Seit ihren Anfängen hat die Kirche das Führen von Berichten und Verfassen geschichtlicher Aufzeichnungen als ihre unumstößliche Pflicht betrachtet. (Siehe dazu LuB 123:1–7.) Das 1830 erschienene Buch Mormon ist eine Zusammenfassung alter Berichte, die auf das Geheiß Gottes geführt wurden. (Siehe 1. Nephi 9:3,5; Jakob 1:2; 3. Nephi 23:4, 11–13.) Auch die moderne Offenbarung gebietet das Führen von Aufzeichnungen. (Siehe LuB 21:1; 47:3; 69:3; 72:5,6.) Die Heiligen der Letzten Tage führen Aufzeichnungen, nicht nur um einem göttlichen Gebot Folge zu leisten, sondern um sich vor falschen Behauptungen zu schützen und künftige Generationen zu bekehren und sie geistig stärken zu können. (History of the Church 1:1;2:199; 6:409.)
Obwohl sich die meisten Gebote dieser Art auf das Führen offizieller Kirchenberichte bezog, beziehen die Heiligen der Letzten Tage sie ebenfalls auf den einzelnen. Joseph Smith <Smith, Joseph> und andere bekannte Kirchenführer wirkten durch das Führen von Tagebüchern als Vorbilder. Seine Sekretäre und Schriftführer zeichneten seine Offenbarungen, Ansprachen, seinen Briefverkehr, Segen und heilige Handlungen auf.
DIE GESCHICHTSSCHREIBER DER FRÜHEN KIRCHE (1830–1842). Mit Oliver COWDERYS Berufung als erster Berichtführer der Kirche anläßlich ihrer Gründung am 6. April 1830 (LuB 21:1) wurde das Führen von Berichten und Verfassen geschichtlicher Aufzeichnungen offiziell eingeführt. Daß der beste Freund des Propheten und der fähigste Schreiber, der ebenfalls der zweite Älteste der Kirche war, als Berichtsführer berufen wurde, beweist, welche Bedeutung diesem Amt beigemessen wurde. Laut seinem Nachfolger schrieb Cowdery <Cowdery, Oliver> die Kirchengeschichte bis Mitte 1831, als er entlassen wurde. Diese erste Kirchengeschichte ist bis heute nicht aufgefunden worden. Während seiner zweiten Amtszeit in dieser Berufung (1835–1837) vervollständigte Cowdery eine Reihe von acht historischen Briefen, die er im Oktober 1834 in der Zeitung Messenger and Advocate zu veröffentlich begonnen hatte.
John Whitmer <Whitmer, John>, einer der acht Zeugen des Buches Mormon war von 1831 bis 1834 offizieller Berichtsführer der Kirche. Nach seiner Entlassung schrieb er bis zu seinem Ausschluß aus der Kirche im Jahr 1838 inoffiziell an der Kirchengeschichte weiter. Seine Geschichte der Jahre 1831–1838 wurde 1908 veröffentlicht.
George W. Robinson <Robinson, George W.>, Sidney RIGDONS <Rigdon, Sidney> Schwiegersohn, wurde laut History of the Church 2:513 im Jahr 1837 Berichtsführer der Kirche. Er begleitete Joseph Smith auf dessen Reise zu den Siedlungen der Kirche im nördlichen Missouri und führte einen kurzen Bericht, der “The Scriptory Book of Joseph Smith, Jr.” betitelt war. Als Robinson 1840 von NAUVOO auf die andere Seite des Flusses umzog, wurde er entlassen.
Von 1838 bis 1843 gab es einige Überschneidungen, was die Berichtsführer und Geschichtsschreiber der Kirche anbelangte. Die Jahrbücher der Kirche, die als Gegenstück zu den lauthals angepriesenen mormonenfeindlichen Schriften verfaßt wurden, waren teilweise vernachlässigt worden. Um dies wieder gutzumachen, ließ Joseph Smith sofort die früher entstandenen Aufzeichnungen in die Far-West-Berichte einfügen, machte sich mit Sidney Rigdons Hilfe wieder an seine eigene Geschichte und berief John Corrill <Corrill, John> und Elias Higbee <Higbee, Elias> als Geschichtsschreiber der Kirche, die mit Robinson zusammenarbeiten sollen.
Kurz nach seiner Berufung rieb sich John Corrill an einer Kritik seitens des Propheten und sagte im Verlauf mehrerer Verhandlungen gegen seine früheren Freunde aus, was seinen Ausschluß aus der Kirche zur Folge hatte. Als Rechtfertigung für seinen Bruch mit der Kirche schrieb und veröffentlichte er 1839 schnell die Geschichte der Kirche, die er als Geschichtsschreiber der Kirche nie geschrieben hatte.
Elias Higbee half als Geschichtsschreiber der Kirche bei der Sammlung eidesstattlicher Aussagen zu den Verlusten der Heiligen der Letzten Tage in Missouri. Im Oktober 1839 begleitete er Joseph Smith und Sidney Rigdon nach Washington, D.C., um diese Aussagen den Behörden vorzulegen. Als der amerikanische Präsident Van Buren sie im Februar 1849 als null und nichtig zurückgewiesen hatte, blieb Higbee in Washington und bemühte sich erfolglos um eine Anhörung vor dem Justizkomitee des US-Senats. Seine Aufzeichnungen in Zusammenhang mit diesen Vorfällen in Washington, die später in die “History of Joseph Smith” aufgenommen wurden, sind Higbees wichtigster Beitrag zur Kirchengeschichte.
Im Jahr 1840 wurde Robinson als Geschichtsschreiber der Kirche durch den 28-jährigen Robert B. Thompson <Thompson, Robert B.> ersetzt, dem jedoch wenig Zeit für Geschichte blieb. Er führte über Joseph Smiths Korrespondenz Bericht, zeichnete Patriarchalische Segen auf und war Finanzsekretär der Stadt, Sekretär des Hohenrates und Redakteurstellvertreter der Times and Seasons. Nach seinem Tod im Jahr 1841 wurde der erfahrene Sekretär James Sloan <Sloan, James> Geschichtsschreiber der Kirche, ging jedoch innerhalb des darauffolgenden Jahres in seine Heimat Irland auf Mission.
GESCHICHTSSCHREIBER DER KIRCHE IN DER PIONIERZEIT (1842–1900). Nach einigem Hin und Her, was die Bezeichnung dieses Amtes und deren Inhaber anbelangte, wurde das Amt des Berichtsführers und das Amt des Geschichtsschreibers zusammengelegt und 1842 mit Willard Richards<Richards, Willard> besetzt, der dafür hervorragend geeignet war und dieser Position auf der Stelle Bedeutung und Würde verlieh. Richards führte das Tagebuch des Propheten, führte dessen Korrespondenz, stellte einen Großteil der “History of Joseph Smith” zusammen, zeichnete die Predigten des Propheten entweder selbst auf oder ließ sie von jemand anderem aufzeichnen und führte bei Sitzungen und über die heiligen Handlungen im Nauvoo-Tempel Bericht.
Richards Arbeit verlieh den unruhigen Jahren der Pionierzeit Kontinuität. Mit Hilfe seines Assistenten Thomas Bullock <Bullock, Thomas> verpackte er die Kirchenberichte in feste Behälter, um sie in den Westen transportieren zu können. In WINTER QUARTERS richtete er in einer achteckigen Holzhütte übergangsweise sein Büro ein, das zugleich als Hauptbüro der Kirche diente. In Utah machte er sein eigenes Heim in Salt Lake City zum Büro des Geschichtsschreibers der Kirche, das es bis zu seinem Tod am 11. März 1854 blieb.
Niemand schien besser dazu geeignet zu sein, die “History of Joseph Smith” abzuschließen, als dessen Cousin George A. Smith <Smith, Goerge A.>, der am 7. April 1854 als Geschichtsschreiber und Berichtsführer der Kirche berufen wurde. Er ließ ein kleines Bürogebäude gegenüber Brigham Youngs Büro auf der anderen Straßenseite errichten, das von 1856 bis 1917 als Büro des Geschichtsschreibers der Kirche diente. Sein Hauptwerk war die Vervollständigung der “History of Joseph Smith” sowie die Zusammenstellung der “History of Brigham Young”.
Albert Carrington <Carrington, Albert>, ein Absolvent des Dartmouth College und Brigham Youngs Sekretär sowie Herausgeber der Deseret News, wurde 1870 zum Apostel und Geschichtsschreiber der Kirche ordiniert. In seiner vierjährigen Amtszeit setzte er die Arbeit an der “Manuscript History of Brigham Young” fort. Der Apostel Orson PRATT <Pratt, Orson> wurde 1874 im Alter von 63 Jahren als Geschichtsschreiber der Kirche berufen und schrieb nie persönlich an der Kirchengeschichte. Er starb im Jahr 1881.
Obwohl Wilford WOODRUFF <Woodruff, Wilford> von 1883 bis 1889 Geschichtsschreiber der Kirche war, leistete er seinen größten Beitrag zur Kirchengeschichte als Assistent des Geschichtsschreibers der Kirche von 1856 bis 1883. Er war die treibende Kraft hinter dem Projekt, bei dem über jeden Apostel eine Biographie geschrieben werden sollte, und zeichnete dafür verantwortlich, daß Joseph Smiths Predigten zum Druck in der History of the Church vorbereitet wurden. Woodruffs Tagebücher, die er seit seiner Taufe bis wenige Wochen vor seinem Tod mit großer Gründlichkeit führte, erwiesen sich bei der Zusammenstellung der Lebensgeschichte von Joseph Smith und Brigham YOUNG als unersetzlich.
Der Apostel Franklin D. Richards <Richards, Franklin D.> war fünf Jahre lang Assistent des Geschichtsschreibers der Kirche, ehe er im Jahr 1889 selbst Geschichtsschreiber der Kirche wurde. Er reiste nach San Franzisko, um Hubert H. Bancroft <Bancroft, Hubert H.>, der damals an seiner Geschichte der Staaten und Territorien der westlichen USA arbeitete, mit Information zu versorgen. Die daraus entstandene History of Utah (1890) wurde damals als die objektivste und wissenschaftlichste Geschichte der Pionierperiode der Kirche betrachtet. Elder Richards war ein eifriger Sammler historischer Fakten und beauftragte seinen Assistenten Andrew Jenson <Jenson, Andrew> wiederholt, sich zwecks Stoffsammlung auf weite Reisen zu begeben. Andrew Jenson hatte noch vor seiner Ernennung zum Assistenten des Geschichtsschreibers der Kirche im Jahr 1897 auf eigene Initiative hin historische Arbeiten im Interesse der Kirche begonnen.
DIE GESCHICHTSSCHREIBER DES FRÜHEN 20. JAHRHUNDERTS. Anthon H. Lund <Lund, Anthon H.> war von 1900 bis 1921 Geschichtsschreiber der Kirche. Er war ein fähiger und freundlicher Verwaltungsbeamter, der wichtige Projekte leitete, darunter den im Jahr 1917 erfolgten Umzug seiner Abteilung und aller Unterlagen in das neue Verwaltungsgebäude der Kirche. Andrew Jenson bereiste auch weiterhin viele Pfähle und Missionen und sammelte Stoff für seine “Manuscript History”. Er ist der Verfasser tausender biographischer Skizzen. Im Jahr 1906, als ihm die “Journal History” übertragen wurde, begann er eine bis zum Jahr 1830 rückwirkende Zusammenstellung wichtiger Quellen in Form von Jahrbüchern, die bis zum Jahr 1932 auf 518 Bände angewachsen war. Bis zu seinem Tod im Jahr 1941 arbeitete er an mehreren persönlichen historischen Projekten.
Elder B.H. Roberts <Roberts, B.H.> vom Kollegium der Siebzig begründete mit seinen Werken The Life of John Taylor (1892), Outlines of Ecclesiastical History (1893), The Missouri Persecutions (1900) und The Rise and Fall of Nauvoo (1900) seinen Ruf als Historiker. Im Jahr 1902 wurde er als Assistent des Geschichtsschreibers der Kirche berufen und mit der Neuauflage und Herausgabe der History of the Church beauftragt. Mit den ersten sechs Bänden wurde er im Jahr 1912 fertig, den siebten Band schloß er im Jahr 1932, ein Jahr vor seinem Tod, ab. Während seiner Arbeit an der History of the Church schrieb Roberts auch noch die Artikelserie “A History of the Mormon Church”, die von 1909 bis 1915 monatlich in der Zeitschrift Americana erschien, später nochmals überarbeitet wurde und 1930 als Roberts Comprehensive History of the Church erschien.
Im Jahr 1901wurde Joseph Fielding SMITH <Smith, Joseph Fielding> Andrew Jensons Assistent, womit seine neunundsechzigjährige Verbindung mit dem Büro des Geschichtsschreibers begann. Von 1906 bis 1921 war er Assistent des Geschichtsschreibers der Kirche und schrieb mehrere historische Artikel und Broschüren. Von 1921 bis 1970 war er Geschichtsschreiber der Kirche. Sein 1922 erschienenes Buch Essentials in Church History war bis in die achtziger Jahre unseres Jahrhunderts ein Klassiker. Sein zweibändiges Werk Church History and Modern Revelation (1953) enthielt zahlreiche Erklärungen zu den Vorbedingungen und geschichtlichen Hintergründen der im Buch “Lehre und Bündnisse” enthaltenen Offenbarungen. Elder Smith war ein Apologet klassischen Stils und seine Geschichtsphilosophie hat die Kirche lange beeinflußt.
DIE NEUERE KIRCHENGESCHICHTE. Joseph Fielding Smith leitete die Modernisierung des Büros des Geschichtsschreibers der Kirche ein. Er verbesserte die Richtlinien für die Aufbewahrung, Klassifizierung und Verwaltung des historischen Materials. Er stellte geschulte Bibliothekare und Archivare ein und half bei der Planung eines neuen, vierstöckigen Bürogebäudes. Als Präsident der Kirche berief er Apostel Howard W. Hunter <Hunter, Howard W.> als Geschichtsschreiber der Kirche (1970–1972). Nach einer Beratung durch Berufshistoriker und Archivisten empfahl Elder Hunter die Umbildung des Büros des Geschichtsschreibers der Kirche in eine sogenannte Historische Abteilung der Kirche, die wiederum aus drei Abteilungen besteht, und zwar aus einer Bibliothek für bereits veröffentlichte Unterlagen, dem Manuskriptarchiv und der Abteilung für Forschung und Geschichtsschreibung.
Seit Willard Richards sind alle Geschichtsschreiber und Berichtsführer der Kirche zugleich auch Apostel oder Mitglieder der Ersten Präsidentschaft der Kirche gewesen. Diese langjährige Tradition fand 1972 ein Ende, als Leonard J. Arrington <Arrington, Leonard J.>, ein amerikaweit bekannter und anerkannter Historiker anläßlich der Generalkonferenz der Kirche als Geschichtsschreiber der Kirche bestätigt wurde und dieses Amt von 1972 bis 1977 innehatte. Auch seine Aufgaben unterschieden sich von denen seiner Vorgänger. Seine Hauptaufgabe bestand daraus, wissenschaftliche Werke für die Veröffentlichung vorzubereiten. Earl E. Olson<Olson, Earl E.>, seines Zeichens Archivar der Kirche, wurde mit der Sammlung und Archivierung historischen Materials betraut, Donald T. Schmidt <Schmidt, Doanld T.> wurde der Kirchenbibliothekar und Florence Jacobsen <Jacobson, Florence> Leiterin der Abteilung Kunst und Denkmäler. Ihr Vorgesetzter und geschäftsführender Direktor war Alvin R. Dyer <Dyer, Alvin R.>, damals Assistent der Zwölf Apostel. Im November 1972 zog die Historische Abteilung der Kirche in ein neues, größeres Gebäude um. Am 17. Mai 1976 wurde Joseph Anderson <Anderson, Joseph>, ein Assistent der Zwölf Apostel, Elder Dyers Nachfolger.
Mit einerm ganzen Heer ausgebildeter Historiker setzte Arrington die Führung der Geschichtsbücher der Kirche schneller als je zuvor fort. Die Historische Abteilung der Kirche war auch am Neuerwerb vieler Geschichtsbücher sowie an der Einrichtung einer Geschichtsführung durch Tonaufzeichnungen beteiligt.
Die im Mai 1977 erfolgte Bestellung von G. Homer Durham <Durham, G. Homer> vom Ersten Siebzigerkollegium zum geschäftsführenden Direktor der Historischen Abteilung der Kirche leitete den Rückzug der Kirche aus der hauptberuflichen Geschichtsschreibung ein. Sieben Projekte wurden entweder gekürzt oder ganz eingestellt. Am 26. Juni 1980 ließ die Kirche die Gründung des “Joseph Fielding Smith Institute for Church History” verlautbaren, das Teil der Brigham Young Universität wurde. Arrington wurde Leiter des neuen Instituts und die meisten seiner hauptberuflichen Historiker wurden Angestellte der Universität. Auf diese Art und Weise wurde das Verfassen geschichtlicher Werke Universitätssache, und die Historische Abteilung der Kirche verwaltet seither nur mehr zum Zweck historischer Forschung die bestehenden Archive, ohne mit dem Verfassen einer “offiziellen” Geschichte der Kirche befaßt sein zu müssen.
Am 8. Februar 1982 wurde Elder G. Homer Durham Geschichtsschreiber der Kirche. In seine Amtszeit fiel dank Florence Jacobsens Initiative die Einrichtung des “Museum of Church History and Art”, das im April 1984 seine Türen öffnete. Die Geschichtsabteilung der Kirche besteht seither aus den Abteilungen “Archive”, “Bibliothek” und “Museum”. Elder Dean L. Larsen <Larsen, Dean L.>, Mitglied der Präsidentschaft des Siebzigerkollegiums, wurde Durhams Nachfolger und war von 1985 bis 1990 Geschichtsschreiber und Berichtführer der Kirche. Im Jahr 1989 wurde John K. Carmack <Cormack, John K.> vom Ersten Siebzigerkollegium geschäftsführender Direktor der Abteilung. Im Jahr 1996 wurde das Amt des Geschichtsschreibers der Kirche mit dem Posten des geschäftsführenden Direktors zusammengelegt und wird seither von Elder Marlin K. Jensen <Jensen, Marlin K.> besetzt.
BIBLIOGRAPHIE
Bitton, Davis und Leonard Arrington. Mormons and Their Historians. Salt Lake City, 1988.
Jenson, Andrew. L.D.S. Biographical Encyclopedia, 4 Bde., Salt Lake City, 1901–1936.
Searle, Howard C. “Early Mormon Historiography.” Dissertation, University of California at Los Angeles, 1979.
HOWARD C. SEARLE