Home

RECHTSCHAFFENHEIT

Rechtschaffenheit umfasst eine breites Band an Konzepten und Eigenschaften. Wie das biblische hebräische Wort sedek und das griechische dikaiosune beschreibt das Wort „Rechtschaffenheit“ das Ideal des religiösen Lebens, mit gottähnlichem Verhalten als Norm. Rechtschaffenheit ist das rechte Verhalten vor Gott und unter der Menschheit in jeglicher Hinsicht. Die Schriften geben die folgenden Perspektiven:

Rechtschaffenheit ist letztendlich gleichbedeutend mit Heiligkeit oder Göttlichkeit. Christus selber ist bekannt als „der Rechtschaffene“ (Mose 7:45, 47) und als „der Sohn der Rechtschaffenheit“ (3 Ne. 25:2). Seine „Wege sind immerdar Rechtschaffenheit“ (2 Ne. 1:19).

Der Zustand der Rechtschaffenheit steht den Menschen aufgrund der Erlösung durch Christ zur Verfügung, wenn sie aus Gott geboren werden: „Wundere dich nicht, dass die ganze Menschheit, ja, Männer und Frauen…von neuem geboren werden müssen – ja, geboren aus Gott, aus ihrem fleischlichen und gefallenen Zustand umgewandelt in einen Zustand der Rechtschaffenheit, so dass sie, indem sie Gottes Söhne und Töchter werden, durch ihn erlöst werden“ (Mosia 27:25).

Die Ausdrücke „rechtschaffen“ und Rechtschaffenheit“ haben auch Bezug auf Sterbliche, die danach streben zu Christus zu kommen, obwohl sie von Schwächen heimgesucht werden. In diesem Sinne ist Rechtschaffenheit nicht synonym mit Vollkommenheit. Sie ist ein Zustand, in dem jemand sich zum Herrn bewegt, sich nach Göttlichkeit sehnt, ständig von Sünden umkehrt und ehrlich danach strebt, Gott zu kennen und zu lieben und den Grundsätzen und Verordnungen des Evangeliums zu folgen. Heilige Gottes werden angehalten, „die Werke der Rechtschaffenheit“ zu tun (LuB 59:23) und „viel Rechtschaffenheit“ zu bewirken (LuB 58:27).

In der Bedeutung des Wortes Rechtschaffenheit verankert ist das Konzept der Rechtfertigung. Es ist beschränkten Sterblichen unmöglich in vollkommenem Gehorsam Gottes Gesetzen gegenüber zu leben oder unbegrenzt für ihre Sünden zu sühnen. „Alle haben gesündigt“, schrieb Paulus, „und die Herrlichkeit Gottes verloren“ (Röm. 3:23). Christi Sühnopfer befriedigt gnädig die Ansprüche der Gerechtigkeit (Siehe Gerechtigkeit und Gnade) und ermöglicht es reuigen Sterblichen vor Gott „recht“ dazustehen – „eins“ mit ihm zu sein.

Als Saulus von Tarsus den auferstandenen Christus auf der Straße nach Damaskus sah, zitterte er vor Erstaunen und fragte den Herrn, was er tun solle [in der Stadt „wird dir gesagt werden, was du tun sollst“] (Apg. 9:6). Von dem Augenblick an trachtete er danach, den Willen Gottes zu erkennen und demgemäß zu leben. Aber er klagte auch über seine sterblichen Schwächen: „Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes steckt … nur in Christus“ (ÜJS, Röm. 7:19). „Es gibt keinen, der gerecht ist, auch nicht einen“ (Röm. 3:10). Wie alle Apostel und Propheten lehrte Paulus allerdings auch die erhabene Botschaft, dass durch die Gnade Christi Sterbliche „den alten Menschen ablegen“ können, nämlich ihr gefallenes und sündiges Ich, und „den neuen Menschen anziehen [können], der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph. 4:22, 24).

Die Schriften enthalten viele ähnliche Ermahungen dem Bösen zu entfliehen, des Herrn Gnade zu akzeptieren und in Rechtschaffenheit zu Christus zu kommen. „Oh, was bin ich doch für ein unglückseliger Mensch! rief Nephi aus. „Ja, mein Herz grämt sich meines Fleisches wegen; meine Seele ist bekümmert wegen meiner Übeltaten“. Aber Nephi erkannte den Heiland als „Fels [seiner] Rechtschaffenheit“ und rief aus: „O Herr, wirst du meine Seele erlösen?…Wirst du mich zittern machen, wenn Sünde sich naht?…umhülle mich doch mit dem Mantel deiner Rechtschaffenheit!“ (2 Ne. 4:17-35).

Rechtschaffenheit beginnt im Herzen, im „gebrochenen Herzen“. Sie beginnt, wenn Menschen sich sehen, wo sie wirklich sind: in einem gefallenen Zustand, als „unwürdige Geschöpfe“, die unfähig sind, sich selbst von ihren Sünden zu befreien. Wenn sie dem ungeheuren Abgrund zwischen „der Größe Gottes und [ihrer] eigenen Nichtigkeit“ gegenüberstehen, brechen ihre Herzen und sie „demütigen [sich] in die Tiefen der Demut, indem sie den Namen des Herrn anrufen und standhaft bleiben im Glauben“ (Mosia 4:11).

Rechtschaffene Seelen streben dann danach, vor dem Herr recht dazustehen, indem sie aufrichtig um Vergebung bitten. Wenn der Herr diese Menschen mit seiner Gnade segnet, wollen sie noch größere Glaubenstreue, Liebe und Gehorsam zeigen. Obwohl sie keine vollkommene Rechtschaffenheit in der Sterblichkeit erlangen können, steht ihr Leben über jedem Tadel, „wie es sich für Heilige gehört“ (Eph. 5:3).

Die Schriften bieten reichen Einblick in Einstellungen, Verhalten und Glaubensansichten, die einem rechtschaffenen Leben zugrunde liegen (z.B. 2 Petr. 1:4-8, LuB 4:5-6). Bemerkenswerterweise offenbarte Jesus in der Bergpredigt (Mt. 5-7,  3 Ne. 12-14) die Bedeutung von Rechtschaffenheit: ein Muster, das er in seinem eigenen Leben veranschaulichte:

Wer nach Rechtschaffenheit strebt, wird demütig, arm im Geist. Er verehrt den Herrn und erkennt an, dass „alles, was gut ist, von Gott kommt“ (Moroni 7:12).

Rechtschaffene trauern um ihre Sünden, und ihre „gottgewollte Traurigkeit verursacht ... Sinnesänderung zum Heil“ (2 Kor. 7:10). Sie „trauern [auch einfühlsam] mit den Trauernden; ja, und trösten diejenigen, die Trost brauchen“ (Mosia 18:9).

Die Rechtschaffenen streben danach, demütig-gütig und langmütig, großzügig, aufopfernd, geduldig, voll Liebe für ihre Feinde, nicht „aufgebläht“ und nicht leicht zum Zorn gereizt zu sein (1 Kor. 13:4-5).

Sie hungern nach Rechtschaffenheit, sie suchen den Herrn ständig durch aufrichtiges Gebet, Fasten, Schriftenstudium, Gottesdienstbesuch am Sontag und Dienst in den heiligen Tempeln.

Sie streben danach, gnädig zu sein, zu vergeben, wie ihnen vergeben werden sollte, zu lieben, wie sie lieben wollten, und zu dienen, wie sie wünschen, dass ihnen gedient wird (LuB 38:24-25).

Sie streben danach, rein im Herzen zu sein, nichts Böses zu denken, nicht neidisch zu sein und sich nicht über das Unrecht zu freuen, sondern an der Wahrheit (1 Kor. 13:4-6). Sie sind  ehrlich in ihren Bündnissen mit Gott und in ihrem Verhalten anderen gegenüber. Sie sind keusch und auch tugendhaft.

Menschen, die nach Rechtschaffenheit streben, sind Friedensstifter. Sie vermeiden Streit, Zorn und üble Nachrede. Sie verbreiten guten Willen, Bruderschaft und Schwesternschaft. Sie streben danach, Gottes Willen und sein Reich auf Erden aufzurichten, wie es auch im Himmel geschieht.

Wenn sie um ihrer Rechtschaffenheit willen verfolgt oder ihrer Treue dem Herrn gegenüber beschimpft oder verleumdet werden, ertragen sie alles und halten allem Stand (1 Kor. 13:7).

Solche Beschreibungen der Rechtschaffenheit in den Schriften sollte man nicht auf Listen einschrumpfen, die jemand selbst-rechtschaffen abhaken kann. Sie dienen als ständige Ermahnung auf der Reise zu Gott, der den Tröster verheißen hat - den Heiligen Geist - um [dem Gläubigen] Führung und Leitung auf dem Weg zu geben (Joh. 14:26).

Der Herr freut sich, „die zu ehren, die [ihm] in Rechtschaffenheit ... dienen“ (LuB 76:5). „Die Rechtschaffenen, die Heiligen des Heiligen Israels, diejenigen, die an den Heiligen Israels glauben, sie, die die Widerwärtigkeiten der Welt ertragen und ihren Schimpf gering geachtet haben – sie werden [am letzten Tag] das Reich Gottes ererben, das von der Grundlegung der Welt an für sie bereitet ist, und ihre Freude wird voll sein immerdar“ (2 Ne. 9:18).

BIBLIOGRAPHIE

Benson, Ezra T. „A Mighty Change of Heart“. Ensign 19 (Okt. 1989):2-5.

McConkie, Bruce R. „The Dead Who Die in the Lord“. Ensign 6 (Nov. 1976):106-8.

Scoresby, A. Lynn. „Journey Toward Righteousness“. Ensign 10 (Jan. 1980):52-57.

MARVIN K. GARDNER


(c) 2008 South German Mission Foundation