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FREIMAURERTUM UND DER TEMPEL

Gelehrte, die sowohl den Mormonismus als auch das Freimaurertum untersuchen, haben sich über mögliche Verbindungen zwischen Freimaurerriten und der HLT-Tempelzeremonie Gedanken gemacht. Obwohl einige argumentieren, dass Joseph Smith beim Entwickeln der Tempelzeremonie Freimaurer-Elemente borgte, stimmt das Endowment mehr mit HLT-Schriften überein (besonders mit dem Buch Abraham und dem Buch Mose) und Ritualen, die älter als die Freimaurer sind.  Heilige der Letzten Tage sehen die Verordnungen als eine offenbarte Wiederherstellung altertümlicher Tempelzeremonien an und nur nebensächlich mit dem Freimaurertum verbunden. Die zwei stehen allerdings nicht im Widerspruch. Sie bedrohen einander auch nicht und keine der beiden Einrichtungen verhindert Forschungen in Bezug auf die altertümlichen Ursprünge der zwei Zeremonien.

Viele heilige Zeremonien existierten im Altertum. Diese Rituale wurden im Laufe der Jahrhunderte abgeändert und existierten in der einen oder anderen Form unter den alten Ägyptern, Koptischen Christen, Israeliten und Freimaurern und in der katholischen und protestantischen Liturgie. Gemeinsame Elemente umfassen das Tragen besonderer Kleidung, ritualistische Rede, die Dramatistierung  archetypischer Themen, die Unterweisung und der Gebrauch symbolischer Gesten. Ein vielen gemeines Thema--zum Beispiel im ägyptischen Buch der Toten, den ägyptischen Pyramidentexten und koptischen Gebetskreisen zu finden—ist die Lebensreise des Menschen und sein Streben danach, nach dem Tod an den Torhütern am Eingang zur ewigen Glückseligkeit mit den Göttern erfolgreich vorüber zu gehen. Obwohl diese Zeremonien stark variieren, eröffnen bedeutende Gemeinsamkeiten die Möglichkeit einer entfernten gemeinsamen Quelle.

Die ägyptischen Pyramidentexte zum Beispiel weisen sechs Hauptthemen auf: (1) Betonung  eines ursprünglichen Schriftstücks als Hintergrund für die Riten, (2) Reinigung (einschließlich Salbung, Läuterung und Einkleidung), (3) die Schöpfung (Auferstehungs- und Erweckungstexte), (4) der Garten (einschließlich Baum- und rituelle Mahlzeitenmotive), (5) Reisen (Schutz, ein Fährmann- und Osiristexte) und (6) Himmelfahrt (einschließlich Sieg, Krönung, Einlass in eine himmlische Gesellschaft und Horustexte). Wie derartige altertümliche Zeremonien stellt das HLT-Tempel-Endowment Aspekte dieser Themen bildlich dar. Es bietet auch kein Bild der unmittelbaren Realität, sondern ein Modell, welches das Muster des menschlichen Lebens auf der Erde und des göttlichen Plans, zu dem es gehört, zur Schau stellt.

Freimaurerzeremonien sind sinnbildlich. Sie stellen die Lebensphasen dar: Jugend, Erwachsenenalter und hohes Alter. Jede Phase wird mit ihren Lasten und Herausforderungen verbunden. Darauf folgt der Tod und die erhoffte Unsterblichkeit. Man ist sich nicht einig darüber, wann das Freimaurertum begonnen  hat. Einige Historiker führen den Ursprung der Brüderschaft auf Salomon, Enoch, oder sogar Adam zurück. Wieder andere behaupten, dass das Freimaurertum als Einrichtung im Mittelalter oder später begann, während einiges der Freimaurersymbolik aus dem Altertum stammen kann.

Obwohl das HLT-Endowment in dieser Dispensation von Kirtland und Nauvoo her datiert (siehe Kirtland Tempel; Nauvoo Tempel), glauben Heilige der Letzten Tage, dass Tempelverordnungen so alt wie die Menschheit sind und dass das Wesentliche des Evangeliums Jesu Christi, einschließlich seiner notwendigen Rituale und Lehren zuerst Adam offenbart wurden. Diese erlösenden Grundsätze und Verordnungen wurden später Seth, Noach, Melchisedek, Abraham und jedem Propheten offenbart, dem das Priestertum gegeben war, einschließlich Petrus. Heilige der Letzten Tage glauben, dass die heutzutage in HLT-Tempeln vollzogenen Verordnungen Rituale nachvollziehen, die von Anfang an Teil von Gottes Lehren waren.

Der Prophet Joseph Smith meinte, das das Endowment und die Freimaurerei teilweise auf eine gemeinsame Quelle zurückzuführen sind So betrachteten einige Freimaurer in Nauvoo das Endowment als Wiederherstellung eines Rituals, das nur unvollkommen im Freimaurertum erhalten ist. Auch sahen sie Joseph Smith als einen Meister der zugrundeliegenden Grundsätze und des allegorischen Symbolismus (Heber C. Kimball an Parley P. Pratt, 17. Juni 1842, Kirchenarchiv). Die Philosophie und Hauptlehren des Freimaurertums stehen nicht in vollkommenem Gegensatz zu den Lehren und der Theologie der Heiligen der Letzten Tage. Beide betonen Moral, Opfer, Weihung und Dienen. Und beide verdammen Selbstsucht, Sünde und Gier. Auch ist das Ziel des Freimaurerrituals zu belehren—die Wahrheit zur Verfügung zu stellen, damit der Mensch ihr folgen kann.

Ähnlichkeiten zwischen den zwei Ritualen beschränken sich auf einen geringen Anteil der Handlungen und Worte. Tatsächlich finden einige, dass das HLT-Endowment mehr Ähnlichkeiten mit den Pyramidentexten und den Koptischen Dokumenten aufweist als mit dem Freimaurertum. Selbst da, wo die zwei Rituale den Symbolismus teilen, ist die Bedeutung doch anders. Zusätzlich zu den Schöpfungs- und Lebensthemen besteht eine Ähnlichkeit darin, dass bei beiden Teilnehmer aufgefordert werden, Bündnisse zu schließen. Allerdings verbindet nur das Endowment Bündnisse mit ewigen Segnungen und Jesus Christus. Die Freimaurerzeremonie betont nicht das Priestertum oder die Notwendigkeit, von Gott beauftragt zu werden um ihn zu repräsentieren. Die aktive Teilnahme Gottes an der Welt und am Leben der Menschen stellt ein deutliches HLT-Tempelmotiv dar. Während Freimaurer an einen undefinierten, unpersönlichen Gott glauben, geht alles im HLT-Endowment von einem Gott aus, der eine Person und der ewige Vater der Menschen ist, oder wird von ihm geleitet. Das Endowment richtet den Blick auf die Ewigkeiten und ewiges Leben. Aber das Freimaurertum ist erdgebunden, durchsetzt von menschlichen Legenden und der Hoffnung auf etwas Besseres.

Das Freimaurertum ist eine brüderliche Gesellschaft. In seinen Ritualen werden Versprechen und Eide abgelegt und Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern getroffen. Im Tempel Endowment werden alle Bündnisse zwischen dem einzelnen und Gott geschlossen. Im Freimaurertum steht das Prüfen, Bewerten, Bestrafen oder Verurteilen im Einklang mit den Regeln der Brüderschaft oder Mitgliedschaftsabstimmungen. Im Endowment ist Gott allein der Richter. Innerhalb des Freimaurertums sind Rang und Beförderungen von großer Bedeutung. In den HLT-Tempelriten hingegen gibt es keine Unterscheidungen: Alle Teilnehme stehen gleichrangig vor Gott. Der Streit zwischen gut und böse, einschließlich Satans Rolle, ist im Endowment wesentlich und wird lebhaft dargestellt. In Freimaurerriten fehlt dies aber größtenteils. Tempelzeremonien betonen die Erlösung der Toten durch das Ausführen stellvertretender Verordnungen wie zum Beispiel Taufen für die Verstorbenen. Nichts ist in den Freimaurerritualen für Stellvertreter vorgesehen, die im Namen von Verstorbenen handeln. Frauen nehmen im vollen Umfang an HLT-Tempelriten teil. Das Freimaurertum hat zwar Hilfsvereinigungen für Frauen, aber sie sind von Freimaurerritualen ausgeschlossen. Die Einbeziehung von Frauen im Endowment unterstreicht vielleicht den grundlegendsten Unterschied zwischen den beiden Riten: HLT-Tempelriten vereinigen Ehemänner und –frauen und deren Kinder zu ewigen Familien (siehe Ewiges Leben; Ehe). Siegelungen der Heiligen der Letzten Tage wären im Zusammenhang der Freimaurerzeremonien völlig fehl am Platze.

Daher sehen Heilige der Letzten Tage ihre Tempelverordnungen als grundlegend anders als Freimaurer- und andere Rituale. Sie halten Ähnlichkeiten für Überbleibsel eines altertümlichen Originals.

BIBLIOGRAPHIE

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KENNETH W. GODFREY