Jeder Historiker und Archivar muß bei seiner Arbeit die Möglichkeit der Fälschung eines historischen Dokuments in Betracht ziehen. So wurden beispielsweise in New York gefälschte holländische Dokumente aus der amerikanischen Kolonialzeit aufgefunden, und in Texas Fälschungen der “Lone Star Republic”-Dokumente.
Eine der bekanntesten Fälschungen in der Kirchengeschichte der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage war die Niederschrift der angeblichen Offenbarung Joseph Smiths, in der er James J. Strang zu seinem Nachfolger ernannte. Sie enstand in den vierziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts, stammte vermutlich von Strang selbst, und befindet sich heute in der Beinecke-Bibliothek der Yale University. Strangs Motive, der Joseph Smiths Nachfolger werden wollte, sind mehr als klar. Ebenso klar waren die Motive für die Fälschung eines dem frühen Mitarbeiter Joseph Smiths, Oliver COWDERY <Cowdery, Oliver>, zugeschriebenen Pamphlets mit dem Titel Defense in a Rehearsal of My Grounds for Separating Myself from the Latter Day Saints. Dieses Pamphlet wurde angeblich im Jahr 1839 in Ohio verfaßt und erschien erstmals in einer mormonenfeindlichen Schrift im Jahr 1906 (Anderson, S. 20, 21). Die Motive für andere Fälschungen waren Geld, übersteigertes Selbstbewußtsein, oder der Wunsch, den Lauf der Geschichte zu beeinflussen oder verändern zu können.
Die Hofmann-Fälschungen der achtziger Jahre unseres Jahrhunderts haben Fragen über bestimmte historische Unterlagen aus der Frühgeschichte der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage aufgeworfen. Bei ihrer Suche nach neuen geschichtlichen Quellen aus den ersten Jahren der Kirche, waren die Historiker der Kirche von dem scheinbar endlosen Dokumentenfluß begeistert, durch den ihnen ein gewisser Mark Hofmann <Hofmann, Mark, Fälscher von Dokumenten> historische Dokumente aus der Kirchengeschichte zugänglich machte. Diese Dokumente warfen neues Licht auf die Umstände rund um den Erhalt und die Übersetzung des Buches Mormon und auf Fragen in bezug auf die Nachfolge in der Führung der Kirche.Viele, vermutlich sogar die meisten Hofmann-Dokumente, stellten sich als geschickte Fälschungen heraus. Hofmann hatte durch den Handel mit historischen Dokumenten ein Vermögen gemacht, aber als er weitere versprochene Dokumente nicht liefern konnte, ermorderte er im Jahr 1985 einen Geschäftsmann aus Salt Lake City und die Frau eines seiner Bekannten. Die Ermittlungen führten zu seiner Verhaftung, worauf er den Mord und die Fälschungen gestand und seither im Staatsgefängnis von Utah seine lebenslange Haftstrafe absitzt.
Die Hofmann-Fälschungen wurden in mehreren Büchern und unzähligen Artikeln abgehandelt. Der Fall Hofmann war sowohl für die Historiker als auch die Händler und Sammler der von Hofmann gelieferten Dokumente extrem peinlich. Dies hat zu größerer Vorsicht und einer gesunden Skepsis gegenüber der Echtheit angeblich historischer Dokumente unbekannten Ursprungs geführt.
Dokumente, die sich seit jeher im offiziellen Gewahrsam einer Kirche oder Behörde befunden haben, sind mit Bestimmtheit verläßlicher als neu “entdeckte” Dokumente. Wissenschaftler und Archivare sollten sich nur äußerst behutsam an Dokumente zweifelhaften Ursprungs heranwagen. In jedem Fall müssen neue und überraschende Beweisstücke mit äußerster Sorgfalt mit bereits vorhandenen und nachweislich echten Dokumenten verglichen werden.
BIBLIOGRAPHIE
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Jessee, Dean C. “New Documents and Mormon Beginnings.” BYU Studies 24, Herbst 1984, S. 392–428.
Sillitoe, Linda und Allen Roberts. Salamander: The Story of the Mormon Forgery Murders. Salt Lake City, 1988.
Whittaker, David J. “The Hofmann Maze: A Book Review Essay with a Chronology and Bibliography of the Hofmann Case.” BYU Studies 29, Winter 1989, S. 67–124.
MAX J. EVANS