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LIBERTY GEFÄNGNIS

Im Jahr 1833 wurde in Liberty, der Kreishauptstadt des Kreises Clay im Bundesstaat Missouri, ein kleines Gefängnis gebaut, das im Jahr 1856 wieder aufgegeben wurde. Nach kurzer Verwendungszeit als Kühlhaus wurde es immer baufälliger, bis man es um die Jahrhundertwende abriß. Heute wird das teilweise nachgebaute Gefängnis von tausenden Heiligen der Letzten Tage sowie anderen Touristen besucht, die das vom Historiker der Kirche B. H. Roberts <Roberts, B.H.> als “Gefängnistempel” bezeichnete Gefängnis sehen wollen, und zwar wegen seines berühmtesten Gefangenen: Vom 1. Dezember 1838 bis zum 6. April 1839 wurde der Prophet Joseph SMITH <Smith, Joseph im Liberty-Gefängnis inhaftiert> innerhalb der 120 cm dicken Wändes des Gefängnisses zu Liberty gefangen gehalten, ebenso sein Bruder Hyrum <Smith, Hyrum im Liberty-Gefängnis inhaftiert> (siehe SMITH, HYRUM), der Joseph Smiths Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft der Kirche gewesen war, und Sidney RIGDON <Rigdon, Sidney im Liberty-Gefängnis inhaftiert>, sein Erster Ratgeber, sowie drei ältere Mitglieder - Lyman Wight <Wight, Lyman, im Liberty-Gefängnis inhaftiert>, Alexander McRae <McRae, Alexander, im Liberty-Gefängnis inhaftiert> und Caleb Baldwin <Baldwin, Caleb, im Liberty- Gefängnis inhaftiert>.

Diese Gefangenen waren infolge mehrerer unbewiesener Anklagen aus der Zeit des “Mormonenkrieges” (siehe MISSOURI, KONFLIKTE IN MISSOURI> inhaftiert gewesen, dessen Höhepunkt der nur wenige Wochen zurückliegende Verrat und Fall der Mormonensiedlung Far West <Far West> gewesen war. In der Zeit, in der sie auf ihren Prozeß warteten, litten sie große Entbehrungen. Sie waren im Erdgeschoß des Gebäudes untergebracht und mußten auf dem mit Stroh belegten Steinfußboden schlafen. Die Zelle ließ nur wenig Licht herein, und es gab so gut wie keinen Schutz vor der Kälte des Winters. Alexander McRae beschrieb die Gefängniskost als “einfach und so ekelhaft, daß wir das Essen erst anrührten, als wir vor Hunger nicht mehr anders konnten.” (CHC 1, S. 521.) McRae beschrieb auch, daß man mehrmals versuchte, die Gefangenen zu vergiften.

Trotz dieser schwierigen Umstände fühlte Joseph Smith sich offensichtlich mehr vom Leid der Tausenden Heiligen der Letzten Tage belastet - darunter auch seine eigene Familie - die infolge des von Gouverneur Lilburn W. Boggs <Boggs, Lilburn W. Erläßt Ausrottungsbefehl> erlassenen AUSROTTUNGSBEFEHLS aus dem Staat vertrieben wurden. In einem sehr langen, zweiteiligen Brief an die Kirche, der zwischen dem 20. und 25. März verfaßt wurde, schrieb Joseph Smith: “O Gott, wo bist du? Und wo ist das Gezelt, das deine Verborgenheit bedeckt? Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten und dein Auge, ja, dein reines Auge vom ewigen Himmel her das Unrecht erblicken, das deinem Volk und deinen Knechten widerfährt, und dein Ohr von ihrem Schreien durchdrungen werden?” (LuB 121:1–3.)

Als Antwort darauf wurde er aufgefordert, guten Mutes zu sein: “Mein Sohn, Frieden deiner Seele! Dein Ungemach und deine Bedrängnisse sollen nur einen kleinen Augenblick dauern, und dann, wenn du sie gut bestehst, wird Gott dich hoch erhöhen; du wirst über alle deine Feinde triumphieren.” (LuB 121:7,8.) In diesem Brief sind einige der erhabensten Textstellen aus den Offenbarungen des Propheten Joseph Smith enthalten. Das Zitat Gottes über die richtige Ausübung des Priestertums (LuB 121:33–36) gehört zu den am häufigsten angeführten Schriftstellen der heiligen Schriften. Heute sind die Abschnitte 121, 122 und 123 des Buches “Lehre und Bündnisse” Ausschnitte jenes Briefes.

Anfang April 1839 wurden die Gefangenen für den Prozeß in den Kreis Daviess transportiert und dann nach einer weiteren Änderung des Gerichtsstandes nach Columbia im Kreis Boone. Während des Transports wurde den Gefangenen mitgeteilt, daß ihnen aus bestimmten Gründen die Flucht gestattet worden sei. Mit Hilfe ihrer Wärter entflohen die Gefangenen und schlugen sich zu den ausgesiedelten Heiligen der Letzten Tage im westlichen Illinois durch.

Heute beherbergt das Gefängnis von Liberty ein geräumiges Besucherzentrum, das zumindest teilweise aus den echten alten Mauersteinen errichtet wurde.

BIBLIOGRAPHIE

Dyer, Alvin R. The Refiner’s Fire. Salt Lake City, 1968.

Maxwell, Neal A. But for a Small Moment. Salt Lake City, 1986.

Roberts, B. H. Comprehensive History of the Church, Kap. 38.

LAWRENCE R. FLAKE