Der Gebetskreis ist für Heilige der Letzten Tage Teil der Gottesverehrung im Tempel und ist normalerweise der Endowmentzeremonie zugehörig. Hier umgeben kreisförmig eine gleiche Anzahl weißgekleiderter Männer und Frauen einen Altar, um vereint zu beten.
Der Kreis ist ein uraltes und universelles Symbol der Vollkommenheit. In einer öffentlichen Rede veranschaulichte der Prophet Joseph Smith mit einem Ring das Sinnbild der Ewigkeit, „einer ewigen Runde,“ ohne Anfang und ohne Ende (LPJS, 298; 1963 ed.). Die Gestaltung eines Gebetskreises deutet auf Ganzheit und Ewigkeit hin. Mitwirkende, nachdem sie bestätigen, dass sie niemanden in diesem Kreis schlecht gesinnt sind (vgl. Matt. 5:23-24), rufen durch kollektives Gebet eine gemeinschaftliche Harmonie hervor, eine Harmonie, die durch geschlossene Formation, einheitliche Kleidung, und durch das gemeinsame Wiederholen der vorgegebenen Worte des Amtierenden gefördert wird. Das Gebet hängt von keinem vorgeschriebenen Text ab, sondern bietet unter anderem die Gelegenheit die Segnungen des Herrn auf diejenigen zu lenken, die besondere Bedürfnisse haben und deren Namen zum Zweck dieses kollektiven Flehens vorliegen.
Gebete, die in solch kreisförmigen Gestaltungen ausgetragen werden, lassen sich bis auf die früheste Christenheit zurückverfolgen. Zum Beispiel im Apocryhon des Johannes, werden Mitwirkende aufgefordert „bildet einen Kreis, haltet einander an den Händen, während [Jesus] in der Mitte steht und das Gebet führt“ (James, 253). Weitere Texte bestehen darauf, dass die Beteiligten sich durch Waschen oder Selbstversöhnung vorbereiten, geheime Worte oder Zeichen zu empfangen, oder besondere Kleidung zu tragen, während andere auf einen ritualen Tanz hindeuten.
„Gebetsringe“ waren auch unter protestantischen Wiederbelebungsbewegungen des 19. Jahrhunderts populär. Die Freimaurer dieser Epoche bildeten auch einen Kreis um einen Altar herum, wo sie gemeinschaftlich die ihnen anvertrauten Zeichen ihrer Gemeinschaft wiederholten (Siehe Freimaurer und der Tempel).
Trotz dieser Analoga ist der Gebetskreis der Heiligen der Letzten Tage eine eigenständige Zeremonie, die aber mit der ganzen Gottesverehrung im Tempel unzertrennlich verwoben ist. Wahrscheinlich wurde sie Mai 1842 eingeführt, als Joseph Smith diese rituale Handlung einigen seiner engsten Mitarbeiter vorführte. Mit Gewissheit war ein Gebetskreis, mit Joseph Smith als Amtierender, am 26. Mai 1843 gebildet worden. Dieser Gebetskreis, der in manchen frühen Berichten als das „Kollegium der Gesalbten“ bezeichnet wurde, und dem man allmählich weitere Männer und Frauen zuweihte, versammelte sich nach dieser Zeit regelmäßig. Dies war nicht nur in Joseph Smiths letztem Lebensjahr der Fall, sondern wurde nach seinem Märtyrertod Juni 1844 weiterhin vollzogen, bis im Dezember 1845 das Endowment im Nauvoo Tempel eingeführt wurde.
Obwohl der Gebetskreis in jeder Instanz dem Tempelgottesdienst enstammt, entstanden einige Kreise unabhängig von der Endowmentzeremonie. Die Praxis von Mitglied-schaften in diesen besonderen Gebetskreisen fand 1851 ihren Anfang und hörte 1929 auf. Im allgemeinen hing Mitgliedschaft von keiner kirchlichen Position ab. Weitere Gebetskreise wurden innerhalb von Priestertumsgruppen geformt; unter anderem in Pfahlpräsidentschaften, Hohen Räten, Priestertumskollegien und Gemeindebischofschaften. Sie wurden alleinig mit der Befugnis der Ersten Präsidentschaft der Kirche und meistens aus speziellen Anliegen gebildet.
Am 3. Mai 1978 gab die Erste Präsidentschaft bekannt, dass die Praxis der Gebetskreise außerhalb des Tempels eingestellt werden soll. Außer der Endowmentzeremonie, werden Gebetskreise nur noch als Teil der wöchentlichen Versammlung der Ersten Präsidentschaft mit dem Kollegium der Zwölf Apostel und in den monatlichen Zusammenkünften der anderen Generalautoritäten im Salt Lake Tempel durchgeführt.
BIBLIOGRAPHIE
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Quinn, D. Michael. "Latter-day Saint Prayer Circles." BYU Studies 19 (Fall 1978):79-105.
GEORGE S. TATE