Home

MÄRTYRERTOD VON JOSEPH UND HYRUM SMITH

Der gewaltsame Tod des achtunddreißigjährigen Propheten Joseph SMITH und seines vierundvierzigjährigen Bruders Hyrum, dem Präsidentenstellvertreter und Patriarchen der Kirche, brachte die Gründungsperiode der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf dramatische Art und Weise zu Ende. Am 27. Juni 1844 wurden Joseph und Hyrum Smith <Smith, Joseph und Hyrum in Carthage ermordet> während ihrer Haft im Gefängnis zu Carthage im Kreis Hancock im westlichen Illinois von einem zusammengerotteten Pöbelhaufen angegriffen und erschossen. Dieses Ereignis war der Höhepunkt von über zwei Jahrzehnte der Verfolgungen der Heiligen der Letzten Tage in mehreren amerikanischen Bundesstaaten und brachte ihnen im Andenken der Mitglieder der Kirche den Rang eines Märtyrers ein.

NAUVOO 1844: Sammlungsort der Heiligen der Letzten Tage am Mississippi. Es war eine zwiespältige Stadt, die sowohl charakterliche Größe als auch Auseinandersetzungen in sich barg. Beinahe übernacht hatte Nauvoo - ein Dorf religiös Verfolgter und Neubekehrter - der Stadt Chicago fast den Rang als größte Stadt des Bundesstaates Illinois abgelaufen. Während beide politische Parteien, Demokraten und Whigs, um die Wählerstimmen der Mormonen rangen, wurde Nauvoo die liberalste Stadtverfassung aller Städte in Illinois zugestanden, ebenso eine unabhängige Miliz und ein eigenständiges Justizsystem. (Siehe NAUVOO-CHARTA.) Typisch für das Missouri der dreißiger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts war das Konkurrenzverhalten der älteren Städte wie Carthage (der Kreishauptstadt) und Warsaw (der nächstgrößten Hafenstadt), das mit der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Macht der Stadt Nauvoo in Neid und Haß ausartete. (Siehe NAUVOO, WIRTSCHAFT IN NAUVOO; NAUVOO, POLITISCHE SITUATION IN NAUVOO.)

Diese Spannungen vereinigten sich alle in der Person des Propheten Joseph Smith <Smith, Joseph>. Nicht nur, daß er Prophet und Präsident der Kirche war, er war sogar der Bürgermeister von Nauvoo, Befehlshaber der NAUVOO-LEGION, Friedensrichter und Universitätsrektor. Die Angst der Nichtmormonen vor einer derartigen Machtkonzentration wurde noch durch die Lehre der Kirche an eine theokratische Vereinigung aller geistigen, finanziellen und politischen Belange unter dem Mantel des Priestertums geschürt. Diese und auch andere “unorthodoxe” Lehren, wie der Glaube an fortdauernde Offenbarung, Tempelverordnungen für Lebende und Verstorbene, neue heilige Schriften und die Mehrehe führten zu einer weiteren Intensivierung der politischen und wirtschaftlichen Konkurrenz.

Die Mormonengegner taten sich in Nauvoo mit mehreren abtrünnigen Mormonen (und vermutlich auch mit anderen alten Feinden aus Missouri) zusammen, die hohe Ämter in der Kirche bekleidet hatten und nach ihrem Ausschluß aus der Kirche ihren Beitrag zum Untergang Joseph Smiths und der Kirche leisten wollten.

Das Leben des Propheten und sein Vorhaben, einen Großteil der Heiligen der Letzten Tage in den Westen der USA umzusiedeln (siehe WESTEN, DER AUSZUG NACH DEM WESTEN), fanden durch mehrere drastische Konfrontationen mit den Verschwörern ein plötzliches Ende. Der Zündfunke war die Vernichtung der Druckerpresse des Nauvoo Expositor <Nauvoo Expositor, Zeitung>, der Zeitung der Verschwörer, die zum öffentlichen Ärgernis erklärt und auf Befehl von Joseph Smith und des Stadtrates vom Marshal von Nauvoo zerstört worden war. Die erste und einzige Ausgabe des Nauvoo Expositor hatte dazu gedient, Joseph Smith zu verunglimpfen, die Aufhebung der schützenden Nauvoo-Charta zu fordern und zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen die Heiligen der Letzten Tage aufzuhetzen. Joseph Smiths Gegner wehrten sich gegen die Zerstörung der Druckerpresse mit einer Klage gegen ihn und seinen Bruder wegen Anstiftung zum Aufruhr. Die Brüder wurden aber aufgrund eines Vorführungsbefehls zur Haftprüfung von einem HLT-Gericht schon bald wieder freigelassen. Auf Anraten eines Kreisrichters erschienen sie aber vor einem Richter in Nauvoo, der nicht der Kirche angehörte, und von dem ebenfalls in allen Punkten freigesprochen wurden.

Die Bedrohungen nahmen immer mehr zu. In Warsaw und Carthage wurde in Tagezeitungen zur Ausrottung der Mormonen aufgerufen. Am 18. Juni mobilisierte Joseph Smith seine Truppen zum Schutz der Stadt Nauvoo. Als sich Thomas Ford <Ford, Thomas, Gouverneur von Illinois>, der Gouverneur von Illinois, auf die Seite der Verschwörer stellte und den Führern der Kirche befahl, sich unter derselben Anklage neuerlich einem Gericht zu stellen, aber diesmal in Carthage, wollten Joseph und Hyrum Smith beim Präsidenten der USA, John Tyler <Tyler, John, US-Präsident>, Einspruch einlegen, entschlossen sich aber statt dessen, den Mississippi zu überqueren und in den Westen zu flüchten. Unter Druck von Verwandten und Freunden, die sich im Stich gelassen fühlten und mehr oder weniger an Joseph Smiths Unverwundbarkeit glaubten, kehrten beide zurück und stellten sich den Behörden. Joseph Smith prophezeite jedoch, daß er “wie ein Lamm zur Schlachtbank” gehen und “kaltblütig ermordet” würde. (HC 6, S.555, 559.) Joseph drängte Hyrum, sein Leben zu retten und sein Nachfolger als Prophet zu werden; Hyrum lehnte jedoch ab und begleitete seinen Bruder nach Carthage.

Trotz seines Versprechens auf Schutz und einen gerechten Prozeß befahl Gouverneur Ford, daß die beiden Smiths auch gegen Kaution nicht freigelassen werden durften und ohne neuerliche Anhörung der Anklage (die auf Hochverrat lautete, weil Joseph Smith in Nauvoo das Kriegsrecht hatte ausrufen lassen) inhaftiert wurden. Gouverneur Ford behauptete, “dem Volk sein Recht zukommen lassen zu müssen”, ließ alle Drohungen unbeachtet und löste die Truppen auf. Dann übertrug er der örtlichen mormonenfeindlichen Miliz, die den Beinamen “Carthage Greys” trug (die Grauen von Carthage), die Bewachung des Gefängnisses und nahm die verläßlicheren Truppen mit nach Nauvoo.

In Abwesenheit des Gouverneurs rotteten sich am späten Nachmittag ein- bis zweihundert Männer zusammen (darunter zahlreiche Angehörige der Miliz von Warsaw), schwärzten ihre Gesichter mit Schlamm und Schießpulver und stürmten das Gefängnis. In nicht einmal zwei Minuten überwältigten sie die Carthage Greys, deren Widerstand nur gestellt war, stürmten in den ersten Stock und schossen durch die geschlossene Tür. Hyrum Smith wurde als erster vom Kugelhagel getroffen und war auf der Stelle tot. Der Apostel John TAYLOR <Taylor, John im Carthage-Gefängnis verwundet> versuchte durch eines der Fenster zu flüchten und wurde fünfmal getroffen. Er überlebte jedoch und wurde später der dritte Präsident der Kirche. Nur Apostel Willard Richards <Richards, Willard im Carthage-Gefängnis> blieb unverletzt. Joseph Smith versuchte durch einen Sprung aus dem Fenster die Aufmerksamkeit von den beiden Überlebenden im Zimmer auf sich zu lenken und wurde durch die offene Tür von zwei Schüssen in Brust und Schulterblatt sowie durch mehrere Schüsse von draußen getroffen. Seine letzten Worte, als er durch das Gefängnisfenster nach draußen stürzte, waren “O Herr, mein Gott!”(HC 6, S. 618.) Als das Gerücht aufkam, daß die Mormonen in Anmarsch seien, löste sich die Bande auf.

Während seiner letzten Lebenstage hatte Joseph Smith den Heiligen der Letzten Tage wiederholt gesagt, daß er sich des Beistandes Gottes sicher fühle, solange seine Mission noch nicht zu Ende sei. Aber da er nun alles erfüllt hätte, was Gott ihm geboten habe, werde ihm kein besonderer Schutz mehr zuteil. Schon früh hatte der Prophet folgende Worte Gottes an ihn aufgeschrieben: “Und selbst wenn sie euch tun, was sie mir getan haben, seid ihr gesegnet, denn ihr werdet in Herrlichkeit bei mir wohnen.” (LuB 6:30.) Sowohl damalige als auch heutige Führer der Kirche haben gelehrt, daß das Vergießen des unschuldigen Blutes der beiden Märtyrer notwendig gewesen sei, um ihr Zeugnis vom Werk dieser Letzten Tage zu besiegeln - damit sie “geehrt werden ... und die Schlechten schuldig gesprochen werden” können. (LuB 136:39.)

BIBLIOGRAPHIE

Esplin, Ronald K. “Joseph Smith’s Mission and Timetable: ‘God will Protect Me Until My Work Is Done.’” In The Prophet Joseph Smith: Essays on the Life and Mission of Joseph Smith. L. Porter und S. Black, Hrsg., S. 280–319. Salt Lake City, 1989.

History of the Church 6, S. 519–631, siehe bes. S. 561–622.

Jessee, Dean C. “Return to Carthage: Writing the History of Joseph Smith’s Martyrdom.” Journal of Mormon History 8 (1981), S. 3–19.

Madsen, Truman G. Joseph Smith the Prophet, S. 109–126, 174–183. Salt Lake City, 1989.

Miller, David E. und Della S. Miller. Nauvoo: The City of Joseph,S. 130–174. Salt Lake City, 1974.

Oaks, Dallin H. und Marvin S. Hill. Carthage Conspiracy: The Trial of the Accused Assassins of Joseph Smith. Urbana, Illinois, 1979.

JOSEPH IVINS BENTLEY