Siebenundsiebzig Jahre vor Ankunft der ersten Mormonen in Kalifornien hatten die spanischen Siedler Klöster, Militärposten und kleine landwirtschaftliche Anlagen gegründet. Die Heiligen der Letzten Tage hingegen waren die ersten Angloamerikaner, die sich in Kalifornien niederließen. Brigham YOUNG war von der Notwendigkeit einer Hafenstadt an der Westküste für das Wohlergehen der Binnenlandsiedlungen Utahs absolut überzeugt und mochte San Franzisko wohl schon sehr früh als erste HLT-Hafenstadt in Betracht gezogen haben. Die Hafen von San Diego und San Pedro (heute Teil von Los Angeles) lagen innerhalb der Grenzen des geplanten Staates Deseret. (Siehe DESERET, DER STAAT DESERET.)
Die ersten HLT-Siedler in Kalifornien ließen sich in Yerba Buena, dem Hafengebiet des Klosters und Militärpostens von San Francisco de Asís nieder. Das katholische Kloster stammte aus dem Jahr 1776; in seinem Umkreis lebten nicht einmal hundert Menschen. Nach Ankunft von Elder Sam Brannan <Brannan, Sam> und 238 Heiligen der Letzten Tage auf der Brooklyn am 31. Juli 1846, waren die Heiligen der Letzten Tage in Yerba Buena einige Zeit lang in der Überzahl. An die zwölf Familien, die mit der Brooklyn gekommen waren, gründeten die erste Mormonen-Kolonie in Kalifornien, und zwar die landwirtschaftliche Siedlung von New Hope, der nur ein kurzes Dasein beschieden war (von 1846 bis 1848) und die am Stanislaus-Fluß in Mittelkalifornien lag. Ein weiterer Heiliger der Letzten Tage, der mit der Brooklyn gekommen war, nämlich John M. Horner <Horner, John M.>, brachte es am südlichsten Teil der Bucht von San Franzisko als Farmer zu ansehnlichem Wohlstand. Er half bei der Gründung von acht Siedlungen in jener Gegend mit und leistete in den fünfziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts beträchtliche Spenden an den Missionarsfonds der Kirche.
Brannan war von den vielen Möglichkeiten, die den Heiligen der Letzten Tage in Kalifornien offenstanden, voll und ganz überzeugt und reiste ostwärts, um sich mit Brigham Young zu treffen, der 1847 mit den ersten Pionieren in Richtung Westen unterwegs war. Sie trafen am Green River im westlichen Wyoming aufeinander und Brannan versuchte, Brigham Young davon zu überzeugen, nach Kalifornien weiterzuziehen, anstatt sich im “Großen Becken”, [das große Tal im Westen] zu dem das Tal des Großen Salzsees gehört, niederzulassen. Dies gelang Brannan jedoch nicht, und er kehrte nach Yerba Buena zurück, wo er bis zum Goldrausch der Jahre 1848/1849 Oberhaupt einer wohlhabenden HLT-Siedlung wurde, die nach Streitereien und Meinungsverschiedenheiten jedoch aufgelöst wurde. Yerba Buena wurde im Jahr 1847 in San Franzisko umbenannt.
Im Januar des Jahres 1847 erreichten ungefähr 340 Angehörige des MORMONENBATAILLONS <Mormonenbataillon> Südkalifornien. Obwohl sie erst nach Ende des kalifornischen Unabhängigkeitskrieges ankamen, haben sie den Gang der Geschichte Kaliforniens entscheindend beeinflußt. Als das Bataillon San Diego erreichte, war ihre einjährige Einberufung so gut wie zu Ende. Fünfzehn Soldaten verließen auf Befehl hin Kalifornien und mußten Eskortendienst leisten, die ca. 245 anderen wurden vom Dienst entlassen, wobei sich einundachtzig neuerdings zum Militärdienst verpflichteten. Einige der Entlassenen machten sich unmittelbar darauf auf den Weg zu ihren Familien im SALZSEETAL, andere wiederum blieben in Kalifornien, um vor ihrer Reise nach Utah erst ein wenig Geld zu verdienen. Sie fanden in San Diego und Los Angeles Arbeit, andere zogen in Richtung Norden und suchten in San Franzisko oder in Sutter’s Fort, das am American-Fluß in der Nähe der heutigen Stadt Sakramento liegt, Arbeit.
Sechs vom Dienst entlassene Soldaten des Mormonenbataillons befanden sich am 24. Januar 1848 in Sutter’s Mill, als der erste Goldfund gemacht wurde. Historiker verwendeten das Tagebuch des ehemaligen Mormonenbataillonsangehörigen Henry W. Bigler <Bigler, Henry W.>, um den genauen Tag des ersten Goldfundes in Kalifornien festzulegen. Andere Angehörige des Bataillons waren an den Goldfunden zu Beginn des Jahres 1848 beteiligt, wobei eine besonders ergiebige Fundstelle “Mormon Diggings” genannt wurde. Der vermutlich erfolgreichste HLT-Goldgräber war Thomas Rhoads <Rhoades, Thomas, Goldgräber>, der 1846 mit seiner großen Familie von Missouri nach Kalifornien gezogen war. Einige der fündig gewordenen Mormonen brachten schätzungsweise 25.000 bis 30.000 Dollar in Gold nach Salt Lake City, was der dortigen, noch in den Kinderschuhen steckenden Wirtschaft einen gewaltigen Schub versetzte. Brigham Young berief in den Jahren 1849 und 1850 einige Heilige der Letzten Tage als Goldgräber nach Kalifornien. Andere, die vom Leben in Utah enttäuscht oder sich vom Goldfieber hatten anstecken lassen, zog es auch gegen Brigham Youngs ausdrücklichen Wunsch nach Kalifornien.
Im Jahr 1851 wurden unter der Führung von Apostel Charles C. Rich <Rich, Charles C., Apostel> 437 Siedler von Utah zum Cajon-Paß entsandt, um dort mit der Besiedlung zu beginnen, was die Gründung der heutigen Stadt San Bernadino zur Folge hatte, die die Hauptsiedlung der Mormonen in Kalifornien und im “Mormonen-Korridor” zwischen den Siedlungen in Utah und der amerikanischen Westküste wurde. San Bernadino sollte als Sammlungsort für vom Pazifik kommende Einwanderer, als auch als Zwischenaufenthalt für Reisende in Richtung Pazifik dienen. Auch die von den Goldfeldern kommenden Heiligen der Letzten Tage ließen sich hier nieder. Im Jahr 1856 lebten ca. 3000 Siedler in San Bernadino; die Siedlung wurde aber von heftigen Problemen und Meinungsverschiedenheiten geplagt. Als die US-Armee im Jahr 1857 auf Utah zumarschierte (siehe UTAH-EXPEDITION), rief Brigham Young die Mormonen von San Bernadino und den umliegenden Siedlungen nach Utah zurück. Kaum mehr als die Hälfte folgten dieser Anordnung, und viele von den Zurückgebliebenen fielen von der Kirche ab. Nach dem Abzug im Jahr 1857 zog Kalifornien wieder viele Heilige der Letzten Tage an, die sich an Brigham Youngs verhältnismäßig autoritärem Führungsstil, an der MEHREHE oder einfach dem Leben in Utah stießen.
Seit ihrem offiziellen Rückzug in den Jahren 1857 und 1858 hat die Kirche die Besiedlung des Staates Kalifornien nie mehr gefördert. Zwar sind seither viele Heilige der Letzten Tage nach Kalifornien gezogen; sie haben dies aber aus eigenem Antrieb heraus und nicht auf Bitten der Kirche hin getan. In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts, nämlich während des südkalifornischen Wirtschafts-Booms, zogen Tausende nach Kalifornien; ebenso während des Zweiten Weltkriegs, als die Rüstungsindustrie unzählige Arbeitsplätze schuf. Heute besitzt Kalifornien flächenmäßig vermutlich die größte Dichte an Mitgliedern der Kirche
außerhalb von Utah und Idaho. Es gibt in Kalifornien drei HLT-Tempel, nämlich in Los Angeles, Oakland und San Diego.
BIBLIOGRAPHIE
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TED J. WARNER