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Der Rat der Fünfzig

Der Rat der Fünfzig wurde 1844 in NAUVOO ins Leben gerufen als Modell für politische Führung unter Leitung des Priestertums und durch Offenbarung. Die Mitglieder des Rates betrachteten sich als Kern von Gottes Reich in den letzten Tagen.

Ein Prophezeiung im Alten Testament berichtet, daß “ohne Zutun von Menschenhand ein Stein vom Berg” losbrechen und alle irdischen Reiche zermalmen wird (Dan. 2:44–45). Joseph SMITH <Smith, Joseph> und seine Mitarbeiter glaubten, der “Stein” repräsentiere zum Teil ein politisches Reich, wie die anderen Reiche, auf die sich Daniel bezieht. Joseph Smith lehrte, daß in der Evangeliumszeit der Fülle alles für die Wiederkehr Christi bereitet sein würde einschließlich der grundlegenden Prinzipien und der Organisation für ein System, das die Erde während des Millenniums regieren würde (JD 1:202–203; 2:189; 17:156–157).

Am 7. April 1842 empfing Joseph Smith eine Offenbarung, in der die formelle Bezeichnung “Living Constitution” [Lebende Verfassung] vorkommt - oder Rat der Fünfzig, wie die Mitglieder des Rates sich selbst bezeichneten - und in der angedeutet wird, daß eine Gottesregierung im Kern gegründet würde. Zwei Jahre darauf, im Jahre 1844, als eine kleine Gruppe treuer Kirchenführer und Mitglieder ihre Tempelbegabung empfangen hatte, gründete der Prophet den Rat der Fünfzig offiziell.

Die Mitglieder des Rates waren sich einig, daß die Grundsätze dieser Organisation mit den heiligen Schriften und der Verfassung der Vereinigten Staaten übereinzustimmen hatten. Männer, die keine Mitglieder der Kirche waren, konnten dem Rat angehören (drei Nichtmitglieder saßen im ersten Rat), aber alle mußten Gottes Gesetz befolgen und danach streben, Gottes Willen zu erfahren. Der Präsident der Kirche präsidierte im Rat. Die übrigen Mitglieder nahmen ihren Sitz je nach ihrem Alter ein; der Älteste saß an erster Stelle neben dem Präsidenten. Die Sitzungen wurden gemäß offenbarten Regeln abgehalten, von denen eine festlegte, daß alle Entscheidungen einstimmig getroffen werden mußten.

Der Rat hatte die praktische Verantwortung, im Jahre 1844 den Präsidentschaftswahlkampf von Joseph Smith <Smith, Joseph> zu führen, den Auszug aus Nauvoo in den Jahren 1845 und 1846 durchzuführen (siehe WESTEN, DER AUSZUG NACH DEM WESTEN) und anfangs in den Tälern des Westens die Regierungsangelegenheiten zu übernehmen. Die Ratsmitglieder waren jedoch nicht allzu sehr an ihren besonderen Pflichten interessiert, sondern sie glaubten, daß der Rat etwas weitaus Wichtigeres darstellen sollte, nämlich ein praktisches Modell für das künftige Reich Gottes auf Erden. Die Kirche hatte ihre apokalyptischen Anschauungen bereits weitgehend kundgetan; dazu gehörte die Überzeugung, daß die bestehenden Regierungen in den letzten Tagen vor der Wiederkehr Christi scheitern würden. Aus diesem Grund sah man den Rat der Fünfzig als den Kern einer neuen politischen Ordnung an, die Christus nach den prophezeiten umwälzenden Katastrophen in diesen letzten Tagen errichten würde.

Der Rat focht daher die bereits bestehende Gesetzesordnung und Regierung (selbst in Nauvoo) nicht an, sondern übte seine Funktion vorwiegend als eine private Organisation aus, die Erfahrung sammelte, um ihre Tätigkeit in einer pluralistischen Gesellschaft ausführen zu können. Die politische Macht des Rates war gering. Er war das Symbol für das künftige theokratische Reich Gottes. Die Erste Präsidentschaft der Kirche und die zwölf Apostel waren im Rat vertreten und leiteten dessen Aufgabenbereich.

Nach dem Auszug in den Westen und gegen Ende der frühen Pionierzeit trat der Rat nur noch während der Präsidentschaft von John TAYLOR <Taylor, John> zusammen, als die Kirche wiederum in eine schwere politische Krise verwickelt war. Die Heiligen der Letzten Tage trösteten sich jedoch mit der Gewißheit, daß eines Tages, wenn der Heiland käme, der Rat der Fünfzig oder eine ähnliche Organisation wieder erstehen würde, um die Welt unter dem König der Könige zu regieren.

BIBLIOGRAPHIE

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Ehat, Andrew F. “It Seems Like Heaven Began on Earth: Joseph Smith and the Constitution of the Kingdom of God.” BYU Studies 20, Frühjahr 1980, S. 253–279.

Hansen, Klaus J. Quest for Empire. East Lansing, Michigan, 1967.

Quinn, D. Michael. “The Council of the Fifty and Its Members, 1844 to 1845.” BYU Studies 20, Winter 1980, S. 163–197.

KENNETH W. GODFREY