalls. Sie hat eine hoffnungsvolle Zukunft vor sich. Sag ihr, daß Vater möchte, daß sie ihn nie vergißt und ein braves Mädchen sein soll. Sag allen anderen, daß ich an sie denke und für sie alle bete … Ich denke immer an Baby Alexander. O, meine geliebte Emma, ich möchte, daß du daran denkst, daß ich dir und den Kindern auf ewig ein wahrer und treuer Freund bin, mein Herz ist dem Deinen ewig verbunden. O möge Gott dich segnen. Amen. Ich bin dein in Banden und Prüfung stehender Ehemann… » (Jessee, 1984, S. 368.)
JOSEPH SMITHS SCHRIFTLICHES WERK
WERK |
DATUM |
SCHREIBER * |
Buch-Mormon-MSS
Originalmanuskript
Druckmanuskript |
1827-1829 |
Oliver Cowdery und andere |
Tagebücher |
1832-1844 |
William Clayton, Oliver Cowdery,
Warren A. Cowdery, James Mulholland,
Warren Parrish, Parley P. Pratt,
Willard Richards, Sidney Rigdon,
George W. Robinson, Joseph Smith,
Sylvester Smith u.a. |
Offenbarungen
Buch der Offenbarung
(Kirtland),
Ungebundene
Offenbarungen,
Bibelüberarbeitung
Buch Abraham |
1828-1844 |
William Clayton, Oliver Cowdery,
Warren A. Cowdery, Orson Hyde,
James Mulholland, Edward Partridge,
William W. Phelps, Sidney Rigdon,
Joseph Smith sen., John Whitmer,
Newel K. Whitney,
Frederick G. Williams u.a. |
Korrespondenz
Briefe, Buch 1
Briefe, Buch 2
Gebundene Korrespondenz |
1829-1844 |
Thomas Bullock, William Clayton,
Howard Coray, Oliver Cowdery,
Warren A. Cowdery, James Mulholland,
Willard Richards, Sidney Rigdon,
James Sloan, Joseph Smith,
Robert B. Thompson, John Whitmer,
Frederick G. Williams u.a. |
Ägyptische Manuskripte |
1835?-1841 |
Oliver Cowdery, Warren Parrish,
William W. Phelps, Joseph Smith,
Willard Richards |
Autobiographische
Schriften/
historische Schriften |
1832-1844 |
Oliver Cowdery, Warren A. Cowdery,
James Mulholland, Warren Parrish,
William W. Phelps, Willard Richards,
Joseph Smith, Robert B. Thompson,
Frederick G. Williams u.a. |
*Joseph Smiths Schreiber und deren Daten (in Klammern), soweit bekannt, und die Jahre ihres Dienstes als Schreiber: Thomas Bullock (1816-1885), 1843-1844; William Clayton (1814-1879), 1842-1844; Howard Coray (1817-1908), 1840-1841; Oliver Cowdery (1806-1850), 1829-1838; Warren A. Cowdery (1788-1851), 1836-1838; Orson Hyde (1805-1878), 1833-1836; James Mulholland (1804-1839), 1838-1839; Warren Parrish (1803-1887), 1835-1837; William W. Phelps (1792-1872), 1831-1844; Willard Richards (1804-1854), 1841-1844; Sidney Rigdon (1793-1876), 1830-1838; George W. Robinson (1814-1878), 1836-1840; James Sloan (1792-?), 1840-1843; Sylvester Smith (ca. 1805-?), 1834-1836; Robert B. Thompson (1811-1841), 1839-1841; John Whitmer (1802-1878), 1829-1838; Newel K. Whitney (1795-1850), 1831-1838; Frederick G. Williams (1787-1842), 1832-1839.
BIBLIOGRAPHIE
Joseph Smiths Werke
Ehat, Andrew F. und Lyndon W. Cook, Hrsg., The Words of Joseph Smith: The Contemporary Accounts of the Nauvoo Discourses of the Prophet Joseph. Provo, Utah, 1980. Eine Zusammenstellung der originalen Aufzeichnungen der Ansprachen von Joseph Smith während seiner Nauvoo-Jahre (1839-1844).
Fauldring, Scott H., Hrsg., An American Prophet's Record: The Diaries and Journals of Joseph Smith. Salt Lake City, 1987. Eine Zusammenstellung der Tagebücher von Joseph Smith, wobei deren umfassendstes aus dem Jahr 1842 jedoch fehlt.
Jessee, Dean C., Hrsg., The Personal Writings of Joseph Smith. Salt Lake City, 1984. Eine Zusammenstellung aller bekannter eigenhändiger Schriften von Joseph Smith sowie die wichtigsten diktierten Werke.
---. The Papers of Joseph Smith, Bd. 1. Autobiographical and Historical Writing. Salt Lake City, 1989. Der erste Band einer umfassenden Ausgabe der Schriftstücke von Joseph Smith.
Smith, Joseph, Hrsg., History of the Church of Jesus Christi of Latter-day Saints. 1. Abschnitt: Geschichte des Propheten Joseph Smith, von ihm selbst verfaßt. Einführung und Anmerkungen von B. H. Roberts. 2. Aufl., 6 Bde., Salt Lake City, 1964. Verfaßt als persönliches Tagebuch unter Verwendung der Einträge aus Joseph Smiths Tagebüchern, seiner Korrespondenz sowie anderer Dokumente. Dieses Werk ist bis dato die umfassendste Ausgabe der Schriftstücke von Joseph Smith. Einziger Nachteil: Die veralteten Kommentare des Herausgebers.
Smith, Joseph Fielding, Hrsg., Teachings of the Prophet Joseph Smith. Salt Lake City, 1938. Eine Zusammenstellung von Auszügen aus Ansprachen, Briefen und anderen Schriften Joseph Smiths, die hauptsächlich der History of the Church entnommen und chronologisch geordnet wurden.
Sekundärliteratur
Jessee, Dean C. »The Writing of Joseph Smith's History.« BYU Studies 11, Sommer 1971, S. 439-473.
King, Arthur Henry. The Abundance of the Heart. Salt Lake City, 1986.
Partridge, Elinore H. »Characteristics of Joseph Smith's Style.« Task Papers in LDS History, Nr. 4, 1976. Maschinengeschriebener Text, HLT-Kirchenarchiv.
Searle, Howard C. »Early Mormon Historiography: Writing the History of the Mormons 1830-1858.« Dissertation, UCLA, 1979.