Home

LEE, HAROLD B.

Harold Bingham Lee (1899–1973) wurde am 7. Juli 1972 zum elften Präsidenten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage berufen und diente ihr in dieser Funktion bis zu seinem Tod am 26. Dezember 1973. Seine 538-tägige Amtszeit war bis dahin die kürzeste eines Präsidenten der Kirche, auch wenn er im Alter von 73 Jahren als Jüngster innerhalb der letzten vierzig Jahre dieses Amt angetreten hatte. Eine seiner größten Leistungen in der Kirche war die Gründung des Korrelationsprogrammes <Korrelationsprogramm>, was er aber bereits als Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel getan hatte.

Präsident Lee wurde am 28. März 1899 in Clifton, Idaho, als Sohn von Samuel Marion Lee <Lee, Samuel Marion, Vater von Präsident Lee> und Louisa Emiline Bingham <Bingham, Louisa Emiline, Mutter von Präsident Lee> geboren. Er wuchs in einer verarmten, ländlichen Gegend auf, aber schon von Kindheit an war er seinen Altersgenossen überlegen. So wurde er bereits ein Jahr früher als in jener Gegend üblich eingeschult, da er das Abc beherrschte und seinen Namen schreiben konnte. Als Junge war er für sein Alter ungewöhnlich groß, und als alle seine Freunde Diakone wurden, wurde er ebenfalls zum Diakon ordiniert, auch wenn er eigentlich noch zu jung dafür war.

Auch seine Laufbahn im Bildungswesen begann er auf seine typische Art und Weise sehr früh. An der Albion State Normal Schule im Bundesstaat Idaho legte er die Lehramtsprüfung ab und wurde bereits als Siebzehnjähriger Grundschulrektor der Silver Star Schule in Weston, Idaho, wo er 22 Schüler vom ersten bis zum achten Schuljahr in einer einzigen Klasse unterrichtete. Im darauffolgenden Jahr wurde er Rektor der größeren Grundschule in Oxford, Idaho, wo er drei Winter lang unterrichtete.

Diese Aufgaben bereiteten ihn auf seine im Jahr 1920 erfolgte Berufung in die Weststaaten-Mission vor, deren Missionsbüro in Denver, Colorado, lag. Nach neun Monaten wurde er Zonenleiter und präsidierte über die Missionare als auch über die Gemeinden der Kirche in Denver. Während seiner zweijährigen Mission taufte er 45 Menschen.

Präsident Lee war einer der jüngsten Pfahlpräsidenten der Kirche und wurde im Alter von 31 Jahren Präsident des Pfahles Pioneer in Salt Lake City. Bereits nach wenigen Jahren mußte er sich mit der Not der Mitglieder seines Pfahles während der Weltwirtschaftskrise auseinandersetzen. Gemeinsam mit seinen Ratgebern bemühte er sich darum, die Menschen vor Hunger und finanziellem Ruin zu schützen. Sein Einfallsreichtum dabei, ihnen beim Erwerb lebensnotwendiger Güter zu helfen, führte dazu, daß er 1935 von der Ersten Präsidentschaft berufen wurde, ein kirchenweites Wohlfahrtsprogramm ins Leben zu rufen.

Im Jahr 1932 wurde Präsident Lee in den Stadtrat von Salt Lake City berufen und fungierte als zuständiger Stadtrat für Straßenbau und Stadtverschönerung. Im darauffolgenden Jahr wurde er wieder in dieses Amt gewählt. Jahrelang baten ihn die Bürger des Bundesstaates Utah, für das Amt des Gouverneurs oder eines US-Senators zu kandidieren.

Am 6. April 1941 wurde Elder Lee als Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel berufen. Als er sich im Versammlungsraum des Kollegiums der Zwölf im Salt-Lake-Tempel umblickte, wurde dem damals Zweiundvierzigjährigen bewußt, daß alle anderen Anwesenden mindestens um zwanzig Jahre älter waren als er. Er bezeichnete sich immer als Sämling unter riesigen Redwood-Bäumen, was seinen Mentor und Freund, J. Reuben Clark <Clark, J. Reuben>, dazu brachte, ihn liebevoll “The Kid” (“Kleiner”) zu nennen.

Schon früh in seiner Amtszeit wurde Elder Lee Mitglied eines Komitees, dessen Aufgabe die Vereinfachung der Verwaltung und Organisationen der Kirche war. Zwanzig Jahre lang befaßte er sich mit diesem Thema und arbeitete an Verbesserungsvorschlägen. Als in den sechziger Jahren die Zeit für diese Veränderungen reif war, wurde das sogenannte Korrelationsprogramm <Korrelationsprogramm, von Harold B. Lee eingeführt> eingeführt, dessen Komiteevorsitzender Harold B. Lee war. Mit dem Korrelationsprogramm wurde noch mehr Wert auf die Familie und das Zuhause gelegt, alle Hilfsorganisationen der Führung durch das Priestertum unterstellt, Lehrpläne vereinfacht, mehr heilige Schrift unterrichtet und die Zeitschriften der Kirche vereinheitlicht, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene leichter ansprechen zu können

Im Januar 1970 wurde Elder Lee zusätzlich Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, während er noch Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel war. Nach Präsident Joseph Fielding SMITHS <Smith, Joseph Fielding> Tod am 2. Juli 1972 wurde Harold B. Lee Präsident der Kirche.

Nach einer langen Phase, in der die letzten Präsidenten der Kirche durch Alter und Krankheit am Reisen verhindert gewesen waren, mischte sich Präsident Lee nun unter das Kirchenvolk. Er nahm an Gebietskonferenzen in England, Mexiko und Deutschland teil. Präsident Lee nahm sich auch viel Zeit, um bewußt und absichtlich bei Jugendkonferenzen zu sprechen und den jungen Mitgliedern der Kirche das Bild eines lebenden Propheten zu vermitteln. Er war auch der erste Präsident der Kirche, der während seiner Amtszeit nach Israel und Palästina reiste.

Präsident Lee verfügte über die auffallende Fähigkeit, sowohl sich selbst als auch sein Amt sehr offen darzustellen. Er sprach offen über seine Gefühle in bezug auf seine Berufung und gestattete den Menschen Einblick in seine Seele. Seine beste Führungseigenschaft war seine einfühlsame Geistigkeit. Er trachtete nach Antwort auf seine Gebete für die Heiligen der Letzten Tage und bezeichnete die Antworten voll Kühnheit als Offenbarungen. Er war mächtig im Predigen des Evangeliums. Seine Ansprachen hatten immer die heiligen Schriften zum Ausgangspunkt, und trotzdem wurde die eigentliche Botschaft durch nette Alltagserlebnisse illustriert, die der Zeit und ihren Herausforderungen angepaßt waren. Seine Ratschläge waren stets praktischer Natur, denn in seinen Augen war immer gerade das Gebot am wichtigsten, mit dem ein Mensch am meisten rang.

Präsident Lees geistige Einstellung war teilweise das Ergebnis seiner eigenen inneren Kämpfe. Er mußte lernen, seinen Jähzorn und seine Entscheidungsfreudigkeit im Zaum zu halten, durch die er manche Menschen früher beleidigt hatte. In späteren Jahren machte er einen milderen, liebevolleren, freundlicheren, aufgeschlosseneren und rücksichtsvolleren Eindruck. Er war stets ein Gentleman und tadellos gekleidet. Als Vierundsiebzigjähriger arbeitete er so fleißig wie in seinen besten Jahren und sprach mit volltönender Stimme und seiner typischen Vitalität. Durch seinen plötzlichen Tod am 26. Dezember 1973 infolge eines Herz- und Lungenversagens war die Kirche wie betäubt.

Präsident Lee erlebte in seiner Familie viel Schönes, blieb aber auch von Leid nicht verschont. Im Jahr 1923 heiratete er Fern Lucinda Tanner <Tanner, Fern Lucinda, Präsident Lees Frau>, die er in der Weststaaten-Mission kennengelernt hatte. Der Ehe entstammten zwei Töchter, Maurine und Helen. Fern und Harold B. Lee hatten zehn Enkelkinder. Fern verstarb am 24. September 1962 und Maurine nur kurze Zeit später, wodurch diese Jahre zu einer schweren Zeit für Präsident Lee wurden. Am 17. Juli 1963 heiratete er wieder, und zwar die Lehrerin Johanna (Joan) Jensen <Jensen, Johanna, Präsident Lees Frau>.

Im Verlauf seiner Ansprache während der Konferenzversammlung, in der er als Präsident der Kirche bestätigt wurde, sagte Präsident Lee: “Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich ein rauher Stein, der einen hohen Berg hinunterrollt und durch die Schläge seiner Erfahrungen poliert wird, um sie bewältigen zu können und ein glänzender Pfeil im Köcher des Allmächtigen zu werden.” (CR, Okt. 1972, S. 20.)

BIBLIOGRAPHIE

Arrington, Leonard J. “Harold B. Lee”, in The Presidents of the Church, Leonard J. Arrington , Hrsg., S. 342–371. Salt Lake City, 1986.

Goats, L. Brent. Harold B. Lee, Prophet and Seer. Salt Lake City, 1985.

———. He Changed My Life. Salt Lake City, 1988.

L. BRENT GOATES