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MORMONEN, IMAGE DER

[Dieser Eintrag besteht aus drei Artikeln, in denen ein Überblick über das Image der Mormonen nach früheren und aktuellen Widergaben von den Anfängen der Kirche bis zur heutigen Zeit vermittelt wird: Image der Mormonen in der bildenden Kunst, Image der Mormonen im Film und Image der Mormonen in der Literatur. ]

IMAGE DER MORMONEN IN DER BILDENDED KUNST

Die frühe Geschichte der Kirche und besonders die Einzigartigkeit ihrer Lehren und Bräuche beeinflusste die Entstehung  eines Mormonen-Images in der Kunst. Karikaturen und Comics eigneten sich besonders zur Massenverbreitung, und die Mitglieder der Kirche oder Mormonen waren ein beliebter Gegenstand. Obwohl manche frühe Werke die Vielschichtigkeit der Mitgliedschaft in der Kirche widerspiegelten, entwickelten die meisten Leute ihre Vorstellung von Mormonen anhand von selektiven und karikierenden Darstellungen. Obwohl klischeehafte Vorstellungen weiterhin bestehen, wird durch aktuelle Darstellungen von Mitgliedern der Kirche, bei denen regelmäßig auf Werke von Künstlern innerhalb der Kirche zurückgegriffen wird, ein korrekteres Bild von der vielfältigen und reichhaltigen Kultur und Lebensweise der Mormonen vermittelt.

Schon 1860 hatte sich in den Darstellungen der Medien ein nationales Klischee gegenüber Mitgliedern der Kirche durchgesetzt. Während der folgenden Jahrzehnte erschienen regelmäßig negative und mit Vorurteilen belastete Darstellungen von Mitgliedern der Kirche in Zeitungen und Zeitschriften wie Harper's Weekly, Vanity Fair, Cosmopolitan und Collier's Weekly. Obwohl manche der Darstellungen humoristisch waren, hatten sie im Wesentlichen einen schädlichen Effekt. Bunker und Bitton erklären: „Die meisten Abbildungen von Mormonen waren einfach nicht zurückhaltend oder objektiv, sondern wurden als Comics oder Karikaturen aus einer deutlichen Sichtweise dargestellt. Und diese Sichtweise war mit fast monotoner Regelmäßigkeit negativ“ (Bunker und Bitton, S. 148).

Dieses negative Image entstand während einer Zeit, als im sozialen Klima der Vereinigten Staaten offene Feindseligkeit gegenüber unbeliebten religiösen oder ethnischen Gruppen zugelassen wurde. Die hauptsächlichen Themen in der Darstellung von Mitgliedern der Kirche drehten sich um die öffentliche Missbilligung der Vielehe, dem Utah-Krieg (1857-1858) und Konflikte zwischen Regierungsbeamten und Führern der Kirche. Obwohl Künstler im Licht neuer Ereignisse auch einige neue Interpretationen hervorbrachten, waren diese meist nur Variationen von bereits gängigen Themen.

Trotz allem gab es einige wenige Künstler, die das klischeehafte Image der Mitglieder der Kirche ignorierten und Werke schufen, die die Vielschichtigkeit der Religion und ihrer Anhänger zum Ausdruck brachten. Arthur Boyd Houghton, ein Künstler der Graphic, einer wöchentlichen britischen Bildzeitschrift, reiste 1870 nach Salt Lake City und verfertigte eine Reihe von Zeichnungen, in denen Mitglieder dargestellt wurden. Seine Szenen aus dem Leben von Mitgliedern der Kirche sind mit Respekt und Würde gezeichnet und lassen sein Mitgefühl für Menschen in bescheidenen Lebensverhältnissen erkennen. Zwei Gemälde, die Albert Bierstadt zugeschrieben werden, und eines von Maynard Dixon stellen blühende Siedlungen, die von Mitgliedern der Kirche in der Wüste geschaffen wurden, dar. Enoch Wood Perry Jr. malte hervorragende Porträts von Brigham Young und jedem Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel. Unter den Bildern und Skizzen des Westens der USA, die von dem Photographen William Henry Jackson angefertigt wurden, befinden sich Bilder von Salt Lake City, Planwagenzügen der Mormonen und dem Leben auf der Farm.

Unter den Mitgliedern der Kirche hat es schon immer viele Künstler und Illustratoren gegeben, die ihre eigene Geschichte erzählten. Während die Graphiker im Osten der USA meist negative und stereotypische Bilder malten, hielten die Künstler der Kirche im Westen ihre Erfahrungen in vielen authentischen Bildern fest. Die frühe Lebensweise der Mormonen, so wie der Trek nach Westen und das Pionierdasein in Utah, wurden von dem britischen Maler Frederick Piercy und dem dänischen Maler C. C. A. Christensen, die sich beide zur Kirche bekehrten, aufgezeichnet (Siehe Künstler, bildende).

In den letzten Jahren hat das Interesse der Medien und Künstler, die nicht der Kirche angehören, an der Darstellung von Mormonen als Mormonen abgenommen. Gleichzeitig hat die Anzahl der Künstler innerhalb der Kirche, die Vielfalt ihrer Stile und das Interesse an der Darstellung von kirchenbezogenen Themen zugenommen. Wie die früheren Künstler, deren Sichtweise über die Klischees ihrer Zeitgenossen hinausging, haben es diese modernen Maler geschafft, die Vielschichtigkeit und Fülle der Kultur der Mitglieder der Kirche zu einem gewissen Grad auszudrücken—eine Kultur, die noch vielfältiger geworden ist, seitdem die Kirche Mitglieder in aller Welt hat. [Siehe auch Kunst im Mormonismus.]

VIRGIE D. DAY


IMAGE DER MORMONEN IM FILM

Vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur Mitte der 1930er wurden die Mitglieder der Kirche in Filmen meist negativ dargestellt. In den ersten kommerziellen Spielfilmen, die 1890 ausgestrahlt wurden, wurden die extremen Personenbeschreibungen der zeitgenössischen Literatur aufgegriffen. Einer der ersten war Thomas Edisons Musikautomatfilm A Trip to Salt Lake City (1905). Auf eher humorvolle als aggressive Weise wurden in dem Film die Probleme eines polygamen Mormonenvaters satirisch dargestellt, eines Vaters, der versucht, seiner zahlreichen Kinderschar in einem Salonwagen auf der Fahrt nach Salt Lake City etwas Wasser zu trinken zu geben.

Weiter verbreitet waren Filme wie A Mormon Maid (Lasky-Paramount, 1917), in dem die Daniten, die in früheren Romanen als ein Trupp Unruhestifter von Mormonen in Missouri stereotypiert wurden, als in der Nacht herumreitende Handlanger in Ku-Klux-Klan-mäßigen Kostümen wie in D. W. Griffith's The Birth of A Nation (1915) dargestellt wurden. Inspiriert durch den Roman des Anti-Mormonen-Autors Winifred Graham The Love Story of a Mormon (London, 1911) porträtierte Trapped by the Mormons (Pyramid, 1922) einen plündernden Mormonen-Missionar in England, der unachtsamen Frauen wie ein Vampir auflauert. Dieser Film stützte sich auf die unbegründete Angst, dass Missionare der Kirche Frauen ausnutzten, die nach dem Ersten Weltkrieg verwitwet waren. Ein Verfilmung von Zane Greys Riders of the Purple Sage (Fox) wurde 1918 veröffentlicht und 1921 trotz Protesten, dass die negative Darstellung von Mitgliedern der Kirche und Utah in dem Film die wirtschaftliche Entwicklung des Bundesstaats beeinträchtigen könne, erneut herausgebracht. Eine wohlwollende Darstellung der Kirche fand sich in dem abendfüllenden historischen Drama One Hundred Years of Mormonism (Utah Moving Pictures Co., 1913)

Zwischen 1918 und 1945 erschienen weltweit etwa dreißig Anti-Mormonen-Filme. In den 1930ern entwarf die Spielfilminustrie jedoch einen Produktionskodex, der unter anderem negative Darstellungen religiöser Organisationen und ihrer Überzeugungen untersagte. 1938 teilte Twentieth Century Fox dem Präsidenten Heber J. Grant mit, dass sie einen Film nach Vardis Fishers historischem Roman Children of God drehen wollten. Obwohl Präsident Grant auf privater Ebene seine Sorge ausrückte, dass es sich bei dem Film um eine weitere negative Darstellung handeln könnte, z.T. weil Fishers Roman kein völlig korrektes Bild von der Kirche und den frühen Führern der Kirche wiedergab, kooperierte er trotz allem in jeder Hinsicht mit dem Filmstudio. Obwohl der letztendliche Film Brigham Young, der 1940 herauskam, nicht völlig den Vorstellungen der Führer der Kirche entsprach, war er in vielerlei Hinsicht recht positiv und widerlegte die negativen Klischees von fast vierzig Jahren. In dem Film, der hervorragende Kritiken erhielt, wurden die Verfolgung der Mitglieder der Kirche in Nauvoo während der 1840er, der Mord an Joseph Smith, der Trek nach Westen in das Große Becken und das „Wunder der Möwen“ von 1848 auf lebhafte Weise geschildert. Die Mitglieder der Kirche wurden nicht, wie in früheren Filmen, als stereotype Frauendiebe, sondern als arbeitsame Pioniere dargestellt. In einer frei erfundenen Szene, in der Joseph Smith von Brigham Young vor dem Gericht verteidigt wird, wird anhand des Dialogs dargestellt, dass das Anliegen der Kirche Jesu Christi untrennbar mit dem Streben der Gründerväter der Vereinigten Staaten nach religiöser Freiheit verbunden ist. Der Film, der gedreht wurde, als die Amerikaner mit Besorgnis die zunehmende Judenverfolgung in Deutschland unter Hitler mitverfolgten, verteidigte das Recht der Mitglieder der Kirche und jeder anderen Minderheit, in einem pluralistischen Land zu existieren.

Nach dem Erscheinen von Brigham Young (1940) wurden die meisten Darstellungen von Kirchengeschichte und –kultur im Film und Fernsehen auf lediglich humoristische Zwischenhandlungen mit dem Thema Vielehe beschränkt, wie z.B. in Wagon Master (RKO, 1950), Paint Your Wagon (Paramount, 1969), They Call Me Trinity (West Film, 1971), Trinity Is Still My Name (West Film, 1972) und The Duchess and the Dirtwater Fox (Fox, 1976). Der einzige kommerzielle abendfüllende Film über Mormonen, der zwischen 1940 und 1990 erschien, war Brigham (Sunset Films, 1977), ein Film mit niedrigem Produktionsbudget, in dem ungefähr der gleiche historische Zeitraum dargestellt wurde wie in Brigham Young,  dem jedoch dessen dramatischer Tiefgang fehlte.

JAMES V. D‘ARC


IMAGE DER MORMONEN IN DER LITERATUR

Während der ersten hundert Jahre der Geschichte der Kirche war das Interesse an Mitgliedern der Kirche als Thema in der Unterhaltungsliteratur erstaunlich groß. In der Literatur über Mormonen, die ihre Vorurteile den weitverbreiteten unechten Historien und Reisetagebüchern entnahm, wurden melodramatische Personen und abstruse Handlungen, die von Gewalt und Geheimnissen gezeichnet waren, in den Vordergrund gerückt. Ähnliche Schemata setzten sich bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts fort, doch seitdem kommen Mitglieder der Kirche weniger häufig und meist nur nebensächlich in nichtmormonischer Literatur vor.

Themen wie Gewalt und Melodrama traten bereits in den 1840ern auf. Üblicherweise ging es um eine schöne junge Frau, die angeblich entweder auf eigene Faust oder mit der Hilfe eines heldenhaften „Anderen“  den Mormonen und den Klauen eines betrunkenen und lüsternen polygamen Ältesten oder Bischofs entkommen war. Oft wurden die Hauptpersonen auf ihrer Flucht über den Kontinent und manchmal sogar durch die ganze Welt von geheimnisvollen „Daniten“ oder „Racheengeln“ verfolgt. In diesen Büchern wurden die Führer der Kirche als intrigant, roh und tyrannisch und die Kultur bestenfalls als plump und unterdrückend oder sogar als gewalttätig und zerstörerisch beschrieben.

Bereits in den 1850ern hatte sich die Literatur über Mitglieder der Kirche fast zu einem eigenen Genre entwickelt. Diese Romane und Kurzgeschichten wurden oft von Frauen (besonders den Frauen von Geistlichen) geschrieben, hatten den berühmteren Roman Onkel Toms Hütte zum Vorbild und schlachteten weitverbreitete Ideen, Ängste und gesellschaftliche Sorgen aus, wie z.B. Orvilla S. Belisles Die Propheten oder das Mormonentum entlarvt (The Prophets; or, Mormonism Unveiled, 1855) und Metta Victoria Fullers Ehefrauen der Mormonen (Mormon Wives, 1856; wurde 1860 neu aufgelegt als Leben der weiblichen Mormonen (Lives of Female Mormons) und erschien in mehreren Auflagen und Übersetzungen in Europa).

In jedem darauf folgenden Jahrzehnt kamen ganze Horden von neuen Autoren und Büchern hinzu. In den 1880ern entsprangen z.B. über zwanzig Bestseller den britischen und amerikanischen Druckereien. Selbst manche der bekanntesten Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts fanden das Thema Mormonen ansprechend: Robert Louis Stevenson (The Dynamiter, 1885) und Arthur Conan Doyle (A Study in Scarlet, 1887) stellten Mormonen als gefährlich dar, während Charles Farrer Browne („Artemus Ward Among the Mormons“, 1866) und Mark Twain (Roughing It, 1872) Mormonen auf satirische Weise und als lächerlich beschrieben.

Im frühen zwanzigsten Jahrhundert setzten sich im Allgemeinen dieselben Themen weiterhin durch. Zane Grey (The Heritage of the Desert, 1910, und Riders of the Purple Sage, 1912) benutzte Mitglieder der Kirche als Schlüsselfiguren, und Jack London schrieb in seinem Roman The Star Rover (1915) über das Mountain-Meadows-Massaker. Wie tief verwurzelt diese Sichtweise selbst über die erste Hälfte des Jahrhunderts hinaus war, zeigt sich an den Beschreibungen in Irving Wallaces The Twenty-seventh Wife (1961) und The Devil's Rainbow (1962) von J. C. Furnas, die Joseph Smith nach populären psychologischen Begriffen als geistesgestört darstellen und Mormonenführer im Allgemeinen karikieren. Sogar die Werke bedeutenderer  Schriftsteller, z.B. Vardis Fishers Children of God (1939), spiegeln die alten Vorurteile wider, indem ein mitfühlender Protagonist außerhalb der Kirche versucht, gegen unfreundliche und unterdrückende Gegenspieler innerhalb der Kirche anzukommen.

Die Mitglieder der Kirche sind heute als Thema unter nicht-mormonischen Autoren nicht mehr so beliebt wie früher, und das Interesse der Schriftsteller an modernen Mormonen als solchen ist völlig anders als vor hundert Jahren. Während Mitglieder der Kirche gelegentlich oder beiläufig in der Literatur auftauchen (z.B. in Alan Drurys Advice and Consent, 1959), sind sie heute insgesamt zu konventionell und persönlich zu bekannt, um sich leicht in fremdartige Rollen zwängen zu lassen (Siehe Stereotypen über Heilige der Letzten Tage). Obwohl manche Unterschiede zwischen den Kulturen von Mitgliedern der Kirche und Nichtmormonen noch immer vorhanden sind, erscheinen diese heute weniger als fremd oder bedrohlich und lassen sich daher nicht im gleichen Maße ausbeuten.

NEAL E. LAMBERT