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PIONIERZEIT

LEBEN UND RELIGION IN DER PIONIERZEIT

Die ersten Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage verehrten Gott nicht viel anders als Bekehrte vieler anderer neuer Religionsgemeinschaften: Ihre Gottesdienste waren demokratisch, leidenschaftlich und spontan, und auf örtliche Mitglieder beschränkte Kultgegenstände oder eine komplizierte Liturgie spielten weder damals noch später eine Rolle, auch formale Glaubensbekenntnisse nicht, die bei anderen Glaubensgemeinschaften in den damaligen Grenzgebieten üblich waren. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, als das Wachstum der Kirche eine geordnete Verwaltung erforderte, entwickelten die Heiligen der Letzten Tage in gewissem Maße eine systematischere Form der Gottesverehrung.

Natürlich waren die ersten Heiligen der Letzten Tage nicht ohne Führung. Schon im Juni 1829, zehn Monate vor der offiziellen Gründung der Kirche, trachteten Joseph SMITH <Smith, Joseph> und Oliver COWDERY <Cowdery, Oliver> nach Anleitung über Kirchenführung. “Die Kirche soll sich oft zum Gebet versammeln” hieß es in einem Manuskript aus dieser Zeit. “Jedes Mitglied soll sprechen und der Kirche über seinen Fortschritt in ewigen Dingen berichten” (Oliver Cowdery, “Articles of the Church of Christ,” 1829, LDS Library Archives). Das Dokument, später als “Articles and Covenants” <Articles and Covenants> [Artikel und Bündnisse] bezeichnet, bezog sich auf bereits empfangene Offenbarungen und auf Verfügungen aus dem Buch Mormon. Es war die erste Offenbarung, die zum Grundsatz der Kirche gemacht wurde und war - aber darüber läßt sich streiten - die wichtigste Aussage der Kirche über Gottesdienste und Vorschriften (Siehe LuB Abschnitt 20 und 21).

Sie bestimmte eine einfache Struktur von drei heiligen Verordnungen: Die Taufe durch Untertauchen, die Konfirmation durch den Geist und das Abendmahl mit Brot und Wein (heute Wasser). Alltägliche Routinen waren ebenfalls einfach. Sie schrieben folgendes vor: Das Gebet, häufige Versammlungen, Heimlehrerbesuche, Führung durch das Priestertum auf örtlicher Ebene und vierteljährige Konferenzen, in denen die Angelegenheiten der ganzen Kirche behandelt werden sollten. Reisende Älteste vermittelten dieses Modell den verstreut liegenden Gemeinden.

KIRTLAND <Kirtland>, OHIO, in der Frühzeit ein Hauptsitz der Kirche, ist ein typisches Beispiel für das System, das sich auf dieser Grundlage entwickelte. Man hielt viele Versammlungen ab. Die Führung hielt z.B. häufige “Rats- und Schulungssitzungen” in NEWEL K. WHITNEYS <Newel K. Whitneys Laden> LADEN ab. Am Sonntag oder am Wochenende besuchte man Mitglieder in ihren Heimen zum Gebet oder Gottesdienst, wobei man Lieder über das Millennium sang und Zeugnis ablegte. Dabei sprach man auch zuweilen in Zungen. Fast- und Zeugnisversammlungen wurden z.B. donnerstags abgehalten und dabei an die Bedürfnisse der Armen erinnert. Frömmigkeit nahm zu, wenn man keine Nahrung zu sich nahm und mit dem Ersparten den Armen half. Die Mitglieder in Kirtland versuchten sich auch zu größeren Zusammenkünften zu versammeln. Da sie anfangs kein Versammlunghaus hatten, versammelten sie sich im Freien oder in der kleinen Schule. Nachdem der KIRTLAND-TEMPEL <Kirtland-Tempel> 1836 (zum Teil) fertiggestellt war, konnten sich dort mehrere hundert Mitglieder versammeln.

Dieses Modell wurde zum Vorbild für den Gottesdienst, auch als die Kirche weiter in die Bundesstaaten Ohio, Missouri, Illinois und Nebraska zog. Nicht nur die Führer sondern auch einzelne Mitglieder konnten Versammlungen abhalten und leiten. Frauen hielten oft Gebetsversammlungen ab, zuweilen ohne Aufforderung oder Führung von seiten der Kirche. Allgemeine Versammlungen waren oft ebenso demokratisch. Mitglieder läuteten einfach die Gemeinschaftsglocke und riefen so andere zusammen. Die Zusammenkünfte waren ebenfalls ziemlich locker organisiert: “Wir werden diesen Tag der Predigt, der Ermahnung, dem Gesang, dem Gebet und der Kindersegnung widmen” kündigte ein Kirchenführer vor Beginn der Generalkonferenz im April 1845 (T&S, 6:953–957) an. Da man Versammlungen immer noch im Freien abhielt, unterhielten sich vielleicht einige, die etwas abseits standen, während andere, die in der Nähe des Sprechers waren, zuzuhören versuchten.

In NAUVOO <Nauvoo> begann man Gemeindegottesdienste abzuhalten. Wie in anderen amerikanischen Städten wurden die Kirchengemeinden nach politischen Bezirken eingeteilt. Bischöfe, die von der Kirche berufen wurden, leiteten die Gemeinde, bestimmten Abgaben für Bauprojekte, machten Nachbarschafts-, Gemeinde- oder Heimlehrerbesuche, sorgten für die Bedürfnisse der Notleidenden und beriefen immer häufiger Versammlungen ein. Damals begannen zum ersten Mal Nachbarschaftsgottesdienste unter Leitung der Kirche. Während des Auszugs in den Westen wurde dieses System in WINTER QUARTERS <Winter Quarters> in Nebraska festgelegt. Brigham YOUNG <Young, Brigham> hielt die Bischöfe an, “ihre Gemeinden zu organisieren, über sie zu wachen und wöchentliche Versammlungen abzuhalten; auch dafür zu sorgen, daß alle Arbeit haben, für die sie die Verantwortung tragen, und daß niemand Hunger oder Not leiden soll. [Sie sollen] ihre Gemeinden auch dazu anhalten, Unterricht zu geben” (Manuscript History of Brigham Young, 1846, S. 474, Church Archives).

Das Bedürfnis der Heiligen der Letzten Tage, “Versammlungen zu besuchen”, wie sie den Gemeindegottesdienst bezeichneten, nahm zu, als sie sich in den Tälern im Westen angesiedelt hatten. Gemeinschaftsversammlungen hielt man zunächst im Fort von Salt Lake City ab. Ein Heuhaufen spendete Schatten, und eine Kanone diente als Podium. Später errichtete man innerhalb des Forts einen Unterstand mit Pfosten an den Seiten, über die man Balken legte, dann das Ganze mit Zweigen und Blättern bedeckte und es “Bowery” nannte. Solche behelfmäßigen Unterstände wurden überall in Salt Lake City und den umliegenden Ortschaften für Versammlungen benutzt, und in einigen Orten wurden sie erst nach Jahrzehnten durch ein Tabernakel ersetzt. Nachdem man diesen behelfsmäßigen Unterstand im Fort aufgegeben hatte, errichteten die Bewohner der Stadt einen festeren auf dem TEMPELPLATZ mit Lehmmauern und einer Decke aus Schutt und Erde. Noch größere Unterstände wurden gebaut, um die Besucher der Generalkonferenzen aufzunehmen, für die sonst kein Gebäude in der Stadt Platz genug bot.

In den ersten Jahren war das TABERNAKEL <Tabernakel> das prominenteste Gebäude auf dem Tempelplatz. (Um es vom heutigen Tabernakel zu unterscheiden, das in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, nannte man es später das “Alte Tabernakel”.) Im Gegensatz zu dem provisorischen Unterstand aus Lehm und Erde hatte es Steinmauern und keine Pfosten im Innern. Ein Besucher schrieb: “Das Tabernakel ähnelt im Innern einem Theater. Eine Bankreihe steht hinter der anderen, und die letzte ist vom Podium schon sehr weit entfernt. Das Innere des Gebäudes liegt unter dem Erdboden, so daß man beim Hineingehen Stufen hinabsteigen muß.” (Erinnerungen von Addison Moses Crane, Huntington Library, San Marino, Kalifornien.) Es zeichnete sich architektonisch nicht besonders aus, sondern diente einem praktischen Zweck. Es war 1852 fertig und schaffte mit seinem 20 mal 40 m großen Innenraum Sitzmöglichkeiten für 2500 Besucher, die freie Sicht auf das Podium hatten. Das Gebäude verfügte über eine einigermaßen gute Akustik.

Am Anfang waren die gemeinschaftlichen Gottesdienste auf dem Tempelplatz sehr wichtig. Man erwartete von allen Einwohnern, sich jeden Sonntag zu versammeln und zwar gewöhnlich um 10 Uhr morgens und um 2 Uhr nachmittags. Zu Beginn spielte eine Blaskapelle. Daraufhin wurde die eingegangene Post verteilt, eine Liste verlorener und gefundener Gegenstände verlesen oder bevorstehende politische, gesellschaftliche oder religiöse Veranstaltungen bekanntgemacht. Dieser Informationsteil fand mit der Gründung der Zeitung Deseret News sein allmähliches Ende.

Während des Eröffnungsteils betraten Führer der Kirche den Saal und nahmen ihren Platz auf dem Podium ein, und die Mitglieder füllten allmählich die Bankreihen. (Nach und nach bat man Mitglieder, nicht mehr ohne vorherige Aufforderung auf dem Podium Platz zu nehmen.) Wenn ein Sprecher sich nicht auf seine Predigt vorbereitet hatte, kam es manchmal zu Problemen. Wenn kein erfahrener Sprecher anwesend war, bat die Leitung einen Kirchenbeamten zu sprechen. Am Nachmittag reichte man das Abendmahl und fuhr dann mit den Predigten fort, wobei Mitglieder oft unvorbereitet dazu aufgefordert wurden. Die Versammlungen dauerten gewöhnlich zwei Stunden oder länger.

Es gab viel Abwechslung, manchmal sogar Theatervorstellungen. Die Kirchenführer luden Prediger, Indianerhäuptlinge und - immer öfter- zurückgekehrte Missionare zum Sprechen ein. Häufig gaben sie selbst Evangeliums-”Diskurse”, eine Mischung aus Geistigem und Zeitlichem, manchmal ernst und manchmal humorvoll. Elder Joseph Young <Young, Joseph>, der Präsident des Siebzigerkollegiums, “stand rasch und energisch auf und verbreitete viel Fröhlichkeit,” heißt es in einem Versammlungsprotokoll. “Präsident [Brigham] Young sprach als nächster amüsant über Nächstenliebe.” (9. September 1855, Versammlungsprotokoll, Kirchenarchiv.) Der Sprecher konnte predigen, mit den Versammelten einen Dialog führen, ermahnen oder richtigstellen und zuweilen einem widerspenstigen Mitglied die Gemeinschaft entziehen oder es aus der Kirche ausschließen.

Die Versammlungen auf dem Tempelplatz hatten Nachteile: Weil die Zahl der Mitglieder ständig zunahm, ging das Vertrauliche verloren, und bei schlechtem Wetter waren die Umstände recht unbequem. Darum legte man immer mehr Nachdruck auf Aktivitäten in den Gemeinden, wo “blessing meetings” [Segensversammlungen] abgehalten wurden, in denen man die getauften oder wiedergetauften Mitglieder konfirmierte und Segen erteilte. Eine Gemeinde hatte sogar eine “Gesangsschule”. Die Fast- und Zeugnisversammlungen fanden in den meisten Stadtteilen weiterhin am Donnerstag statt, und der Bischof hielt auch Versammlungen für die Jugend ab. Die Priestertumsversammlungen wurden im allgemeinen für Kollegien mehrerer Gemeinden abgehalten. In der Gemeinde jedoch hielt man Sonderversammlungen für Männer ab, um Einwanderer bei ihren Problemen zu unterstützen, Steuern zu erheben und den Bau von Straßen, Kanälen, Schulen oder Gemeindehäusern zu planen. Die Frauen trafen sich weiterhin zu Gebetsversammlungen, in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu FHV-Sitzungen für das Indianerhilfswerk und in den siebziger Jahren in neuorganisierten FHV-Versammlungen zur Belehrung, zum Zeugnisablegen und zur Unterstützung der Bedürftigen.

Die wichtigste Gemeindeversammlung war der Gottesdienst am Sonntagabend, der gewöhnlich ein oder zwei Stunden nach der Nachmittagsversammlung auf dem Tempelplatz stattfand. In einem Protokoll heißt es: “Versammelten uns in E. M. Saunders Haus. Völlig überfüllt. Präsident John Young eröffnete die Versammlung mit Gesang und Gebet. [Er] machte einige Bemerkungen, rief die Brüder auf, ihre Zeit nicht zu verschwenden. Ihm schlossen sich in rascher Folge Brüder und Schwestern an und gaben ihr Zeugnis vom Werk des Herrn. [Viele] sprachen in Zungen und prophezeiten.” (18. Januar 1852, Buch A der 19. Gemeinde, Kirchenarchiv.) Die Versammlung begann um 18 Uhr abends und dauerte dreieinhalb Stunden.

Musik spielte eine sehr wichtige Rolle in den Gottesdiensten. “Meine Seele erfreut sich am Lied des Herzens, ja, das Lied der Rechtschaffenen ist ein Gebet zu mir”, heißt es in einer der ersten Offenbarungen (LuB 25:12). Emma SMITH <Smith, Emma>, die Frau von Joseph Smith, hatte 1835 das erste Gesangbuch zusammengestellt und veröffentlicht. Dieser kleine Band bestand aus Gedichten. Die Melodien dazu entnahm man volkstümlichen oder beliebten Liedern. Im Westen setzten die Siedler diese musikalische Tradition fort. Nur zwei Wochen nach ihrer Ankunft formierte sich eine Gruppe von Sängern aus England und Wales - der Kern des künftigen TABERNAKELCHORS <Tabernakelchor>. Präsident Young verfügte, daß jede Gruppe von Kolonisten einen Musikleiter - genannt “Musikmissionar”- berufe, der in den abgelegenen Siedlungen für Gesang, Chor- und Instrumentalmusik sorgen sollte. Brigham Young trug persönlich zur Finanzierung der Blaskapelle von Nauvoo bei. Diese Kapelle diente anderen zum Vorbild. In den sechziger Jahren gab es im Territorium mindestens vierzig Kapellen, und 1875 hatte sich deren Zahl sogar verdoppelt. Die Reisenden Jules Remy <Remy, Jules> und Julius Benchley <Benchley, Julius> waren beeindruckt und kamen zu dem Schluß: “Die Mormonen haben einen Sinn für geistige Musik. [Besonders] ihre Frauen singen seelenvoll.” (A Journey to Great-Salt-Lake City, 1861, 2:56, 374–375.)

Heilige der Letzten Tage brachten ihre Gottesverehrung auch in heiligen Handlungen zum Ausdruck. Die Kommunion, oder “das Abendmahl”, wie es die Heiligen der Letzten Tage nannten, war von außerordentlicher Bedeutung. Es wurde gewöhnlich jede Woche auf dem Tempelplatz und wenigstens einmal im Monat in einer Gemeinde gereicht und nur gelegentlich, aufgrund von Unwürdigkeit oder Gleichgültigkeit der Mitglieder, ausgesetzt. Die Art der Darbietung war unterschiedlich. Manchmal hielt der Sprecher mitten in seiner Ansprache inne, segnete Brot und Wasser, das die Lehrer im Priestertum daraufhin an Männer, Frauen, und Kinder und auch an Besucher, die keine Mitglieder waren, austeilten. Dann setzte er seine Predigt fort. Bei anderen Gelegenheiten segneten der Bischof oder junge Männer Brot und Wasser, das immer öfter an Stelle von Wein gereicht wurde. Für die Heiligen der Letzten Tage hatte die heilige Handlung symbolische Bedeutung. Sie aßen und tranken zum Gedächtnis des Fleisches und Blutes Christi und erneuerten dabei ihre Bündnisse mit dem Herrn. Das Abendmahl war einfach und unzeremoniell, ohne komplizierte theologische Basis - wie z.B. die Transsubstantiation - und stand für die Mitglieder der Kirche im Mittelpunkt ihrer öffentlichen Gottesdienste.

Das Abendmahl war damals nicht die einzige heilige Handlung. Als Zeichen eines besonderen Bündnisses konnte man früher mehrmals getauft werden. Neben seiner ersten Taufe, bei der er Christus (als seinen Erretter) annahm und Mitglied der Kirche wurde, konnte ein Heiliger der Letzten Tage nochmals getauft werden und zwar bei besonderen Anlässen wie der Weihung des NAUVOO-TEMPELS <Nauvoo-Tempel>, dem Auszug in den Westen, der Ankunft im SALZSEETAL, und während der Reformation von 1856–1857 (Siehe REFORMATION, HLT) und 1875–1876. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die “Rekonfirmation” durchgeführt. Die Mitglieder ließen sich auch nochmals taufen, um ihre Umkehr zu bekunden oder von Krankheit geheilt zu werden. Sie ließen sich ebenfalls für verstorbene Vorfahren stellvertretend taufen. In einer Zeit, in der ein neugetauftes Mitglied sich oft von Familie, Nachbarn und Beruf trennen mußte, bedeutete die äußerliche Taufhandlung eine starke emotionale und psychologische Neubezeugung des Glaubens. Da viele auch die Versammlungen nicht regelmäßig besuchten, drückten sie durch eine erneute Taufe ihre fortwährende religiöse Überzeugung aus.

Auch durch die Tempelbegabung ließ sich das alltägliche Pionierleben mit dem Geistigen verbinden. Da während der Pionierzeit noch kein Tempel fertiggestellt war, empfingen die Mitglieder ihre Begabung auf einem Hügel, einer Bergspitze oder in einem Dachzimmer, aber immer häufiger im Endowmenthaus von Salt Lake City, als dieses 1855 geweiht worden war. Hier empfingen sie Belehrungen über die geistige Reise der Menschheit durch die Ewigkeit und vollzogen heilige Verordnungen für das ewige Leben. Ohne die Möglichkeit häufiger stellvertretender Begabungen, einem Ritual, das sich erst im 20. Jahrhundert allgemein einbürgerte, hatten diese Zeremonien eine zweifache Bedeutung im Leben eines Pioniers. Die Mitglieder trugen Tempelgarments oder nähten Symbole auf einem Hemd zum Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem Tempel, und viele taten sich zu Gebetskreisen zusammen. Sieben solcher Gruppen bestanden in Salt Lake City, von denen sich jeweils eine jeden Abend in der Woche traf. In den entfernteren Gegenden bestand wenigstes ein solcher Kreis. Wenn sie sich trafen, gaben die Mitglieder ihr Zeugnis, diskutierten Kirchenlehren, weihten Öl für die Krankensegnung, besprachen persönliche Angelegenheiten und die der Gruppe und stärkten ihre Einigkeit durch den Vollzug des Tempelrituals und durch das Gebet.

Auch im weiteren Sinne brachte die Gemeinschaft ihre Verehrung zum Ausdruck. Anfangs begingen Siebzigerkollegien Jahrestage mit Tanz, Ermahnung, Musik, gemeinschaftlichem Beisammensein und Feistlichkeiten. Ab 1849 wurde von der ganzen Gemeinschaft der Pioniertag zum Andenken an den Einzug der ersten Pioniere ins Salzseetal gefeiert. Ähnlich den biblischen Festtagen versammelten sich bei den Generalkonferenzen zweimal im Jahr Tausende zu gemeinschaftlichen Gottesdiensten und zum gesellschaftlichen Beisammensein. Außerdem kamen die Mitglieder oft zusammen um sich zu “reformieren”. Meistens war das ein örtliches Phänomen, aber manchmal breitete es sich im ganzen Territorium aus und wurde offiziell geplant und gefördert. Bei diesen Gelegenheiten hörten die Heiligen der Letzten Tage sich Predigten an, prüften sich gründlich, beichteten, reinigten ihre Seele von Sünde und erneuerten und stärkten ihren Glauben durch Teilnahme am Abendmahl.

Letzlich war auch die zeitliche Errichtung des “Gottesreiches” ein Ausdruck religiöser Verehrung. Neben den üblichen Gottesdiensten drückten die Heiligen der Letzten Tage im 19. Jahrhundert ihre religiöse Überzeugung auch dadurch aus, daß sie danach strebten, das Reich Gottes auf Erden aufzubauen. Sie “sammelten sich in Zion”, siedelten sich an, hatten Kinder, bauten Häuser und Städte und eigneten sich Bildung an. Die Führung beklagte sich, daß zu wenige die Versammlungen besuchten oder daß sie nicht genügend auf Einzelheiten achteten, aber der Aufbau einer religiösen Gemeinschaft war, wenigstens im großen und ganzen, eine heilige Erfahrung, die die beachtliche religiöse Stärke und Glaubenstreue der Pioniere offenbarte.

BIBLIOGRAPHIE

Eine umfassende Abhandlung über die Gottesverehrung der Heiligen der Letzten Tage im 19. Jahrhundert ist nicht vorhanden, aber mehrere Einzelstudien vermitteln besondere Einsichten. Siehe folgende Studien:

Leonard J. Arrington und Davis Bitton. “The Nineteenth Century Ward, in The Mormon Experience, S. 206–219.New York, 1979.

Joseph Heinerman. “The Mormon Meetinghouse: Reflections of Pioneer Religious and Social Life in Salt Lake City,” Utah Historical Quarterly 50, Herbst 1982, S. 340–353.

Ronald W. Walker. “‘Going to Meeting’ in Salt Lake City’s Thirteenth Ward, 1849–1881: A Microanalysis,” in New Views of Mormon History. Davis Bitton und Maureen Ursenbach Beecher, Hrsg. S. 138–161. Salt Lake City, 1987.

Als Beispiel einer Untersuchung über die Rhetorik in den Predigten auf dem Tempelplatz siehe:

Ronald W. Walker. “Raining Pitchforks: Brigham Young as Preacher,” Sunstone 8, Mai–Juni 1983, S. 4–9.

RONALD W. WALKER