Johannes, der Jünger, den Jesus liebte, ist der Autor von fünf Schriften im Neuen Testament –einem Evangelium, der Offenbarung (Apokalypse, Siehe Johannes, Offenbarungen des) und drei Briefen. Obwohl der Autor sich in der Offenbarung als Johannes identifiziert (Offb. 1:1, 4, 9), ist er in den Briefen nur als „der Ältere“ und in den Evangelien als „der Jünger, den Jesus liebte,“ bekannt. Alte Traditionen und Stilelemente haben die einheitliche Autorschaft dieser Schriften vertreten, aber einige argumentieren, dass „der geliebte Jünger“ und „der Ältere“ zwei verschiedene Personen waren.
Johannes betont geistige Eigenschaften in seinen Schriften, einschließlich einiger kontrastierender Qualitätspaare, die die zwei gegensätzlichen geistigen Kräfte in der Welt illustrieren. Einige Beispiel sind Licht und Finsternis, Liebe und Hass, Wahrheit und Unwahrheit und Gott und der Teufel (Siehe Opposition). Johannes betont auch solche Ideen wie ein wahres Zeugnis abzulegen, den Herrn zu kennen, bis ans Ende auszuharren und vom Heiland emporgehoben zu werden.
Johannes und sein Bruder Jakobus waren Söhne des Zebedäus (einige denken, dass Salome Zebedäus’ Frau war, und basieren ihre Identifizierung auf Mt. 27:56 und Markus 15:40), und die Männer in der Familie waren Fischer am See von Galiläa. Ihr Geschäft florierte derart, dass sie zur Zeit, als Jesus die Brüder zum vollzeitigen geistlichen Dienst berief, Tagelöhner anstellten (Markus 1:19-20). Obwohl die Evangelien nach Matthäus und Lukas Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes am Anfang ihrer Listen aufführen, stellen Markus und die Apostelgeschichte Petrus, Jakobus und Johannes an den Anfang der Liste der Zwölf. Diese drei Apostel waren bei besonderen Anlässen, zum Beispiel bei der Auferweckung der Tochter des Jaïrus (Mk 5:37-43), auf dem Berg der Verklärung (Mt. 17:1-9) und bei Jesu Leiden im Garten Gethsemane (Mt. 26:37-45) allein mit Jesus. Der Prophet Joseph Smith sagte, dass diese drei alten Apostel während der Erfahrung der Verklärung die Schlüssel des Priestertums erhielten (LPJS, S. 160).
Johannes wird im Johannes-Evangelium gewöhnlich als einer der zwei Jünger Johannes des Täufers erwähnt, die nach ihrer Taufe Jesu Jünger wurden (Joh. 1:35-40). Jakobus und Johannes wurden von Jesus Boanerges („Söhne des Donners“) genannt, vielleicht wegen ihrer starken und impulsiven Persönlichkeiten. Entweder sie (Markus 10:35-40) oder ihre Mutter – in ihrem Namen (Mt. 20:20-23) – baten Jesus ihnen Ehrenplätze in seinem himmlischen Reich zu gewähren. Obwohl sie ihres Ehrgeizes wegen zurecht gewiesen wurden, bezeugten sie ihre Bereitwilligkeit ihm in seinem Leid und Elend beizustehen, und Jesus bestätigte, dass sie das tun würden.
Johannes beschreibt selber, dass er während des Letzten Abendmahls „an der Seite Jesu lag“ (Joh. 13:23). Später, als Jesus gebunden und vor den Hohenpriester geführt wurde, folgten ihm Johannes (der „den Hohenpriestern bekannt war“) und Petrus (Joh. 18:15). Johannes begleitete den Heiland weiterhin bei den nachfolgenden Ereignissen und war der einzige der Zwölf, der laut Bericht bei der Kreuzigung anwesend war. Jesus bat ihn, sich um seine Mutter Maria zu kümmern, und Johannes brachte sie zu sich nach Hause (Joh. 19:26-27).
Nach der Auferstehung Christi rannten Petrus und Johannes zu dem Grab, als ihnen Maria Magdalena erzählte, dass der Verschlusstein entfernt worden war. Johannes rannte schneller und kam zuerst ans leere Grab (Joh. 20:1-8). Später sagte der Herr zu Petrus, dass Johannes bis zum Zweiten Kommen des Herrn (auf der Erde) bleiben würde (Joh. 21:20-23). Dies führte zu der früh-christlichen Tradition, dass Johannes nicht gestorben ist. Der Prophet Joseph Smith bestätigte und korrigierte diese Tradition in einer Offenbarung, die besagt, dass Johannes, dem „Macht über den Tod“ gegeben ist, auf der Erde verbleibt „wie flammendes Feuer und ein dienender Engel…für jene, die Erben der Errettung sein werden“, bis der Heiland wiederkehrt (LuB 7, Siehe Entrückte Wesen). Der auferstandene Christus erwähnte Johannnes’ fortdauerndes geistliches Dienen auf Erden auch während seines Besuches beim Volk des Buches Mormon (3 Ne. 28:6-8).
Petrus und Johannes erscheinen zusammen bei vielen Anlässen in den frühen Kapiteln der Apostelgeschichte, und einige Zeit nach Jakobus’ Tod (Apg. 12:1-2) schloss sich diesen zwei Aposteln ein weiterer Jakobus, der „Bruder des Herrn“ (Gal. 1:19), in einer präsidierenden Kichrenverantwortung an. Jakobus, Petrus und Johannes waren die anerkannten „Pfeiler“ (Gal. 2:9).
Nach Petrus’ Tod (traditionell auf etwa das Jahr A.D. 67 datiert) wäre Johannes der dienstälteste und präsidierende Apostel gewesen. Viele Quellen besagen, dass Jahre später Johannes zu Ephesus lebte, von Kaiser Domitian (ca. A.D. 90) nach Patmos ins Exil geschickt wurde und während der Herrschaft Nervas (A.D. 96-98), dem Nachfolger Domitians, nach Ephesus zurückkehrte. Während seines Exils auf Patmos erhielt Johannes die Offenbarung, die er mit einem Begleitbrief an die sieben Gemeinden in Vorderasien senden sollte. Die Bedeutung der Offenbarung für die Heiligen der Letzten Tage wird durch die Vision von Nephi I im Buch Mormon unterstrichen, wo diesem Propheten durch einen Engel befohlen wird, nicht alles zu schreiben, was er gesehen hatte, denn den Bericht der Letzten Tage für die Welt würde Johannes, ein Apostel des Herrn, anfertigen (1 Ne. 14:18-27, weiter Ether 4:16).
Nachdem er nach Ephesus zurückgekehrt war, schrieb Johannes die drei Briefe im Neuen Testament, die seinen Namen tragen. Einige denken, dass er auch sein Evangelium zu diesem späten Zeitpunkt in Ephesus schrieb, aber andere setzen es früher an. Andere Schriften werden Johannes zugeschrieben, einschließlich der apokryphischen Apostelgeschichte des Johannes und verschiedener Versionen des Apocryphon [geheimes Schreiben] des Johannes, aber keine davon werden im Allgemeinen als authentische Schreiben des Apostels betrachtet.
Im Mai-Juni 1829 erschienen die drei alten Apostel Petrus, Jakobus und Johannes Joseph Smith und Oliver Cowdery, ordinierten sie zum Melchisedekischen Priestertum und gaben ihnen dieselben Schlüssel, die sie selber auf dem Berg der Verklärung empfangen hatten (LuB 27:12-13). Joseph Smith empfing später eine Offenbarung, die teilweise dem Prolog zum Johannesevangelium ähnelt, und erfuhr, dass sie „den vollständigen Bericht des Johannes“ zu einem späteren Zeitpunkt empfangen würden (LuB 93:6, 18).
BIBLIOGRAPHIE
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C. WILFRED GRIGGS