Johannes der Täufer wurde etwa sechs Monate vor dem Heiland Jesus Christus in Judäa geboren. Johannes’ hauptsächliche Aufgabe war es, den Weg für Jesus zu bahnen und ihn zu taufen. Seine spätere Rolle bei der Wiederherstellung des Aaronischen Priestertums im Jahre 1829 hat eine besondere Bedeutung für Heilige der Letzten Tage.
Bibelgelehrte deuten auf feine Unterschiede hin, wie jedes der vier Evangelien im Neuen Testament Informationen über Johannes den Täufer präsentiert. Markus scheint zu betonen, wie Johannes Jesus vorher darstellte, indem beide das Evangelium predigten und dann getötet wurden. Lukas weist auf die persönlichen Beziehungen zwischen Johannes und Jesus und auf wichtige Verbindungen zwischen dem Alten Testament und dem Neuen hin, die der Täufer anführt. Matthäus zeigt mehrfach auf, wie Johannes’ geistliches Wirken dem von Jesus ähnelt, stellt aber gleichzeitigt klar, dass Johannes unter Jesus steht, der Johannes als „den Elias, der kommen soll“ identifiziert“ ( Mt. 11:14). Andererseits scheint das griechische Evangelium nach Johannes seine apokalyptischen Lehren zu beschränken. Hier heißt es, dass er abstritt, jener Elias zu sein (Joh. 1:21). Auch erscheint niemals der Titel „der Täufer“, anscheinend um Johannes’ Rolle als erste Person zu jener Zeit zu betonen, die durch Offenbarung wusste und bezeugte, dass Jesus der Sohn Gottes war (Siehe J. Meier, „Johannes der Täufer im Matthäus Evangelium“, Journal of Biblical Literature 99 [1980]:383-86).
Für Heilige der Letzten Tage werden diese Nuancen von Johannes’ größere Rolle überragt und sind im Plan der Erlösung enthalten sind. Zum Beispiel illustriert sein geistliches Wirken die Notwendigkeit eines Propheten, denn „nichts tut Gott, der Herr, ohne dass er seinen Knechten, den Propheten, zuvor seinen Ratschluss offenbart hat“ (Amos 3:7). Er war die Stimme der Warnung, verkündete das Evangelium der Umkehr, legte Zeugnis von Jesus Christus ab, taufte durch Untertauchen, hatte Vollmacht von Gott, verhieß die Gabe des Heiligen Geistes und harrte bis ans Ende aus, selbst in seinem Märtyrertod. Er war der Elias, der „alles vorbereiten“ sollte (ÜJS Mt. 11:15???), aber nicht der Elias, „der alles wiederherstellen sollte“ (ÜJS Joh. 1:22, 26???).
Beide Eltern von Johannes stammten von Aaron ab: Zacharias diente als Priester im Tempel in Jerusalem, und Elisabeth, eine Tochter Aarons, war mit Maria, der Mutter von Jesus, verwandt (Lk 1:5, 36). Der Engel Gabriel (Siehe Noach), der Zacharias besuchte, während dieser im Tempel diente, verhieß seine Geburt. Obgleich Zacharias und Elisabeth inbrünstig um Kinder gebetet hatten, bekamen sie keine. In ihrem hohen Alter empfing Zacharias Gabriels Verheißung mit einigem Zweifel. Als Zeichen machte Gabriel Zacharias bis zur Namensgebung des Babys taub und offensichtlich stumm, und zwar acht Tage nach Johannes’ Geburt, dem Tag, an dem Johannes gemäß dem Gesetz des Mose beschnitten wurde. Abweichend vom Brauch wurde das Baby gemäß vorheriger Anweisung durch Gabriel Johannes anstatt nach seinem Vater Zacharias genannt. Zacharias gab seinem Sohn bei diesem Anlass einen Segen, dessen Wortlaut in der römisch-katholischen und protestantischen Terminologie als das Benedictus bekannt sind (Lk 1:68-79).
Über Johannes’ frühe Jahre und seine Ausbildung ist wenig bekannt. Als Maria, während beide schwanger waren, Elisabeth besuchte, „hüpfte“ Johannes „in ihrem Leib“ (Lk 1:41). Er war „von Mutterleib an vom Heiligen Geist erfüllt“ und „wurde vom Engel Gottes ordiniert“, als er acht Tage alt war (Lub 84:27-28). Da seine Eltern schon älter waren, fragen sich einige, ob er bald ein Waise war oder mit religiösen Sekten in der Wüste von Juda Umgang pflegte. Auf irgendeine Weise war er sorgfältig in den Evangeliumsgrundsätzen unterrichtet worden, denn er kam aus der Wüste hervor und predigte Umkehr (Mt. 3:2). Auch war er gut vorbereitet. Er wusste, was seine Aufgabe war und woher seine Vollmacht kam.
Jesus sagte über ihn: „Unter allen Menschen gibt es keinen größeren“ Propheten (Lk 7:28). Johannes der Täufer war dem Heiland sehr lieb. Johannes genoss ungewöhnliche Privilegien: Niemand anderes würde das sofortige Kommen Jesu verkünden, niemand anderes würde den Vorzug haben, das Lamm Gottes zu taufen, niemand anderes war damals der legale Verwalter der Angelegenheiten des Reiches auf Erden und Inhaber der Vollmachtsschlüssel. „Diese drei Gründe nun machen ihn zum größten Propheten unter allen Menschen“ (LPJS, S. 281).
Mit solchen Qualitäten trat Johannes hervor und predigte in der Wildnis von Judäa in der Nähe des Flusses Jordan energisch Umkehr und viele Evangeliumsgrundsätze (Mk 1:4-5). Er aß rituell reine Speisen, Heuschrecken (Lev. 11:22) und wilden Honig. Er trank „weder Wein noch andere berauschende Getränke“ (Lk 1:15) und trug die traditionelle Kleidung eines Propheten: Kamelhaar und einen Ledergürtel (Mk 1:6). Auch fastete er (Mt. 11:18). Er zog große Menschenscharen an und zog zunehmend die Missbilligung jener jüdischen Führer auf sich, die er mit seinem Predigen herausforderte.
Nach einiger Zeit kam der „eine, der mächtiger ist als ich“, nämlich Jesus, zu Johannes und bat um Taufe (Siehe Jesus Christus: Taufe Jesu Christi). Demütig und unterwürfig widerstand Johannes zuerst und erklärte, dass er von Jesus getauft werden müsste. Da Jesus darauf bestand, taufte Johannes ihn. Danach bezeugte er, dass das Zeichen Taube vom Himmel herab auf Christus herabkam (Joh. 1:32).
Damals schien Johannes allein die Verantwortung dafür zu tragen, zwei Dispensationen zu umspannen. Er war ein Kind der Verheißung, dessen geistlicher Dienst durch Jesaja, Lehi und Nephi I prophezeit worden war (Jes. 40:3, 1 Ne. 10:7-10, 2 Ne. 31:4-8).
Johannes hatte mit seinem Predigen und Taufen in der Nähe des Flusses Jordan wahrscheinlich ungefähr ein Jahr, bevor Jesus sein Werk in der Öffentlichkeit anfing, begonnen. Er hatte „keine Absicht, eine neue Sekte zu gründen“ (Scobie, S. 131). Seine Berufung war es, den Weg für Jesus vorzubereiten, und viele seiner Anhänger wurden Jesu engste und früheste Jünger. Sein intensives Umkehr-Predigen hatte die Machthaber sehr verärgert. Er prangerte die Ehe des Herodes Antipas mit Herodias, der Frau seines Bruders, an, weil diese Heirat deutlich gegen das jüdische Gesetz verstieß (Lev. 20:21, Josephus, Antiquities 18.5.1-2). Herodias wollte Johannes töten lassen, aber Herodes Antipas machte sich Sorgen um Johannes’ Beliebtheit beim Volk. Er ließ Johannes einkerkern (Mk 6:17), was sowohl die Pharisäer als auch Herodias etwas beruhigte. Während dieser ganzen Zeit war Jesus auf dem Weg nach Galiläa. Während er im Gefängnis war, sandte Johannes zwei seiner Jünger zu Jesus, um ihren Glauben an die Identität des Heilandes zu stärken, und Jesus unterstützte und bestätigte ihn (Lk 7:24-28). Durch schlaue Verschwörung und den betörenden Tanz ihrer Tochter Salome manipulierte Herodias schließlich Herodes derart, dass er Johannes hinrichten ließ.
Johannes der Täufer gehörte zu den Propheten und Heiligen, die bei Christi Auferstehung bei ihm waren (LuB 133:55). Etwa achtzehn Jahrhunderte später, am Freitag, den 15. Mai 1829, erschien dieser Vorläufer des Heilandes erneut. Dieses Mal bereitete er als Engel des Herrn die Welt auf das Zweite Kommen des Heilandes vor und übertrug die Schlüssel des Aaronischen Priestertums. Dies geschah, als Joseph Smith und Oliver Cowdery sich an einen abgeschiedenen Platz am Susquehanna Fluss nahe Harmony, Pennsylvanien zurückzogen hatten und um Anweisungen beteten. Kaum hatten sie begonnen, erschien ihnen ein himmlischer Bote, der sich als Johannes der Täufer vorstellte. Er legte seine Hände auf ihr Haupt und übertrug auf sie das Priestertum Aarons (LuB 13). Er trug den jungen Männern dann auf, einander im nahegelegenen Susquehanna Fluss zu taufen und dann einander die Hände aufzulegen, um das Priestertum, das er ihnen gegeben hatte, wiederum zu übertragen. Der Bote verhieß, dass ihnen das Melchisedekische Priestertum, oder das höhere Priestertum, zu einem späteren Zeitpunkt durch die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes übertragen werden würde (JSLg 1:72).
LOUI NOVAK