Das Evangelium Jesu Christi repräsentiert Freiheit nicht einfach als einen philosophischen Grundsatz oder eine abstrakte Möglichkeit, sondern setzt sie schon an den Anfang der Weltschöpfung und als die grundlegende Bedingung für Gottes Umgang mit seinen Kindern. Als allgemeiner Ausdruck bezieht sich das Wort „Freiheit“ auf Entscheidungsfreiheit, Freiheit, Unabhängigkeit und Autonomie. Freiheit, oder die echte Gelegenheit zu wählen, definiert notwendigerweise die grundlegendste Bedingung für Menschen in dieser zeitlich begrenzten Welt.
Schriften der Heiligen der Letzten Tage lehren, dass im vorirdischen Leben freie Entscheidungen getroffen wurden. Gott schlug dort seinen Geistkindern einen Plan der Erlösung für ihr Wachstum und ihre Förderung vor (Siehe Hjob 38:6-7, 2 Ne. 2:17, LuB 29:36, Abr. 3:22-28). Im Erdenleben stünde es Gottes Kindern mit einem Körper aus Fleisch und Gebein und zahlreichen neuen Möglichkeiten zu handeln frei, Entscheidungen innerhalb des Spektrums von Gut und Böse zu treffen. Sie würden auch die notwendigen Folgen dieser Entscheidungen erfahren. „Und wir wollen von diesen Stoffen nehmen, und wir wollen eine Erde schaffen, worauf diese wohnen können; und wir wollen sie hierdurch prüfen und sehen, ob sie alles tun werden, was auch immer der Herr, ihr Gott, ihnen gebietet“ (Abr. 3:24-25).
Gott verhieß jenen, die seinen Willen tun würden, dass sie von ihren Fehlern und Sünden errettet werden und ewiges Leben erlangen würden. Der Satan lehnte sich gegen den Plan des Vaters auf. Er war sich bewusst, dass diese umfangreichere Freiheit das Risiko des geistigen Todes mit sich brachte, wo einige durch ihre Sünden vom Vater getrennt würden, nicht umkehren würden und somit nicht in sein Reich zurückkehren könnten. Um solch eine Trennung zu vermeiden, schlug der Satan ein Umfeld ohne Freiheit und ohne Sünde vor. Als Konsequenz würden alle zum Vater zurückkehren, aber nicht Ihre Moralvorstellungen verbessern oder Fortschritte machen (Siehe Teufel). Die „Ehre“ für ihre Rückkehr würde dem Satan gehören (Jes. 14:13, Mose 4:1).
Die Mehrheit von Gottes Geistkindern wählte freudig Freiheit statt Sklaverei, Wissen statt Unwissenheit, Fortschritt statt Stillstand und sogar Gefahr statt Sicherheit. So wurde die zeitliche Welt mit Freiheit als bedingungsloser Basis geschaffen. Die zeitliche Welt ist eine Umgebung, wo Menschen die Wahl haben und so moralisch handeln müssen und verantwortlich sind, den Willen Gottes auszuführen. Männer und Frauen können diese Freiheit nicht vermeiden oder ihr entfliehen, denn die Realität erscheint immer als ein Satz an Auswahlmöglichkeiten mit einem Maß an Kenntnis des Guten. Die Folge davon definiert zu einem gewissen Grad den Verlauf der Menschheitsgeschichte. Das Buch Mormon sagt über diese Entscheidung: „Darum sind die Menschen gemäß dem Fleische frei; und ihnen ist alles gegeben, was für den Menschen ratsam ist. Und es ist ihnen gewährt, sich durch den großen Vermittler aller Menschen Freiheit und ewiges Leben zu wählen – oder aber Gefangenschaft und Tod gemäß der Gefangenschaft und Macht des Teufels; denn er trachtet danach, dass alle Menschen so elend seien wie er selbst“ (2 Ne. 2:27).
FREIHEIT UND MENSCHLICHE ENTSCHEIDUNGEN. Heilige der Letzten Tage verstehen jedoch, dass nicht alle Kinder Gottes sich in Situationen gleicher Freiheit befinden werden. Alle Menschen werden in eine Welt hinein geboren, die durch die Taten und Glaubensansichten jener geschaffen wurde, die vor ihnen gelebt haben. Diese Unterschiede erhalten sich in den Traditionen, Institutionen und Praktiken, die weitergegeben worden sind. Während Gott jedem das Licht Christi gibt, das jeden zum Guten hinzieht, können die Traditionen und Praktiken, in die manche hineingeboren werden, die Wahrheit verschleiern und solche Menschen zu schädlichen und sündigen Taten führen. Für diese wird Gott Gnade haben (Alma 9:15-16).
Wieder andere werden in Situationen hinein geboren, wo die Wahrheit weithin bekannt ist und allgemein die Möglichkeit besteht Gutes zu tun. Und trotz der Wahrheit handeln sie schlecht und schaffen so Konsequenzen, die ihre Wahlmöglichkeiten verringern, sie vom Geist Gottes entfernen und ihnen Traurigkeit, Zerstörung und die Finsternis von Satans Macht bringen (Gal. 5:13-25). Außerdem sind sie nicht die einzigen, die die Konsequenzen ihrer Entscheidungen erleiden, denn die missbrauchte Freiheit einiger kann auf das unverdiente Leiden anderer hinauslaufen. Auch wenn dies ungerecht ist, besteht notwendigerweise das Risiko unbegründeten Leidens in einer Welt, wo das Böse existiert. Dennoch dient auch dieser Umstand Gottes Zwecken, denn ein gewisses Maß an Widrigkeiten demütigt die Menschen vor Gott (Alma 32:12-16). Durch irdische Schwierigkeiten werden Männer und Frauen versucht und geprüft, aber machen dadurch Fortschritt und entwickeln die Talente und Gaben, die Gott ihnen gegeben hat (2 Ne. 2:11, Alma 62:41, LuB 122:1-9). Wenn aber ein ganzes Volk die Dunkelheit dem Licht vorzieht, schaffen sie ein Vermächtnis der Gebundenheit für folgende Generationen, was manchmal von Gott korrigiert werden muss (z.B. Gen. 6:5-7, Lev. 18:24-30, Mose 8:22-30, Hel. 10:11-12).
Auf der anderen Seite werden jene, die das Gute wählen, durch die vermehrte Gegenwart des Heiligen Geistes in ihrem Leben und eine stärkere Kraft, Gottes Willen zu erkennen und zu tun, freier gemacht (Joh 7:16-18, 8:29-32, Alma 19:33). Daher können die guten Entscheidungen einiger das Leben anderer segnen. Als Konsequenz der rechtschaffenen Werke weniger (Gal. 5-6) kann sich ein vorher begrenztes Leben erweitern, um neue und positive Gelegenheiten zu genießen, während alte Ungerechtigkeiten und Beschwerden geschlichtet werden. In dem Maß, wie die Institutionen und Überzeugungen eines Volkes Wahrheit und Tugend verkörpern und Korruption und Entbehrung bekämpfen, entwickelt sich ein Umfeld größerer Freiheit. Eine Fülle ergibt sich, wenn Gott sein Reich auf Erden errichtet und der Menschheit Wissen, Macht, Gaben und Verordnungen offenbart, die den Weg zur Erlösung und Erhöhung öffnen. Die Stadt Enoch, und auch die rechtschaffenen Menschen, die 200 Jahre nach dem Besuch des auferstandenen Heilands in Amerika lebten (4 Ne. 1), setzten einen hohen Standard in der Geschichte menschlicher Freiheit. In diesem Sinn beruft Gott also nicht nur einzelne rechtschaffen zu leben, sondern fordert sie als sein Volk auf, Bündnisse mit ihm zu schließen und seine Macht als Gemeinschaft der Glaubenstreuen rechtmäßig auszuüben. Freiheit sollte daher nicht nur als eine bloße Möglichkeit für einzelne angesehen werden, denn sie eröffnet sich zu ihrer vollständigen Fülle nur innerhalb des Reichs der Rechtschaffenen (Siehe LuB 138, besonders Vers 18).
FREEDOM AND GOVERNMENT. Die Schriften lehren weiter, dass Gott Regierungen einsetzte, um die Menschheit auf der Erde zu segnen (Siehe Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, Politik: Politische Lehren). Eine gute Regierung muss mehr tun als die Ordnung aufrecht zu erhalten. Sie muss die Freiheit schützen, Gerechtigkeit sicherstellen und für das allgemeine Wohl sorgen. „Und ein Landesgesetz, das verfassungsmäßig ist und den Grundsatz der Freiheit bei der Aufrechterhaltung von Rechten und Freiheiten stützt, gehört der ganzen Menschheit und ist vor mir gerechtfertigt“ (LuB 98:5, Siehe Verfassungsrecht). Gott verkündet: „Ich, der Herr Gott, mache euch frei, darum seid ihr wirklich frei; und das Gesetz macht euch auch frei“ (LuB 98:8). Das Gesetz schützt einzelne und ihre Freiheiten vor den willkürlichen und schädlichen Taten anderer. Ein echtes Gesetz erfordert, dass alle gleichermaßen Regeln unterliegen, die vorhersehbar und weithin bekannt sind und durch Regierungsmechanismen, die im gegenseitigen Einvernehmen eingerichtet worden sind und weiterhin der allgemeinen Zustimmung entsprechen, beschlossen wurden. Das Gesetz sichert den Frieden, indem es Entscheidungen verbietet, die anderen schaden, garantiert Gerechtigkeit, indem es alle dem Gesetz gegenüber im Einklang mit fairen Verfahrensweisen verantwortlich hält, und sichert das allgemeine Wohl durch das Verabschieden von Gesetzen, die den gesellschaflichten Umgang zum Nutzen aller regulieren und koordinieren. Im Austausch für diese Vorteile müssen Bürger ihre Pflichten erfüllen und die Regierung aufrecht erhalten und unterstützen. Schlussendlich verbessert und erweitert sich das Umfeld der Freiheit durch eine gute Regierung.
Dennoch unterdrücken Regierungen oft und beschränken die Freiheit. Sie setzen Privilegien für wenige ein, indem sie willkürlich öffentliche Regeln aufstellen und sie ungleich und ohne die notwendigen Sicherheitsklauseln anwenden. Der Missbrauch politischer Macht ist am offensivsten und totale Sklaverei fast erreicht, wenn Freiheit des Gewissens und die freie Rede und das Recht Gott offen und gemäß der eigenen Überzeugung zu verehren beschränkt sind. Letzten Endes glauben Heilige der Letzten Tage, dass die Ansprüche der Regierung auf ihren eigenen angemessenen Bereich beschränkt sein sollten und der Regierung nicht erlaubt werden sollte, die Handlungsfreiheit gemäß dem eigenen Gewissen einzuengen. Um solche politischen Untaten zu vermeiden, werden Heilige der Letzten Tage angehalten, nicht nur eine konstitutionelle Regierung und die Verfahren, die sie einrichtet, zu unterstützen, sondern auch Gesetze zustande zu bringen, die zu Freiheit führen und Tugenden fördern. In diesem erweiterten Sinn fordern die Schriften jene, die Jesus folgen, auf, die Extrameile zu gehen, mehr zu geben, als sie erhalten, und Gutes zu tun, ohne daran zu denken, was sie als Anerkennung erhalten werden. So sind Heilige der Letzten Tage als Bürger verpflichtet, sich um mehr als nur die eigenen Interessen zu bemühen. Sie sind verpflichtet anderen zu dienen, das Gute zu fördern und die allgemeine Wohlfahrt der Menschen zu sichern.
BIBLIOGRAPHIE
Oaks, Dallin H. „Free Agency and Freedom“. In The Book of Mormon: Second Nephi, The Doctrinal Structure, Hg. M. Nyman und C. Tate, S. 1-17. Salt Lake City, 1989.
DAVID E. BOHN