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OFFENBARUNG

Persönliche Offenbarungen zu empfangen stellt einen lebenswichtigen und charakteristischen Teil des religiösen Erlebnisses für Heilige der Letzten Tage dar. Eine Reaktion auf persönliche Offenbarungen wird als Grundlage für den wahren Glauben an Christus angesehen. Und die Stärke der Kirche besteht in dieser glaubensvollen Antwort der Mitglieder auf ihre persönlichen Offenbarungen. Der Zweck von sowohl Offenbarung als auch der gläubigen Reaktion ist es, den Menschenkindern zu helfen zu Christus zu kommen und einander mit derselben reinen Liebe lieben zu lernen, mit der Christus sie liebt.

ARTEN DER OFFENBARUNG. Eine Dispensation des Evangeliums Jesu Christi besteht aus einer Reihe von persönlichen Offenbarungen von Gott. Diese Offenbarungen können direkte Kundgebungen von Gott sein, wie in den folgenden typischen Fällen:

1. Theophanien (Gott von Angesicht zu Angesicht sehen), wie in der ersten Vision des Propheten Joseph Smith, die zu Beginn der gegenwärtigen Dispensation geschah (JS-Lg 1:15-20)

2. offenbarte Kenntnis vom Vater, dass Jesus „der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ ist (Mt. 16:13-17; siehe auch Geist der Prophezeiung)

3. Erscheinungen engelhafter Wesen, wie die Erscheinung des Engels Moroni bei Joseph Smith (JS-H 1:30-32)

4. Offenbarungen durch den Urim and Thummim, durch das Joseph Smith das Buch Mormon übersetzte

5. offene Visionen, z.B. als Joseph Smith und Sidney Rigdon die Königreiche des Jenseits gezeigt bekamen (siehe Lehre und Bündnisse: Abschnitt 76)

6. tatsächlich die Stimme Gottes hören, wie es im 3. Nephi 11 verzeichnet ist

7. die sanfte leise Stimme des Heiligen Geistes vernehmen, wie in Elijas Erlebnis (1 Kön. 19)

8. die Gaben des Geistes empfangen (LuB 46)

9. ein Brennen in der Brust haben als Zeichen für den Willen Gottes, wie in der Erklärung, die Oliver Cowdery gegeben wurde (LuB 9:8)

10. Träume (1 Ne. 8:2-32)

11. Kundgebungen des Lichtes Christi, durch das alle Menschen Gut von Böse unterscheiden können (Alma 12:31-32; LuB 84:46-48).

Solche direkten Kundgebungen des Geistes und Willens Gottes sind als Gaben bekannt und stehen im Gegensatz zu Zeichen. Gaben haben immer eine geistige Komponente, selbst wenn sie einen physischen Aspekt aufweisen. Zeichen sind physische Kundgebungen der Macht Gottes und sind eine Form der Offenbarung von Gott, obwohl sie vorgetäuscht und falsch ausgelegt werden können. Zeichen können zeigen, dass Gott am Werk ist, aber geistige Gaben sind notwendig um zu wissen, wie man darauf reagieren soll.

OFFENBARUNG AN DIE KIRCHE. In jeder Dispensation ernennt Gott seinen Propheten um sein Volk zu führen. Ein Prophet ist nicht dazu da,  ein Mittler zwischen Gott und anderen zu sein, obwohl ein Prophet das oft tun muss. Sein Zweck ist eher anderen zu helfen von Gott die persönliche Offenbarung zu empfangen, dass er, der Prophet, Gottes Wahrheiten gelehrt hat, die den Weg zu Christus weisen.

Der Prophet kann als Führer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage—sowie alle anderen Personen, die in der Kirche präsidieren, einschließlich der Generalautoritäten, Pfahlpräsidenten, Bischöfe, allgemeiner Präsidentschaften und Eltern, Offenbarung zum Nutzen all derer, über die sie präsidieren, empfangen. Diese Offenbarungen können an die Mitglieder der Kirche durch Konferenzen und andere Ansprachen sowie in persönlichen Beratungen weitergegeben werden. Aber jeder einzelne ist dazu berechtigt durch persönliche Offenbarung zu wissen, dass diese durch präsidierende Autoritäten gegebenen Botschaften wahrlich vom Heiland selber stammen. Präsident Brigham Young brachte seine Sorge zum Ausdruck, dass Heilige der Letzten Tage „so viel Vertrauen in ihre Führer haben“ würden, dass sie „sich an einen Zustaand der blinden Selbstsicherheit gewöhnen“ und jegliche Verantwortung, ihre eigene Offenbarung zu empfangen, aufgeben würden: „Lass jeden Mann und jede Frau durch das Flüstern des Geistes Gottes wissen, ob ihre Führer auf dem Weg gehen, den der Herr vorschreibt, oder nicht“ (JD 9:150).

Präsidierende Kollegien in der Kirche sind zu Offenbarungen für die Kirche berechtigt in Fragen der Lehre, Richtlinien, Programme, Berufungen und Disziplinarverfahren, je nach Kollegium. Entscheidungen dieser Kollegien sollen nur aufgrund persönlicher, individueller Offenbarung von Gott an jedes Mitglied des Kollegiums getroffen werden. „Und jede Entscheidung, die von einem dieser Kollegien getroffen wird, muss  einstimmig  sein, das heißt, jedes Mitglied des betreffenden Kollegiums muss mit der Entscheidung einverstanden sein, damit eine solche Entscheidung dieselbe Kraft und Gültigkeit hat wie die der anderen“ (LuB 107:27).

Die Schriften enthalten die inspirierten Worte von Gottes erwählten Propheten und werden anderen zu ihrer Erbauung gegeben (LuB 68:2-4). Auf diese Weise haben die Menschen die inspirierten Worte des Alten und Neuen Testaments empfangen. Durch Offenbarung übersetzte der Prophet Joseph Smith das Buch Mormon (siehe Buch Mormon Übersetzung von Joseph Smith) und empfing er die in den Lehre und Bündnisse und in der Köstlichen Perle enthaltenen Punkte. Heilige der Letzten Tage sehen voraus, dass in Zukunft noch weitere prophetische Schriften offenbart werden und dass von vergangenen Propheten geschriebene, aber nun der Welt verlorene Schriften wiederhergestellt werden (2 Ne. 29:11-14; LuB 27:6; siehe auch Schriften: Zukünftige Schriften). Die wahre Bedeutung: alle Schriften soll durch die Macht des Heiligen Geistes jedem Leser oder Hörer offenbart werden (2 Petr 1:20; LuB 50:17-24).

PERSÖNLICHE OFFENBARUNG. Nach der Taufe und Konfirmation hat jedes Mitglied, wenn würdig, das Anrecht auf die ständige Begleitung des Heiligen Geistes (siehe Gaben des Heiligen Geistes). Durch diese Begleitung werden alle Gaben des Geistes glaubenstreuen Einzelpersonen offenbart, die ihr irdisches Werk in Rechtschaffenheit durch die Gaben und Kraft Gottes erfüllen, die ihnen und durch sie offenbart werden (Moro. 10:25). Die Herausforderungen dabei, gemäß persönlichen Offenbarungen zu leben umfassen Folgendes: (1) Offenbarung von Gott durch seinen Heiligen Geist von persönlichen Gedanken und Wünschen und dem Einfluss Satans unterscheiden (siehe Teufel). (2) Die Lehren und Anweisungen des lebenden Propheten Gottes befolgen. Und (3) gemäß jedem Wort, das aus dem Mund Gottes hervorgeht, leben (Mt. 4:4; Joh 3:5-8; LuB 50:13-24; 98:11-13; Dtn 8:3).

In modernen Gesellschaften wird der Vorstellung göttlicher Offenbarungen aus vielen Gründen weithin ein geringer Wert beibemessen, z.B. wegen der Gewalttaten, die einige unter vermeintlicher göttlicher Anweisung begangen haben. Aber Gott hat uns durch die Wiederherstellung des Evangeliums wissen lassen, dass Offenbarungen allen zur Verfügung stehen, die danach trachten, und dass es ein Fehler und eine Form des Wunschdenkens ist, wenn man sich nicht um geistige Führung und Leitung bemüht. Menschen haben einen ewigen Geist. Und jede Person erlebt die übernatürlichen Einflüsse, die an ihrem Geist arbeiten. Es ist besser seine persönlichen geistigen Erlebnisse zu untersuchen, bis sie Sinn ergeben, als die geistige Seite eines Menschen zu  ignorieren. Jemand, der seine geistigen Erlebnisse anerkennt, hat ein „ehrliches Herz“ und ist ein Kandidat für die offenbarten Reichtümer der Göttlichkeit (LuB 8:1; 97:8).

Die grundlegende Offenbarung von Gott ist die Erkenntnis des Guten durch das Licht Christi (Joh 1:9). Der Prophet Lehi lehrte seine Kinder, dass ihre Nachkommen aufgrund der Entscheidungen, die Adam und Eva getroffen haben, eine übernatürliche Kenntnis von Gut und Böse erhalten. Die Wahl zwischen den beiden ist dann notwendig, um den Zweck des Erdenlebens zu erfüllen. Nach der Sterblichkeit gibt Gott jedem Menschen auf ewig Gut oder Böse zurück, je nachdem, was derjenige gewählt hat (Alma 41:1-5; 2 Ne. 2:27).

Aber vor dem letzten Gericht wird jede Person das Evangelium Jesu Christi durch die Macht des Heiligen Geistes gelehrt bekommen. Dieses Evangelium ist die gute Nachricht, dass der Sohn Gottes allen helfen wird, mit dem Bösen aufzuhören, und dass er sie vor den Folgen all des Bösen, das sie getan haben, retten wird, falls sie an ihn glauben und umkehren. Nach dieser angenommenen Offenbarung zu handeln stellt Glauben an Jesus Christus dar. Wenn dieser beibehalten wird, kann er zu weiteren Offenbarungen von Gott führen: mehr Anweisungen, die Gaben des Geistes, das Wissen über den neuen und ewigwährenden Bund, das durch rettende Verordnungen erlangt wird, Visionen, die Offenbarung, Gott selber von Angesicht zu Angesicht zu kennen. Und schließlich die Offenbarung, die Fülle der Göttlichkeit zu empfangen und zum Miterben Christi zu werden (LuB 121:29).

Der HLT-Begriff der individuellen Offenbarung als Grundlage für alles menschliche Erleben hilft, andere charakteristische HLT-Lehren zu erklären. Die grundlegende Erkenntnis von Gut und Böse ist der Schlüssel dazu, die richtige Unterscheidung zwischen übernatürlicher Offenbarung und einer Fälschung zu machen. Jeder einzelne muss so ehrlich im Herzen und Verstand sein wie möglich und es ausprobieren, bis er klar erkennen kann, was gut und was böse ist. Wer in diesem Leben lernt, Gut von Böse zu unterscheiden, kann dann den guten Geist von dem bösen Geist unterscheiden. Sie können dann das wahre Evangelium Jesu Christ von Nachahmungen, den wahren Weg der Rechtschaffenheit von den Seitenwegen des Bündnisbrechens und –beugens und den wahren und lebendigen Gott von dem Gottesbild, das ihr eigenes Wunschdenken geschaffen hat, unterscheiden (Moro. 7:5-19).

Joseph Smith zeigte den Heiligen, wie man Offenbarung erkennt und empfängt:
„Man kann daraus Nutzen ziehen, dass man auf die ersten Anzeichen des Geistes der Offenbarung achtet; zum Beispiel: Wenn jemand spürt, dass reine Intelligenz in ihn einströmt, taucht vielleicht plötzlich ein Gedanke in ihm auf, und wenn er diesen beachtet, wird er ihn noch am gleichen Tag oder bald darauf verwirklicht sehen; das nämlich, was der Geist Gottes ihm vorgelegt hat, wird eintreffen. Und wenn man auf diese Weise den Geist Gottes kennen und verstehen lernt, kann man in das Prinzip Offenbarung hineinwachsen, bis man vollkommen wird in Christus Jesus“ [LPJS, S. 153].

Das Erlernen der Kommunikation mit anderen durch die Gaben des Heiligen Geistes ermöglicht es einem, ein Prophet oder eine Prophetin Gottes zu sein. Heilige der Letzten Tage glauben, dass jedes Kind  durch göttliche Offenbarung ein Prophet oder eine Prophetin für seinen oder ihren von Gott zugewiesenen Verantwortungsbereich werden kann und sollte (Num. 11:29). Dabei sollte jeder an dem Guten festhalten und das Böse zurückweisen (1 Thess. 5:19-21).

So ist das menschliche Problem nicht, Offenbarung zu erhalten, sondern die Offenbarung, die man empfängt zu verstehen, nur auf das Gute anzusprechen und nur das auszuführen, was gut ist. Den Dienern Christi wird angeraten zu ihm, und nur zu ihm zu schauen, um Licht und Wahrheit zu empfangen. Ihnen wird geboten, Rat von keinem Menschen anzunehmen oder auf irgendeine Person zu hören, außer er oder sie spricht durch die Macht des Heiligen Geistes. Wahrheit, Licht, rechtschaffene Macht und Erlösung kommen aus der Höhe, von Gott selber, durch göttliche Offenbarung und nicht von Menschen oder von unten her (2 Ne. 28:30-31).

BIBLIOGRAPHIE

Backman, Milton V., Jr. The Heavens Resound, S. 284-309. Salt Lake City, 1983.

Oaks, Dallin H. „Revelation“. In Brigham Young University 1981-82 Fireside and Devotional Speeches, S. 20-26. Provo, Utah, 1982.

Packer, Boyd K. „Revelation in a Changing World“. Ensign 19 (Nov. 1989): 14-16.

Wright, H. Curtis. „The Central Problem of Intellectual History“. Scholar and Educator 12 (Herbst 1988): 52-68.

CHAUNCEY C. RIDDLE