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MÖWENDENKMAL

DAS WUNDER DER MÖWEN

Die ersten HLT-Pioniere betraten das SALZSEETAL im Juli 1847 (Siehe PIONIERTAG). Fast 2.000 kamen im Laufe des Jahres 1847 an und weitere 2.400 im nächsten Jahr. Wie so viele Menschen überleben sollten, war Anlaß zu großer Sorge, denn ihr Leben hing von den ersten Ernten ab. Man war vom Wetter abhängig, das man nicht voraussehen konnte, und von einem Ackerboden, auf dem man noch nie Getreide oder Gemüse angepflanzt hatte. Im ersten Sommer beobachteten die Pioniere, wie die Indianer “viele Millionen” Grillen als Nahrung für den kommenden Winter einsammelten. Sie trieben die Grillen ins Feuer, rösteten sie und bewahrten sie dann in Körben und Säcken für den Winter auf. Als die Pioniere sahen, wie sich die Indianer solchermaßen auf den Winter vorbereiteten, begannen sie sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie jeder Einzelne und die Gemeinschaft in der Wildnis überleben konnte.

Im ersten Jahr hatten sich die meisten Heiligen der Letzten Tage im Salzseetal niedergelassen, aber kleine Gruppen siedelten sich auch nördlich in Kaysville, am Weber-Fluß, und in Bountiful an. Im Sommer und Herbst des Jahres 1847 säten sie in der Nähe ihrer Siedlungen auf etwa 800 Hektar Winterweizen aus. Der Winter war mild, und bald setzte Tauwetter ein, so daß man den Boden schon früh im Jahr 1848 pflügen und im Frühjahr noch mehr Weizen und, auf weiteren 1200 bis 1600 Hektar Ackerland, Mais und Gemüse anpflanzen konnte.

Im Frühjahr berichteten die Bauern stolz, daß die Saat scheinbar gut gedieh. Im April und Mai wurde es jedoch sehr kalt und ein Teil der Ernte erfror auf den Feldern. Ende Mai wurden die Felder weiter verheert: Riesige Insektenschwärme begannen Getreide und Gemüse aufzufressen. Diese Insekten, die man später “Mormon Crickets” [Mormonengrillen] nannte, waren so groß wie der Daumennagel eines Mannes. Sie gehören zur Familie der amerikanischen Laubheuschrecken, haben kleine Flügel, können aber nicht fliegen. Bereits am 22. Mai berichteten einige Pioniere in ihren Tagebüchern von der Invasion. Mehrere berichteten von vielen Millionen Insekten. John Steele <Steele, John> schreibt, es schienen “Tausende Tonnen” zu sein. Über einen Monat lang verwüsteten die Grillen die Felder und fraßen die jungen Maispflanzen, Bohnen, Weizen, Kürbisse, Gurken, Melonen und sonstige Feldfrüchte. Die Abwehrmaßnahmen der Bauern nützten nur wenig.

Anfang Juni kamen die Möwen und sorgten für Erleichterung. In einem Brief an Brigham YOUNG <Young, Brigham> vom 9. Juni wird das Erscheinen der Möwen wie folgt beschrieben: “Die Möwen sind in Scharen vom See herbeigeflogen und schlucken die Grillen. Die Hand des Herrn hat sich offenbart” (Hartley, S. 230). In den folgenden drei Wochen tauchten die Möwen jeden Tag auf. Sie fraßen die Grillen, tranken Wasser, erbrachen sie und fraßen erneut Grillen. Ein Teil der Ernte war gerettet.

In einigen Tagebüchern aus dem Jahr 1848 werden Frost, Grillen und Dürre, aber keine Möwen erwähnt. In anderen Berichten dankt man den Möwen für die Ernte im Herbst und erkennt die Hand Gottes in diesem Ereignis an.

Vogelkundler haben beobachtet, daß Möwen, die sich im Frühjahr und Sommer am Ufer des Großen Salzsees aufhalten, regelmäßig in die Täler des “Great Basins” zurückkehren, um Grillen, Heuschrecken und andere Insekten zu verzehren, und daß daher das Erscheinen der Möwen im Jahr 1848 nichts besonders Außergewöhnliches war. Skeptiker bezeichneten das Verhalten der Grillen und Möwen als Naturphänomen. Andererseits glaubten viele Heilige der Letzten Tage, daß Gott, der häufig mit Hilfe “natürlicher” Ereignisse in die Geschichte eingreift, auch diesmal ihre Ernte gerettet hatte. Nach und nach wurde dem “cricket war” [Grillenkrieg] des Jahres 1848, oder “dem Wunder der Möwen” wie es jetzt heißt, eine herausragende Bedeutung in der kollektiven Erinnerung der Heiligen der Letzten Tage zugemessen. In dankbarer Erinnerung an dieses Ereignis wurde die einheimische “California gull” zum Wappenvogel des Bundesstaates Utah erwählt, und 1913 wurde das Möwendenkmal auf dem TEMPELPLATZ zum Gedenken an die Rolle dieser Vögel in der Krise des Jahres 1848 geweiht.

Grillen, Frost und Wassermangel verwüsteten einen Großteil der Ernte von 1848 im Salszeetal. Die Verluste wären jedoch noch viel größer gewesen, wenn die Möwen nicht erschienen wären, und daher machten sie es den Utah-Pioniersiedlern möglich, zu überleben.

BIBLIOGRAPHIE

Hartley, William G. “Mormons, Crickets, and Gulls: A New Look at the Old Story.” Utah Historical Qarterly 38, Sommer 1970, S. 224–239.

RICHARD W. SADLER