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MISSIONARSSCHULEN

In einer Offenbarung, die der Prophet Joseph Smith 1832 in Kirtland in Ohio empfing, wurden die Ältesten angewiesen zu verweilen und eine feierliche Versammlung einzuberufen, um sich mit der „Lehre des Reiches“ und verschiedenen weltlichen Themen zu befassen, damit sie „in allem bereit“ seien, um auszugehen und die Menschen zu belehren (LuB 88:70-81). Diese anfängliche Versammlung wurde zur Basis für die Schule der Propheten, die ähnliche Vorsätze hatte und am 24. Januar 1833 eröffnet wurde. Als die Kirche im späten neunzehnten Jahrhundert Lehranstalten in Utah gründete, rief sie Programme zur Schulung der Missionare ins Leben. 1883 wurden „Missionarsversammlungen“ zum Lehrangebot der Theologischen Fakultät an der Brigham Young Academy, dem Vorläufer der Brigham-Young-Universität in Provo in Utah, hinzugefügt. Ähnliche Programme wurden am Ricks College in Idaho und an der Latter-day Saints University in Salt Lake City eingeführt.

Als das Ausbildungsprogramm für Missionare weitere Fortschritte machte, genehmigte die Erste Präsidentschaft Pläne für ein Missionarsheim der Kirche und eine Vorbereitende Ausbildungsschule. Ein Haus in Salt Lake City wurde gekauft, umgebaut und möbliert, um Platz für bis zu neunundneunzig Missionare zu bieten. Das einwöchige Programm für neue Missionare, das 1925 eingeführt wurde, legte Nachruck auf Evangeliumsthemen, formelle Abläufe innerhalb der Kirche, die eigene Gesundheit und gesittete Umgangsformen. Das Haus nahm neue Missionare bis in die 1960er Jahre auf, doch als die Zahl der Missionare zunahm, wurden andere Einrichtungen benötigt.

DAS PROGRAMM AN DER BRIGHAM-YOUNG-UNIVERSITÄT (BYU). Schon vor 1960 hatten die Kirche und die Verwaltung der BYU jahrelang überlegt, ob es sinnvoll sei, den Missionaren Fremdsprachenunterricht anzubieten. Die Gelegenheit für die Einführung des Sprachprogramms bot sich, als Missionare, die nach Mexiko und Argentinien berufen worden waren, lange Wartezeiten beim Erwerb ihres Visums in Kauf nehmen mussten. Am 4. Dezember 1961 wurde das Sprachinstitut für Missionare (Missionary Language Institute, MLI), das vorläufig in einem Hotel in Provo und verschiedenen Gebäuden der BYU untergebracht wurde, mit einer Klasse mit neunundzwanzig Missionaren eröffnet. Durch Sprachkurse, Führungstreffen und Konferenzen entwickelten die Missionare am MLI sowohl hervorragende Spanischkenntnisse als auch Selbstdisziplin und Begeisterung für die Missionsarbeit.

Zur Förderung dieses Programmes verliehen die Führer der Kirche dem Programmleiter 1963 die Vollmacht und Stellung des Missionspräsidenten, und das MLI wurde in Sprachlernmission (Language Training Mission, LTM) umbenannt. Portugiesisch und Deutsch wurden bald in das Lernangebot aufgenommen.

1968 beschlossen die Führer der Kirche, Sprachunterricht in allen sechzehn Sprachen, die damals von Missionaren gebraucht wurden, anzubieten. Um diesem großen Anspruch gerecht zu werden, wurden separate Sprachlernmissionen für Holländisch und die skandinavischen Sprachen am Ricks College und für polynesische und orientalische Sprachen am College of Hawaii eingerichtet.

ERWEITERUNG DES PROGRAMMS. Mit dem Wachstum der Kirche nahm der Bedarf an Lernprogrammen für Missionare zu. 1971 erhielten über 2,500 Missionare ihre Ausbildung in Klassenzimmern und Unterkünften der Brigham-Young-Universität, die immer unzulänglicher wurden. 1973 genehmigte das Missionarskomitee der Kirche Baupläne für einen Gebäudekomplex in Provo, der genügend Platz für alle Sprachkurse der Missionare bieten sollte. Das Komitee beschloss, die drei laufenden Programme dort zusammenzuschließen. 1976 war die erste Bauphase abgeschlossen. Der mehrere Millionen teure Gebäudekomplex stellte unter Beweis, mit welcher Entschlossenheit sich die Kirche für Missionsarbeit einsetzte.

Vor 1978 wurden Missionare, die eine Fremdsprache lernten, an der LTM in Provo ausgebildet, während die Missionare, die in ein englischsprachiges Gebiet berufen wurden, weiterhin im Missionarsheim in Salt Lake City unterrichtet wurden. Ab 1978 gingen jedoch alle Elders, Sisters und Ehepaare, die aus den Vereinigten Staaten oder Kanada kamen, für ihre Ausbildung direkt nach Provo, und die Einrichtung wurde in Missionarsschule (Missionary Training Center, MTC) umbenannt, um das umfassendere Ausbildungsprogramm widerzuspiegeln.

ORGANISATION UND VERWALTUNG. In den 1980ern begannen die Generalautoritäten, sich persönlicher an der Ausrichtung des Schulungsprogrammes für Missionare zu beteiligen. Obwohl frühere Leiter der Missionarschule die bürokratischen Abläufe normalerweise über die BYU abgewickelt hatten, waren sie ab 1980 zunehmend dem Missionarskomitee Salt Lake City direkt verantwortlich.

Gleichzeitig wurde die interne Organisation umstrukturiert, indem man kirchliche und professionelle Angelegenheiten voneinander trennte. Missionare wurden in Zweige, deren Präsidenten als Laien unter den Mitgliedern der Kirche in der Gegend von Provo berufen wurden, eingeteilt. Die Präsidenten besaßen die nötige Autorität und halfen den Missionaren, indem sie ihnen Rat erteilten und die sonntäglichen Versammlungen leiteten. Daneben betreuten ganztägig angestellte Mitarbeiter professionelle Aktivitäten wie die Ausbildung und die geschäftlichen Angelegenheiten.

DIE LEBENSWEISE IN DER MISSIONARSSCHULE. Die Missionarsschule wird als ein Missionsgebiet betrachtet. Die Unkosten, darunter Unterbringung und Verpflegung, Bücher und Lernmaterialien, werden von den Missionaren getragen. Jedem Missionar wird ein weiterer Missionar als Mitarbeiter zugeteilt, mit dem er den ganzen Tag lang zusammen ist.

Der Tagesablauf ist streng. In jeder Klasse sind zehn bis zwölf Schüler, die sich morgens, mittags und abends je drei Stunden lang treffen. Der Lernstoff beinhaltet die Heilige Schrift, Sprachen und Missionsmethodik. Die akademischen Aufgaben werden durch die geistige Ausbildung und durch Freizeit ausgeglichen. Das geistige Wohlergehen der Missionare wird durch Tempelbesuche und wöchentliche Andachten, die von Generalautoritäten als Gastsprechern gehalten werden, gefördert. Sportangebote fördern die körperliche Fitness.

Die intensive Methodik, die beim Fremdsprachenunterricht angewandt wird, basiert teilweise auf einem Programm, das von der Armee der Vereinigten Staaten entwickelt wurde: Die Schüler lernen, indem sie zuhören und nachsprechen. Die Klassenlehrer sind normalerweise erfahrene ehemalige Missionare und ausländische Studenten, die an nahegelegenen Universitäten studieren. Die sprachlichen Übungen gehen inhaltlich auf die Kultur, die Bräuche und die Besonderheiten des jeweiligen Missionsgebietes ein. In der ersten Woche lernen die Missionare die Grundzüge der Grammatik, und nach zwei Wochen fangen sie an, sich in der neuen Sprache zu unterhalten, zu beten und zu singen. Nach acht Wochen sind die Missionare halbwegs in der Lage, ein Gespräch in einer Fremdsprache zu führen und andere im Evangelium zu unterrichten.

INTERNATIONALE AUSDEHNUNG. Die Kirche betreibt heute neben der Schule in Provo noch weitere regionale Missionarsschulen. Früher gingen Missionare, die von außerhalb der Vereinigten Staaten und Kanada berufen wurden, normalerweise direkt in ihr Missionsgebiet, ohne vorher eingearbeitet zu werden. Die regionalen Schulen wurden gegründet, um Missionaren aus anderen Ländern ähnliche Vorteile, wie sie in Provo geboten wurden, zu verschaffen. Die erste dieser Schulen wurde 1977 in Sao Paulo in Brasilien gegründet. Seit 1990 sind dreizehn regionale Missionarsschulen in Lateinamerika, Europa, Asien und im Pazifik in Betrieb. Jede dieser Schulen befindet sich neben einem Tempel der Kirche Jesu Christi.

Das Ziel der Misionarsschulen ist es, die Vollzeitmissionare grundlegend auszubilden und sie darauf vorzubereiten, das wiederhergestellte Evangelium Jesu Christi effektiver zu lehren. Alle Lehrprogramme werden ständig unter diesem Gesichtspunkt ausgewertet.

RICHARD O. COWAN