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PROPHET

[Dieser Beitrag besteht aus zwei Artikeln: Propheten beinhaltet den HTL Glauben an Propheten, vor alters und die der Neuzeit, und warum sie ein solch wesentlicher Glaubensbestandteil der Kirche waren und sind. Propheten der Bibel erörtert das Phänomen von Propheten und Prophezeiung als besonderes Merkmal biblischer Religionen.]


PROPHETEN


Der Glaube an Propheten und deren Botschaft ist für Heilige der Letzten Tage einer der wichtigsten Grundsätze ihrer Religion (Glaubensartikel 4-7, 9). Sie glauben an die biblischen Propheten und die des Buches Mormon als Diener des Herrn und akzeptieren die Bibel, Das Buch Mormon, Die Köstliche Perle und die Lehre und Bündnisse als das Wort Gottes. Sie halten für wahr, daß Joseph Smith und alle darauffolgenden Präsidenten der Kirche Propheten und Stellvertreter des Herrn Jesu Christi waren und sind.

Die Bezeichnung „Prophet“ geht auf das Griechische prophetes zurück, was soviel wie „inspirierter Lehrer“ bedeutet. Obwohl weder dieser griechische Titel noch das gleichwertige hebräische, nabi, anfänglich auf die Funktion eines ‚Vorhersagens’ bestand ist der Blick aller Offenbarungen auf die Zukunft gerichtet (Smith, 3). Da aber der Herr etliche seiner Knechte als ‚Vorhersager’ bestimmte um zukünftige Begebenheiten von großer Tragweite kund tun zu können – Begebenheiten, die des öfteren bis ins Detail reichen – überschattet dieser vor-sehende Teil oft die manigfaltigen Auswirkungen jener Prophezeiungen in den Wahrnehmungen anderer (Sieh Offenbarung; Jesus Christus; Prophezeiungen) .

Die Gabe der Prophezeiung begrenzt sich aber nicht nur auf diejenigen, dessen Worte in den Schriften verzeichnet sind. Der Bibel nach kann jeder ein Prophet sein, wenn er über ein Zeugnis von Jesus Christus verfügt und vom Heiligen Geistes bewegt ist. (Off. 19:10; vgl. LPJS, 102, 134; 1963 zweite Auflage). Zum Beispiel, nachdem zwei Männer prophezeit hatten, billigte Mose ihr Handeln indem er ausrief, „Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle lege! (Num. 11:26-29). Zahlreiche Schulen von Propheten und ihren Prophetenjüngern – einige falsch, andere wahr – existierten im alt-testamentarischen Zeitbereich. In der Neuzeit sprach Ältester Wilford Woodruff von Brigham Young und erläuterte: „Er ist ein Prophet, Ich bin ein Prophet, Ihr seit es und jeder andere ist ein Prophet, der ein Zeugnis von Jesus Christus besitzt, denn das ist der Geist der Offenbarung (JD, 13:165; sieh Geist der Offenbarung). Daraus lässt sich erschließen, daß dieser Geist nicht in jeder Äußerung eines Sprechers vorhanden ist. Der Prophet Joseph Smith stellte klar, daß „ein Prophet nur dann ein Prophet [ist] wenn er als solcher amtiert“ (HC 5:265).

Der Schriftenhinweis in Jakobus 1:5 führte Joseph Smith 1820 zum Erlebnis der Ersten Vision (JSLg 1:11-20). Drei Jahre später, in seinen Unterweisungen an Joseph Smith, zitierte der Engel-Prophet-Bote Moroni 2 Auszüge aus Maleachi, Joël und Jesaja, die ihn über die bevorstehende Mission des Messiahs, die Rolle der Propheten – einschließlich Elija – und der Wiederherstellung des Evangeliums in diesen letzten Tagen informierten. Nachträgliche Offenbarungen an Joseph Smith wiesen oft auf die Propheten des Alten und Neuen Testamentes hin. Außer den obig Erwähnten, sind Enoch, Noah, Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Peter, Jakobus, Johannes und Johannes der Täufer, die meist zitierten Boten des Herrn. Im April 1836 erschienen die Propheten Mose, Elias und Elija an Joseph Smith und Oliver Cowdery und übertrugen ihnen die Schlüssel des Priestertums (sieh LuB 110:11-16). Seit Anfang 1829 erschienen weitere engelhafte Diener, die bei der Wiederherstellung des Aaronischen und Melchizedekischen Priestertums eine entscheidende Rolle spielten (JSLg 1:68-73).

Joseph Smith hatte den Geistes der Prophezeiung nachdem er und Oliver Cowdery sich Mai 1829 taufen ließen (JSLg 1:73-74), und sein prophetisches Amt offiziell während der ordnungsgemäßen Gründung der Kirche am 6. April 1830 anerkannt wurde. Eine an ihn gerichtete Offenbarung erklärt unter anderem, „Du [sollst] ein Seher genannt werden, ein Übersetzer, ein Prophet, ein Apostel Jesu Christi, ein Ältester der Kirche...denn du wirst vom Heiligen Geist inspiriert, ihre Grundlage zu legen sie zu dem höchst heiligen Glauben aufzubauen“ (LuB 21:1-2). März 1836 wurden die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel unter der prophetischen Führung von Joseph Smith als Propheten, Seher und Offenbarer bestätigt (HC 2:417); ihre späteren Nachfolger ebenso.

Seit Joseph Smiths Tod in 1844 haben eine ununterbrochene Reihe von Propheten die Kirche geführt: Brigham Young (1844-1877); John Taylor (1877-1887); Wilford Woodruff (1887-1898); Lorenzo Snow (1898-1901; Joseph F. Smith (1901-1918); Heber J. Grant (1918-1945; George Albert Smith (1945-1951); David O. McKay (1951-1970); Joseph Fielding Smith (1970-1972); Harold B. Lee (1972-1973); Spencer W. Kimball (1973-1985); Ezra Taft Benson (1985- 1994), and Gordon B. Hinckley (1910-2008). Seit 1847 haben diese Propheten die Angelegenheiten der Kirche von ihrem Hauptsitz aus in Salt Lake City verwaltet. Jeder von ihnen hat sich der von Gott bestimmten Mission geweiht, den Menschen dieser Welt Beistand zu leisten und sie auf das zweite Kommen Christi und das ewige Leben vorzubereiten. Weiterhin haben sie für Führerschaft im internationalen Missions- und dem Tempelbauprogram der Kirche gesorgt. Der lebende Prophet empfängt weiterhin Offenbarungen, erwählt und ordiniert Führer durch den Geist der Prophezeiung, und dient als wichtigster Lehrer der Kirche; jemand, der die Mitglieder in den Grundsätzen eines rechtschaffenden Lebens unterweist.

Von Anbeginn spielten Propheten und deren Boschaft eine zentrale Rolle in Gottes Beziehung zu seinen Kindern. Elder Bruce R. McConkie, ein Apostel der Kirche, schrieb, daß ein vorordinierter Prophet zu allen Evangeliumszeiten, von Adam (Mose 5:9-10) bis in die heutige Zeit – die Zeiten Noahs, Abrahams, Moses, Peters und Joseph Smiths miteinbegriffen – an der Spitze von Gottes Kirche gestanden haben (A New Witness for the Articles of Faith, Salt Lake City, 1985, 2).

Propheten sind ständige Zeugen Jesu Christi, eine Tatsache, die im Buch Mormon erst recht zum Vorschein tritt. Alle Propheten haben etwas gemeinsam, sie legen Zeugnis von Jesus Christus ab – von seiner Göttlichkeit und seiner Mission auf Erden. Etliche von ihnen, einschließlich Lehi, Nephi 1, Jakob, Benjamin, Abinadi, Alma 2 und Samuel der Lamanite, haben im Buch Mormon sein Kommen prophezeit (1 Ne 1:19; 10:4; 19:7-8; Jakob 4:4-5; Mosiah 3:5-8). Sie waren sich von seinem Sühnopfer und seiner Auferstehung schon immer bewußt (Mosiah 3:10-11; 15). Nephi schrieb von vornherein über Propheten vor alters, wie Zenos, Neum und Zenock (1 Ne. 19:10; 3 Ne. 10:14-16), die den Besuch Jesu Christi auf dem amerikanischen Kontinent nach seiner Auferstehung ebenfalls voraussagten (3 Ne. 11-26). Da Heilige der Letzten Tage Jesus Christus mit Jehova identifizieren erkennen sie, daß die Propheten des Alten Testamentes auch solche Zeugnisse ablegten (sieh Jehova, Jesus Christus).

Das Buch Mormon, vom geschichtlichen Wert abgesehen, ist im Grunde genommen ein Bericht von Gottes Umgang mit einer Reihe von Propheten, die im sechsten Jahrhundert vor Christi mit Lehi ihren Anfang machen und mit Moroni 2 eintausend Jahre später aufhören. Als Zeugen Jesu Christi wurde ein jeder von ihnen als Lehrer der Rechtschaffenheit berufen. Obwohl ihre Unterweisungen alle im Evangelium Jesu Christi verankert sind und sie Gleichwesentliches lehrten, bewahrt dieser an uns vermittelte Bericht, individuelle Schwerpunkte. Zum Beispiel, Abinadi betonte zu seiner Zeit das Gesetz Mose, daß man es mit dem richtigen Geist leben soll (Mosia 12, 13). Nephi 1 und Alma 2 predigten Taufe und Umkehr (2 Ne. 31; Mosiah 18), so auch die Söhne Almas (Alma 17-29). Viele von ihnen, einschließlich Nephi 1, Enos und Moroni, fühlten sich aufgefordert über Glauben und die Gabe des Heiligen Geistes zu schreiben (z.B. 2 Ne. 26:13; 32:2.3). Lehis Rat an seinen Sohn Jakob war, „das es in allen Dingen einen Gegensatz gibt“ (2 Ne. 2:11). König Benjamin bat sein Volk inständig Gott zu dienen indem sie einander dienen (Mosia 2:17). Er, und weitere Propheten im Buch Mormon, so wie ihre alt-testamentarsichen Gegenstücke, warnten gegen Eitelkeit, Habgier, sexuelle Unmoral, Materialismus und ähnliche Sünden; aber sie lehrten auch über die Nächstenliebe, Wohlwollen, Geduldsamkeit, Demut und alles Friedfertige.

Jahrhunderte lang haben hebräische Propheten bis zum nach-apostolischen Zeitalter für den Herrn gesprochen, aber nicht mehr seit dem 2. bis zum 19. Jahrhundert, als Glaube an fortdauernde Offenbarung in diesem Teil der Welt entschwand und Menschen – wie etliche z. Z. Jesu – davon ausgingen, daß die Propheten tot- und ihre Ämter abgeschafft worden seien (Joh. 8:53). Das für wahr zu halten, was Gott den Menschen während ihrer Lebzeit vermittelte, war „der Prüfstein, den die Generation z. Z. Jesus Christus nicht verkraften konnte“ (CWHN 3:7).

„Wer aber prophetisch redet,“ schrieb Paulus, „redet zu Menschen: er baut auf, ermutigt, spendet Trost“ (1Kor. 14:3) – solch Einer lehrt, mahnt und vermittelt die Zuversicht der Liebe Gottes. Die Propheten verkündeten jene gottbegebenen Wahrheiten auf manigfaltige Art und Weise und mit unterschiedlichem Nachdruck. Ihre Botschaften, zeitlos in ihrer Bedeutung und Tragweite, sind für das Gemeinwesen und für ganze Nationen von großer Wichtigkeit gewesen. Einige von ihnen haben ihre prophetischen Aufgaben mit anderen Tätigkeiten, wie z.B. die eines Rechtsprechers, oder militärischen Führers, Historikers, Dichters, Zivil- oder Kirchenadministrators verbunden.

Andere Propheten sind populäre und charismatische Führer gewesen, wie Mose, Samuel und Alma 2. Viele Propheten erlitten Qualen oder Verrat. Für jeden, zu Lebzeiten geschätzten Propheten gab es diejenigen, die verfolgt wurden, ja selbst das Martyrium erleiden mußten (2 Kro. 36;15-16; Matt. 5:11-12; Mosia 17:20; LuB 135). Eindeutig ist, daß prophetische Botschaften nicht erarbeitet wurden um Gunst zu erlangen, oder um populär zu sein. Eines ihrer gemeinsamen und fundamentalen Themen ist die Umkehr. Obwohl Propheten Barmherzigkeit, Brüderlichkeit und Demütigkeit erfragten und obschon sie Freude und ewiges Leben denjenigen versprochen haben, die den Herrn lieben und seine Liebe begehren zu erlangen, haben sie trotz alledem Kummer und Hoffnungslosigkeit als unvermeidliche Folgen der Unsittlichkeit, Habgier, des Götzendienstes, dem Stolz und weitere Sünden vorrausgesehen. Sie sehnten sich nach Frieden, haben aber falsche Propheten, die Heil, Heil! [rufen] Aber kein Heil ist da (Jere. 6:14) ausgerufen haben für schuldig bezeichnet. Ungerechtfertigte Selbstzufriedenheit, zwanghafter Materialismus und Götzenverehrung waren die wesentlichen Eigenschaften falscher Propheten und deren Gefolgschaft.

Die Kundgebungen der Propheten sind auf Verschiedenes ausgerichtet. Als Erstes stehen die direkten Anweisungen und Gebote Gottes an seine Kinder, wie es im Pentateuchos und auch in Lehre und Bündnisse der Fall ist. Vieles wurde, wie z. B. mit Mose und Josua, als Predigt oder bündniserneuernde Zeremonie vermittelt (Deut. 4-11; Jos. 24). Wichtige Wahrheiten waren auch Bestandteil der Anliegen der Propheten an ihre Familien, so wie es bei Lehi und Alma 2 mit deren Kindern der Fall war (2 Ne. 1:4; Alma 36-42). Etliche prophetische Kundgebungen sind in den Briefen von Paulus, Jakobus, Petrus und Johannes, einschließlich die von Joseph Smith in Lehre und Bündnisse Abschnitte 127 und 128, niedergeschrieben worden. Wiederum andere finden Ausdruck im Gebet – z.B. Davids Dankgebet (2 Sam. 7:18-29) – einige sind in Symbolen und in der Dichtung auffindbar: die Symbolik Ezekiels, sowohl die der Offenbarung Johannes, oder in der sinnbildlichen Sprache des Paulus (Eph. 6:10-18), und der dichterischen Redeform des „neuen Liedes“ in Lehre und Bündnisse 84:98-102.

Kein einziger wahrer Prophet, ob voralters oder in der Neuzeit, hat sich je selber zu seinem Amt berufen. Einige, wie Mose, Amos und Jeremiah, haben ihre Berufung anfänglich nur mit Widerwillen akzeptiert. Andere wiederum, einschließlich Johannes der Täufer, Samuel, Nephi 1 und Joseph Smith, sind schon während ihrer Kindheit oder Jugendzeit erwählt worden. Wie Propheten erwählt und Mitteilungen mit und durch sie verbreitet wurden ist unterschiedlich zu Wege bebracht worden: durch den Dienst von Engeln, in Träumen, in Visionen bei Tag und bei Nacht, durch prophetische Eingebungen, durch nachträgliche Bestätigung absolut überzeugender Begebenheiten; via der buchstäblichen Stimme Gottes, oder bei Erscheinungen Gottes Angesicht zu Angesicht, wie es bei Mose (Ex. 33:11), Enoch (Mose 7:4), und Joseph Smith (JSLg 1:17) der Fall war. Gelegentlich kamen sie mit verblendender Heftigkeit, wie bei Paulus und Alma2; oftmals, wie bei Elija, vernimmte der Prophet ein sanftes, leises Säuseln (1Kg. 19:12). Meistens hat Gott mit Propheten in Antwort auf ihr Gebet gesprochen. Seine Propheten sind nie Mystiker gewesen, die durch selbst-verursachte Traumzustände oder sonstige Mittel versucht haben Kontakt mit der unsichtbaren Welt aufzunehmen.

Nur durch die Macht des Heiligen Geistes, auch Geist Gottes geheißen, sind Propheten berufen und ihre Botschaften verkündet oder niedergeschrieben worden. (Apg. 2:1-4, 37-42). Ananias legte Paulus die Hände auf sein Haupt, daß er wieder sehen und mit dem Heiligen Geist erfüllt sein möge. „Und sogleich verkündete er Jesus in den Synagogen und sagte: er ist der Sohn Gottes“ (Apg. 9:17-20). Und genau so handelten die Propheten vor Paulus und so auch alle darauffolgenden. In enger Verbindung mit der Gabe des Heiligen Geistes steht die Priestertumsmacht, die durch die Diener Gottes in allen Evangeliumszeiten ausgeübt worden ist.

BIBLIOGRAPHIE

Madsen, Truman G. Joseph Smith the Prophet. Salt Lake City, 1989.]

Nibley, Hugh W. The World and the Prophets. Vol. 3 of CWHN.

Smith, J. M. Powis. The Prophets and Their Times. Chicago, 1925.

Welch, John W. “The Calling of a Prophet.” In The Book of Mormon: First Nephi, The Doctrinal Foundation, ed. M. Nyman and C. Tate, pp. 35-54. Provo, Utah, 1988.

RALPH A. BRITSCH
TODD A. BRITSCH

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DIE PROPHETEN DER HEILIGEN SCHRIFT


Das Phänomen der Prophezeiung ist ein besonderes Merkmal biblischer Religion. Wenn voll entwickelt unterscheidet sich biblische Religion mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften von anderen Glaubensarten des Nahen Ostens. In Sachen Gottesverehrung, das Opfern, ethische Grundsätze und deren Ausübung, hatte Israel vieles mit seinen Nachbarn gemeinsam. Aber oftmals, und das trifft besonders auf die Verschiedenartigkeit religiöser Ansichten zu, haben die Völker der Bibel Eigenständiges und Unterschiedliches aus dem Vorhergegangenen, oder dem was parallel lief, geschmiedet. Nichts könnte zutreffender sein, wie beim Thema biblische Prophezeiung.

Mit wenigen Ausnahmen verlangt das Hinterbliebene der heidnischen Antike nur noch wenig akademisches Interesse von uns – kuriose Denkwürdigkeiten eines längst verschollenen Zeitalters – während die Worte und Lebenserfahrungen der biblischen Propheten über die Jahrhunderte hinweg sich noch stets auf unser heutiges Leben auswirken und für die neuzeitliche Zivilisation immer noch von Bedeutung sind.

Die Propheten der Heiligen Schrift behaupten beides, nämlich, daß sie Vorhersager sind, und daß sie die Menscheit an das Vorhergesagte erinnern und, falls sie sündigen, für die Folgen des Vorhergesagten verantwortlich machen. Diese Behauptung basieren sie auf ihren persönlichen Zugang zum Gott Israels, dem Herrscher der Weltgeschichte – derVergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Prophezeiung war wesentlicher Bestandteil Israels theo-politischer Struktur; so auch die prophetische Bewegung, die als wahres historisches Phänomen im elften Jahrhundert v.Chr. während der Übergangszeit von Richtern zur Monarchie mit der Krönung Saulus als Oberhaupt der Israelitischen Bundesstämme ihren Anfang machte. Propheten, mit Samuel als Ausgangspunkt, spielten eine wichtige – vielleicht sogar ausschlaggebende – Rolle im etablieren oder tadeln der Monarchien, und verblieben so lange ein wesentlicher Teil der israelitischen Gesellschaft, wie eine Monarchie überstehen konnte oder, sogar darüber hinaus, solange man noch den Gedanken oder die Hoffnung pflegte das Könighaus Davids wiederherstellen zu können. Während Gott normalerweise mit seinen Propheten durch Visionen, Vorsprechungen, ja selbst via Träumen gesprochen hat, sprach er mit Mose von Angesicht zu Angesicht (Deut. 34), oder Mund zu Mund (Ex. 33). Und wohingegen weitere Propheten oftmals die Gegenwart Gottes verspürten, sah Mose seine wirkliche Gestalt und Person (Num. 12; vgl. Ex. 33-34) Aus dem biblischen Bericht der Propheten und deren Erfahrungen, lässt sich somit ein Profil von Propheten und deren Berufungen zusammenstückeln.

DIE BERUFUNG. Göttliche Berufung und göttlicher Auftrag bezeugt den Anfang der Laufbahn eines Propheten. In allen niedergeschriebenen Instanzen sind die Details sowohl umwerfend wie bezeichnend; keine zwei prophetischen Situationen stimmen genau miteinander überein, obwohl bei allen gemeinsame, wesentliche Eigenschaften aufzufinden sind. Wir verfügen über hinreichendes Datenmaterial über Persönlichkeiten wie Mose, Samuel, Elischa (aber nicht Elija), und die großen literarisch gebildeten Propheten, wie Amos, Hosea, Jesaja, Jeremia und Ezechiel um eine bildhafte Zusammensetzung zu ermöglichen. Aber es fehlt uns an ausreichender Information über die Berufung von Propheten wie Nathan und Ahija. Typisch ist, daß Berufungen durch Gott eingeleitet werden und ofmals von einer oder mehreren Visionen oder auch ungewöhnlichen, übernatürlichen Begebenheiten (z.B. der brennende Dornbusch) begleitet werden. Es ist diese Kombination von Begebenheiten, was den Propheten (oder Prophetin) davon überzeugt, daß er (oder sie) nicht halluziniert, sondern mit dem lebendigen Gott im Kontakt steht.

DER AUFTRAG. Berufung und Auftrag gehen bei einem Propheten immer Hand in Hand. Ihr Zweck ist ihn dazu zu bewegen eine Mission oder Aufgabe zu erfüllen – etwas als Antwort auf seine Berufung zu tun. Einige Propheten wollten nur ungern die Verantwortung auf sich nehmen und suchten sich zu entschuldingen oder der Berufung zu entweichen (Mose, Jeremia und vor allem, Jona). Andere Propheten waren sehr darauf aus ihr Werk durchzuführen und beeilten sich es zu tun (z.B. Jesaja, Ezechiel und enventuell Hosea). Die grundsätzliche Regel für Propheten – ihr Marschbefehl sozusagen – wird immer prägnant und wortgewaltig im Buch Jeremia verzeichnet: „Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir [sage], das sollst du verkünden“ (Jer. 1:7). Kurz gesagt, ein Prophet ist ein Repräsentant und Botschaftler Gottes und seine (oder ihre) alleinige Verantwortung ist die Botschaft, die ihm (oder ihr) gebeben wurde dementsprechend zu verkündigen.

DIE BOTSCHAFT. In den meisten Fällen ist die Botschaft für andere gedacht, besonders Führer von Nationen und, generell gesehen, deren Bevölkerung. Oftmals enthält sie Warnungen und Drohungen aber auch Verheißungen und Ermutigungen. Notwendiger Weise enthält sie etwas Voraussagendes, da Botschaften meistens auf die Zukunft ausgerichtet- aber in der Vergangenheit verankert sind. Größtenteils sind Prophezeiungen moralisch bedingt in Anlehung an das Bündnis zwischen Gott und Israel. Sie bieteten Wahlmöglichkeiten zwischen Leben und Tod, man ended erfolgreich durch Gehorsam, oder erfolglos als Folge von Ungehorsam und Trotz. Hin und wider werden Orakel als etwas Unabwendbares verkündigt, daß was das Zukünftige garantiert, ob Vernichtung oder Herrichtung. Mitunter ist ihnen eine Frist gesetzt, d.h. die beschriebenen Ereignisse werden zur gegebenen Zeit unabänderlich eintreten; ein anderes Mal fehlt ihnen diese Zeitbeschränkung. Selbst wenn Sittliches und zeitlich Bedingtes nicht ausdrücklich erwähnt worden ist, können sie dennoch durch den Sprecher oder dem Vernehmenden angedeuted sein. Ein bemerkenswerter Fall ist Michas glatte Voraussage (Micha 3:12), daß Jerusalem vernichtet werden würde. Ein Jahrhundert später zitiert Jeremia die gleiche Schriftstelle, nicht um darstellen zu wollen, daß diese Prophezeiung unerfüllt geblieben war (Jerusalem stand noch) oder, noch weniger, um Micha als einen falschen Propheten anklagen zu wollen, sondern um klarzustellen, daß wegen dieser Prophezeiung der König (Hezekia) und sein Volk Umkehr begingen und das deswegen Jahwe (Jehova) ihre Sünden vergeben- und die Stadt verschont hatte (Jer. 26:16-19). Es war die Botschaft des Propheten, die das erwünschte Resultat erzeugte und somit wurde beides, er und seine Kundgebung als von Gott kommend gerechtfertigt.

DER PROPHET ALS WUNDERBEWIRKER. Wunder können klar und deutlich mit Propheten wie Mose, Samuel und besonders Elija und Elischa in Verbindung gebracht werden – wahrscheinlich auch Jesaja unter den sogenannten schreibenden Propheten – aber es gab auch viele Kundgeber, die kaum eine derartige Verbindung vorweisen konnten. (z.B. Jeremia, Amos, Hosea, Micha, usw.). Wunder scheinen ungewöhnlich charismatischen Personen anzugehören, die zwar Kundgeber aber nicht unbedingt zu der Rolle oder dem Amt eines Propheten bestimmt worden waren. Bei Mose war es so, daß Wunder dazu dienten, seine Behauptungen zu bekräftigen, und zu bestätigen, daß er eine authentische und authoritäre Botschaft von Gott erhalten hatte und sie deshalb als gültig akzeptiert werden müsse, und sie trugen dazu bei die Aufgabe und Absicht einer Vision – oder Ähnliches – weiterer Propheten zu stärken.

ERFOLG UND MISSERFOLG. Im großen und ganzen ist das Aggregat prophetischer Lebenserfahrungen unberechenbar, und der Erfolg oder Misserfolg einzelner Propheten beinflußt kaum den Status eines wahren Propheten Gottes. Man berichtet von Propheten, wie Samuel und Elischa, daß sie während ihrer Missionszeit viele Erfolgsereignisse verzeichnen konnten. Bei Elija, und eventuell auch Jesaja, waren die Ergebnisse gemischt, so auch mit Amos, Hosea und Micha. Aber letztendlich sind sie alle als wahre Propheten anerkannt worden, nicht weil Volk und Führer ihren Worten Folge leistete (denn das war oft nicht der Fall), sondern weil sie das, was sie vom Mund Gottes vernommen hatten wahrheitsgetreu wiedergaben, ohne Rücksicht auf sich selber und dem Volk, dem sie seine Botschaft verkündet hatten. Das Überleben einer Nation stand auf dem Spiel und es war ungemein wichtig falsche von wahre Propheten unterscheiden zu können. Dies war es kein akademischer Drill; es verlangte das beste Urteilsvermögen von Führern und Gefolgschaft.

ERPROBUNG WAHRER PROPHETEN. Der Deuteronomium bietet eine Verfahrensordnung an, die in Sachen Wahrheit vs. Falschheit ausschlaggebend ist. Es handelt sich um zwei wesentliche Grundsätze, beide praktisch und anwendbar: (1) Falls ein Prophet im Namen Gottes Botschaften kund tut und sie angeblich von einem anderen Gott oder Göttern stammen, dann ist er automatisch dem Abfall schuldig und muß sterben (Deut. 13:1-5); (2) Falls der Prophet etwas prophezeit und es zur gegebenen Zeit nicht eintrifft – d.h. das Vorhergesagte unerfüllt bleibt – dann soll er als falscher Prophet verurteilt- und hingerichtet werden (Deut. 18:20-22).

Aber diese deuteronomischen Vorschriften sind in vielen Fällen unzutreffend und die Geschworenen sind gezwungen weitere Hilfmittel in Betracht zu ziehen. Letztendlich kann in dieser Beziehung keine Entscheidungen so lange auf sich warten lassen bis alles Beweismaterial vorhanden ist und sollte sich deshalb auf zusätzliche Faktoren verlassen. Der Haupfaktor (nachdem man die orthodoxe Prüfung: „Für wen spricht der Prophet im Namen Gottes?“ angewandt hat), ist Einfluß und Wirkung auf seine Zuhörerschaft: seine Ehrlichkeit, sein Mut, seine Zuverlässlichkeit – die Fähigkeit das Gottesgeschehnis und dessen Kundgebung so zu übertragen, daß die Zuhörer dieses Erlebnis selber als etwas Wirkliches erfahren, was danach zur Bestätigung und seiner Rechtfertigung führen kann.

DER PROPHET ALS BEWAHRER DES BÜNDNISSES UND DER GESELLSCHAFT. Von Anbeginn bis zum Ende lag der Nachdruck der prophetischen Kundgebung immer in der ethischen Dimension biblischer Religion und wie sie das Wohlergehen der Nation und des Individuum beeinträchtigen würde. Entgegen den Kultanliegen der Priester betonten die Propheten, die von Gott geforderte Sittlichkeit und die ethischen Forderungen des Bündnisses. Das Überleben und der Erfolg einer Gesellschaft hängt mehr von der Rechtschaffenheit einer Nation, wie von den Kultaktivitäten der Priester, dem Militär, der politischen und gesellschaftlichen Lage, oder den wirtschaftlichen Ausnutzungen der Könige und deren intimer Kreis ab. Der Kampf wider der Götzenanbetung und dem Abfall wurde im Gesamtverlauf der biblischen Geschichte unablässig bekämpft, und die Führer in diesem Konflikt waren die Propheten. Zweitrangig aber auf gleicher Schwierigkeits- und Wichtigkeitsebene befanden sich die allgemeinenVerpflichtungen zur Gemeinde und dem Nachbarn gegenüber. Auf diese beiden Fundamente wurde die prophetische Kundgebung errichtet, und die Propheten hörten nie auf diese elementaren und fundamentalen Wahrheiten biblischer Religion und das Verhältnis zwischen Gott und Mensch dem Volk unentwegt for Augen zu führen.

PROPHETEN UND DER UNIVERSALISMUS. Mit den großen Propheten des achten- und den darauffolgenden Jahrhunderten v. Chr. kam eine wesentliche Wendung, die fundamentalen Wahrheiten aber blieben unberührt. Dieselben Forderungen und Maßstäbe wurden bewahrt und angewandt – nur schärfer – wegen Israels Mängel und Neigung zum Treuebruch. Der Aufstieg Assyriens als Weltmacht im 8. und 7. Jahrhundert – und Babyloniens Ende des siebten bis ins sechste Jahrhundert – intensivisierte die Existenzfrage dieser beiden kleinen Königreiche (Judah und Israel) und deren Nachbarn. Zum ersten Mal seit der Zeit der Patriarchen betonten die Propheten auf neue Weise mit verschärfter und größerer Sichtweite die Rolle Jahwes in diesem Weltbild und wie er über die Nationen herrschen wird. Die Einstufung Israels in dieses Universalbild wird von ihnen festgelegt und eine Weltordnungstheorie und Zeitbereich lassen sich durch sie vorahnen. Die Implikationen eines einzigen Gottes als Herrscher des Universums, allerdings mit einer Sonderbeziehung zu einer unscheinbaren Nation (oder zwei Königsreichen), werden weiter ausgebaut. Gefahren und Bedrohungen dem Volk Gottes gegenüber werden schärfer belichtet, aber auch Hoffnung und Zukunftsverheißungen. Letztendlich ist er der Gott dieser Welt und Gott dieser Entwicklung, der einem neu-erstellten und offenbarendem Israel seinen Platz unter den Nationen durch harmonische Auflösung von Konflikten zuweist – ein friedfertiges Reich. Die höchste Vision umgibt alle Nationen und Völker mit einem besonderen Platz für Israel, welches noch stets den wesentlichen Bündnissvereinbarungen verpflichtet ist, aber als Führer und Vorbild anderer gelten wird. Persönlicher Glaube und Sittlichkeit sind der Kern der prophetischen Religion; die Auswirkungen und Folgen sind gesellschaftlich, nationalistisch und, im Endeffekt, weltweit.

DER PROPHET ALS SPRECHER DES VOLK GOTTES. Meistens stellt man sich einen Priester als jemanden vor, der Gebete und Opfer im Namen des Volkes dem Herrn darbringt, aber vor allem im Amt als Hoher Priester am Versöhnungstag. Auf gleiche Weise führen Propheten ihr Amt als Führsprecher aus, obschon in einem anderen Zusammenhang. Jeremia erwähnt zwei Führsprecher, Mose und Samuel, gibt aber zu, daß Gott dieses Amt Jeremia verweigert hatte. Der dramatischste Fall war die Episode mit dem goldenen Kalb (Ex. 32). Nur Mose besaß die Kühnheit und das intime Verhältnis zur Gottheit, daß er ein verändertes Herz und Sinn von Gott verlangte. Nur Mose war es möglich dem Herrn zu „befehlen“ Umkehr zu begehen (sieh aber JSÜ, Ex 32:14). Und er war, wie der Bericht bestätigt, erfolgreich. Israel bleibt verschont. Eine weitere dichterische Version desselben Ereignisses befindet sich in Psalm 90:13. Es ist weder versehentlich noch zufällig, daß dieser Psalm der Bibel Mose zugewiesen wird. Mose verbleibt als einzigartiges Beispiel eines Propheten Israels, eben wegen seiner geistigen Einsichten, seiner Führerschaft und, letztendlich, wegen seiner Macht als Führsprecher. Die Schlußworte im Deuteronomium spiegeln diese Einzigartigkeit wieder: „Niemals wieder ist in Israel ein Prophet wie Mose aufgetreten, der Gott kannte Angesicht zu Angesicht“ (Deut. 34:10; des Authors eigene Übersetzung; vgl. Ex. 33:11). Und sprach mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie Männer und Frauen mit ihren Gefährten sprechen (vgl. auch Num. 12:8): „Mund zu Mund spreche ich mit ihm ... und die Gestalt Jahwes erblickt er“ (des Authors eigene Übersetzung).

BIBLIOGRAPHIE

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Nibley, Hugh. The World and the Prophets. CWHN 3.

Sawyer, John F. A. Prophecy and the Prophets of the Old Testament. Oxford, 1987.

DAVID NOEL FREEDMAN