Die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nehmen den Auftrag, den Jesus an seine ordinierten Jünger erteilt hat, an: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Matt. 28:19). Sie erkennen sogar eine Wiederholung dieses Auftrags in der Neuzeit an: „Geht hin in alle Welt, predigt das Evangelium jedem Geschöpf, handelt in der Vollmacht, die ich euch gegeben habe, und tauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (LuB 68:8). Missionare sehen sich daher als Abgesandte des Herrn, die seine Botschaft verkünden.
WER WIRD BERUFEN. In der ersten Generation der Kirche wurden oft verheiratete Männer als Missionare berufen, die dann auf unbestimmte Zeit ihre Frau und Familie verließen. Seit mehreren Jahrzehnten besteht die Mehrzahl der Missionare aus jungen Männern und Frauen, die ungefähr zwei Jahre lang dienen.
Zur Zeit beruft die Kirche alleinstehende Männer zwischen neunzehn und sechsundzwanzig Jahren, junge Frauen ab einundzwanzig Jahren und ältere Ehepaare, die keine minderjährigen Kinder mehr zuhause haben, als Missionare. Die geschieht auf freiwilliger und zeitlich begrenzter Basis. Die Missionarstätigkeit wird nach Bedarf mit dem Militärdienst abgestimmt.
Die Missionare oder deren Familien decken normalerweise den Großteil der Kosten ihrer Mission. Missionare, die aus Entwicklungsländern berufen werden, können die benötigte finanzielle Unterstützung aus dem Allgemeinen Missionarsfonds der Kirche beziehen. Diese finanzielle Hilfe deckt nur die elementaren Lebenshaltungskosten, da die Kirche kein bezahltes geistliches Amt besitzt. Niemand wird für seine Dienste als Missionar bezahlt.
Die Zahl der Missionare, die berufen werden, nimmt mit dem Wachstum der Kirche zu. Momentan bestehen ungefähr 76 Prozent der Missionare aus jungen Männern, 18 Prozent aus Frauen und 7 Prozent aus Ehepaaren. Die Anzahl der Ehepaare im Ruhestand, die eine Berufung als Missionare annehmen, nimmt immer weiter zu, wobei manche Ehepaare sogar mehr als nur eine Mission erfüllen.
BERUFUNG UND AUSBILDUNG. Der offiziellen Berufung zum Missionar geht ein Interview, um das der zukünftige Missionar meist bittet, mit dem Bischof der Gemeinde voraus. In diesem Gespräch schätzt der Bischof die Würdigkeit und geistige Vorbereitung des Betreffenden ein. Es ist kein anhaltendes formelles Studium dafür notwendig, das Evangelium zu verkünden; von den Eltern in der Kirche wird jedoch erwartet, dass sie ihre Kinder auf die Missionsarbeit vorbereiten, indem sie mit ihnen als Familie in der Heiligen Schrift lesen und sie dazu anhalten, an den Klassen und Programmen der Kirche teilzunehmen. Die Eltern werden auch dazu angeregt, ihren Kindern grundlegendes Wissen und Fertigkeiten in Sachen Ernährung, Gesundheit und Haushaltsführung, die für die Missionsarbeit notwendig sind, beizubringen.
Wenn ein Bischof den Antrag eines Missionsanwärters bewilligt, schickt er eine Empfehlung an den Pfahlpräsidenten, der dann ebenfalls ein Gespräch mit dem zukünftigen Missionar führt. Nach Beendigung dieses Vorgangs schickt der Pfahlpräsident die Empfehlung an die Missionsabteilung der Kirche weiter. Bestimmte Mitglieder des Kollegiums der Zwölf Apostel, die speziell dazu ausersehen worden sind, machen einen vorläufigen Vorschlag dafür, welchem Arbeitsgebiet jeder Missionar bzw. jedes Ehepaar zugeteilt werden soll. Diese Vorschläge werden dann an die Erste Präsidentschaft der Kirche, die sie durch Inspiration entweder bestätigt oder ändert, weitergeleitet. Dieser Prozess folgt der biblischen Mahnung: „Und keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde [ein Amt in der Kirche zu versehen oder der Welt das Evangelium zu verkünden], sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron“ (Heb. 5:4). Die Missionare können sowohl in nahe gelegene als auch in weit entfernte Staaten oder Länder berufen werden, solange sich dort eine Mission der Kirche befindet. In einem Brief, der die Unterschrift des Präsidenten der Kirche trägt, wird dem Missionar bzw. dem Ehepaar mitgeteilt, in welche Mission sie berufen werden. Der Betreffende wird gleichzeitig darum gebeten, auf den Brief zu antworten, um seine Annahme oder Ablehnung der Berufung mitzuteilen.
Dem zukünftigen Missionar bleiben normalerweise mehrere Wochen, um sich vorzubereiten, bis er an einem festgelegten Datum in der nahegelegensten Missionarschule der Kirche (MTC) erscheinen muss. Oft erhält der neuberufene Missionar einen Brief von dem für ihn zuständigen Missionspräsidenten, in dem ihm spezielle Empfehlungen für das Klima des Missionsgebiets und die Missionsregeln mitgeteilt werden. Missionare, die die Sprache ihres Missionsgebiets schon beherrschen, bleiben in der Regel nur drei Wochen lang in der Missionarschule. Andernfalls absolvieren sie ein mehrwöchiges Intensivprogramm, in dem sie die Sprache und kulturellen Gebräuche des Landes lernen. Parallel dazu belegen die Missionare Kurse, in denen sie sich mit der Heiligen Schrift und mit Methoden für den Evangeliumsunterricht vertraut machen.
Die Missionare in der Missionarsschule nehmen ebenfalls an geistig motivierenden Versammlungen und Lesekursen teil, die regelmäßig stattfinden. Einmal pro Woche dürfen sie in einen nahe gelegenen Tempel gehen, Briefe schreiben und sich um persönliche Belange kümmern. Der Sonntag ist dem Besuch der regulären Versammlungen der Kirche und dem Studium des Evangeliums gewidmet.
In der Missionarsschule und im Missionsfeld werden die Missionare in Verwaltungseinheiten, die Zonen und Distrikte genannt werden, unterteilt. Jedem einzelnen Missionar wird ein Mitarbeiter desselben Geschlechts, der die gleiche Sprache lernt oder in dieselbe Mission geht, zugeteilt. Ehepaare bleiben selbstverständlich als Mitarbeiter zusammen. Die Einteilung in Zweiergruppen ist ein bezeichnender Aspekt des Lebens als Missionar: Ein Missionar arbeitet niemals allein. Es ist eine zwingende Notwendigkeit, dass die Mitarbeiter gut miteinander auskommen, und obwohl dies manchmal nicht ganz einfach ist, entwickelt sich daraus oft eine lebenslange Freundschaft. Ehepaare erleben durch ihre gemeinsame Mission meist eine Verbesserung und Bereicherung ihrer Beziehung.
Während ihrer Zeit in der Missionarsschule beginnen die Missionare, die Bedeutung und positiven Auswirkungen ihres vollzeitigen Dienstes für den Herrn zu erfahren. Die Ausbildung ist intensiv. Sie dürfen nicht fernsehen, Musik im Radio anhören oder anderweitigen Vergnügungen nachgehen. Briefe, Telefongespräche in die Heimat und alle nichtmissionarischen Tätigkeiten sind eingeschränkt. Die Missionare tragen (außer an Vorbereitungstagen, bei Dienstprojekten, Sport- und Leibesübungen oder unter besonderen Umständen) konservative Geschäftskleidung mit unverkennbaren Namensschildern. Der Tagesablauf des Missionars wird schriftlich festgehalten und in der Missionarsschule oder beim Missionspräsidenten eingereicht. Dabei gilt der Grundsatz, dass man seine Zeit als Missionar dem Herrn weiht.
BEGINN DER MISSIONSTÄTIGKEIT. Wenn ein Missionar in seinem Missionsgebiet ankommt, wird er von seinem Missionspräsidenten begrüßt und er erhält eine kurze Einweisung im Missionsheim oder im Verwaltungsbüro. Jeder einzelne neue Missionar bekommt einen erfahrenen Mitarbeiter, der ihn einarbeitet. Missionarsehepaare können von einem anderen Ehepaar für kurze Zeit eingearbeitet werden, bevor sie zu dem Gebiet gehen, das ihnen innerhalb der Mission zugewiesen worden ist.
Alle alleinstehenden Missionare werden aufgefordert, sich an einen bestimmten Tagesplan zu halten, der etwa dem unten aufgelisteten entspricht. Nach Gutdünken des Missionspräsidenten oder unter Berücksichtigung besonderer Bräuche des Landes kann dieser Plan auch varriiert werden:
6:30 Aufstehen
7:00 Schriftenstudium mit dem Mitarbeiter
8:00 Frühstück
8:30 Persönliches Schriftenstudium
9:30 Besprechungen mit Kontakten und Kontaktieren
12:00 Mittagessen
13:00 Besprechungen mit Kontakten und Kontaktieren
17:00 Abendessen
18:00 Besprechungen mit Kontakten und Kontaktieren
21:30 Planung des nächsten Tages
20:30 Schlafengehen
Missionarsehepaaren wird meist viel Freiheit bei der Beachtung des Tagesplans gestattet, weil sie oft mehrere verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben, wie z.B. Neubekehrten dabei zu helfen, Erfahrungen mit der Verwaltung einer Einheit der Kirche zu sammeln, Führungen in Besucherzentren und an historischen Stätten durchzuführen oder als passive Repräsentanten der Kirche in Gebieten, in denen keine aktive Missionsarbeit gestattet ist, zu fungieren.
Wenn Missionare in ein Gebiet berufen werden, dessen Sprache sie noch lernen, widmen sie täglich einen Teil ihrer Zeit dem Studium der Sprache. Sie werden auch dazu aufgefordert, ein Tagebuch zu führen und regelmäßig Sport zu treiben. Missionare verbringen den Großteil ihrer Zeit damit, aufgeschlossene Menschen zu finden und sie im wiederhergestellten Evangelium Jesu Christi zu unterweisen. Häufig treffen sie sich mit Menschen, die sich dafür interessieren, mehr über die Lebensweise ihrer Freunde oder Nachbarn zu erfahren, die Mitglieder der Kirche sind. Andere Menschen fangen an, sich für die Kirche und ihre Lehren zu interessieren, weil sie in den Medien, bei Straßenausstellungen oder in Broschüren von der Kirche gehört haben oder weil sie Missionare gesehen haben und nach deren Hintergrund und Vorhaben fragen. Wenn Missionaren etwas Zeit zwischen Besprechungsterminen bleibt, gehen sie oft in Wohngebieten von Tür zu Tür und fragen die Menschen, die zu Hause sind, ob sie mehr über die Kirche lernen möchten.
Missionare arbeiten eng zusammen mit den Mitgliedern der Kirche in ihrem Gebie, die Menschen zu sich nach Hause einladent, wo die Missionare dann mit ihnen sprechen können. Auch bei Versammlungen der Gemeinde oder des Zweigs sprechen die Missionare über die Bedeutung der Missionsarbeit und andere Evangeliumsthemen und nehmen an gesellschaftlichen und Sportveranstaltungen teil, wenn es ihre Zeit zulässt. Die Mitglieder der Gemeinde oder des Zweigs werden dazu aufgefordert, die Missionare so oft wie möglich zu sich nach Hause zum Essen einzuladen, um sie finanziell zu entlasten und ihnen mehr Zeit für die Missionsarbeit zu lassen. Mitglieder der Kirche freuen sich oft darüber, Missionare bei sich im Haus zu haben, weil sie als Vorbilder für ihre Kinder dienen. Gleichzeitig genießen die Missionare es, sich eine Stunde lang auszuruhen, gute Hausmannskost zu essen und am Familienleben der Mitglieder teilzuhaben. Missionare sind auch häufig auf die Hilfe der ansässigen Mitglieder angewiesen, wenn sie eine Transportmöglichkeit oder Reparaturen an ihren Fahrrädern oder anderen Gegenständen benötigen und Ratschläge und Ermunterung brauchen. Oft gehen Mitglieder des Ältestenkollegiums oder der Frauenhilfsvereinigung freiwillig als Mitarbeiter der männlichen bzw. weiblichen Missionare mit, damit sich die beiden Vollzeitmissionare einen Abend lang voneinander trennen und ihre Effektivität verdoppeln können.
Missionarswohnungen sind zwar alles andere als luxuriös, sie müssen jedoch gewisse Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien erfüllen und eine festgelegte Mindestgröße und -möblierung aufweisen. Die Mietwohnungen werden oft „Missionarswohnungen“ genannt, wenn viele Missionare dort nacheinander wohnen. In manchen Gebieten besitzen Mitglieder der Kirche Wohnungen, die an ihr Haus angebaut sind und in denen Missionare wohnen können. Missionare gehen zu Fuß oder benutzen die öffentlichen Verkehrsmittel, Fahrräder oder Missionsautos, je nachdem, was der Missionspräsident aufgrund der zurückzulegenden Entfernungen und angesichts verschiedener Umstände als angemessen erachtet.
Fast jeder Missionar muss irgendwann die Erfahrung machen, dass sein Glaube und Mut auf die Probe gestellt werden. Da sie sich anderen als Repräsentanten Jesu Christi mit einer Botschaft vorstellen, die ihr Leben auf immer verändern wird, resultiert das für sie oft in ernsthafter Selbstprüfung, aufrichtigem Gebet und fortwährendem Lernen. Während manche Missionare diese Entwicklung schon vorher vollzogen haben, stellen andere fest, dass sie viele Stunden im Gebet und mit dem Studium der Heiligen Schrift verbringen müssen, bevor sie ein Zeugnis erlangen.
Nach einigen Monaten haben die Missionare gelernt, andere Menschen kompetent im Evangelium zu unterweisen und die Wahrheit des Evangeliums nachhaltiger zu bezeugen. Falls sie in einer Fremdsprache kommunizieren müssen, haben sie sich an deren Mundarten gewöhnt. Sobald sie erfahrener und reifer werden, können sie in andere Gebiete der Mission versetzt werden und andere Mitarbeiter erhalten, oder sie können neue Aufgaben bekommen und mit anderen Menschen zusammenarbeiten. Nach einer Weile können sie Trainer für neue Missionare werden. Ein Missionar kann auch dazu berufen werden, einen neuen Zweig der Kirche zu organisieren und über ihn zu präsidieren. Manch ein Missionar verrichtet unter Umständen keine formelle Missionsarbeit, sondern wird stattdessen als Sozialarbeiter für unterprivilegierte Menschen oder als Englisch- und Kulturlehrer für Flüchtlinge, die auf ihre Umsiedelung warten, berufen. Andere Missionare können für die Finanzen oder andere Angelegenheiten der Kirche zuständig gemacht werden und nur abends unmittelbare Missionsarbeit erledigen. Ältere Missionare werden gelegentlich als Tempelarbeiter für Verordnungen im Tempel berufen.
Die Aufgaben eines Missionars haben oft eine traumatische Wirkung. Missionare erleben teilweise einen Kulturschock, sprachliche Hürden und gesundheitliche Probleme. Oft müssen sie manche ihrer vorherigen Einstellungen ändern. Sie müssen Feindlichkeiten und manchmal sogar schwere Verfolgung hinnehmen. Trotz alledem sind Missionare größtenteils engagiert, begeistert und ihrem Glauben treu und beschreiben ihre Missionarstätigkeit später als „die besten zwei Jahre“ ihres bisherigen Lebens. Die Mitarbeiter ermutigen einander, und die Missionare lernen, sich selbst, andere Menschen, das Gebiet, in dem sie tätig sind, und das Evangelium aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Oft halten Missionare ihre Verbindung zu einem anderen Land oder einer Fremdsprache durch die Wahl ihres Studienfachs oder ihres Berufes aufrecht.
ZIEL DER MISSIONSARBEIT. Das letztendliche Ziel der Missionsarbeit der Kirche ist es, durch das eigene Zeugnis und „mit Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe“ alle Menschen auf der Erde dazu aufzufordern, zu Christus zu kommen (LuB 121:41). Die Menschen überall auf der Welt reagieren unterschiedlich auf die Botschaft des Evangeliums. Manche nehmen das Evangelium schnell an und wollen innerhalb weniger Tage oder Wochen getauft werden. Anderen fällt es vielleicht schwer, alte Traditionen hinter sich zu lassen, gesellschaftlichen Druck zu überwinden oder persönliche Angewohnheiten aufzugeben, um sich den Grundsätzen des Evangeliums anzupassen. Mitunter heben politische und wirtschaftliche Spannungen die Neigung, sich zu bekehren, auf. Andere Menschen sehen Religion als schlichtweg überflüssig an. Alle neu getauften Mitglieder werden „nicht mehr [als] Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ in die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage aufgenommen (Eph. 2:19). Missionare entwickeln eine christusähnliche Liebe für die Menschen, die sie im Evangelium unterweisen, und für die Menschen des Gebiets, in dem sie arbeiten. Sie sind dankbar für alle, die die Stimme des Herrn „vernehmen ... und ... nicht ihr Herz [verhärten]“ (D&C 29:7).
BIBLIOGRAPHIE
Bishop, Joseph. The Making of a Missionary. Salt Lake City, 1982.
SPENCER J. CONDIE