Die Führer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hatten bereits 1913, als die Filmindustrie noch in ihren Anfängen lag, Interesse an der Nutzung des Films als Medium: „Der Spielfilm existiert sowie alle anderen modernen Erfindungen zu dem Zweck, uns bei der Verbreitung der Mission Christi in aller Welt zu helfen und die Menschheit zu den wahren Grundsätzen der Erlösung zurückzuführen“ (Young, S. 80). 1916 bis 1929 verfilmten Shirley „Shirl“ Young Clawson und sein Bruder Chester mit der Zustimmung des Präsidenten Joseph F. Smith und anderen Kirchenführern viele Veranstaltungen in Schwarzweiß und ohne Ton. Diese ersten Filmproduktionen der Kirche endeten jedoch tragischerweise mit dem Tod Shirl Clawsons. Das Studio brannte ab und viele Filme verbrannten ebenfalls. Die Kirche unternahm ihren nächsten Anlauf in Sachen Film in den Fünfzigern und hat seitdem eine Vielzahl an Filmen, von denen viele ausgezeichnet wurden, zum Gebrauch im Unterricht, zu Hause und für die Missionare hergestellt.
1946 lud Wetzel O. „Judge“ Whitaker, Animationsleiter der Walt-Disney-Studios, drei Mitglieder des Kollegiums der Zwölf Apostel, nämlich Elder Harold B. Lee, Mark E. Petersen und Matthew Cowley, zu einer Tour der Disney-Studios in Burbank in Kalifornien ein. Dabei wurde ihnen der potenzielle Einfluss des Spielfilms im Evangeliumsunterricht bewusst. Im selben Jahr wurden Spielfilmgeräte an Gemeinden, Pfähle und Missionen verteilt. Whitaker drehte die ersten beiden Filme für die Kirche ehrenamtlich: Die Wohlfahrt der Kirche in Aktion (Church Welfare in Action) und Der Weg des Herrn (The Lord's Way).
Im Januar 1953 wurde an der Brigham-Young-Universität in Provo im Bundestaat Utah eine Fakultät zur Spielfilmproduktion eingerichtet, um Filme, die von der Kirche verwendet werden konnten, zu drehen. Judge Whitaker wurde zum Gründungsregisseur ernannt. Die Fakultät brachte ansprechende und ergreifende Filme wie Komm zurück, mein Sohn (Come Back My Son) hervor, eine Film, dessen Handlung auf einer Geschichte aus der Improvement-Era-Zeitschrift beruht und in dem es darum geht, einen erwachsenen Aaronischen Priestertumsträger zurück zur Kirche zu bringen. Der Film Den Engeln so nahe (How Near to the Angels), das derzeit anspruchvollste Filmprojekt der Kirche, stellte aufgrund seiner inneren Dramatik einen Meilenstein dar, obwohl er nur fünfzig Minuten dauerte. Das Thema des Films ist die Tempelehe. In Eine Zeit zum Säen (A Time for Sowing) wird veranschaulicht, wie Eltern das Verhalten ihrer Kinder beeinflussen. In dem Film Die Zeit drückt den Abzug (Time Pulls the Trigger) wird der Zusammenhang zwischen Rauchen und vorzeitigem Tod aufgezeigt. Der Film Von ganzem Herzen (With All Your Heart) zeigt, wie sich die geistige Sensibilität eines Bischofs auf die Andacht in den Versammlungen der Kirche auswirkt. In Der Hüter meines Bruders (My Brother's Keeper) und Shannon wird dramatisiert, wie weniger aktive Mitglieder der Kirche zurückgebracht werden. In Die Suche nach Wahrheit (The Search for Truth) zeigen Wissenschaftler anhand rationaler Beobachtungen und Zeugnisse, wie Wissenschaft und Religion in Einklang gebracht werden können. In dem Film Das Warten wert (Worth Waiting For) geht es um die Vorbereitung auf eine glückliche Ehe. Der anspruchvollste Film, der während des ersten Jahrzehnts der Spielfilmproduktion der Kirche entstand und sich auch heute noch großer Beliebtheit erfreut, ist Des Himmels Fenster, ein Film über die Segnungen des Gesetzes des Zehnten.
Die Suche des Menschen nach Glück (Man's search for Happiness), der erste Film, der sich an Nichtmitglieder der Kirche richtet und vom Sinn des Lebens handelt, wurde erstmalig 1964 bei der Weltausstellung in New York ausgestrahlt und von fünf Millionen Menschen angeschaut. Dieser Film wurde später in mehr Sprachen übersetzt als jeder vorherige Film der Kirche, darunter Afrikaans, Dänisch, Deutsch, Esperanto, Finnisch, Französisch, Kanadisches Französisch, Hmongisch, Italienisch, Japanisch, Kantonesisch, Koreanisch, Kreolisch, Mandarin, Navajo, Niederländisch, Norwegisch, Portugiesisch, Quechua, Quiche, Samoanisch, Schwedisch, Serbokroatisch, Spanisch, Tagalog, Taiwanesisch, Thai, Tonganisch, Tschechisch, und Vietnamesisch. Eine japanische Version wurde in Japan gefilmt und erstmals 1970 bei der Weltausstellung dort ausgestrahlt.
Kein Fremder mehr (No More a Stranger) behandelt die Problematik, wie wichtig es ist, neue Mitglieder in die Gemeinde aufzunehmen. Und trifft uns Tod (And Should We Die) handelt von den Grundsätzen des Fastens und Gebets. Die Drei Zeugen (The Three Witnesses), eine dramatische Nacherzählung der Geschichte der Drei Zeugen des Buch Mormons, wurde im Unterricht in der Kirche viel benutzt, um diesen Teil der Kirchengeschichte zu veranschaulichen. Wir sind Mormonen (Meet the Mormons) ist eine Zusammenstellung vieler spontane Aussagen und Interviews, die mit der Kamera festgehalten wurden, und rückt die internationale Präsenz der Kirche ins Rampenlicht. Der Film wurde ebenfalls in viele Sprachen übersetzt. Wo Jesus wirkte (Where Jesus Walked) handelt vom Leben Christi und wurde im Heiligen Land gefilmt.
Neben dem Filmstudio der BYU zeichnete auch der Fernsehsender KSL viele Ansprachen von Generalautoritäten auf und filmte exklusive Sendungen wie Nauvoo und Cumorah-ein historischer Hügel (Cumorah, Historical Hill). 1967 wurde die Gruppe Bonneville Media Communications als Produktionsanlage für Sendungen gegründet, um bei der Entwicklung einer positiven Medienpräsenz der Kirche zu helfen und um die Lehren und Glaubensgrundsätze der Kirche zu verbreiten. Bonnevilles direkte Evangeliumssendungen waren u.a. Der Plan unseres Himmlischen Vaters (Our Heavenly Father's Plan), Für immer vereint (Together Forever),Was ist wahr (What is Real) und Arbeit aus Liebe (Labor of Love). Evangeliumsfilme mit Bezug zu Feiertagen sind beispielsweise Herr Krügers Weihnachtsfest (Mr. Krueger's Christmas), Noras Weihnachtsgeschenk (Nora's Christmas Gift), eine Zeichentrickversion von Henry Van Dykes Der andere Weise (The Other Wise Man), O. Henrys Ostergeschichte Das Letzte Blatt (The Last Leaf) und Ostertraum (Easter Dream). Im Radio und Fernsehen werden auf über 14000 Sendern regelmäßig Werbespots unter dem Namen Homefront Series ausgestrahlt. Diese Werbesendungen sollen den Zusammenhalt von Familien stärken und die Öffentlichkeit auf einige einfache Lehren der Kirche aufmerksam machen.
Am 1. September 1974 wurde Whitaker von Jesse E. Stay als Leiter des Filmstudios an der BYU abgelöst. Während Stays Amtszeit wurden Geht hin in alle Welt (Go Ye Into All the World), Die Erste Vision (The First Vision), Die Wiederherstellung des Priestertums (Restoration of the Priesthood) und Sittlichkeit für die Jugendlichen (Morality for Youth) gedreht.
Am 1. September 1983 wurde Peter N. Johnson als Stays Nachfolger eingestellt und leitete die Dreharbeiten von u.a. den folgenden wichtigen Filmen der Kirche in den 1980ern: Mit erneuter Hingabe unterrichten (Teaching, A Renewed Dedication), Fünfjähriger Rückblick auf den Einsatz der Kirche (Five-Year Retrospective of the Church in Action), Ein Blick auf Generalautoritäten (Cameos on General Authorities), Lehrer, liebst du mich? (Teacher, Do You Love Me?), Meinem Fuß eine Leuchte (Lamp Unto My Feet), Was in meiner Seele ist (Things of My Soul), einer Neuverfilmung von Die Suche des Menschen nach Glück (Man's Search for Happiness), Ein besonderer Schatz: Das Buch Mormon (How Rare a Possession: The Book of Mormon) und Auserwählt zu dienen (Called to Serve).
1991 wurde die Kontrolle über das Filmstudio von der BYU an die Audiovisuelle Abteilung der Kirche übertragen.
BIBLIOGRAPHIE
Jacobs, David Kent. "The History of Motion Pictures Produced by the Church of Jesus Christ of Latter-day Saints." Master's Thesis, Brigham Young University, 1967.
Whitaker, Wetzel O. Pioneering with Film: A Brief History of Church and Brigham Young University Films. Provo, Utah, n.d.
Young, Levi Edgar. ""Mormonism' in Picture." Young Woman's Journal 24 (Feb. 1913):80.
PETER N. JOHNSON