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KIRTLAND, WIRTSCHAFT IN KIRTLAND

Der folgende Artikel befaßt sich mit den wichtigsten Punkten der Wirtschaftsgeschichte der Stadt Kirtland in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts sowie mit der Bedeutung dieser historischen Entwicklungen für das Wachstum der Kirche.

In den frühen dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts war die Stadt Kirtland in Ohio eine kleine ländliche Handelsstadt mit ca. 1000 Einwohnern, unter denen keine Heiligen der Letzten Tage waren (siehe KIRCHENGESCHICHTE: 1831 bis 1844.) Sechs Jahre später war Kirtland eine aktive Stadt mit 3000 Einwohnern, kleinen Handels- und Fertigungsbetrieben sowie einem Tempel für die 2000 Heiligen der Letzten Tage der Stadt. Trotz des schnellen Wachstums und des scheinbaren Wohlstandes verließ Joseph SMITH <Smith, Joseph> Kirtland nach zwei Jahren und ließ verärgerte Gläubiger, Haftbefehle, ein mißglücktes Bankexperiment und eine zerstrittene HLT-Bevölkerung zurück, die sich darauf vorbereitete, den Tempel und ihre Heime verlassen zu müssen. Im Jahr 1840 lebten nur mehr 200 Heilige der Letzten Tage in Kirtland.

Wirtschaftsanalysen der Stadt Kirtland betreffend die Jahre 1830 bis 1840 rufen unter Historikern immer wieder Kontroversen hervor. Eine Frage befaßt sich mit dem phänomenalen Anstieg der Grundstückspreise in den Jahren 1832 bis 1837 und inwiefern sie die Folge rücksichtloser Spekulationen seitens des Propheten Joseph Smith und seiner Anhänger gewesen waren. Der Durchschnittspreis für einen amerikanischen Acre (4047 Quadratmeter) Land in Kirtland stieg von 7 Dollar im Jahr 1832 auf 44 Dollar im Jahr 1837, und fiel 1839 wieder auf 17,50 Dollar zurück. Diese drastischen Schwankungen waren Folge der Schwankungen im allgemeinen Preisniveau, in den Grundstückspreisen der Nachbarorte und im Bevölkerungswachstum. Zwischen 25 und 40 Prozent der Schwankungen im Nominalpreis waren Folge der allgemeinen Inflation jener Jahre. Bis zu 85 Prozent der verbliebenen Realkosten der Grundstücke fluktuierten mit dem Ansteigen und Abnehmen der Bevölkerung in Kirtland. Joseph Smith war Urheber der Zuwanderungswelle, und die Neuankömmlinge brauchten Land. Eine Untersuchung der Landkäufe, -verkäufe und Parzellierungen in jenen Jahren brachte nichts zutage, was in einer Grenzstadt zum amerikanischen Westen ungewöhnlich gewesen wäre.

Eine andere Frage befaßt sich mit Joseph Smiths Schulden und ob er mit Geld verantwortungslos umgegangen war. Frühere Studien der Wirtschaftsprobleme in Kirtland befaßten sich hauptsächlich mit den Schulden und ließen die Aktiva außer acht. Die Tatsachen dürften aber eher so liegen, daß Joseph Smiths <Smith, Joseph, seine Schulden in Kirtland> vermutete Gesamtschulden in Kirtland (wozu auch alle Land- und Güterkäufe zählen) kaum 100.000 Dollar überschritten haben dürften - weit weniger als bisher von Historikern angenommen. Davon dürften mindestens 60.000 Dollar abbezahlt worden sein. Es könnte aber sogar noch mehr gewesen sein, da es zu keinen gerichtlichen Klagen kam, und Schulden für Landkäufe durch Rückgabe des Landes gedeckt worden sein könnten. Aufgrund des Preisanstiegs besaßen Präsident Smith und seine Mitarbeiter Land im Wert von insgesamt 60.000 Dollar. In den Jahren drastischen Bevölkerungswachstums von 1830 bis 1837 räumten viele Händler in New York, Buffalo und Cleveland Joseph Smith gerne Kredit ein. Seine Führungsrolle in einer wachsenden Stadt, der Wert seines damaligen Besitzes und die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Wirtschaftswachstums machten seine finanziellen Transaktionen unter den damaligen Umständen zu nichts Ungewöhnlichem.

Die Geldprobleme der Kirchenführung hatten zweierlei Ursachen. Erstens bestanden ihre Schulden hauptsächlich aus kurzfristigen Schuldscheinen (90 bis 180 Tage), während ihr Besitz aus nicht flüssigen Vermögenswerten, nämlich aus Land bestand. Zweitens war Joseph Smith kaum in der Lage, von seinen Anhängern Bargeld aus dem Verkauf von Land oder Gütern zu verlangen, da viele in Folge des teuren Umzugs nach Kirtland fast völlig verarmt waren. Der daraus resultierende Mangel an Kassenzufluß - damals im Grenzgebiet zum Westen nichts Ungewöhnliches - hätte von jeder Bank behoben werden können, die dazu imstande gewesen wäre, langfristige Aktiva in kurzfristige Liquidität zu verwandeln.

Im Herbst 1836 stellten Joseph Smith und seine Mitarbeiter die Satzungen für eine solche Bank, die “Kirtland Safety Society” auf. In diesem Zusammenhang wurde immer wieder die Frage nach Bankbetrug aufgeworfen. Der Zeitpunkt der Bankgründung war denkbar ungünstig, denn in den Jahren 1836 und 1837 lehnte die auf Sparkurs getrimmte Bundesstaatsregierung von Illinois alle Anträge auf Bankgründungen ab. Innerhalb einer Woche wurde den Kirchenführern bewußt, daß ihr Antrag abgelehnt würde. Also gründeten sie unter Beiziehung eines Rechtssachverständigen (dies geht aus dem Sprachstil des Dokuments hervor) eine Aktienbank und begannen mit dem Druck von Banknoten, die zum Teil mit dem Aufdruck “Gegenbanknoten” versehen waren.

Da ein Gesetz aus dem Jahr 1816 in Ohio das unbefugte Herausgeben von Banknoten verbot, vertraten viele die Ansicht, daß die Banknoten der Kirtland Safety Society <Kirtland Safety Society, Bank in Kirtland> einen Gesetzesbruch darstellten. Über die Definition des Begriffes “unbefugt” stritt man sich jedoch bis ins Jahr 1873. Auch mehrere andere Wirtschaftsunternehmen in Ohio gaben damals Banknoten oder Ersatzpapiergeld heraus, so zum Beispiel die Ohio Railroad Company, die im selben Jahr wie die Kirtland Safety Society fast 100.000 Dollar in Ersatzpapiergeld herausgab. Vertreter der Whig-Partei, ausgabenfreudigere Demokraten und verschiedene Tageszeitungen unterstützten dies auch, da sie die Sparmaßnahmen der Regierung für ungesetzlich und verfassungswidrig hielten.

Die starke Nachfrage bei der Einlösung der Banknoten der Kirtland Safety Society führte noch innerhalb des ersten Monats zum Stopp der Bargeldausgabe. Daraufhin wurde die Kirtland-Währung durch Realitätenwerte anstatt durch Hartgeld gestützt und sofort zirkulierten die Kirtland-Noten nur mehr mit großem Wertverlust. Die amerikaweite Bankenkrise vom Mai 1837, wegen der alle Banken in Ohio den Bargeldverkehr einstellten, machte der Kirtland Safety Society das Leben noch schwerer. Verbissen machte sie unter großen Schwierigkeiten noch bis November weiter und schloß dann endgültig ihre Tore.

Der Wert der ersten Ausgabe der Kirtland-Banknoten vom Januar 1837 dürfte kaum 15.000 Dollar überstiegen haben. Spätere Ausgaben hatten vermutlich einen Nominalwert von bis zu 85.000 Dollar, der steigende Wertverlust bewirkte jedoch, daß die nachfolgenden Ausgaben nicht einmal an den Wert der Januar-Ausgabe herangekommen sein dürften. Zum Zeitpunkt der ersten Ausgabe belief sich das Einlagekapital auf ca. 15.000 Dollar. Dies und die außergewöhnliche Treue der Heiligen der Letzten Tage, sowie ein Kredit von der Bank auf Geauga in der Höhe von 3000 Dollar hätten eigentlich ausreichen müssen, um einer konzessionierten Bank in Kirtland zu bescheidenem Erfolg zu verhelfen.

Wie dem auch sei, die Kirtland Safety Society verfügte über keine Konzession und ging zugrunde, wodurch Joseph Smiths finanzielle Sorgen noch erheblich vermehrt wurden. Er kaufte noch mehr Bankaktien, zahlte pro Aktie mehr als 85 Prozent der anderen Teilhaber und investierte noch im April 1837 immer mehr Privatvermögen in die Bank, als diese bereits kein Hartgeld mehr ausgab. Nach der Bankenkrise vom Mai übertrug Joseph Smith seine Anteile an der Bank sowie andere finanzielle Reserven an Oliver Granger <Granger, Oliver> und Jared Carter <Carter, Jared>, die noch im Jahr 1843 mit der Tilgung von Joseph Smiths Schulden beschäftigt waren.

BIBLIOGRAPHIE

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LARRY T. WIMMER