Die Entscheidungsfreiheit bezieht sich einmal auf die Fähigkeit der Individuen „ für sich selbst zu handeln“ (2 Nephi 2:26) und zweitens auf ihre Verantwortung für solche Handlungen. Die Ausübung der Entscheidungsfreiheit ist ein geistiges Gebot (LB 29:35). Es führt entweder zu einer inneren Erleuchtung und der Annahme der Gebote, die von Gott kommen, oder es führt zu einer Ablehnung derselben, wenn man den Versuchungen des Teufels erliegt. (LB 93:31) Ohne ein Verständnis für Alternativen könnte das Individuum nicht wählen. Deshalb ist eine Versuchung durch den Teufel genauso wichtig für die Entscheidungsfreiheit wie das Horchen auf die Stimme des Geistes Gottes. (LB 29:39) Keiner ist gezwungen, entweder tugendhaft zu handeln oder zu sündigen. „Der Teufel konnte die Menschen nicht zwingen, Böses zu tun ... alles war freiwillig... Gott würde keine zwanghaften Mittel anwenden, und der Teufel könnte es nicht.“ (LPJS, S. 187)
Die Entscheidungsfreiheit ist ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Existenz, „dem Geiste des Menschen innewohnend“ (Mckay, S. 366), im vorirdischen Dasein sowohl als auch im Bereich der STERBLICHKEIT. Kein Wesen kann Empfindsamkeit, Vernunft oder die Kapazität für Zufriedenheit ohne die Entscheidungsfreiheit besitzen. (2 Nephi 2:11-13,23; LB 93:30) Es ist darüber hinaus eine besondere Gabe, durch die Gott seine Kinder in seinem Ebenbilde schuf und ihnen die Kraft verlieh zu wachsen und wie Er zu werden, eben durch ihren eigenen Fortschritt in der Ausübung der Entscheidungsfreiheit. (L.Snow, JD 20:367) „Weil Satan die Entscheidungsfreiheit des Menschen zu zerstören trachtete“ (Moses 4:3), entbrannte der Kampf im Himmel, ehe die Erde geschaffen wurde. (Cf. Off 12:7) Was damals und jetzt im Kampf um die Rettung der Entscheidungsfreiheit auf dem Spiel steht, ist nichts weniger als die Möglichkeit, die fortbestehende Existenz und die göttliche Bestimmung eines jeden Menschen zu gewährleisten. Dies Prinzip erklärt recht deutlich die starke Stellung der Kirche gegen politische Systeme und ansteckende Gewohnheiten, die den Gebrauch der Entscheidungsfreiheit hemmen.
Die Entscheidungsfreiheit befähigt Männer und Frauen, nicht nur Gehorsamkeit oder Auflehnung wählen zu können sondern auch wählen zu müssen. (B.Young, JD 13:282) Sie können nicht verhindern, sowohl frei als auch verantwortlich für ihre Wahl zu sein. Individuen, die fähig sind, für sich selbst zu handeln, können nicht neutral sein und sich der Annahme oder der Ablehnung des Lichtes von Gott entziehen. Ein Agent zu sein bedeutet, fähig zu sein zu wählen und wählen zu müssen, entweder „Freiheit und ewiges Leben durch die große Vermittlung“ oder „ auch Gefangenschaft und Tod nach der Macht und Gefangenschaft des Teufels“ (2 Nephi 2:27-29; 10:23).Ein Wesen, das „ein Agent für sich selbst ist“, ist fortwährend verpflichtet, entweder ein Agent und Diener Gottes oder aber ein Agent und Diener Satans zu sein. Falls man sich über diese Konsequenz der Wahl hinwegsetzen oder sie ignorieren könnte, könnten Männer und Frauen ihr eigenes Schicksal durch ihre Wahl nicht bestimmen, und die Entscheidungsfreiheit wäre nichtig.
Die aus der Sünde hervorgehende Gefangenschaft wird auch als „Knechtschaft der Sünde“ bezeichnet (LB 84:49-51) Die Sünde ruft im Sünder eine Gemütsart hervor, die Satan die Kraft verleiht, die Gedanken und das Benehmen durch Versuchungen zu kontrollieren. Passiert dies, dann besitzt das Individuum zwar dem Namen nach die Entscheidungsfreiheit, aber die Fähigkeit, sie auszuüben, ist beschränkt. Der Missbrauch der Entscheidungsfreiheit ist somit als Verlust derselben zu verstehen. „Das Böse, wenn man darauf hört, beginnt seine Herrschaft über den Geist, den Gott in uns gefügt hat.“ (B.Young, JD 6:332) Im Gegensatz dazu befreit uns der Gebrauch der Entscheidungsfreiheit, um den Einfluss des Geistes Christi zu empfangen und ihm dienlich zu sein, von dieser Knechtschaft. Obgleich die Entscheidungsfreiheit, im Sinne der Fähigkeit, Leben oder Tod zu wählen, eine Art von Freiheit ist, so unterscheidet sie sich doch von der Freiheit, die einem Gehorsam zu Christus innewohnt. Jesus sagte: „Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei.“ (Joh 8:36) Als das Volk des Königs Benjamin im Buch Mormon eine Vergebung der Sünden empfing und geistig wiedergeboren wurde, bezeugte es einstimmig, dass ihre Neigungen und Begierden sich dermaßen geändert haben, „dass sie keine Neigung mehr haben, Böses zu tun, sondern beständig Gutes tun wollen.“(Mosiah 5:2) Der Gehorsam erweitert die Entscheidungsfreiheit und die Alternative zum Gehorsam ist Knechtschaft.
Die Heiligen der Letzten Tage sehen die Begriffe Gehorsam und Entscheidungsfreiheit nicht antithetisch. Auf der einen Seite sind die Leiter der Kirche beständig gegen jeglichen Bewusstseinszwang. „Wir sind nicht gewillt, hätten wir auch die Kraft dazu, jemanden davon abzuhalten, die freie Unabhängigkeit des Geistes auszuüben“ (TPJS s. 49) Kirchenmitglieder werden ermahnt, sich zu allererst auf persönliche Intuition zu verlassen, wenn es sich um Entscheidungen über und die Ausübung von Evangeliumsprinzipien handelt. Auf der anderen Seite ist der Gehorsam, willig und energisch dem Willen Gottes untertänig zu sein, selbst wenn dabei persönliche Opfer gebracht werden, ein zentraler Grundsatz des Evangeliums. Weit entfernt von einem Freiheitswiderspruch ist der Gehorsam der höchste Ausdruck der Freiheit. „Wenn wir einen strikten Gehorsam erweisen, werden wir dann Sklaven? Nein, es ist der einzige Weg für mich und euch, auf dieser Erde frei zu werden ... Der Mensch, der den Anforderungen des Himmels strikten Gehorsam erweist, handelt gemäß seinem eigenen Willensentschluss und übt seine Freiheit aus.“ (B.Young, JD 18:246)
Kirchenautoritäten bezeichnen die Entscheidungsfreiheit fortwährend als eine Gabe Gottes. Sünde schränkt die Freie Wahl der Sünder bis zu einem Maße ein, dass sie „verloren und gefallen sind“ (Mosiah 16:4), es sei denn, eine Macht befreit sie von dieser Knechtschaft. Diese Macht ist das Sühnopfer Christi, das die Wirkungen der Sünde übersteigt, nicht etwa willkürlich sondern unter der Bedingung einer aufrichtigen BUSSE. „Und weil sie vom Fall erlöst sind, sind sie für immer frei geworden ... für sich selbst zu handeln.“ (2 Nephi 2:26) Somit wurde die menschliche Entscheidungsfreiheit mit dem Preis des Leides von Christi erkauft. Die Kirche Jesu Christi kann somit jenen, die Gott beschuldigen, das menschliche Leid erlaubt zu haben, die Antwort geben, dass das Leid nicht so bedeutend ist wie die Gabe der Entscheidungsfreiheit, von der alles andere abhängt und dass keiner von uns einen größeren Preis für diese Gabe bezahlt hat als Christus.
BIBLIOGRAPHIE
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Stapley, Delbert L. ²²Using Our Free Agency.“ Ensign 5 (May1975):21-23.
C. TERRY WARNER
Aus dem Englischen übersetzt von
HEINZ RAHDE