Am 30. Oktober 1838 griffen Teile der Missouri-Miliz die in der Nähe von Jacob Hauns Mühle gelegene HLT-Siedlung am Shoal Creek im östlichen Kreis Caldwell des Bundesstaates Missouri an. Weil dieser Angriff während eines Waffenstillstands völlig unprovoziert, nicht auf Befehl und von einer zahlenmäßig überlegenen Gruppe mit ungewöhnlicher Grausamkeit durchgeführt wurde, ist er als »Haun's-Mill-Massaker« in die Geschichte eingegangen. Dieser Vorfall im Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen den Heiligen der Letzten Tage und den Bewohnern Missouris führte im Jahr 1839 zur Vertreibung der Heiligen der Letzten Tage aus Missouri. (Siehe KONFLIKTE IN MISSOURI.)
Seit die Heiligen der Letzten Tage begonnen hatten, sich im mittleren Missouri in den Kreisen Caldwell und Daviess niederzulassen, hatten sich die Spannungen zunehmend verstärkt. Von August bis Oktober 1838 nahmen die offenen Auseinandersetzungen drastisch zu. Es ging das Gerücht um, daß die Mormonen die Missourier ihres Landes berauben wollten. Insbesondere die Bewohner von Haun's Mill wollten angeblich in den bis dahin nicht von Mormonen bewohnten Kreis Livingston umsiedeln. Gewaltausbrüche führten am 27. Oktober Gouverneur Lilburn W. Boggs dazu, einen »AUSROTTUNGSBEFEHL« zu unterschreiben, der die Heiligen der Letzten Tage vor die Entscheidung Auswanderung oder Ausrottung stellte. Es steht nicht fest, ob dieser Befehl das auslösende Moment für das Massaker war, aber sowohl die Heiligen der Letzten Tage als auch die Missourier fühlten sich ihrer Rechte beraubt und in ihrer Existenz bedroht.
Als die ungefähr zweihundertköpfige Miliztruppe aus den Kreisen Livingston, Daviess und Carroll unter der Führung von Oberst Thomas Jennings sich Haun's Mill näherte, hielten sich gerade dreißig bis vierzig Mormonenfamilien in dem Ort auf. Da sie annahmen, daß ein früher abgeschlossener Waffenstillstand noch immer in Kraft sei, wurden sie von diesem Angriff am frühen Nachmittag völlig überrascht. Die von Kirchenführer David Evans ausgesprochene Bitte um Schonung wurde nicht beachtet, und die Siedler mußten um ihr Leben fliehen. Die Frauen und Kinder flüchteten über einen Bach in den Wald, während sich die Männer in einer Schmiede verschanzten, die sich als schlechte Zufluchtsstätte herausstellte, da die Missourier durch die breiten Zwischenräume in der Holzwand auf die sich zusammenkauernden Männer schießen konnten.
Siebzehn Mormonen und ein ihnen wohlgesinnter Nichtmormone kamen ums Leben. Weitere dreizehn wurden verwundet, darunter eine Frau und ein dreizehnjähriger Junge. Milizsoldaten wurden keine getötet, drei jedoch verwundet. Die Mormonen nahmen den Milizsoldaten einige Todesopfer besonders übel, so z.B. daß der 87-jährige Thomas McBride, der seine Muskete dem Milizsoldaten Jacob Rogers ausgehändigt hatte, von diesem auf der Stelle erschossen und mit einem Getreidemesser zerfleischt wurde; oder daß William Reynolds, der den zehnjährigen Sardius Smith unter dem Blasebalg der Schmiede versteckt fand, dem Kind die Schädeldecke wegschoß.
Während sich die Frauen um die Verwundeten kümmerten, hielten sich die Männer die ganze Nacht lang versteckt. Die Toten wurden in einen Brunnen geworfen und mit Erde und Stroh leicht zugedeckt. Tags darauf kehrten einige Missourier zurück, plünderten die Siedlung und warnten die übriggebliebenen Heiligen der Letzten Tage vor einem weiteren Verbleib in Missouri.
Die in den Jahren 1838 und 1839 erfolgten gerichtlichen Untersuchungen des »Mormonenkrieges« ließen das Haun's-Mill-Massaker weitgehend unbeachtet; die Heiligen der Letzten Tage hingegen verfaßten zahlreiche verbitterte Berichte darüber. Das »Haun's-Mill-Massaker« hat sich in die Seele der Heiligen der Letzten Tage als Höhepunkt der grausamen Verfolgungen, die sie erleiden mußten, tief eingegraben.
BIBLIOGRAPHIE
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LeSueur, Stephen C. The 1838 Mormon War in Missouri. Columbia, Mo., 1987.
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ALMA R. BLAIR