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GERICHTE, KIRCHLICHE, 19. JAHRHUNDERT

Im 19. Jahrhundert dienten Gerichtssysteme der HLT zur gerichtlichen Entscheidung über gewissermaßen alle Art legaler Unstimmigkeiten unter den Kirchenmitgliedern. Seit dem späten 19. Jahrhundert wurden die Kirchengerichte, die man heute Disziplinarräte nennt, allerdings nicht mehr für die Schlichtung privater Unstimmigkeiten genutzt. Die schriftliche Grundlage für Kirchengerichte entstand in den frühen 1830er Jahren. Zunächst führten Älteste Gerichtsverfahren durch, um den Stand der Mitglieder zu bestimmen. 1831 bekamen ein Bischof, der als „Richter in Israel“ bezeichnet wurde (LuB 58:17), und seine Ratgeber die Vollmacht als  Gericht des Bischofs zu handeln. 1834 wurde der Hohe Rat bestellt, um größere Schwierigkeiten in der Kirche zu bereinigen und Berufungen von den Entscheidungen des Bischofsgericht zu prüfen (LuB 102). Das Gericht des Hohen Rates besteht aus einem Pfahlpräsidenten, seinen beiden Ratgebern und den Zwölf Mitgliedern des Hohen Rates des Pfahls. Das Gericht der Ersten Präsidentschaft ist das höchste, verfügbare Gericht, das Einsprüche vom Gericht des Hohen Rates hört (LuB 102:27).

Die Aufgabenbereiche dieser Gerichte variieren. Die 1830er Jahre waren von der rapiden Ausbreitung der Mitgliedschaft der Kirche und der ausgedehnten Abwanderung, um der Verfolgung in Ohio und Missouri zu entkommen, gekennzeichnet. Während dieser Zeit boten Kirchengerichte den Mitgliedern gewöhnlich einen seinfachen, angemessenen und freundlichen Gerichtsstand, um Auseinandersetzungen beizulegen, die nichts mit der Kirche zu tun hatten. Während einiger Jahre vor der Nauvoo Charta und wieder während der westwärtigen Abwanderung bis 1850 verkündeten, bestärkten und entschieden die Kirchengerichte über etliche zivile und kriminelle Verfügungen. Danach behandelten die Kirchengerichte bis zur Verabschiedung des Polen Gesetzes (Poland Act) durch den amerikanischen Kongress (1874) weiterhin zivile Auseinandersetzungen, obwohl andere Gerichte verfügbar waren,  ernannt durch die föderale und territoriale Regierung (vom Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannte Richter) und durch Richter in den Landkreisen (von der territorialen Gerichtsgebung ernannt). Nachlassrichter waren fast immer Priestertumsträger der Heiligen der Letzten Tage. Dazu gehörten örtliche Pfahlpräsidenten und Bischöfe. Nachlassgerichte hatten weitreichende Macht über alle kriminellen und zivilen Gerichtsangegelegenheiten zusätzlich zu den normalen Funktionen der Testamentsabschrift. Während dieser Zeit behandelten Kirchengerichte jedoch die meisten Unstimmigkeiten zwischen Mitgliedern der Kirche. Heilige der Letzten Tage wandten sich meist bei kriminellen Vergehen und bei Vergehen gegen Nichtmitglieder an die Nachlassgerichte des Landkreises auch dann, wenn es wichtig war ein formales Gerichtsurteil zu bekommen.

Mit der Verabschiedung des „Polen Gesetzes“ im Jahre 1874 und mit der Entscheidung des Obersten Bundesgerichts bezüglich Reynolds V. United States (1879) verstärkte sich der föderale Angriff auf die Mehrehe der Heiligen der Letzten Tage. Die Kirchengerichte boten den einzigen Gerichtsstand, um Frauen und Kinder bei der Beilegung von Auseinandersetzungen mit ihren polygamen Ehemännern und Vätern zu helfen. Gerichte der Regierung konnten wenig Unterstützung bieten, da die Mehrehe gesetzwidrig war.

Im 19. Jahrhundert nutzten Mitglieder Kirchengerichte für private Auseinandersetzungen größtenteils aufgrund des Prinzips exklusiver Rechtssprechung, welche die Kirche weitgehend durchführte. Zur Anwendung dieses Prinzips gebrauchten Führer der Kirche Predigten und Schriften, um Mitglieder zu ermutigen die Zivilgerichte zu meiden. Sie verhängten auch Gemeinschaftsentzug oder Exkommunikation, wenn man ein anderes Mitglied bei den Zivilgerichten verklagte. Demnach lösten Nichtmitglieder die meisten Fälle in Ziwilgerichten im Bereich Utah aus, obwohl ungemein viele Einwohner Utahs Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage waren.

Nachdem Utah 1896 die Eigenstaatlichkeit erlangte, wurde ein reguläres Gerichtssystem eingerichtet. Danach hörte das Kirchengericht auf, sich mit temporären Auseinandersetzungen zu befassen.

In ihrer Geschichte hatten viele Kirchengerichtsfälle ständig mit sexuellen Belästigungen zu tun. In den frühen Jahrzehnten des Staates Utah urteilten Kirchengerichte bei Auseinandersetzungen wegen Ländereien, da die Bischöfe Grundbesitz an Mitglieder verteilt hatten gemäß ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten das Land produktiv zu nutzen. Bei der Ausfertigung von Vertragsangelegenheiten war das Hauptziel die Versöhnung von Brüdern und Schwestern im Evangelium. In solchen Fällen richteten sich die Kirchengerichte nach einem wahrscheinlichen Ausgang ähnlicher Auseinandersetzungen in Zivilgerichten. Allerdings fühlten sich die Kirchengerichte nie von allgemeinen, gerichtlichen Präzedenzfällen völlig gebunden. Sie nutzten Inspiration, Brauch, Schriften und kirchliche Anweisungen, um gerechte Lösungen zu erreichen. Versöhnung und was der gesamten Gemeinschaft zugute kam waren die Leitziele.

BIBLIOGRAPHIE

Firmage, Edwin B., and Richard C. Mangrum. Zion in the Courts: A Legal History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 1830-1900. Chicago, 1988.

Leone, Mark P. "Ecclesiastical Courts: Inventing Labels and Enforcing Definitions." Roots of Modern Mormonism. Cambridge, Mass., 1979.

Swenson, Raymond T. "Resolution of Civil Disputes by Mormon Ecclesiastical Courts." Utah Law Review (1978):573-95.

JAMES H. BACKMAN