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INDIVIDUALITÄT

Gemäß der HLT-Lehre hat jedes menschliche Wesen eine ewige Identität, die seit dem vorirdischen Stand existiert und immer fortbestehen wird (Abr. 3:22-23). Außerdem sind alle Menschen für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich und alle werden vor dem Herrn stehen, um am Tag des Gerichts einen Bericht über ihr Leben abzugeben (GA 2, Moro. 10:27). Das bedeutet allerdings nicht, dass Einzelne autonom oder allein sind. Alle sind Geistkinder Gottes, des Vaters, der sie in Beziehungen organisiert hat, um ihr Wachstum und ihr Glück dadurch zu maximieren, dass sie einander dienen und lieben.

HLT-Lehren verdeutlichen, dass das Evangelium Jesu Christi zu leben bedeutet, sich freiwillig dem Willen Gottes zu unterwerfen. Joseph F. Smith hatte das Gefühl, dass es „einen stärkeren Charakter der Individualität“ zeigt, sich selbst mit Gott in Einklang zu bringen, als getrennt von ihm zu sein (JD 25:245). Als Einzelne müssen wir freiwillig Gottes Willen gehorchen, um Rechtschaffenheit zu erlangen (Joh 7:16), und Gottes Willen erfordert den Dienst am Nächsten in der Familie und in der Gemeinschaft (Mt. 20:26-27). Paradoxerweise „gewinnt sein Leben, wer es um [Christi] willen verliert“ (Mt. 10:39), und wie David O. McKay sagte, sind „die Pflichten sich selbst und seinem Nächsten gegenüber für jeden einzelnen unlösbar verbunden“ (S. 289). Die Kirche kann Menschen nicht zwingen, eins mit Gott und anderen zu werden. Das darf nur mit „überzeugender Rede, mit Langmut, mit Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe“ geschehen (LuB 121:41-43).

Die höchsten Ziele der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sind  so umfassend und weitzügig, wie man es sich vorstellen kann, sowohl individuell als auch kollektiv-nämlich das ewige Leben für alle und das ewige Fortbestehen für Familien zu erreichen und eine unterstützende, einige Gemeinschaft der Heiligen auf der Erde aufrecht zu erhalten, die die Fülle des Evangeliums Jesu Christi leben. Das Ausmaß und die Tiefe dieser Ziele gleichen dem Ausmaß an Verpflichtung, die sie erfordern. Christus verheißt rechtschaffenen Männern und Frauen, dass sie gemeinsame Erben mit ihm sein werden und alles erhalten werden, „was mein Vater hat“ (LuB 84:33-39, Röm. 8:14-18). Da der Heiland die Schätze der Ewigkeit angeboten hat, kann er von den Glaubenstreuen fordern, freiwillig ihren gesamten irdischen Besitz, einschließlich ihr Leben, zu opfern, um „den zum Leben und zur Erlösung nötigen Glauben hervorzubringen“ (Lehren über den Glauben, Vortrag 6, Paragraph 7). Heilige der Letzten Tage geben diesem Grundsatz in einem beliebten Kirchenlied Ausdruck: „Ich gehe, wohin du mich heißt, o Herr, und wie du willst, so will ich sein“ (Gesangbuch, Nr. 180).

Die Erlösung ist sowohl eine individuelle als auch eine kollektive Angelegenheit. Einzelne werden für ihre eigenen Sünden bestraft, aber die persönlichen Entscheidungen, die zu Wachstum und zur Erhöhung führen,  umfassen notwendigerweise andere Menschen. Das Sühnopfer Jesu Christi hat mit Beziehungen zu tun: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“, sagt der Heiland, und die Menschen zeigen ihre Liebe zu ihm dadurch, dass sie seine Gebote halten (Joh 14:6, 15). Das Taufbündnis hat persönliche und soziale Aspekte: Es umfasst die persönliche Bereitschaft, immer an Christus zu denken, und es ermutigt Mitglieder „einer des anderen Last zu tragen“ (Mosia 18:8).

Während der einzige Fokus der Kirche, nämlich ihre höchsten Ziele zu verwirklichen, die Mitglieder auf eine Weise vereinigt, die in starkem Kontrast zu Organisationen steht, die intern konkurrierende Ziele aufweisen, sind der Unterschiedlichkeit der einzelnen Glaubensansichten und Praktiken Grenzen gesetzt, die die Kirche tolerieren und dabei immer noch ihre Mission erfüllen kann (Siehe Orthodoxie, Irrlehre, Ketzerei). Weder Joseph Smiths oft zitierte Aussage, „Ich lehre die Menschen korrekte Grundsätze und sie regieren sich selbst“ (JD 10:57-58), noch Lehis Bestehen darauf, dass es Menschen freisteht, Freiheit und ewiges Leben oder Gefangenschaft und Tod zu wählen (2 Ne. 2:26-27), bedeuten, dass die Kirche ein internes Infragestellen ihrer Integrität oder Grundsätze ignorieren kann (Mt. 18:17, 2 Thess. 3:14-15, LuB 42:24, 74-93). Schwere Störungs- und Verstoßfälle können Disziplinarverfahren unterliegen und in Gemeinschaftsentzug oder sogar Exkommunikation resultieren.

Christus bekräftigt eine große Vielfalt und Individualität im Evangeliumsdienst. Jeder Mensch hat Fähigkeiten, so dass er wie Christus dienen kann, was andere nicht tun können. Jesus lehrte, dass persönliche geistige Gaben und Talente kultiviert und geteilt werden sollen: „Die besten Gaben
 sind gegeben, „damit allen genutzt sei“ (LuB 46:8-12, Siehe auch Gaben des Geistes).

Organisationen können zu einem gewissen Ausmaß Verhalten einschränken, und die Kirche übt auf Einzelne insofern einen einschränkenden Einfluss aus, als sie sich entscheiden sich einzufügen oder die Bedingungen zu erfüllen, um Berufungen oder einen Tempelempfehlungsschein zu erhalten. Allerdings gibt es viel Spielraum dafür, seiner eigenen Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen und jene zu schätzen, die vielleicht einen neuen Weg finden, die rechtschaffene Erfüllung ihrer Verantwortungen in Angriff zu nehmen. Gott rät seinen Kindern, ihre Gaben in seinem Dienst kreativ und intelligent zu benutzen: „Denn siehe, es ist nicht recht, dass ich in allem gebieten muss; denn wer in allem genötigt werden muss, der ist ein träger, nicht aber ein weiser Knecht“ (LuB 58:26-28). Ferner sollen die meisten Kirchenbeschränkungen wie das Gesetz der Keuschheit oder die Anweisung, abhängig machende Substanzen zu vermeiden, dem Einzelnen ein glücklicheres Leben ermöglichen. Freiwillig Jesus Christus zu folgen ist die höchste Freiheit, und Sünde die schlimmste Gefangenschaft (Joh 8:32, 2 Ne. 2:26-27).

Heilige der Letzten Tage lernen, dass sie und der ganze Rest der menschlichen Familie ewige Kinder eines liebenden Himmlischen Vaters sind. Ihre Individualität ist von unschätzbarem Wert und ewig. Die Erkenntnis, dass die Kirche durch eine Vielzahl einzelner Begabungen, Erfahrungen und Interessen bereichert wird, ist für den HLT-Glauben schon immer von grundlegender Bedeutung gewesen. Der abschließende Satz der Glaubensartikel feiert die diversen individuellen Wege, die Teil des rechtschaffenen Lebens sind: „Wenn es etwas Tugendhaftes oder Liebenswertes gibt, wenn etwas guten Klang hat oder lobenswert ist, so trachten wir danach.“ [Siehe auch Sozialisation, Einigkeit, Übertragung von Werten.]

BIBLIOGRAPHIE

Brown, Victor, Jr. „Differences.“ Ensign 8 (Juli 1978):8-11.

Dahl, Larry E. und Charles D. Tate, Jr., Hgg. The Lectures on Faith in Historical Perspective. Provo, Utah, 1990.

Higbee, Kenneth. „On Doing Your Own Thing.“ New Era 5 (Apr. 1975):18-20.

McKay, David O. „Each Individual Must Work Out His Own Salvation.“ Instructor 96 (1961):289-90.

Packer, Boyd K. Teach Ye Diligently. Salt Lake City, 1975.

Talmage, James E. „Practical Religion.“ AF , Kap. 24.

HOWARD M. BAHR


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