Home

SCHEIDUNG

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage missbilligt die Scheidung offiziell, aber erlaubt sowohl die Scheidung (die gesetzliche Auflösung eines Ehebündnisses) und die Annullierung (ein Entscheid, dass eine Ehe illegal oder ungültig war) in Zivileheschließungen und die “Annullierung von Siegelungen” in Tempelehen.

Heilige der Letzten Tage glauben, dass Gott wollte, dass die Ehe eine ewige Verbindung ist, als er gebot, dass ein Mann und eine Frau „ein Fleisch sein sollten” (Gen. 2:24). Jedoch hatte ein Mann in der jüdischen Interpretation des mosaischen Gesetzes das Recht, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, wenn sie in seinen Augen in Ungnade fiel oder aufgrund von „Unreinheit” (Ehebruch oder andere Gründe). Der Mann musste seiner Frau eine schriftliche Scheidungsurkunde geben, welches ihr ermöglichte wieder zu heiraten (Dtn. 24:1-2). In manchen Fällen war es ihm allerdings nicht erlaubt, seine Frau zu “entlassen” (Dtn. 22:29).

Jesus Christus verurteilte die Scheidung unter den meisten Umständen und sagte: “Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen” (Mt. 19:6). Er erklärte, dass Mose die Scheidung nur erlaubt hatte, „weil ihr so hartherzig seid” und weil die Menschen das höhere Gesetz der ewigen Ehe nicht leben konnten, “aber am Anfang war das nicht so” (Mt. 19:8). Als Christus in der Bergpredigt zu jenen sprach, die das Licht der Welt und Kinder Gottes sein wollten, fügte er hinzu: „Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; auch wer eine Frau, die von ihrem Mann aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch” (Lk 16:18; Mt. 5:31-32; 3 Ne. 12:31-32).

Lehre und Bündnisse wiederholen die Lehre, dass die Ehe von Gott ordiniert ist (LuB 49:15-16). Die Kirche unterscheidet zwischen (1) zivilen Eheschließungen, die für die „Zeit“ gelten (bis zur Scheidung oder bis zum Tod eines der Ehepartner) und (2) Tempelehen oder Siegelungen, von einer bevollmächtigter Kirchenautorität vollzogen,  die für „Zeit und alle Ewigkeit“ bindend sind, falls die Teilhaber dem Evangelium treu bleiben (siehe Ehe: Ewig). Legale Annulierungen und Scheidungen geben dem einzelnen die Freiheit, zivil wieder heiraten zu können. Nur der Präsident der Kirche kann eine „Annulierung der Siegelung“ bei Tempelehen genehmigen, um es einem würdigen Mitglied zu ermöglichen wieder im Tempel zu heiraten. Ohne eine Annullierung der Siegelung können Mitglieder nur für die Zeit wieder heiraten (siehe Siegelung: Annulllierung).

Für Heilige der Letzten Tage im 19. Jahrhundert waren die Gefühle über die Scheidung gemischt. Präsident Brigham Young hielt nichts davon, dass Männer sich von ihren Frauen scheiden ließen, aber Frauen stand es relativ frei, eine unglückliche Ehe aufzulösen, besonders eine polygame Verbindung (siehe Mehrehe). Solche Scheidungen wurden von Kirchengerichten gehandhabt, weil Vielehen von der Regierung nicht als legal anerkannt wurden. Aufzeichnungen über die Anzahl von zwischen 1847 und 1877 gewährten Scheidungen zeigen eine relativ hohe Scheidungsrate für Vielehen. Diese Rate war so hoch, nicht so sehr weil Polygamie schwierig war, sondern weil die HLT-Gemeinschaft keine klaren Regeln und Erwartungen für diesen Brauch oder dessen Teilnehmer entwickelt hatte (Campbell und Campbell, S. 22).

Anfängliche Gesetze in Utah spiegelten allgemeine HLT-Ansichten wider und haben vielleicht das Auftreten von Scheidungen beeinflusst. Ein territoriales Scheidungsgesetz aus dem Jahre  1851 war sehr nachsichtig in Bezug auf Ortsansässigkeitserfordernisse und erlaubte die Scheidung, als klar war, „dass die Beteiligten nicht in Frieden und Einklang miteinander leben können und dass ihr Wohlergehen eine Trennung erfordert” (Erste Legislative Versammlung des Territoriums Utah, 1851, S. 83).

Aktuelle Kirchenstatistiken über Scheidungen unter Heiligen der Letzten Tage zeigen etwas weniger Scheidungen unter amerikanischen HLT als unter der allgemeinen US-Bevölkerung. Daten einer Kirchenmitgliedschaftsumfrage in den Vereinigten Staaten zeigen 1981, dass 16 Prozent der Mitglieder (im Vergleich zu 23 Prozent von Weißen in den USA, statistisch gesehen die ähnlichste Gruppe) geschieden waren (Goodman und Heaton, S. 93). Für Heilige der Letzten Tage in Kanada, Großbritannien, Mexiko und Japan war es wahrscheinlicher  als für ihre jeweilige Nationalbevölkerung geschieden zu werden. Allerings trugen Bekehrte, die geschieden worden waren, bevor sie sich der Kirche angeschlossen hatten, zu dem relativ hohen Anteil an geschiedenen Mitgliedern außerhalb der Vereinigten Staaten bei.

Neuere US-Daten von der Nationalen Umfrage über Familien und Haushalte zeigen, dass etwa 26 Prozent von sowohl Heiligen der Letzten Tage als auch von nicht-HLT eine Scheidung getroffen haben (Heaton et al., Tabelle 2). Falls diese Trends anhalten, sagen Forscher voraus, dass etwa ein Drittel jüngerer HLT-Ehen in den USA in einer Scheidung enden können (Goodman and Heaton, S. 92). Landesweit sagen Experten voraus, das 50-60 Prozent jüngerer Ehen in einer Scheidung oder Trennung enden werden (Cherlin, S. 148).

Gesellschaftlicher Druck und individuelle Charakteristiken beeinflussen die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung. Es wird mehr Scheidungen unter Heiligen der Letzten Tage geben, wenn sie jünger als 20 oder älter als 30 heiraten, weniger als ein Collegeausbildung haben oder außerhalb ihres Glaubens heiraten. Diese Faktoren stehen in Wechselbeziehung mit Faktoren, die Scheidungen unter US-Bürgern allgemein beeinflussen. Zusätzlich erfolgen Scheidungen häufiger, wenn Heilige der Letzten Tage innerhalb des Glaubens heiraten, aber die Ehe nicht im Tempel siegeln lassen. Goodman und Heaton fanden, dass bei solchen Ehen eine Scheidung fünfmal so wahrscheinlich ist als bei Tempelehen (S. 94). Jene, die eine Tempelehe wählen, sind gewöhnlich mehr an die Kirche gebunden und müssen strenge Verhaltensregelen der Keuschheit und Treue befolgen, um für die Tempelehe bereit zu sein.

Ernste persönliche und wirtschaftliche Konsequenzen begleiten gewönlich eine Scheidung unter Heiligen der Letzten Tage. HLT-Frauen sind oft nicht gut vorbereitet, sich selbst und ihre Kinder zu unterstützen,.und Männer zahlen womöglich wenig Unterhalt und Alimente. Etwa ein Drittel der HLT-Haushalte mit einer Frau als Oberhaupt, was in der Mehrzahl von einer Scheidung herrührt, leben in Aermut, und das trotz der hohen Arbeitsrate unter alleinstehenden Müttern (Goodman und Heaton, S. 101, 104).

Geschiedene Heilige der Letzten Tage zeigen eine niedrigere religiöse Teilnahme als verheiratete Mitglieder. Sie gehen weniger oft zur Kirche und beten, zahlen Zehnten und haben Kirchenberufungen weniger oft als verheiratete Mitglieder. Dies können Symptome sowohl für die Gründe als auch die Konsequenzen einer Scheidung sein.

Es ist auch wahrscheinlicher, dass geschiedene Heilige der Letzten Tage als die allgemeine geschiedene US-Bevölkerung wieder heiratet. Mehr als drei Viertel der geschiedenen HLT werden wahrscheinlich wieder heiraten (Goodman und Heaton).

Nach der Scheidung ihrer Eltern leben die meisten HLT-Kinder mit ihrer Mutter. Sie gehen weniger häufig zur Kirche als Kinder in Haushalten mit zwei Elternteilen, selbst wenn der Elternteil mit Sorgerecht regelmäßig geht. Kirchenforscher schätzen, dass ein Drittel der HLT-Kinder in den Vereinigten Staaten mit einem alleinstehenden oder wieder verheirateten Elternteil leben werden.

Kirchenführer im 20. Jahrhundert sprechen von der Scheidung als einer Bedrohung der Familie. Während der Generalkonferenz im April 1969 erklärte Präsident David O. McKay: „Christi Ideal in Bezug auf die Ehe ist das unzerbrochene Heim. Und Umstände, die zur Scheidung führen, sind Verletzungen seiner göttlichen Lehren. Außer im Fall der Untreue oder anderer extremer Umstände missbilligt die Kirche die Scheidung” (IE 72 [Juni 1969]:2-5). Präsident Spencer W. Kimball sagte, dass verhältnismäßig wenige Scheidungen vertretbar sind. Er sagte den Mitgliedern auch, dass sich eine Scheidung häufig aus Selbstsucht und anderen Sünden des einen oder beider Ehepartner ergibt (Kimball, 1975, S. 6). Andere Kirchenführer betonen ebenfalls Selbstsucht und erwähnen zusätzliche Scheidungsgründe, wie zum Beispiel die schlechte Wahl eines Ehepartners, Untreue, ein fehlendes Verständnis der göttlichen Natur der Ehe, schlechtes finanzielles Management und der Mangel an ständiger Bereicherung der Ehe. „Die gegenwärtige Philosophie—hol dir eine Scheidung, wenn’s nicht geht—belastet eine Ehe von Anfang an” (Haight, S. 12).

Kirchenführer fordern Mitglieder dringend auf, sich auf die Ehe vorzubereiten, innerhalb des Glaubens zu heiraten, im Tempel zu heiraten und rechtschaffen zu leben. Sie ermahnen sie weiterhin ihre ehelichen Beziehungen zu pflegen, um Führung zu beten und sich miteinander und mit Priestertumsführern zu beraten um Streit beizulegen und eine Scheidung abzuwenden. Priestertumsführern wird angeraten, Mitgliedern zu helfen ihre Ehe zu stärken, aber, falls nötig, die Scheidung zu erlauben und zu entscheiden, ob ein Disziplinarverfahren gegen einen Ehepartner eingeleitet werden sollte, der der moralischen Übertretung schuldig ist, wie zum Beispiel Untreue oder Misshandlung. Priestertumsführer sollten unreuige Ehebrecher von der Gemeinschaft der Heiligen „ausstoßen“ (d.h. exkommunizieren), aber die Opfer der Scheidung akzeptieren (LuB 42:74-77).

Geschiedene Kirchenmitglieder und die Kinder geschiedener Eltern melden Gefühle der Isolierung oder fehlender Akzeptanz wegen der starken Ausrichtung auf Familien mit zwei Elternteilen in der Kirche (Hulse, S. 17). Kirchenführer ermahnen alle Mitglieder den Bedürfnissen von Menschen in schwierigen Umständen gegenüber feinfühlig zu sein und, wo möglich, Hilfe und angebrachte Ermunterung und Dienst am Nächsten zu leisten.

BIBLIOGRAPHIE

Campbell, Eugene E., und Bruce L. Campbell. „Divorce Among Mormon Polygamists: Extent and Explanations.” Utah Historical Quarterly 46 (Winter 1978): 4-23.
Cherlin, Andrew. „Recent Changes in American Fertility, Marriage and Divorce.” ANNALS, AAPSS 510 [Juli 1990]:148.
Foster, Lawrence. „A Little-Known Defense of Polygamy from the Mormon Press in 1842.” Dialogue 9 (Winter 1974): 21-34.
Foster, Lawrence. Religion and Sexuality: Three American Communal Experiments of the Nineteenth Century. New York, 1981.
Goodman, Kristen L., und Tim B. Heaton. „LDS Church Members in the U.S. and Canada: A Demographic Profile.” AMCAP Journal 12 (1986): 88-107.
Haight, David B. „Marriage and Divorce.” Ensign 14 (Mai 1984): 12.
Heaton, Tim B., and Kristen L. Goodman. „Religion and Family Formation.” Review of Religious Research 26 (Juni 1985): 343-59.
Heaton, Tim B., et al. „In Search of a Peculiar People: Are Mormon Families Really Different?” Meeting of the Society for the Scientific Study of Religion, Oktober 1989, Tabelle 2.
Hulse, Cathy. „On Being Divorced.” Ensign 16 (März 1986): 17.
Kimball, Spencer W. „The Time to Labor is Now.” Ensign 5 (Nov. 1975): 6.
Kimball, Spencer W. Marriage. Salt Lake City, 1978.

KRISTEN L. GOODMAN