(Es gibt Artikel der Kirchengeschichte der folgenden sechs Zeitabschnitte:
Ca. 1820 bis 1831. Hintergrund, Gründung, New-York-Periode
Ca. 1831 bis 1844. Ohio, Missouri und Nauvoo
Ca. 1844 bis 1877. Exodus und frühe Utah-Periode
Ca. 1878 bis 1898. Spätere Utah-Pionierperiode
Ca. 1898 bis 1945. Übergang: Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
Ca. 1945 bis 1990. Die Nachkriegszeit (2. Weltkrieg) und die Internationale Periode
Außerdem befassen sich einige andere Artikel mit konkreten historischen oder methodischen Aspekten der Kirchengeschichte, nämlich WIRTSCHAFTSGESCHICHTE, GEISTESGESCHICHTE und RECHTSGESCHICHTE.
Das bibliographische Quellenmaterial stammt aus:
James B. Allen und Glen M. Leonard. “The Story of the Latter-day Saints”. Salt Lake City, 1976.
Leonard J. Arrington und Davis Bitton. “The Mormon Experience”. New York, 1979.
Church Educational System. “Church History in the Fulness of Times”. Salt Lake City, 1989.
Joseph Fielding Smith. “Essentials in Church History”. Salt Lake City, 1950.)
Ca. 1820 bis 1831. HINTERGRUND, GRÜNDUNG, NEW-YORK-PERIODE
(Andere Artikel, die sich mit den Ereignissen der ersten Periode der Kirchengeschichte befassen: ERSTE VISION, BESUCHE DES ENGELS MORONI.
Biographische Information aus der frühen Kirchengeschichte enthalten Artikel, die sich mit den Vorfahren der Familie Smith, mit Joseph Smith, Emma und anderen Mitgliedern der Familie Smith befassen, ebenso mit Martin Harris, Oliver Cowdery, David Whitmer und Sidney Rigdon. Siehe auch den Artikel über die ersten HLT-Ortsgemeinden in New York.)
Die Gründung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage begann mit Ereignissen in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, die sich hauptsächlich im amerikanischen Bundesstaat New York zutrugen. Der Prophet Joseph SMITH <Smith, Joseph> empfing im Jahr 1829 die Erste Vision <Vision, Erste>, er erhielt die im Hügel Cumorah <Cumorah, Hügel> verborgenen goldenen Platten des Buches Mormon im Jahr 1827, er empfing die Vollmacht des Priestertums im Jahr 1829 und gründete die Kirche offiziell am 6. April 1830. Als die Kirche im Jahr 1831 New York verließ und nach Ohio zog, stand ihre Struktur fest, und ihre allgemeine Richtung war ihr bereits vorgegeben.
In den Anfangsjahren lernte die Kirche zuallererst, sich auf Offenbarung als Richtungsweisung zu stützen. Der junge und verhältnismäßig ungebildete Joseph Smith gab nie vor, die Lehren der Kirche selbst erfunden oder interpretiert zu haben, sondern er wurde durch unmittelbar von Gott stammende Offenbarungen Schritt um Schritt geführt. Die vielleicht revolutionärste Lehre der Kirche ist - zusätzlich zur Bibel - der Glaube an von Christus kommende Offenbarung. Die Heiligen der Letzten Tage haben die göttliche Inspiriertheit der Bibel nie angezweifelt; sie war von Anfang an eine Grundstütze der Kirche. Die Heiligen der Letzten Tage haben jedoch durch Erfahrung gelernt, daß Gott auch zu Propheten gesprochen hat, die nicht zum traditionellen Kanon heiliger Schrift gehören. Dies geht aus dem Buch Mormon <Buch Mormon> hervor (siehe 2. Nephi 29:10–14). Außerdem hörten sie Joseph Smith mit derselben Vollmacht sprechen wie die biblischen Apostel und Propheten. Dadurch betrachteten die Heiligen der Letzten Tage Offenbarung aus einem neuen und anderen Blickwinkel, aber für andere Christen stellte moderne Offenbarung einen großen Stein des Anstoßes dar. Seit den Anfangstagen der Kirche gibt es jedoch für die Heiligen der Letzten Tage nichts Selbstverständlicheres.
Die Geschichte der Kirche nimmt mit der Familie des Joseph SMITH sen.<Smith, Joseph sen.> und der Lucy Mack SMITH <Smith, Lucy Mack>, den Eltern des Propheten, ihren Anfang (siehe SMITH, DIE FAMILIE SMITH), die es gleich Tausenden anderer Neu-Engländern im frühen neunzehnten Jahrhundert auf der Suche nach besserem Farmland nach New York zog. Sie brachten ihren calvinistisch geprägten religiösen Eifer mit, den die Lebensumstände eines republikanischen und pluralistischen Amerika etwas gedämpft hatten. Schon lange hatten sie erfolglos nach einer Religion gesucht, die ihnen glaubwürdig erschien. Die immer größere Anzahl christlicher Konfessionen und der Strom neuer intellektueller Strömungen aus der Zeit der Aufklärung machten es schwieriger, sich konfessionell umzuorientieren als noch zu jener Zeit, als die freien Kirchengemeinden Neuenglands einen starken Einfluß ausgeübt hatten. Joseph Smiths Streben nach Errettung begann mit der Frage nach der wahren Kirche. Diese Frage entstammte vermutlich der religiösen Unsicherheit seiner Eltern und der Vielzahl der Kirchen in seinem Heimatort, in dem es Presbyterianer, Baptisten, Methodisten und Quäker gab.
Angeregt durch die religiöse Erweckungsbewegung fragte Joseph Smith im Frühjahr des Jahres 1820 Gott nach der wahren Kirche. Obwohl er erst vierzehn Jahre alt war, vertraute er der biblischen Verheißung auf Antwort von Gott (siehe Jakobus 1:5). Er begab sich in den Wald in der Nähe seines Elternhauses, kniete sich hin und betete. In seinen Berichten über dieses Erlebnis hat er festgehalten, wie sehr ihn die Antwort auf sein Gebet erstaunte - erschienen ihm doch Gott Vater und Jesus Christus! Sie geboten ihm, sich keiner der damals existierenden Kirchen anzuschließen. Sie versicherten ihn ihres Vertrauens und sagten ihm vieles, was er nicht niederschreiben durfte. Damit war die Vision vorüber und Joseph Smith blieb völlig überwältigt zurück. Die Heiligen der Letzten Tage betrachten diese Offenbarung des Vaters und des Sohnes als einleitendes Ereignis zur Wiederherstellung des Evangeliums.
Dreieinhalb Jahre lang wurde Joseph Smith keine weitere göttliche Offenbarung zuteil. Am Abend des 21. September 1823 kniete er sich zum Gebet nieder, da ihn die Frage beschäftigte, ob er weiterer Offenbarungen unwürdig geworden sei. Zu seinem Erstaunen erschien in seinem Zimmer ein Engel, der sich Moroni <Moroni, besucht Joseph Smith zum ersten Mal> nannte und sagte, daß er ihm Anweisungen von Gott bringe. Er erzählte Joseph Smith von einem auf Goldplatten geschriebenen Bericht, der die Geschichte der früheren Einwohner Amerikas enthalte. Der auferstandene Herr Jesus Christus sei - laut Moroni - diesen Völkern erschienen und habe ihnen die Fülle des Evangeliums gebracht. Moroni teilte ihm außerdem mit, daß die goldenen Platten in einem Hügel in der Nähe von Joseph Smiths Elternhaus verborgen seien. Im Laufe der Nacht erschien ihm der Engel insgesamt dreimal und überbrachte ihm jedesmal dieselbe Botschaft, wobei er aber jedesmal noch etwas hinzufügte. Trotz völliger Erschöpfung suchte Joseph Smith am darauffolgenden Tag den Hügel auf und entdeckte die Platten in einem Steinbehälter direkt unter der Erde. Es wurde ihm jedoch verboten, sie herauszunehmen. Der Engel Moroni erschien ihm ein weiteres Mal und gebot ihm, am selben Tag (dem 22. September) des darauffolgenden Jahres zurückzukehren. Im Laufe der nächsten vier Jahre kehrte Joseph Smith immer wieder gewissenhaft zurück, und am 22. September 1827 durfte er die Platten endlich heraus- und mitnehmen. (Siehe MORONI, BESUCHE DES ENGELS MORONI.)
Die Ereignisse der vergangenen vier Jahre (von 1823 bis 1827) waren sicherlich dazu geeignet, Joseph Smith bei der Vorbereitung auf die Pflichten und Herausforderungen zu helfen, die auf ihn zukommen sollten. Verschiedenes deutet darauf hin, daß sich Joseph Smiths Vater als Schatzgräber betätigt hatte, eine damals häufige Beschäftigung unter den verarmten Farmern Neuenglands, die hofften, mit Hilfe übersinnlicher Künste vergrabenes Geld zu finden. Daher war es nötig, daß sich Joseph Smith von falschem Aberglauben jeglicher Art freimachte. Der Engel sagte Joseph Smith auch, daß einer der Gründe für die mehrjährige Wartezeit auf die Goldplatten seine Gedankenspielereien mit ihrem materiellen Wert gewesen seien. (PWJS, S. 7.) Im November 1825 arbeiteten Joseph Smith und sein Vater vorübergehend für einen gewissen Josiah Stowell <Stowell, Josiah> aus SOUTH BAINBRIDGE (AFTON), NEW YORK, der glaubte, daß in HARMONY, PENNSYLVANIEN in der Nähe des Susquehannah ein spanischer Schatz vergraben liege. Das Unternehmen scheiterte, und die beiden Smiths entsagten über kurz oder lang den Schatzsucheplänen ihrer Nachbarn, um sich auf ihre geistliche Mission vorzubereiten, die vom Engel Moroni geschildert worden war. Als angenehme Begleiterscheinung seiner Arbeit in Harmony lernte Joseph Smith Emma Hale <Hale, Emma, Joseph Smiths Frau> kennen, die er am 18. Januar 1827 heiratete. In der Zwischenzeit verstarb sein älterer Bruder Alvin <Smith, Alvin>. Im Jahre 1826 wurde Joseph Smith wegen Wahrsagerei verhaftet, da ein Gesetz des Bundesstaates New York verbot, “Wahrsagerei zu betreiben oder dadurch verlorene oder gestohlene Gegenstände auffinden zu helfen” (siehe Definition “Disorderly Persons”, The Justices’s Manual, Albany, New York, 1829, S. 144. Siehe auch JOSEPH SMITH, Gerichtsverhandlungen). Seine Eltern verloren ihre Farm, da sie die letzte Rückzahlungsrate nicht aufbringen konnten. Diese unangenehmen Erlebnisse, wie auch viele andere, ließen den jungen Joseph Smith heranreifen und schenkten ihm Kraft, als er lernte, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und mit Widerwärtigkeiten fertigzuwerden.
Als Joseph Smith 1827 die Platten bekommen hatte, machten es ihm seine neugierigen und oft auch böswilligen Nachbarn in den Orten Manchester und Palmyra (New York) so gut wie unmöglich, an der Übersetzung zu arbeiten. Sie durchstöberten sein Wohnhaus und die Ställe, und nur durch wiederholte Umzüge und Verbergen konnte er die Platten sicher aufbewahren. Es war ihm in aller Deutlichkeit gesagt worden, daß er die Platten niemandem zeigen dürfe, aber dies schreckte die Neugierigen nicht ab. Emma Smiths Bruder Alva <Hale, Alva> bot Joseph Smith seine Hilfe an und fuhr das Ehepaar samt seinen Habseligkeiten und den in einem Bohnenfaß versteckten Platten 200 Kilometer nach Harmony in Pennsylvanien, wo Emmas Vater lebte. Joseph Smith bekam von seinem Schwiegervater Isaac Hale <Hale, Isaac, Joseph Smiths Schwiegervater> ein Grundstück und ein kleines Haus geschenkt, und nun konnte mit der Übersetzung begonnen werden.
Martin HARRIS <Harris, Martin>, ein gut gesinnter Nachbar aus Palmyra, war so sehr an den Platten interessiert, daß er Joseph Smith in Harmony aufsuchte. Zusammen mit den Platten hatte Joseph Smith auch ein Gerät bekommen, das der “Übersetzer” oder “der Urim und Tummim” <Urim und Tummim> genannt wurde, und das es ihm erlaubte, die Schriftzeichen auf den Metallplatten zu übersetzen. Joseph Smith kopierte einige Schriftzeichen auf ein Blatt Papier, die Martin Harris einigen Sprachexperten in Albany und New York City vorlegen sollte, um Joseph Smiths Übersetzung zu bestätigen. Was im Laufe dieser Gespräche tatsächlich vorgefallen ist, steht nicht mit Gewißheit fest. Martin Harris schien jedoch befriedigt gewesen zu sein, denn nach seiner Rückkehr nach Harmony bot er Joseph Smith an, diesem als Schreiber zu dienen. Zwischen dem 12. April und dem 14. Juni 1828 fertigten die beiden 116 Manuskriptseiten an. Harris litt sehr darunter, daß seine Frau die Existenz der Goldplatten bezweifelte, und bat Joseph Smith daher um Erlaubnis, ihr und vier anderen Verwandten das Manuskript zeigen zu dürfen. Nur äußerst widerwillig gestattete es ihm Joseph Smith. Nachdem er wochenlang nichts mehr von Martin Harris gehört hatte, fuhr Joseph Smith zu dessen Eltern nach Manchester in New York, um ihn zur Rede zu stellen. Völlig verzweifelt gab Martin Harris zu, daß ihm das Manuskript abhanden gekommen sei. Er hatte dem Druck nachgegeben und es entgegen seiner Abmachung mit Joseph Smith einigen Nachbarn gezeigt, und dabei war es entwendet worden.
Mit diesem Problem als Anlaß, empfing Joseph Smith durch den Urim und Tummim eine Offenbarung, in der er vom Herrn scharf zurechtgewiesen wurde. Mehr als Martin Harris war Joseph Smith am Verlust des Manuskripts schuld. “Siehe, du hättest die Menschen weniger fürchten sollen als Gott”, wurde ihm gesagt. (LuB 3:7.) Martin Harris wirkte für Joseph Smith nun nicht mehr als Schreiber, und von jenen Tagen an bis zum Frühjahr 1829 arbeitete Joseph Smith so gut wie überhaupt nicht an der Übersetzung des Buches Mormon. Im April erfuhr Oliver COWDERY <Cowdery, Oliver>, ein junger Lehrer, der bei der Familie Smith in Manchester als Untermieter wohnte, vom Buch Mormon. Da er selber in einer Vision Gott und die Platten gesehen hatte, war er davon überzeugt, daß dies alles von Gott käme und bot sich daher als Schreiber an. (PWJS, S. 8.) Ab dem 7. April 1829 arbeiteten Joseph Smith und Oliver Cowdery beinahe ununterbrochen an der Übersetzung, bis sie sie - kaum zwei Monate später - im Juni abschlossen.
Bei der Arbeit an der Übersetzung des Buches 3. Nephi, in der es unter anderem um die Taufe geht, fragten sich Joseph Smith und Oliver Cowdery, inwiefern sie selbst der Taufe bedurften. Wie üblich wendetete sich Joseph Smith mit seiner Frage an Gott. Am 15. Mai 1829 erschien Joseph Smith und Oliver Cowdery, während diese im Beten begriffen waren, ein Bote vom Himmel. Er stellte sich ihnen als Johannes der Täufer <Johannes der Täufer überträgt das Aaronische Priestertum> vor und übertrug auf sie das Aaronische Priestertum, wodurch sie die Vollmacht zu Taufen empfingen. Mit der soeben empfangenen Vollmacht und unter der Anleitung des Engels tauften die beiden Männer einander im Susquehannah. Diese Offenbarung rief einen wichtigen Grundsatz der Kirche ins Leben, nämlich: Heilige Handlungen, wie z.B. die Taufe, dürfen ausschließlich von Personen vollzogen werden, die durch Ordinierung die Vollmacht des Priestertums empfangen haben. Johannes der Täufer teilte Joseph Smith und Oliver Cowdery mit, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres, höheres Priestertum empfangen sollten, das das Melchisedekische Priestertum genannt wird. Demgemäß erschienen ihnen später an den Ufern des Susquehannah irgendwo zwischen Harmony und Colesville in New York Petrus, Jakobus und Johannes <Petrus, Jakobus und Johannes übertragen das Melchisedekische Priestertum> und ordinierten sie zu Aposteln.
Ende Mai 1829 war der Widerstand gegen Joseph Smith in Harmony schon sehr stark geworden, und daher bedurften er und Oliver Cowdery eines ruhigeren Ortes, um mit ihrer Arbeit fortfahren zu können. Oliver Cowdery schrieb seinem Freund David WHITMER <Whitmer, David>, der ihm zusagte, daß sie zu ihm nach FAYETTE in New York kommen konnten. Emma Smith folgte ihnen kurze Zeit später nach. Am 11. Juni 1829 wurde das Urheberrecht für das Buch Mormon beantragt und die Übersetzung kurz danach fertiggestellt. Bei Abschluß der Übersetzung erfuhr Joseph Smith durch Offenbarung, daß auch andere Personen die Goldplatten sehen dürften. Das Buch Mormon selbst machte eine Aussage über künftige Zeugen, und Joseph Smiths Mitarbeiter wurden neugierig, wem dieses Vorrecht zuteil werden würde. Martin Harris, David Whitmer und Oliver Cowdery wurden dazu bestimmt. Der Engel Moroni zeigte ihnen die Platten und sie hörten die Stimme Gottes, die ihnen bezeugte, daß das Buch Momon durch die Macht Gottes übersetzt worden sei. Wenige Tage später wurde Joseph Smith gestattet, die Platten acht weiteren Männern zu zeigen. Sie untersuchten die Platten genau und hielten sie in Händen. Das Zeugnis dieser beiden Zeugengruppen befand sich in der Ausgabe von 1830 auf den letzten Seiten des Buches Mormon. In neueren Ausgaben befindet es sich auf den ersten Seiten.
Es erwies sich als schwieriges Unterfangen, für das Buch Mormon einen Drucker zu finden. Die Menschen in Palmyra, die gegen Joseph Smith Argwohn hegten, taten sich zusammen und schüchterten den ortsansässigen Drucker Egbert B. Grandin <Grandin, Egbert B. druckt das Buch Mormon> ein, indem sie ihm damit drohten, daß niemand das Buch kaufen werde. Andere wiederum, wie beispielsweise Martin Harris’ Frau Lucy <Harris, Lucy, Martin Harris’ Frau>, stellten Joseph Smiths Motive in Frage. Nachdem er sich mit Druckern bis in das entfernt gelegene Rochester in Verbindung gesetzt hatte, gelang es Joseph Smith endlich, Grandin zum Drucken zu überreden. Überzeugt wurde er von Martin Harris und dessen Haftungsversprechen. Am 25. August 1829 nahm Martin Harris auf seine Farm eine Hypothek in der Höhe von dreitausend Dollar auf, um die 5000 Exemplare des Buches Mormon zu bezahlen. Joseph Smith und Martin Harris erhofften sich, Exemplare im Wert von dreitausend Dollar verkaufen zu können; schlußendlich mußte Harris aber 151 Hektar Grund verkaufen, um seinem Zahlungsversprechen nachkommen zu können. Der Druck begann im August 1829, und die fertigen Exemplare wurden ab 26. März 1830 zum Verkauf angeboten.
Die Veröffentlichung des Buches Mormon brachte Joseph Smiths Arbeit zu Ende, die im Jahr 1827 begonnen hatte, als Joseph Smith die Platten empfangen hatte. Zwischenzeitlich war ihm durch den Empfang weiterer Offenbarungen bewußt geworden, daß das Übersetzen des Buches Mormon nicht das Ende seiner göttlichen Mission darstellte, denn er sollte nun eine Kirche gründen. Ende Mai 1829 war Samuel Smith <Smith, Samuel> getauft worden; Hyrum SMITH <Smith, Hyrum>, David <Whitmer, David> und Peter Whitmer jun. <Whitmer, Peter jun.> und andere waren im Juni im Seneca-See getauft worden. Man hatte sich des öfteren versammelt und sich bemüht, all jene zu belehren und bekehren, die ihr Interesse bekundet hatten. Am 6. April 1830 gründete Joseph Smith im Haus von Peter Whitmer sen. <Whitmer, Peter, sen.> in Fayette, New York, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. In Anwesenheit von über fünfzig Personen trugen sich sechs Männer als Mitglieder der Kirche ein. Zwei Personen wurden als Führer der Kirche bestätigt, nämlich Joseph Smith und Oliver Cowdery als erster beziehungsweise zweiter Ältester. Joseph Smith erhielt außerdem den Titel Seher, Übersetzer und Prophet. Zudem gab es eine Offenbarung, daß Älteste, Priester, Lehrer und Diakone zum Laienpriestertum berufen werden sollten. Einige bei der Gründung der Kirche Anwesende wurden noch an jenem Tag ordiniert. Von Anfang an hat es in der Kirche keinen eigentlichen Berufsklerus gegeben.
Die ersten Anhänger der Kirche wurden bald nach deren Gründung in drei Gemeinden eingeteilt: Eine in Fayette, eine in Manchester, die sich im alten Wohnhaus der Familie Smith versammelte und eine in COLESVILLE im Süden des Bundesstaates New York (nahe der Farm des Josiah Stowell <Stowell, Josiah> im Ort Bainbridge, Kreis Chenango. Josiah Stowell war Joseph Smiths ehemaliger Arbeitgeber und treuer Unterstützer gewesen.). Den Kern der Gemeinde Colesville bildete die Familie des Joseph Knight <Knight, Joseph>, die Joseph Smith und seine Mitarbeiter während deren Wirken an der Übersetzung mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt hatten. Joseph und Emma Smith zogen nach Harmony zurück, trafen die Mitglieder aber zu den vorgeschriebenen vierteljährlichen Konferenzen, die im Juni und September 1830 im Haus des Peter Whitmer stattfanden.
Im Sommer 1830 kam es zu ernsthaften Schwierigkeiten. Joseph Smith wurde zweimal der Ruhestörung angeklagt, beide Male jedoch freigesprochen. Was ihm größeres Kopfzerbrechen bereitete, war die Tatsache, daß einige seiner eigenen Anhänger seine Vollmacht in Frage stellten und behaupteten, selbst Offenbarungen und Vollmacht empfangen zu haben. Hiram Page <Page, Hiram>, im Juni 1830 zum Lehrer ordiniert und Ehemann der Catherine Whitmer <Whitmer, Catherine>, kam mit einem ganzen Bündel angeblich von Gott empfangener Offenbarungen daher. Trotz seiner Jugend und Unerfahrenheit sah Joseph Smith die Verwirrung voraus, die auszubrechen drohte, wenn zu viele Stimmen angeblich mit Vollmacht sprachen. Während der September-Konferenz in Fayette empfing Joseph Smith die Offenbarung, in der bestimmt wurde, daß nur eine einzige Person, die durch allgemeine Abstimmung bestätigt werden muß, Offenbarungen und Gebote für die Kirche als Ganzes empfangen darf. (Siehe LuB 20:65; 28:1–3, 11–13.) Hiram Page mangelte es an dieser Vollmacht. Nachdem die Anwesenden Joseph Smith zugehört hatten, bestätigten sie ihn als alleinigen Offenbarer für die Kirche. (Siehe LuB 28:2; D. Cannon und L. Cook, Hrsg., Far West Record, Salt Lake City, 1983, S. 3.) Bis zum heutigen Tag gilt in der Kirche der Grundsatz, daß nur der als Prophet bestätigte Mann Offenbarung für die ganze Kirche empfängt.
In den sechs Monaten nach Gründung der Kirche kamen nach und nach immer mehr Bekehrte hinzu. Joseph Smiths Bruder Samuel <Smith, Samuel, Missionar> zog mit einigen Exemplaren des Buches Mormon los und teilte sie an Interessierte aus. Joseph Smith sen. <Smith, Joseph sen.> besuchte seine Eltern und Geschwister in seiner Heimat im Kreis St. Lawrence im Bundesstaat New York, und erzählte ihnen von dem Geschehenen. Als Folge dieser Reisen gab es nur wenige unmittelbare Bekehrungen; zu Taufen kam es erst später. Parley P. PRATT <Pratt, Parley P.>, ein Farmer aus Ohio, glaubte, daß Gott ihn zum Haus von Joseph Smiths Bruder Hyrum geführt habe, wo er das Buch Mormon kennenlernte.
Die erfolgreichste Missionsreise begann im September und Oktober 1830, als Oliver Cowdery <Cowdery, Oliver, Mission zu den Indianern>, Peter Whitmer jun. <Whitmer, Peter jun., Mission zu den Indianern>, Parley Pratt <Pratt, Parley, Mission zu den Indianern> und Ziba Peterson <Peterson, Ziba, Mission zu den Indianern> dazu berufen wurden, die Indianer zu bekehren. (Siehe LAMANITEN,MISSION ZU DEN LAMANITEN.) Das Buch Mormon hatte für die amerikanischen Indianer eine besondere Bedeutung, da es sich um einen religiösen Bericht aus dem alten Amerika handelte. Die vier Männer wurden beauftragt, den Indianern, die sich im Territorium westlich von Missouri niedergelassen hatten, die Botschaft des Buches Mormon zu bringen. Diese Missionsreise wurde sowohl für das bekannt, was die Missionare unterwegs erlebten, als auch dafür, daß unter den Indianern Missionsarbeit verrichtet wurde. Nach ihrer Abreise aus New York legten die Missionare im nordöstlichen Ohio in der Gegend von Mentor/Kirtland in der Nähe von Pratts Farm eine Pause ein. Vor seiner Taufe war Pratt Mitglied der Campbelliter gewesen, die sich später “Disciples of Christ” (“Jünger Christi”) nannten. Sie lehrten die strikte Einhaltung der Lehren und Praktiken der neutestamentlichen Kirche und lehnten alle späteren Zusätze ab. Die Lehren des Joseph Smith stießen bei ihnen auf Interesse, weil sie darin die unverfälschte Wiederherstellung des wahren Christentums erkannten. Ungefähr 130 Menschen wurden getauft, darunter der führende Campbelliter-Prediger Sidney RIGDON <Rigdon, Sidney wird bekehrt>. Innerhalb weniger Wochen verdoppelten die vier Missionare die Mitgliederschaft der Kirche. Im Winter reisten sie in das Indianerterritorium und erlitten auf ihrer langen Fußreise von St. Louis über den Mississippi viel Beschwerliches. In West-Missouri fanden sie neues Land, wohin die Kirche bald umsiedeln würde. Sie lehrten die Delaware- und Shawnee-Indianer das Evangelium, und zwar so lange, bis ihnen Regierungsbeamte dies aufgrund eines unter diesen Stämmen herrschenden Bekehrungsverbotes untersagten.
Kurz nach Abreise der Missionare aus Ohio in Richtung Westen, reiste Sidney Rigdon in der Begleitung von Edward Partridge <Partridge, Edward> nach New York. Dort erzählten sie von den Bekehrungen in Ohio und drängten Joseph Smith sowie die anderen Mitglieder, nach Ohio zu ziehen. Aufgrund mehrerer Offenbarungen bezüglich der Sammlung der Kirche (LuB 37:1–4; 38:1–33) war dieser gewillt, Rigdons Vorschlag ernst zu nehmen. Bis zur Jahrhundertwende sammelten sich die Neubekehrten immer an einem zentralen Sammlungsort - erst in Ohio, dann in Missouri, Illinois, und schließlich in Utah. Eine andere Offenbarung befaßte sich mit dem Zweiten Kommen Christi und den seinem Kommen vorangehenden Zerstörungen. Darin wurde gesagt, daß das Volk Gottes noch vor jenen Zerstörungen “an einem Ort in diesem Land gesammelt werden solle” (LuB 29:8.) Eine weitere Offenbarung erwähnte die Stadt Zion, die im Westen der USA errichtet werden sollte (LuB 28:9). Diese Andeutungen führten die Mitglieder der Kirche zu der Schlußfolgerung, daß sie nicht mehr lange in New York bleiben sollten.
Als im Dezember 1830 die Offenbarung (LuB 37) kam, in der der Umzug nach Ohio geboten wurde, stimmten dem fast alle zu. Während einer Konferenz am 2. Januar 1831 wurden Anweisungen und eine zusätzliche Offenbarung gegeben (LuB 38), die den Umzug betraf. Der Prophet, Emma Smith und einige andere zogen voraus und kamen am 1. Februar 1831 in KIRTLAND <Kirtland> an, wo sie die Ankunft der Nachkommenden vorbereiteten. Die Gemeinde Colesville unter der Führung von Newel Knight <Knight, Newel>, die Gemeinde Fayette unter der Führung der Mutter des Propheten und Thomas Marsh <Marsh, Thomas>, und die Gemeinde Manchester unter der Führung von Martin Harris reisten im April und Mai 1831 getrennt nach Ohio. Bis Mitte Mai waren alle ehemaligen Mormonen aus New York nach Kirtland übersiedelt.
BIBLIOGRAPHIE
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Bushman, Richard L. Joseph Smith and the Beginnings of Mormonism. Urbana, Illinois, 1984.
Madsen, Truman G., Gastredakteur, BYU Studies 9, Frühjahr 1969, S. 235–404. (Das gesamte Heft befaßt sich mit den Ursprüngen der Kirche in New York.)
Porter, Larry C. “A Study of the Origins of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints in the States of New York and Pennsylvania, 1816–1831. Dissertation, Brigham Young University, 1971.
Smith, Lucy Mack. History of Joseph Smith, Preston Nibley, Hrsg. Salt Lake City, 1958.
Whittaker, David J. “Sources on Mormon Origins in New York and Pennsylvania.” Mormon History Association Newsletter, Nr. 43, März 1980, S. 8–12.
RICHARD L. BUSHMAN
LARRY C. PORTER