Der folgende Artikel ist in zwei Abschnitte geliedert:
HLT-ORTSGEMEINDEN IN DEN KREISEN JACKSON UND CLAY
HLT-ORTSGEMEINDEN IN DEN KREISEN CALDWELL UND DAVIESS
Der erste Abschnitt befaßt sich mit der Bedeutung des Kreises Jackson in Missouri in der Lehre der Kirche und verfolgt die HLT-Kirchengeschichte in die Kreise Jackson und Clay. Der zweite Abschnitt befaßt sich mit der Gründung der Kreise Caldwell und Daviess, die von der Bundesstaatsregierung Illinois besonders für die Heiligen der Letzten Tage geschaffen wurden. Im Winter 1838/1839 wurde die Kirche aus Missouri vertrieben, die Kirchenführer in Haft genommen und angeklagt, und die Miliz führte Gouverneur Boggs Ausrottungsbefehl aus.
HLT-ORTSGEMEINDEN IN DEN KREISEN JACKSON UND CLAY
Das Interesse an und die Besiedelung des Kreises Clay durch die Heiligen der Letzten Tage war eine unmittelbare Folge einer Offenbarung, in der dieser Landkreis als Stelle des künftigen Zion und des Neuen Jerusalems bezeichnet wurde. Sowohl das Buch Mormon (Ether 13:2,3; 3. Nephi 20:22) als auch die Offenbarungen an Joseph Smith (LuB 28:9; 29:7–9; 35:24; 42:9,35,36,62; 45:65–71) riefen in den Heiligen der Letzten Tage das Bedürfnis hervor, Zeit und genauen Ort der Gründung Zions zu erfahren. Die Missionare, die auf MISSION ZU DEN LAMANITEN gegangen waren, waren im Bewußtsein, sich in der Nähe des künftigen Zion zu befinden (LuB 28:9), zu Beginn des Jahres 1831 in das westliche Missouri gereist. Am Tag nach der so wichtigen Konferenz der Kirche im Juni 1831 in Ohio erhielt Joseph SMITH <Smith, Joseph> eine Offenbarung, in der ihm und einigen anderen Führern der Kirche geboten wurde, nach Missouri zu gehen, wo ihnen das Land ihres Erbteils gezeigt werden würde. (LuB 52:3–5, 42,43.)
Im Sommer 1831 machten sich drei Gruppen auf den Weg in das westliche Missouri: Joseph Smith und die übrige Kirchenführung, die ganze Gemeinde COLESVILLE aus New York, der geboten worden war, nach Missouri umzuziehen (LuB 54:8) sowie dreizehn Missionarspaare, denen geboten wurde, unterwegs zu missionieren. (LuB 52:7–10; 22–33; 56.5–7.) Die Reisegruppe des Propheten war zu Fuß unterwegs und begutachtete auch andere Landkreise an der westlichen Grenze Missouris, ehe sie sich für den Kreis Jackson als endgültiges Reiseziel entschieden. Ihre Eindrücke von den Orten an der Grenze des besiedelten Amerika stimmten mit der weitverbreiteten Ansicht überein, daß die Bewohner des westlichen Missouri, das hauptsächlich aus Umsiedlern bestand, die in das Grenzland gezogen waren, um den Zwängen der Gesellschaft zu entgehen, nicht gerade ein Musterbeispiel an Zivilisiertheit waren. “Wir machten uns viele Gedanken, da wir aus der zivilisierten Gesellschaft des [amerikanischen] Ostens kamen”, war in Joseph Smiths offzieller Geschichte zu lesen, “und hier eine Gesellschaft vorfanden, die in ihrer Entwicklung mindesten hundert Jahre zurückgeblieben war.” (HC 1, S. 189.)
Als Antwort auf die Frage: “Wann wird denn Zion in seiner Herrlichkeit erbaut werden, und wo soll dein Tempel stehen?” (HC 1, S. 189) sagte der Herr: “Darum ist es das Land der Verheißung und der Ort für die Stadt Zion. ... Der Ort, der jetzt Independence genannt wird, ist das Zentrum; und der Platz für den Tempel ist westlich davon, auf einem Grundstück nicht weit vom Amtsgebäude.” (LuB 57:2,3)
Im Sommer 1831 erforschten die Führer der Kirche den Kreis, verfaßten eine Beschreibung für künftige Siedler und gründeten die erste Siedlung im Kreis Kaw (heute in Kansas City), weihten das Land der Sammlung, weihten das Tempelgrundstück und hielten eine Konferenz für alle bis dahin angekommenen Heiligen der Letzten Tage ab. Folgende Männer hielten in Kirtland Führungspositionen innerhalb der Kirche inne: Edward Partridge <Partridge, Bischof Edward> (Bischof), A. Sidney Gilbert <Gilbert, A. Sidney> (Finanzbevollmächtigter), W. W. Phelps <Phelps, W. W.> (Druck und Verlag), Oliver COWDERY <Cowdery, Oliver> (Druck und Verlag - Stellvertretung). Nach Joseph Smiths Rückkehr nach Ohio begann Bischof Partridge mit dem Ankauf von Land für die Heiligen der Letzten Tage.
Die HLT-Siedler, die den Winter von 1831/1832 im Kreis Jackson verbrachten, schnitten Holz, bauten Fähren, Brücken, Mühlen, Dämme, Häuser, Nebengebäude, Zäune und bereiteten das Ackerland für den Anbau vor. Auch wenn bis zu zehn Familien in jedem Holzhaus wohnten, so “herrschte dennoch ein Geist des Friedens und der Eintracht, und in unserer kleinen Kirche in der Wildnis war Liebe und guter Wille zu finden.” (Pratt, S. 56.) Die Aussicht darauf, was Zion sein würde (und nicht was es gegenwärtig war) gab den Heiligen der Letzten Tage Kraft und baute sie auf.
Zu Beginn des Jahres 1832 errichtete Gilbert einen Laden, der der Kirche gehörte, und Phelps nahm die Druckerei in Betrieb. Die Gewinne wurden für weitere Landkäufe verwendet. Phelps begann mit der Veröffentlichung einer kirchlichen Monatsschrift, dem Evening and Morning Star <Evening and Morning Star, Monatszeitschrift der Kirche>, sowie der nichtkirchlichen Wochenzeitung Upper Missouri Advertiser <Upper Missouri Advertiser, Wochenzeitung>. Die Arbeit am “Buch der Gebote” <Buch der Gebote> ( die Zusammenstellung der von Joseph Smith empfangenen Offenbarungen) schritt voran, ebenso die Zusammenstellung eines Gesangbuches. Die Gründung von Schulen war ebenfalls ein besonders wichtiges Projekt. Im Herbst nahm in der Ortschaft Kaw eine Schule ihren Betrieb auf (die sogenannte “Colesville School”), ebenso eine in Independence neben dem Tempel. Besonderer Wert wurde auf die Heilighaltung des Sonntags gelegt. (LuB 59.)
Am wichtigsten war jedoch die “Sammlung in Zion”. In der Zeitschrift Evening and Morning Star erinnerte Phelps die in Auswanderung begriffenen Heiligen der Letzten Tage daran, sich nicht ohne entsprechende Ausrüstung auf die Reise zu machen, wozu auch ein Empfehlungsschreiben vom Bischof in Ohio oder drei Ältesten gehörte. Bischof Partridge teilte den Neuankömmlingen ihr als “Erbteil” bezeichnetes Grundstück zu. Im Frühjahr und Sommer 1832 kamen an die drei- oder vierhundert Heilige der Letzten Tage nach Missouri, und im November gab es dort bereits 810 Heilige der Letzten Tage. Bis dahin hatten die Neuzuwanderer die bestehenden fünf Siedlungen restlos angefüllt: Eine in Independence neben dem Tempelgrundstück, eine drei Meilen westlich am Blue River; die Gemeinde Whitmer noch drei Meilen weiter westlich, die Gemeinde Colesville im Kreis Kaw zwei Meilen südlich von der Gemeinde Whitmer, und die Gemeinde Prairie an der Bundesstaatsgrenze von Missouri. Der Optimismus der Heiligen der Letzten Tage kam in den Leitartikeln des Star deutlich zum Ausdruck.
Das Jahr 1833 bescherte der Kirche im Kreis Jackson zahlreiche neue Herausforderungen. Einige Mitglieder machten einen großen Bogen um ihre zuständigen Priestertumsführer und ignorierten deren Vollmacht. Andere wiederum trachteten danach, auf andere Art und Weise als durch das offenbarte Gesetz zu Eigentum zu kommen. Joseph Smith <Smith, Joseph> und Sidney RIGDON <Rigdon, Sidney> waren im Frühling des Jahres 1832 zu Besuch gekommen, dennoch wurde unter den Heiligen der Letzten Tage in Missouri der Wunsch laut, daß der Prophet von Ohio in das neue Zion umziehen solle. Abgesehen davon kam es zu Eifersüchteleien, Habsucht, und Nachlässigkeit im Halten der Gebote. All dies machte es ihnen nur schwerer, mit ihrem schlimmsten Problem fertigzuwerden, nämlich mit der zunehmenden Feindseligkeit der alteingesessenen Siedler des Kreises Jackson. Als die HLT-Bevölkerung im Sommer 1833 1200 Personen überstieg, steigerte sich die Wut der alten Siedler bis zur Weißglut. Verschlimmert wurde die Sache noch, als einige Mitglieder der Kirche leichtsinnigerweise behaupteten, daß alle Nichtmitglieder aus dem Kreis Jackson ausgewiesen werden sollten.
Dennoch gab es im Kreis Jackson nicht nur Anlaß zu Sorge. Durch feierliche Versammlungen in jeder Gemeinde machte sich ein neuer Geist der Demut, des Fleißes und der Ordnung in der Kirche breit. Nach dem Modell der SCHULE DER PROPHETEN in Kirtland, Ohio, wurde eine Schule für Älteste gegründet. Joseph Smith schickte ihnen einen Bauplan für die Stadt Zion und den Tempel (siehe STADTPLANUNG), das Buch der Gebote war beinahe fertig, aber all dies schien die Feindseligkeiten nur zu verstärken.
Gegen Ende Juli 1833 kam es zum Ausbruch der Gewalt. Die Druckerpresse wurde vernichtet, die bereits gedruckten Seiten des Buches der Gebote verstreut und Bischof Partridge geteert und gefedert. Angesichts dieses Druckes unterschrieben die Führer der Kirche eine Erklärung, den Kreis Jackson verlassen zu wollen (siehe MISSOURI, KONFLIKTE IN MISSOURI). Die Mitglieder der Kirche suchten bei der Regierung um Schadenersatz an; es wurde ihnen aber nur Mitgefühl, jedoch keine Hilfe angeboten. Als die alteingesessenen Siedler sahen, daß die Heiligen der Letzten Tage nicht sofort abzuziehen gewillt waren, sondern sich verteidigen wollten, kam es erneut zu Gewalttätigkeiten. Nach kleineren Scharmützeln, in denen mehrere Menschen ihr Leben verloren, gelang es der örtlichen Miliz, die Mormonen zu entwaffnen und sie Anfang November aus dem Kreis Jackson zu vertreiben.
Obwohl einige Heilige der Letzten Tage in die Kreise Van Buren und LaFayette flüchteten, suchten doch die meisten im Kreis Clay am jenseitigen Ufer des Missouri Zuflucht. Die Bürger von Liberty, der Kreishauptstadt, boten ihnen aus Mitleid Unterkunft, Arbeit und Lebensmittel an. Die Flüchtlinge zogen in leerstehende Sklavenhütten ein, bauten einfache Holzhäuser, stellten Zelte auf und lebten bis zum Frühjahr nur vom Allernotwendigsten. Die meisten Bewohner des Kreises Clay waren ihnen freundlich gesinnt, betrachteten die Anwesenheit der Heiligen der Letzten Tage jedoch nur als Übergangslösung.
Um den Heiligen der Letzten Tage helfen zu können, reiste Joseph Smith im Juni 1834 noch vor der paramilitärischen Einheit der Kirche, dem ZIONSLAGER <Zionslager>, aus dem Osten nach Missouri. Alle seine Bemühungen, den Heiligen der Letzten Tage die Rückkehr in den Kreis Jackson zu ermöglichen oder Wiedergutmachung für ihre Verluste zugestanden zu bekommen, waren umsonst. Ein offener Krieg zwischen den Missouriern und den Heiligen der Letzten Tage schien unvermeidlich. In einer Offenbarung (LuB 105) wurde Joseph Smith angewiesen, das Zionslager aufzulösen, weil Zion noch nicht in die Tat umgesetzt werden konnte. Auf diese Weise wurde Blutvergießen vermieden.
Vor seiner Rückkehr nach Ohio berief Joseph Smith in Missouri eine Pfahlpräsidentschaft, die aus David WHITMER <Whitmer, David> und dessen Ratgebern W. W. Phelps <Phelps W. W.> und John Whitmer <Whitmer, John> bestand. In Liberty und den umliegenden Ortschaften des Kreises Clay ließen sich immer mehr Heilige der Letzten Tage auf Dauer nieder. Sie genossen den Ruf der Zurückgezogenheit und Sparsamkeit und lebten mit ihren Nachbarn im allgemeinen sehr friedlich zusammen.
Nach und nach machten sich die Bürger des Kreises Clay über die offensichtliche Dauerhaftigkeit der HLT-Siedlungen ernsthaft Sorgen. Nach Ankunft weiterer Mitglieder der Kirche in den Jahren 1835 und 1836 kam es zu ersten Spannungen. Im Juni 1836 wurde im Gerichtsgebäude von Liberty eine Bürgerversammlung abgehalten, in der die Ablehnung des Verbleibes der Mormonen im Landkreis zur Sprache gebracht wurde. Die Bürger von Clay erinnerten die Heiligen der Letzten Tage an ihr ursprüngliches Versprechen, den Kreis zu verlassen, wenn ihre Anwesenheit nicht länger geduldet würde, versprachen aber auch, bis zur Abreise der Mormonen auf Gewaltmaßnahmen zu verzichten.
Bischof Partridge und W. W. Phelps erkundeten in den verhältnismäßig unbewohnten Gebieten des nördlichen Missouri neue Sammlungsorte für die Heiligen der Letzten Tage, und ab Anfang 1837 zogen die ersten Mitglieder der Kirche aus dem Kreis Clay in den neu gegründeten “Mormonen-Landkreis” Caldwell (siehe MISSOURI: HLT-ORTSGEMEINDEN IN DEN KREISEN CALDWELL UND DAVIESS).
BIBLIOGRAPHIE
Jennings, Warren A. “Zion is Fled: The Expulsion of the Mormons from Jackson County, Missouri.” Dissertation, University of Florida, 1962.
Parkin, Max H. “A History of the Latter-day Saints in Clay County, Missouri, from 1833 to 1837.” Dissertation, Brigham Young University, 1976.
Pratt, Parly Parker. Autobiography of Parley Parker Pratt. Salt Lake City, 1938.
CLARK V. JOHNSON
HLT-ORTSGEMEINDEN IN DEN KREISEN CALDWELL UND DAVIESS
Die Regierung des Bundesstaates Missouri schuf im Dezember 1836 in dem Versuch, das “Mormonenproblem” aus dem Weg zu schaffen, die Landkreise Caldwell und Clay. Nach der Vertreibung der Heiligen der Letzten Tage aus dem Kreis Jackson im Jahr 1833 wurde ihnen im Kreis Clay vorübergehend Zuflucht gewährt (siehe MISSOURI: HLT-ORTSGEMEINDEN IN DEN KREISEN JACKSON UND CLAY), aber drei Jahre später hatten sie noch immer keine neue Heimat gefunden. Der kleine, neue Kreis Caldwell im unbesiedelten nördlichen Missouri sollte nun endlich ihr eigener Landkreis werden. Später zogen sie auch noch weiter nördlich in den Kreis Daviess.
Als die Heiligen der Letzten Tage im Kreis Clay um Unterschlupf baten, gingen sowohl sie selbst als auch die ansässigen Bewohner davon aus, daß dies lediglich eine Notlösung sei. Dementsprechend erkundeten im Frühjahr 1836 Bischof Edward Partridge und W. W. Phelps im nördlich gelegenen Kreis Ray mögliche neue Orte für HLT-Siedlungen. Dieses weitläufige Gebiet, das als Far West bekannt war, erstreckte sich in Richtung Norden bis an die Grenze des Bundesstaates Iowa. Das Land bestand größtenteils aus mit hohem Gras bewachsenen Prärieland. Bäume gab es nur entlang der Bäche und Flüsse. Nach der Auswahl günstiger Siedlungsplätze kauften die Heiligen der Letzten Tage ca. 45 Kilometer nördlich von Liberty in nördlichen Kreis Ray das Land entlang des Shoal Creek. Im Sommer 1836, nachdem die Verwaltung des Kreises Clay die Heiligen der Letzten Tage offiziell zur Auswanderung gebeten hatte, gaben die Führer der Kirche den Umzug in den Kreis Ray bekannt.
Die Bewohner des Kreises Ray legten Protest ein. Der Widerstand wurde noch unmißverständlicher, als circa hundert Familien, die Ohio verlassen hatten, im südlichen Kreis Ray am Crooked-Fluß ihr Lager aufschlugen. Obwohl viele Heilige der Letzten Tage, die sich in diesem Lager aufhielten, krank und mittellos waren, so daß sie weder Lebensmittel noch Land kaufen konnten, drohten ihnen die dortigen Bürger mit Gewalt, sollten sie nicht weiterziehen. Weitere hundert verarmte HLT-Familien befanden sich auf dem Weg nach Missouri. Erst als die Führer der Kirche den Beamten des Kreises Ray versicherten, sich im unbewohnten und unbedeutenden Prärieland im Norden niederzulassen und die Schaffung eines neuen Kreises zu beantragen, ließ der Widerstand nach. Beide Parteien einigten sich auf die Schaffung einer 10 Kilometer breiten Pufferzone im Niemandsland, wo sich weder Mormonen noch Nichtmormonen niederlassen durften.
Anfang August 1836 fanden W. W. Phelps und John Whitmer, die beiden Ratgeber in der Pfahlpräsidentschaft von Missouri, einen zur Siedlungsgründung geeigneten Ort am Shoal Creek, den sie Far West <Far West> nannten. Dieser Ort lag neunzehn Kilometer westlich von Haun’s Mill <Haun’s Mill>, der kleinen HLT-Siedlung, die im Jahr zuvor von Jacob Haun <Haun, Jacob gründet die Siedlung Haun’s Mill> gegründet worden war. Im Spätsommer und Herbst begannen die Heiligen der Letzten Tage, sich in Far West zu sammeln und schon bald waren zahlreiche kleine Siedlungen entstanden.
Im Dezember 1836 brachte der den Heiligen der Letzten Tage gut gesinnte Politiker Alexander W. Doniphan <Doniphan, Alexander W., gründet die Kreise Daviess und Caldwell> einen Gesetzesantrag durch, der die Schaffung zweier kleiner Kreise im kaum besiedelten Norden des Kreises Ray zum Inhalt hatte. Doniphan benannte die neuen Landkreise nach den beiden berühmten, aus Kentucky stammenden Kämpfern gegen die Indianer, Daviess und Caldwell. Der Kreis Caldwell, wo sich Far West und die Shoal-Creek-Siedlungen befanden, sollte ausschließlich den Mormonen vorbehalten sein. Man gestand ihnen die Schaffung einer eigenen Miliz sowie die Entsendung der Vertreter ihres Kreises in das Bundesstaatsparlament zu. Da die geographische Absonderung der Heiligen der Letzten Tage von vielen als ausgezeichnete Lösung des Mormonenproblems betrachtet wurde, wurde der Gesetzesantrag am 29. Dezember 1836 angenommen und unterzeichnet. Im Frühjahr 1837 übersiedelten die Heiligen der Letzten Tage scharenweise in den Kreis Caldwell und begannen mit der Errichtung von Blockhäusern und der Aufbereitung des Ackerlandes. Der einheitliche Richtpreis für unbebautes Land betrug damals eineinviertel Dollar pro Acre (1 Acre = 4047 Quadratmeter) und innerhalb eines Jahres war der Großteil des Landes in Besitz genommen und bebaut. Es wurden Verwaltungsbeamte gewählt und, wie auch in anderen Kreisen üblich, eine zur Staatsmiliz gehörende Kreismiliz auf die Beine gestellt.
W. W. Phelps und John Whitmer kauften einen Teil des Landes in der Nähe von Far West, dabei verwendeten sie die für die Unterstützung der völlig mittellosen, zuwandernden Heiligen der Letzten Tage aufgebrachten 1500 Dollar. Ohne mit örtlichen Führern der Kirche Rücksprache zu halten, verkauften sie das Land weiter und ließen einen Teil des Gewinns in die eigene Tasche fließen, was zu Streitereien führte. Das ganze Jahr 1837 war von Konflikten geprägt, bis Joseph SMITH, der im November aus Ohio zu Besuch kam, die Streitereien unter der Kirchenführung schlichtete. Während seines Besuches richtete er auch Komitees ein, deren Aufgabe die Suche nach zusätzlichen Siedlungsgebieten war.
Im Winter kam es unter den Heiligen der Letzten Tage zu neuerlichen Spannungen, als Oliver COWDERY und Frederick G. Williams aus KIRTLAND, Ohio, nach Far West kamen. Gemeinsam mit Phelps und Whitmer verkaufte Cowdery im Kreis Jackson Kirchenland und verletzte dadurch die Richtlinie, die besagte, daß die Heiligen der Letzten Tage ihre Ansprüche in Zion aufrechterhalten sollten. (Siehe dazu LuB 101:99.) Der örtliche Hoherat schloß nach einem Kirchengericht alle drei aus der Kirche aus, ebenso Williams, der für sie Partei ergriffen hatte. Während des ersten Halbjahres 1838 verursachten diese prominenten “Dissidenten” viele große Probleme unter den Heiligen der Letzten Tage.
Im März 1838 verlegte Joseph Smith den Hauptsitz der Kirche nach Far West. Andere Heilige der Letzten Tage aus Ohio wollten ebenfalls nachkommen. Im Sommer erreichte der Kreis Caldwell eine Einwohnerzahl von 5000 Personen, von denen der Großteil in Far West lebte, wo die Heiligen der Letzten Tage hunderte Häuser, vier Textilläden, drei Lebensmittelläden, mehrere Schmieden, zwei Hotels, eine Druckerei und eine große Schule errichtet hatten, die auch als Kirche und Gerichtsgebäude verwendet wurde.
Die rasch anwachsende HLT-Bevölkerung benötigte mehr Siedlungsland. Mitte Mai führte Joseph Smith einen Erkundungstrupp Richtung Norden in den Kreis Daviess, wo einige Mitglieder der Kirche sich nach einer Vereinbarung auf Treu und Glauben mit den bereits ansässigen Siedlern niedergelassen hatten. Der Erkundungstrupp stieß am Grand-Fluß auf ein herrliches Stück Land für eine Stadt. An jener Stelle empfing der Prophet die Offenbarung, daß dies ADAM-ONDI-AHMAN <Adam-ondi-Ahman> sei - das in einer vor drei Jahren empfangenen Offenbarung beschriebene Tal, wo Adam seine rechtschaffenen Nachkommenschaft versammelt und “ihnen dort seinen letzten Segen” (LuB 107:53; siehe auch 78:15,16) gegeben hatte. Diese Erkenntnis trug dazu bei, an dieser Stelle einen Pfahl zu gründen und das Gebiet als Sammlungsort für die aus Ohio anreisenden Mitglieder zu bestimmen. Am 28. Juni 1838 wurde anläßlich einer Konferenz in der soeben geplanten Stadt, die man liebevoll Di-Ahman nannte, Joseph Smiths Onkel, John Smith <Smith, John, Pfahlpräsident>, als Pfahlpräsident berufen. Den ganzen Sommer lang kamen immer mehr Heilige der Letzten Tage in den Kreis Daviess, wo eine gute Ernte bei der Versorgung der völlig mittellosen Mitgliedern des Kirtland-Lagers mithalf, die Anfang Oktober eintrafen. Im selben Frühjahr hatten die Heiligen der Letzten Tage auch mit der Besiedelung des Ortes DeWitt begonnen, der im nahegelegenen Kreis Carroll am Zusammenfluß des Grand-Flusses und des Missouri lag, und wo sie eine Landestelle für Dampfschiffe gebaut hatten, auf denen die Einwanderer zu den anderen HLT-Siedlungen gelangen konnten.
Die Heiligen der Letzten Tage im nördlichen Missouri bepflanzten ihr Land und bauten den Sommer lang neue Holzhäuser. Die Aussichten auf Frieden standen nicht schlecht. Sie hofften immer noch auf die Aussöhnung mit den Bewohnern des Kreises Jackson, um an ihren eigentlichen Sammlungsort zurückkehren zu können, aber in der Zwischenzeit wollten sie es sich woanders auch nicht schlecht ergehen lassen. In einer Offenbarung wurde Far West als Tempelstadt bestimmt (LuB 115:7), und im darauffolgenden Frühjahr weihten die Mitglieder des Kollegiums der Zwölf das Tempelgrundstück, ehe sie nach Großbritannien auf Mission gingen. (LuB 118:7). In Far West wurde auch der offizielle Name der Kirche durch Offenbarung empfangen, “nämlich Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage” (LuB 115:4) und der Zehnte eingeführt, der der Kirche finanzielle Stabilität verschafft und den Mitgliedern Segnungen. (LuB 119, 120.)
Neue Schwierigkeiten tauchten auf. Erstens richtete Sidney Rigdon im Juni eine öffentliche Drohung an die Abtrünnigen in seiner “Salz-Predigt”, in der er andeutete, daß sie Far West verlassen sollten, wenn sie dem Unheil entgehen wollten. Dies verstärkte nur noch die mormonenfeindliche Stimmung in Missouri. Zweitens bildete der HLT-Milizoffizier Sampson Avard <Avard, Sampson gründet den Danitertrupp> einen Untergrund-Selbstschutztrupp, der sich DANITER <Daniter> nannte. Avard redete dieser eidlich verpflichteten Truppe ein, daß sie mit der Unterstützung der Kirchenführung handelten und dazu bevollmächtigt seien, sich an den Feinden der Kirche zu rächen, wenn nötig auch durch Diebstahl, Lüge und Gewalttätigkeiten. Drittens hielt Sidney Rigdon am amerikanischen Unabhängigkeitstag eine donnernde Hetzrede, in der er die Unabhängigkeit von der Gewalt des Pöbels forderte. Er warnte vor einem Ausrottungskrieg zwischen Mormonen und ihren Feinden, der drohe, wenn es zu weiteren Drohungen oder Schikanen kommen sollte.
Am allermeisten regten sich die Missourier über die neuen HLT-Siedlungen in Adam-ondi-Ahman und DeWitt auf, da sie damit gerechnet hatten, daß die Mormonen ausschließlich im Kreis Caldwell bleiben würden. Die Kirchenführung hielt dem entgegen, daß ihnen als amerikanischen Bürgern das Recht zustehe, Land zu kaufen und sich niederzulassen, wo es ihnen beliebe. Schon bald kam es zu Plünderungen und zur Mobilisierung der Milizen auf beiden Seiten. Einer kriegerischen Auseinandersetzung stand nichts mehr im Wege. Nach Ausbruch der Gewalttätigkeiten im Oktober 1838 erließ Gouverneur Lilburn W. Boggs <Boggs, Lilburn W., Gouverneur von Missouri, erläßt den Ausrottungsbefehl> seinen berüchtigten AUSROTTUNGSBEFEHL <Ausrottungsbefehl>, der zum Inhalt hatte, daß alle Mormonen aus Missouri vertrieben oder ausgerottet werden sollten.
Anfangs verteidigten sich die Mitglieder der Kirche in ihren Siedlungen; die außenliegenden Dörfer konnten jedoch nicht verteidigt werden. Noch ehe sich alle Heiligen der Letzten Tage in der befestigten Stadt Far West in Sicherheit bringen konnten, waren nach mehreren bewaffneten Auseinandersetzungen zahlreiche Todesopfer zu beklagen, darunter auch in Haun’s Mill, wo siebzehn Mormonenmänner und Jungen umgebracht wurden. In den letzten drei Oktobertagen kam es zur Belagerung von Far West. Danach wurden Joseph Smith sowie andere Führer der Kirche verhaftet und eingesperrt, einige davon im LIBERTY-GEFÄNGNIS <Liberty-Gefängnis>, und alle Heiligen der Letzten Tage dazu gezwungen, das nun bebaute Land ihren Feinden zu überlassen und aus Missouri abzuziehen. (Siehe MISSOURI, KONFLIKTE IN MISSOURI.) Die damaligen Apostel Brigham YOUNG <Young, Brigham> und Heber C. KIMBALL <Kimball, Heber C.>, die nicht verhaftet worden waren, sowie John TAYLOR <Taylor, John>, der im Dezember zum Apostel ordiniert wurde, leiteten das gewaltige Unterfangen, 12.000 Heilige der Letzten Tage aus Missouri über den Mississippi nach Illinois umzusiedeln.
BIBLIOGRAPHIE
Gentry, Leland H. “A History of the Latter-day Saints in Northern Missouri from 1836 to 1839.” Dissertation, Brigham Young University, 1965.
LeSueur, Stephen C. The 1838 Mormon War in Missouri. Columbia, Missouri, 1987.
LELAND H. GENTRY