Spencer Woolley Kimball (1895–1985), wurde im Alter von zweiundachtzig Jahren zwölfter Präsident der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Amtszeit:1973–1985). Aufgrund seines Alters und zahlreicher gesundheitlicher Belastungen hatte man in seine Amtszeit eher geringe Erwartungen gesetzt. Seine persönliche Einsatzbereitschaft, seine kühnen Zukunftsvorstellungen und seine Offenheit gegenüber Erneuerung machten seine Amtszeit jedoch zu einem dynamischen Abschnitt der Kirchengeschichte, der mit dem sich steigernden Bewußtsein der Kirche als internationale Institution in direktem Zusammenhang stand. Unter Kimballs Führung wurden Tempel und Priestertum Angehörigen aller Rassen zugänglich gemacht, die Zahl der Missionare stieg drastisch an, Innovationen innerhalb der Kirchenverwaltung brachten Veränderungen mit sich und der Bau neuer Tempel wurde stark vorangetrieben. Kimballs Amtszeit stellte sich als eine der aktivsten Phasen in der Geschichte der Kirche des zwanzigsten Jahrhunderts heraus.
Spencer Woolley Kimball wurde am 28. März 1895 in Salt Lake City, Utah geboren. Sein Vater, Andrew Kimball <Kimball, Andrew, Vater von Spencer W. Kimball> war der Sohn von Heber C. Kimball <Kimball, Heber C., Großvater von Spencer W. Kimball>, dem Ratgeber Brigham YOUNGS <Young, Brigham>. Seine Mutter, Olive Kimball <Kimball, Olive Woolley, Mutter von Spencer W. Kimball> war die Tochter von Bischof Edwin D. Woolley <Woolley, Edwin D.>, Brigham Youngs Geschäftsführer. Andrew Kimball war damals Missionsprädident im Indianer-Territorium der heutigen Bundesstaaten Missouri und Oklahoma, wobei er seinen Aufgaben als Missionspräsident brieflich und durch gelegentliche Besuche nachkam, während er seine Familie als Handlungsreisender für Textilien im Raum Utah und Süd-Idaho erhielt.
Als Spencer W. Kimball drei Jahre alt war, erhielt sein Vater von der Ersten Präsidentschaft die Berufung, nach Thatcher, einer Mormonen-Ansiedlung im Gila-Tal des südöstlichen Arizona zu ziehen, wo er Präsident des Pfahles St. Joseph wurde. Andrew Kimball verdiente seinen Lebensunterhalt durch Landwirtschaft und Handel; gleichzeitig präsidierte er über mehrere tausend Heilige der Letzten Tage des Tales und der weitreichenden Gebiete rund um das Tal.
Spencer erkrankte als Kind an Typhus und erlitt eine Gesichtslähmung. Einmal wäre er beinahe durch Ertrinken ums Leben gekommen; vier seiner Schwestern starben während er noch ein Kind war, und seine Mutter starb, als er gerade elf Jahre war. Nach der High School arbeitete er von 1914 bis 1916 als Missionar in der Zentralstaaten-Mission. Während seines zweiten Jahres auf Mission war er in St. Louis fünfundzwanzig Missionaren vorgesetzt, die allesamt älter waren als er.
Im Jahr 1917 studierte er ein Semester lang an der University of Arizona und wurde wegen des Ersten Weltkriegs zum Militärdienst eingezogen. Trotz des unmittelbar bevorstehenden Abmarsches seiner Truppe heiratete er am 16. November 1917 die Lehrerin Camilla Eyring <Eyring, Camilla, die Frau von Spencer W. Kimball>. Der Ehe entstammen vier Kinder, nämlich Spencer L. Kimball <Kimball, Spencer L.> Olive Beth Kimball <Kimball, Olive Beth>, Andrew E. Kimball <Kimball, Andrew E.> und Edward L. Kimball <Kimball, Edward L.>.
Die organisatorisch bedingte Abreiseverzögerungen seiner Truppe hatte zur Folge, daß Spencer Kimball zurückgestellt wurde, weswegen er einen Posten bei einer Bank annahm. Als die Bank im Jahr 1923 Bankrott machte und die gesamten Ersparnisse der Kimballs verloren gingen, fand er kurze Zeit später bei einer anderen Bank eine Stelle als Hauptkassierer. Im Jahr 1927 verließ er die Bank und machte sich in Safford, Arizona mit Joseph W. Greenhalgh <Greenhalgh, Joseph W.> im Versicherungs- und Immobilienwesen selbständig. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten infolge der Weltwirtschaftskrise sagte Kimball, daß er lieber Erdnüsse verkaufen würde als sich noch einmal in ein Angestelltenverhältnis zu begeben. Als Selbständiger verfügte er über die zeitliche Flexibilität, sich seinen Aufgabe innerhalb der Kirche zu widmen und sich gemeinsam mit seiner Frau im Gemeinwesen zu engagieren, so zum Beispiel im Elternbeirat der Schule, als Förderer der Stadtbibliothek, als Wahlhelfer, Mitglied des Stadtrates, beim Roten Kreuz, bei den Pfadfindern, zugunsten des örtlichen Colleges und der Gründung des örtlichen Radiosenders. Im Jahr 1936 wurde er zum bundesstaatweiten Vorsitzenden des Rotarier-Clubs gewählt.
In der Kirche war Spencer Kimball von 1917 bis zum Tod seines Vaters im Jahr 1924 dessen Pfahl-Führungssekretär. Unmittelbar darauf wurde er Ratgeber des neuen Pfahlpräsidenten. Als der Pfahl St. Joseph im Jahr 1938 geteilt wurde, wurde Spencer Kimball Präsident des neuen Pfahles Mount Graham, der sich vierhundert Kilometer weit von Safford im Bundesstaat Arizona (wo Kimball wohnte) bis nach El Paso in Texas erstreckte. Als Pfahlpräsident war er für die Leistungen des Wohlfahrtssystems der Kirche nach den schweren Überschwemmungen in Duncan, Arizona im Jahr 1943 verantwortlich.
Am 8. Juli 1943 wurde Präsident Kimball von der ersten Präsidentschaft informiert, daß man ihn in das Kollegium der Zwölf Apostel berufen habe. Trotz einiger Vorahnungen war dies für ihn ein ein schwerer Schlag, da er das Gefühl großer persönlicher Unzulänglichkeit nicht loswerden konnte. Mit Hilfe seiner Frau Camilla, die ihm gut zugeredet hatte, und nach langem persönlichem Ringen empfing er einige Tage später die Bestätigung durch den Heiligen Geist, daß diese Berufung tatsächlich von Gott komme. Er verkaufte seine Firma, übersiedelte mit seiner Familie nach Salt Lake City und wurde während der Generalkonferenz im Oktober 1943 von den Mitgliedern der Kirche bestätigt und noch am selben Tag von Präsident Heber J. GRANT < Grant, Heber J.> zum Apostel ordiniert.
Kimball diente vierzig Jahre lang als Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel. Zu seinen Tätigkeiten gehörten verschiedenste Verwaltungsaufgaben, die Beratung von Personen mit persönlichen Problemen, der Besuch von Pfählen und Missionen, sowie das Predigen des Evangeliums Jesu Christi. Im Jahr 1946 wurde ihm von Präsident George Albert SMITH < Smith, George Albert> die Aufgabe übertragen, sich den Problemen der Indianer zu widmen. Nur wenige Tage später wachte er eines Morgens auf und verspürte die Gegenwart eines furchteinflößenden, jedoch unsichtbaren Widersachers, der ihn zu vernichten versuchte. Nach einigem Ringen wies er den bösen Geist von sich und erlangte seine Fassung wieder. Dabei wurde ihm bewußt, daß das Werk, das er soeben in Angriff genommen hatte, für die Mächte der Finsternis eine besondere Bedrohung darstellen könne. Präsident Kimball brachte das Leid der Navajos während des harten Winters des Jahres 1947 an die Öffentlichkeit und organisierte Hilfsprojekte, kam aber zu dem Schluß, daß die beste Hilfe durch Instandsetzung der Straßen der Reservate sowie durch bessere Bildungsmöglichkeiten der Schlüssel zu langfristiger Hilfe für die Indianer seien. Er arbeitete bei der Gründung der sogenannten “Indian Student Placement Services” mit, einem Hilfswerk zur Unterbringung von Indianerkindern in den Heimen von HLT-Familien, die in der Nähe guter Schulen wohnten. Die Indianerkinder verließen zwecks Schulbesuch das Reservat ein Jahr lang freiwillig und wurden bei Familien untergebracht. Innerhalb von zwanzig Jahren dehnte sich das Programm von der Unterbringung eines einzigen Kindes bis zur Unterbringung von beinahe fünftausend Kindern jährlich aus. Diese Zahl wurde nach dem Bau besserer Schulen für Indianer wieder rückläufig. Kimball war ein scharfer Gegner jedweder rassischer Vorurteile.
Elder Kimball war unter anderem auch Vorsitzender des Missionskomitees der Kirche. Auf seinen Reisen rund um die Welt gab er Hunderten zwölfjähriger Jungen je einen Dollar-Schein als Starthilfe für ein eigenes Sparkonto für ihre Mission. Im Jahr 1955 besuchte er alle europäischen Missionen, 1960 reiste er einmal um die ganze Welt, leitete vier Jahre lang die Kirche in Südamerika, wo er die Missionsarbeit bei den Indianern der Anden einleitete, und leitete dann die Missionen in Großbritannien.
Seine Erfahrungen als Folge hunderter Gespräche mit Menschen, die mit persönlichen Probleme zu kämpfen hatten, besonders was sexuelle Unmoral betrifft, führte ihn schließlich dazu, das Buch Das Wunder der Vergebung zu schreiben, in dem der Weg der Umkehr von Sünde beschrieben wird, und das unter den Mitgliedern der Kirche zu einem äußerst beliebten Buch wurde.
Im Jahr 1948 erlitt Elder Kimball einen Herzinfarkt, einige Jahre darauf erkrankte er an Kehlkopfkrebs. Eine beinah gänzliche Entfernung der Stimmbänder verhalf ihm zu seiner charakteristischen schwachen und rauhen Stimme. Im Jahr 1972 wurde in einem erfolgreichen Eingriff am offenen Herzen eine verstopfte Arterie sowie eine schwache Herzklappe ersetzt. Da Elder Kimball damals schon siebenundsiebzig Jahre alt war, wollte er sich einer derartigen Operation nicht mehr unterziehen, Präsident Harold B. LEE <Lee, Harold B.> sagte ihm jedoch, daß sein Werk noch nicht vollbracht sei und er sich dieser Operation unterziehen solle.
Am 26. Dezember 1973 wurde Spencer W. Kimball nach Präsident Lees Tod dessen Nachfolger. Trotz seiner achtundsiebzig Jahre blieb er bis zum Jahr 1979 ein ausgesprochen dynamischer Führer. Nach einer Gehirnblutung mußte er sich zweimal hintereinander einer Gehirnoperation unterziehen, nach der er sich zwar verhältnismäßig gut erholte; nach einer dritten Operation Mitte 1981 ging es ihm von da an jedoch gesundheitlich eher schlecht. Bis zu seinem Tod im Jahr 1985 überließ er die aktive Führung der Kirche seinen Ratgebern, insbesondere Gordon B. Hinkley <Hinkley, Gordon B.>. Am 5. November 1985 starb Präsident Spencer W. Kimball im Alter von neunzig Jahren; sein Nachfolger wurde Ezra Taft BENSON <Benson, Ezra Taft>. Präsident Kimballs Frau Camilla, ebenfalls eine wunderbare Persönlichkeit, starb im Alter von zweiundneunzig Jahren.
Spencer W. Kimballs offensichtliches Durchsetzungsvermögen sowie seine geistige Reinheit waren die Folge der unerschütterlichen Religiosität, die in seinem Zuhause und seinem Heimatort herrschten. Schon in frühem jugendlichen Alter nahm er die Aufforderung an, die Bibel ganz durchzulesen. Bereits als Vierzehnjähriger wurde er als Lehrer in der Sonntagsschule berufen. Spencer W. Kimball hatte ein gläubiges Herz und ein ernstes, aber keinesfalls humorloses Wesen. Er war zwar nicht sehr groß, aber behende, drahtig, und ein guter Sportler. Besonders gern spielte er Basketball. Außerdem beherrschte er das Klavierspiel, konnte gut singen und war sein Leben lang stets Mittelpunkt des Geschehens und des Humors. Jahr für Jahr wurde er von seinen Mitschülern zum Klassensprecher seiner kleinen High-School-Klasse gewählt. Sein Humor bestand mehr aus Wortspielereien anstatt aus eigentlichen Witzen, und meistens machte er sich selbst zu dessen Gegenstand. Immer wieder amüsierte er sich über seine mangelnde Körpergröße.
Spencer W. Kimball litt sehr unter dem Verlust seiner Mutter, und es war ihm ein großes Bedürfnis, seinen Eltern Ehre zu machen. Er hungerte förmlich nach Anerkennung. Seine Leistungsfähigkeit als Generalautorität war legendär. Spencer Kimball besaß die Fähigkeit, einen minutenlangen Kurzschlaf zu halten und dann völlig erfrischt weiterzuarbeiten. Trotz schwerer Erkrankungen (Typhus, Pocken, zweimalige Fazialislähmung, Herzinfarkt und Herzversagen, Kehlkopfkrebs, drei subdurale Hämatome, kleinere Schlaganfälle und zahllose Furunkel) ließ er nie locker. Er ertrug seine Schmerzen mit großer Geduld und war für jede ärztliche Hilfe dankbar.
Weil er nach seiner Heirat keine Ausbildung abgeschlossen hatte, fürchtete er stets, der Kirche würde aufgrund seiner scheinbar mangelnden Qualifikation ein schlechter Ruf erwachsen und versuchte, dies durch doppelte Arbeit wettzumachen. Infolge seiner Leseleidenschaft verfügte er über eine ausgezeichnete Allgemeinbildung. Seine Ansprachen waren immer gut vorbereitet, und es wohnte ihnen eine eigene sprachliche Schönheit inne. Spencer Kimball war ein demütiger Mensch, der mit einfachen Menschen wunderbar auskam. Worte der Wertschätzung und der Liebe kamen ihm leicht und oft über die Lippen. Überheblichkeit und das Stellen besonderer Ansprüche waren ihm völlig fremd. Als es um die Herausgabe seiner Biographie ging, achtete er streng darauf, daß er als unvollkommener Mensch dargestellt wurde, der sich stets nur darum bemühte, göttliche Forderungen zu erfüllen.
Spencer und Camilla Kimball führten achtundsechzig Jahre lang eine Ehe voller Hingabe. Camilla Kimball war redegewandt, offen und ehrlich, hochintelligent und eine überzeugte Christin. Durch ihre nie nachlassende Unterstützung war sie Präsident Kimball stets eine wunderbare Hilfe dort, wo er sie am meisten benötigte.
Präsident Kimball wurde wegen der Strenge, mit der er predigte, gelegentlich als engstirniger Moralist betrachtet; menschliche Probleme waren ihm aber durchaus bewußt. Er war ein warmherziger und einfühlsamer Mensch, der einen gewaltigen Schriftverkehr führte und Briefe von Kindern sowie den Menschen, mit denen er beratende Gespräche geführt hatte, immer beantwortete. Er empfand großes Mitgefühl für Menschen mit körperlichen, sozialen und geistigen Problemen und investierte sehr viel Energie in die Förderung der Indianer. Als Präsident und Prophet der Kirche trachtete er nach einer Offenbarung darüber, ob farbige Mitglieder der Kirche an allen Bereichen der Kirche voll und ganz teilnehmen dürften, und er erhielt eine entsprechende Offenbarung. Wenige Führer der Kirche waren so beliebt wie dieser bescheidene Mensch.
Das gewaltige Wachstum der Kirche während seiner Amtszeit brachte viele Veränderungen mit sich. Während seiner zwölfjährigen Amtszeit wuchs die Kirche von 630 auf ca. 1.500 Pfähle, ihre Präsenz stieg von 50 auf 96 Länder an, die Mitgliederzahl von 3,3 Millionen auf beinahe sechs Millionen. Zum Zeitpunkt seines Todes kannte beinahe die Hälfte aller Mitglieder der Kirche keinen anderen Präsidenten.
Viele Leistungen Präsident Kimballs auf dem Gebiet der Kirchenverwaltung waren die Folge seines Bemühens, mit dem stetigen Wachstum der Kirche verwaltungsmäßig Schritt zu halten, besonders jedoch, was das Wachstum in neuen Ländern betraf. Er gründete das Erste Siebzigerkollegium, um die Zahl der Generalautoritäten zu erhöhen, und er berief Männer aus Europa, Asien und Südamerika in dieses Kollegium. Die Erde wurde verwaltungsmäßig in Regionen geteilt, denen je eine Präsidentschaft von Generalautoritäten vorstand. Er nahm an zahlreichen Regionalkonferenzen und feierlichen Versammlungen teil. Dies alles wurde Ausdruck seines Bedürfnisses, die Führungsbeamten der Kirche in engeren Kontakt zu den Mitgliedern zu bringen. Um den Bedarf an weiteren Führungsbeamten zu decken, wurden zusätzliche Generalautoritäten berufen, deren Amtszeit auf fünf Jahre beschränkt blieb; andere hingegen wurden emeritiert.
Eine wichtige Ansprache Präsident Kimballs aus dem Jahr 1974 umriß seine Vorstellungen hinsichtlich intensiverer Bemühungen bei der Missionsarbeit. Während Präsident Kimballs Amtszeit verdoppelte sich die Anzahl der Vollzeitmissionare bei weitem, wobei nun auch mehr Schwestern und ältere Ehepaare auf Mission berufen wurden. Das größte Wachstum der Kirche wurde in Südamerika und Asien verzeichnet, aber die Kirche begann ihr Wirken nun auch in Ländern unter kommunistischer Herrschaft, sowie auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara. Ein unter der Schirmherrschaft der Brigham Young Universität in Jerusalem errichtetes Studienzentrum rief den Protest orthodoxen Juden hervor. Die fünfzehn sich in Verwendung befindenden Tempel waren am Ende seines Lebens auf einunddreißig angewachsen, wobei sich elf weitere Tempel in Bau befanden bzw. ihr Bau bereits bekanntgegeben worden war. Die Einführung von Computern zur Datenverarbeitung stellte eine große Erleichterung bei der Tempelarbeit dar.
All dies verkörperte seine Aufforderung an die Kirche, “größere Schritte” zu machen. Sein persönlicher Wahlspruch war: “Tu es!”
Trotz des großen Wachstums der Kirche hob Präsident Kimball in seinen Ansprachen und Richtlinien stets das Sich-Besinnen auf christliches Leben und den Dienst in der Kirche hervor. Er formulierte die dreifache Mission der Kirche, nämlich das Evangelium verkünden, die Toten erlösen und die Heiligen vervollkommnen. Er predigte ein besseres Familienleben, das Anlegen von Gärten, Sauberkeit und Ordnung in Haus und Garten, das Führen von Tagebüchern und Familienaufzeichnungen. Das Kompaktversammlungsschema wurde eingeführt, durch das die Versammlungen in einen dreistündigen Block am Sonntag zusammengefaßt wurden, um die Mitglieder zeitlich zu entlasten und den Familien mehr Zeit füreinander zu geben. Kleinere Einheiten der Kirche wurden organisationsmäßig entlastet. Präsident Kimball forderte die Kirchenmitglieder auf, Dienst am Nächsten zu üben und verlieh seinen Ermahnungen Nachdruck, indem er den Opfern der Überschwemmungskatastrophe nach einem Dammbruch in Idaho, den Erdbebenopfern in Mexico City und den Opfern der Hungersnot in Äthiopien durch Spenden von Kirchenmitgliedern Unterstützung zuteil werden ließ.
Ironischerweise wurde dieser friedliebende und gütige Mann in eine Vielzahl öffentlicher Kontroversen verwickelt. Die Erste Präsidentschaft veröffentliche amtliche Erklärungen zum Thema Homosexualität, Abtreibung und Pornographie, und brachte ihre ernste Sorge über die zunehmende Permissivität der amerikanischen Gesellschaft zum Ausdruck. Die Erste Präsidentschaft warnte vor der Stationierung von MX-Raketen in den USA, besonderen Einspruch erhob sie aber gegen die geplante Stationierung dieser Raketen in der Wüste von Utah und Nevada. Es entstanden Kontroversen über die Rolle historischer Dokumente, die durch den angeblichen Fund wichtiger historischer Texte durch Mark Hoffmann <Hoffmann, Mark, Fälscher von Dokumenten> (siehe FÄLSCHUNGEN HISTORISCHER DOKUMENTE) noch angeheizt wurden. Die Erste Präsidentschaft unterstützte die Forderung nach der rechtlichen Gleichstellung der Frau, lehnte das sogenannte “Equal Rights Amendment” (das als Gesetz in der US-Verfassung verankert werden sollte) jedoch als unzulängliches Mittel dafür ab. Die Bedeutung der Frauenfrage führte zur Einführung kirchenweiter Frauenkonferenzen, zur Errichtung eines Parks mit Skulpturen aus dem Leben der Frauen in Nauvoo, um die Rolle der Frau zu würdigen, zum Recht der Frauen, in allen Kirchenversammlungen beten zu dürfen, sowie zu der Neuerung, daß auch leitende Beamtinnen der Hilfsorganisationen bei der Generalkonferenz sprechen dürfen.
Kein Ereignis in der HLT-Kirchengeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts hat jedoch derartige Reaktionen ausgelöst wie die im Jahr 1978 erfolgte Erklärung Präsident Kimballs, daß mit sofortiger Wirkung allen würdigen Männern das Priestertum übertragen werden dürfe. Diese Ankündigung stellte das Ende einer über hundert Jahre praktizierten Regelung dar, schwarzen Kirchenmitgliedern den Zugang zum Priestertum und den Tempelverordnungen zu verweigern. Kimballs Ankündigung enthielt keinerlei theologische Stellungnahmen, sondern besagte lediglich, daß Gott gesprochen und die Zeit für eine Änderung reif sei. Diese Änderung trat mit sofortiger Wirkung in Kraft, wodurch die Missionsarbeit in Afrika einen großen Schritt nach vorne machte. Präsident Kimballs Ankündigung wurde als “Amtliche Erklärung Nr. 2” in das Buch “Lehre und Bündnisse” aufgenommen.
Ein Mann, den man zu Beginn seiner Amtszeit lediglich als Leiter eines “Übergangskabinetts” betrachtet hatte, hat erstaunliche Leistungen vollbracht. Präsident Spencer W. Kimballs dynamische Führungsqualitäten und seine Bereitschaft, neue Wege zu gehen, hatten zwölf Jahre noch nie dagewesenen Wachstums und Änderungen in einer modernen Kirche zur Folge.
BIBLIOGRAPHIE
BYU Studies 25, Herbst 1985, S. 1–166. (Diese Ausgabe enthält ausschließlich Artikel über Spencer W. Kimball.)
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———. The Story of Spencer W. Kimball: A Short Man, A Long Stride. Salt Lake City, 1977.
Kimball, Edward L. “The Administration of Spencer W. Kimball.” Sunstone 11, März 1987, S. 8–14.
Kimball, Spencer W. Faith Precedes the Miracle. Salt Lake City, 1972.
———. One Silent Sleepless Night. Salt Lake City, 1975.
———. The Miracle of Forgiveness. Salt Lake City, 1969.
———. The Teachings of Spencer W. Kimball. Edward L. Kimball, Hrsg., Salt Lake City, 1982.
Miner, Caroline E. und Edward L. Kimball. Camilla. Salt Lake City, 1980.
EDWARD L. KIMBALL