JESUS CHRISTUS
Jesus Christus ist die zentrale Figur in der Lehre der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Der Prophet Joseph Smith hat erklärt, dass „die grundlegenden Prinzipien unserer Religion das Zeugnis der Apostel und Propheten von Jesus Christus, seinem Tod, seiner Bestattung, seiner Auferstehung am dritten Tag und seiner Himmelfahrt sind. Alles weitere, was unsere Religion betrifft, ist dem lediglich hinzugefügt“ (LPJS, S. 121). Heilige der Letzten Tage glauben, dass eine vollständige Erlösung allein durch das Leben, den Tod, die Auferstehung und die Lehren und Verordnungen Jesu Christi möglich ist.
Die Beziehung Jesu Christi zu den Menschen und seine göttliche Rolle werden in den drei Existenzabschnitten definiert – dem Vorirdischen Dasein, dem Irdischen Leben und dem Jenseits.
DER VORIRDISCHE JESUS
Im Vorirdischen Dasein war Jesus Christus, meist Jehova genannt, das erstgeborene Geistkind Gottes und somit der älteste Bruder und das herausragendste aller Geistkinder Gottes. In diesem ersten Stand erlangte er mehr Intelligenz als alle anderen Geister. Er war „wie Gott“ (Abraham 3:19,24) und schuf stellvertretend für den Vater „Welten ohne Zahl“ (Heb. 1:1-3; LuB 76:24; Mose 1:33; 7:30). Führer der Kirche Jesu Christi haben erklärt, dass alle Offenbarungen seit dem Fall Adams von und durch Jehova (Jesus Christus) gegeben wurden. Wann auch immer der Vater den Menschenkindern erschienen ist, tat er es, um den Sohn vorzustellen und von ihm Zeugnis zu geben (JSÜ Johannes 1:19; DS 1:27). Adam kannte Jehova und die Patriarchen von Adam bis Noa haben ihn in Demut angebetet. Er war der allmächtige Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er war der Gesetzgeber auf dem Berg Sinai, der Heilige Israels. Aufzeichnungen in den Schriften bestätigen, dass alle Propheten von Beginn an über die Zeit geschrieben haben, zu der Jehova als Menschensohn und als Messias auf die Erde kommen würde. Petrus sagte: „Von ihm bezeugen alle Propheten“ (Apostelgeschichte 2:25-31; 10:43). Jakob lehrte, dass „keiner der Propheten geschrieben noch prophezeit hat, ohne über diesen Christus zu sprechen“ (Jakob 7:11; vgl. Mosia 3:5–10; 13:33; 3 Nephi 20:24).
DER STERBLICHE JESUS
Im irdischen Leben wurde Jehova in Bethlehem in Judäa geboren und wuchs als Jesus von Nazareth auf. Er erniedrigte sich und begab sich aus seinem Stand als allmächtiger Herr, um eine Mission voll von Leid und Demütigung für die gesamte Menschheit zu erfüllen (vgl. 1 Ne. 11; Mosia 3:5–10; siehe auch Herablassung Gottes). Er lebte ein moralisch makelloses Leben – er war ohne Sünde und unterwarf sich vollständig dem Willen seines Vaters (Johannes 5:30; 2 Kor. 5:21; Heb. 4:15; 1 Pet. 15:2). Jesus ist das Vorbild und Beispiel für alle diejenigen, die nach Göttlichkeit streben. Wie der Prophet Joseph Smith gelehrt hat, erlitt der Erlöser „größeres Leid und war stärkerem Widerstand ausgesetzt als es irgendein Mensch jemals ertragen könnte.“ Dabei „hielt er Gottes Gebote und verblieb ohne Sünde“ (Lectures on Faith, Lecture 5, paragraph 2). Der auferstandene Herr fragte die Nephiten: „Was für Männer sollt ihr sein? Wahrlich, ich sage euch: So, wie ich bin“ (3 Ne. 27:27; vgl. 12:48).
Jesus war jedoch nicht nur ohne Sünde sondern auch voller Güte und Liebe. Er war mehr als ein Vorbild und Lehrer, mehr als die Verkörperung von Mitgefühl. Wer und was er war befähigte ihn dazu seinen einzigartigen Auftrag, nämlich zu versöhnen und zu erlösen, auszuführen. Präsident Ezra Taft Benson sagte: „Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage verkündet, dass Jesus Christus buchstäblich der Sohn Gottes ist. Dasselbe heilige Wesen, das wir als Gott anbeten, nämlich unser Ewiger Vater, ist auch der Vater der irdischen Hülle Christi, worin er seine Mission im Fleische erfüllt hat. Jesus war weder der Sohn Josephs, noch wurde er vom Heiligen Geist gezeugt. Er ist der Sohn des Ewigen Vaters!“ (Benson, S. 4). Jesus erbte von seiner sterblichen Mutter Maria Sterblichkeit und von seinem verherrlichten Vater Unsterblichkeit. Seine duale Veranlagung als Mensch und als Gott befähigte ihn dazu, ein unbegrenztes Sühnopfer zu vollbringen. Durch diese Fähigkeit vollbrachte er etwas, wozu keine andere Person im Stande wäre, wie fähig und begabt sie auch sein möchte (vgl. Alma 34:9-12). Zunächst war er auf eine majestätische, jedoch unbegreifbare Weise dazu fähig, im Garten Getsemani die Lasten und Auswirkungen der Sünden der gesamten Menschheit auf sich zu nehmen. Das Ausmaß dieser Schmerzen und Seelenqualen ging weit darüber hinaus, was ein gewöhnlicher Sterblicher auszuhalten vermag. (2 Ne. 9:21; Mosia 3:7; LuB 18:11; 19:16; Tazlor, S. 148). Darüber hinaus war er im Stande sich dem physischen Tod aus eigenem Willen zu unterwerfen und seinen Körper bei der Auferstehung wieder zu erheben (Johannes 5:26; 10:17; 18; 2 Ne. 2:8).
DER AUFERSTANDENE JESUS
Heilige der Letzten Tage glauben, dass der Geist Jesu zwischen seinem Tod am Kreuz auf Golgota und seiner Auferstehung die Geisterwelt im Jenseits besucht hat, wo sich Geister auf die Wiedervereinigung mit ihrem Körper vorbereiten. Petrus lehrte, dass Christus in dieses Reich gegangen ist, um zu den Geistern im Gefängnis zu predigen (1 Petrus 3:18-20; 4:6). Eine neuzeitliche Offenbarung erklärt, dass Jesus nicht selbst zu den Schlechten und Ungehorsamen, die die Wahrheit abgelehnt hatten, gegangen ist. Er zeigte sich jedoch den Rechtschaffenen im Paradies und organisierte und bevollmächtigte sie, die Geister zu belehren, die in Dunkelheit und Gefangenschaft von Sünde und Unkenntnis verweilten (siehe LuB 138:29-32). Auf diese Weise erfüllte der Messias seine Mission, nämlich „den Armen eine frohe Botschaft“ zu bringen, alle zu heilen, „deren Herz gebrochen ist“ und „den Gefangenen die Entlassung“ (Jesaja 61:1; Lukas 4:18-19) zu verkünden nicht nur im irdischen Leben, sondern auch darüber hinaus.
Jesus brach „die Banden des Todes.“ Er war der „Erste der Entschlafenen“ (1 Korinther 15:20; Alma 11:40-41). Er erhob sich aus dem Grab mit einem unsterblichen und verherrlichten Körper und brachte so die erste Auferstehung oder die Auferstehung der rechtschaffenen Toten zuwege, die von den Tagen Adams an bis zur Zeit Christi gelebt hatten (Matt. 27:52-23; Mosia 15:21-25: Hel. 14:25-26; 3 Ne. 23:7-13). Jesus Christus wird mit Macht und Herrlichkeit nochmals zur Erde kommen. Die erste Auferstehung, die mit Christus begonnen hat, wird sich fortsetzen. Die Rechtschaffen, die noch vor seinem zweiten Kommen sterben, werden mit ihm in auferstandener und unsterblicher Herrlichkeit wiederkehren. Dieses zweite Kommen wird ebenfalls ein Zeichen für den Beginn des Milleniums sein. Im Millenium wird es tausend Jahre lang Frieden auf der Erde geben. Satan wird gebunden sein und keine Macht über die Herzen derjenigen haben, die auf der Erde verbleiben (Offenbarung 20:1-2; 1 Nephi 22:26). Joseph Smith lehrte, dass „Christus und die auferstandenen Heiligen während der tausend Jahre über die Erde herrschen werden. Sie werden wahrscheinlich nicht ständig auf dieser Erde verweilen, sie aber nach Belieben besuchen oder, wenn es notwendig ist, dort regieren“ (LPJS, S. 268). Während dieser Zeit wird sich Jesus offenbaren und gemäß den Worten Jesajas ist dann das Land „erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist“ (Jesaja 11:9; Heb. 2:14).
Jesus Christus ist der Gott der ganzen Erde und lädt alle Nationen und Völker ein zu ihm zu kommen. Als sterbliches Wesen wirkte er hauptsächlich bei den Juden, wie es im Neuen Testament beschrieben wird,. Nach seinem Tod und seiner Auferstehung erschien er seinen „anderen Schafen“, Gruppen verstreuter Israeliten. Zunächst zeigte er sich den Nephiten in Amerika, wie man es im Buch Mormon lesen kann. Er verkündete ihnen das Evangelium und gab ihnen Vollmacht in seinem Namen zu amtieren. Danach besuchte er die zehn verschollenen Stämme Israels, die zur Zeit der Assyrischen Gefangenschaft 721 v. Chr. zerstreut worden waren (Johannes 10:16; 3 Ne. 15:12-16; 17:4). Seine Erscheinungen, die in der Bibel und im Buch Mormon aufgezeichnet sind, sind historische, schriftliche Zeugnisse vom Erlöser. Zudem bezeugt Joseph Smith, dass ihm Jesus Christus in Begleitung seines Ewigen Vaters in der Nähe von Palmyra in New York im Frühling des Jahres 1820 erschienen ist, um die Evangeliumszeit der Fülle der Zeiten einzuleiten (JS—H 1:1–20). Oftmals hat der auferstandene Erretter seine Propheten der letzten Tage besucht und sich ihnen offenbart. Er wird auch weiterhin seine Kirche und sein Reich in den letzten Tagen führen.
Heilige der Letzten Tage richten ihre Verehrung und ihre Gebete an Gott, den Ewigen Vater. Wie auch in Ansprachen, Zeugnissen, Gebeten und beim Abendmahl, tun sie dies im Namen Jesu Christi (2 Ne. 25:16; Jakob 4:4–5; 3 Ne. 18:19; LuB 20:29; Mose 5:8). Die Heiligen verehren auch den Sohn Christus, indem sie ihn als die Quelle der Wahrheit und Erlösung, als das Licht und das Leben der Welt und als den Weg zum Vater anerkennen (Johannes 14:6; 2 Ne. 25:29; 3 Ne. 11:11). Sie richten ihren Blick auf ihn als ihren Befreier und trachten danach so zu sein wie er (vgl. LuB 93:12-20; McConkie, 1978, S. 568-69). Während Präsident David O. McKay die verwandelnde Macht des Beispiels Christi betonte, stellte er fest: „Kein Mensch kann sich ernsthaft entschließen die Lehren des Jesus von Nazareth auf sein Leben zu beziehen, ohne eine Wandlung in seiner eigenen Wesensart zu verspüren“ (IE 65 [Juni 1962]: 405).
Jesus Christus hat die körperliche Auferstehung aller, die gelebt haben oder noch auf dieser Erde leben werden (1 Kor. 15:21–22; Alma 11:40–42) zustande gebracht. Weil er die Welt überwunden hat, können alle Männer und Frauen von ihren Sünden umkehren und den Frieden eigener Reinheit und geistiger Vollkommenheit erfahren, indem sie Glauben an ihn ausüben, in sein Werk vertrauen und von seiner Gnade empfangen (Johannes 14:27; Phil. 4:7; 2 Ne. 2:8; 25:23; Enos 1:1–8; Mosia 4:1–3). Diejenigen, die gelernt haben sich auf den Herrn zu verlassen und sich auf seine liebevolle Barmherzigkeit stützen, singen „den Gesang der erlösenden Liebe“ (Alma 5:26). Nephi, der Prophet und Führer im Buch Mormon, jubelte: „Ich frohlocke in Klarheit; ich frohlocke in Wahrheit; ich frohlocke in meinem Jesus, denn er hat meine Seele von der Hölle erlöst“ (2 Ne. 33:6). „Und wir reden von Christus, wir freuen uns über Christus, wir predigen von Christus, wir prophezeien von Christus...damit unsere Kinder wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können“ (2 Ne. 25:26). Ein Apostel der letzen Tage hat geschrieben:
Christus ist mein Herr,
mein Heil, mein Schild,
mein Sehnen wird durch ihn gestillt.
Noch da ich ring mit Schmerz und Pein,
hör ich ihn sagen: „Du bist mein!“
Christus ist mein Herr!
Nun komm, was mag;
Bei ihm ich steh am großen Tag,
wenn er erscheint in Herrlichkeit,
zu herrschen in Gerechtigkeit.
(Bruce R. McConkie. “Christus ist mein Herr.” Im Gesangbuch der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzen Tage, Nr. 82. Salt Lake City: Deseret Book, 1985.)
BIBLIOGRAPHIE
Benson, Ezra Taft. Come unto Christ. Salt Lake City, 1983.
Dahl, Larry E., and Charles D. Tate, Jr., eds. The Lectures on Faith in Historical Perspective. Provo, Utah, 1990.
McConkie, Bruce R. The Promised Messiah. Salt Lake City, 1978.
———. The Mortal Messiah, 4 vols. Salt Lake City, 1979–1981.
———. The Millennial Messiah. Salt Lake City, 1982.
Talmage, James E. Jesus the Christ. Salt Lake City, 1972.
Taylor, John. The Mediation and Atonement of Our Lord and Savior Jesus Christ. Salt Lake City, 1882.
ROBERT L. MILLET