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EWIGER FORTSCHRITT

Das Prinzip des ewigen Fortschritts lässt sich nicht genau definieren oder verstehen. Es ist jedoch ein wesentlicher Teil der Weltanschauung der Heiligen der Letzten Tage. Der Ausdruck „ewiger Fortschritt“ tritt zuerst in den Abhandlungen von Brigham Young auf. Er verkörpert viele Vorstellungen, die Joseph Smith besonders in seinem King Follett Vortrag anführte. Ewiger Fortschritt basiert auf der Aussage, dass „es kein Prinzip, keine Macht, Weisheit, Kenntnis, kein Leben, keinen Stand oder irgendetwas gibt, das man sich vorstellen kann und das feststehend bleibt – sie müssen zu- oder abnehmen“ (Young, JD 1:350). 

Fortschritt geschieht auf verschiedene Weise. Zum einen bezieht sich ewiger Fortschritt auf alles, was Menschen lernen und durch ihre Entscheidungen erfahren, während sie vom vorirdischen Leben, zur Sterblichkeit, zum Geisterleben nach dem Tod und zu einem auferstandenen Zustand in der Gegenwart Gottes fortschreiten. Persönlicher Fortschritt ist in jedem dieser Zustände möglich, jedoch nicht die gleiche Art von Fortschritt. Scheinbar war im Vorirdischen Dasein Fortschritt möglich, denn die meisten Geister dort entschieden sich, Christus zu folgen und manche waren edel und groß, während andere sich entschieden Luzifer zu folgen. Das Eintreten in die Sterblichkeit ermöglicht weiteren Fortschritt. Einen physischen Körper zu bekommen ist ein bedeutender Schritt und befähigt eine Person dazu, körperliche Empfindungen aller Art zu erfahren und an Kenntnis und Verständnis zuzunehmen. Diese werden alle bei der Auferstehung mit der Person mit hervorkommen (LuB 130:18). Brigham Young verkündete, dass „wir in Ewigkeit sind“, selbst in der Sterblichkeit (JD 10:22) und dass das Ziel dieser Existenz ist „zu lernen mehr zu geniessen und an Wissen und Erfahrung zuzunehmen“ (JD 14:228). „Wenn wir gelernt haben gemäß dem vollen Lebenswert zu leben, den wir nun besitzen, sind wir für weitere Entwicklung im Maßstab von ewigem Fortschritt vorbereitet – für einen herrlicheren und erhöhteren Bereich“ (JD 9:168). 

Das Leben steht niemals still. „Man muss fortschreiten, oder zurückgehen. Man kann nicht still stehen. Aktivität ist das Gesetz des Wachstums und Wachstum, oder Fortschritt, ist das Gesetz des Lebens“ (A. Bowen, in Christ`s Ideals for Living, O. Tanner, ed., Salt Lake City, 1980, S. 368). Die Einstellung einer Person gegenüber „ewigen Fortschritt“ wird zu einem großen Teil die Lebensphilosophie dieser Person bestimmen...erhöhend, zunehmend, immer weiter ausdehnend bis wir wissen können wie wir wissen können, sehen wie wir gesehen werden“ (Young, JD 16:165). 

Bei der Auferstehung und beim Gericht werden Menschen einem Grad der Herrlichkeit zugewiesen. Man glaubt, dass Fortschritt in jedem Herrlichkeitsgrad möglich ist. Ehe- und Familienleben bestehen jedoch nur im Celestialen Reich weiter. Dort ermöglicht das Zeugen von Geistkindern eine „ewige Vermehrung“ (Siehe Ewige Leben, Ewige Vermehrung). „All dies und  mehr, was wir nicht in unseren Herzen begreifen können, ist den Gläubigen verheissen und es gibt nur so viele Stufen in dem unaufhörlichen Fortschritt der ewigen Leben“ (Young, JD 10:5).  

Keine offizielle Kirchenlehre versucht alle Arten, auf die Gott in seinem verherrlichten Lebensbereich Fortschritt macht, zu bestimmen. „Es gibt kein Ende für [seine] Werke, auch nicht für [seine] Worte“ (Mose 1:38). Gottes Herrlichkeit und Macht werden stärker, wenn seine Kinder an Herrlichkeit und Macht zunehmen (Siehe Mose 1:39; Young, JD 10:5). Fortgeschrittene Vorstellungen erklären wie Gott an Kenntnis zunehmen und dennoch vollkommen und allwissend sein kann (Siehe Vorauswissen Gottes; Allmächtiger Gott; Allgegenwärtiger Gott; Allwissender Gott). 

Der Gedanke des ewigen Fortschritts ist ein herausstehender Bestandteil des Evangeliums Jesu Christi und lässt sich von der traditionellen christlichen Glaubenslehre unterscheiden. Die philosophischen Ansichten des Mittelalters waren mit solch einem Konzept grundsätzlich unvereinbar. Der Gedanke des Fortschritts tauchte im 18. Jahrhundert zur Zeit der Aufklärung auf. Dabei handelte es sich um soziale Evolution (Bury, The Idea of Progress, London, 1932). Gemäß der traditionellen, christlichen Anschauung treten diejenigen im Himmel in „einen Zustand ewiger, passiver Freude [ein]. In der Gegenwart Gottes würden sie ihn anbeten und im Gesang für immer lobpreisen und sonst nichts“ (Widsoe, S. 142). Heilige der Letzten Tage trachten allerdings ständig nach persönlicher und rechtschaffener Besserung, nicht nur indem sie Zion in dieser Welt aufbauen, sondern indem sie einen fortwährenden, ewigen Fortschritt erhoffen. 

BIBLIOGRAPHIE

Widtsoe, John A. "Is Progress Eternal or Is There Progress in Heaven?" IE 54 (Mar. 1951):142; see also Evidences and Reconciliations, pp. 179-85, Salt Lake City, 1960.

LISA RAMSEY ADAMS