Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist gewöhnlich an drei Stufen ethischen Bedenkens beteiligt: Die Wertlehre; die Grundlage moraler Entscheidung; und die Integration persönlicher und professioneller Moralkodizes wie solche, die sich auf medizinischen, militärischen, oder den von der Regierung ausgehenden Dienst beziehen. Der innere Tatendrang der Kirche und das zunehmende Zusammenkommen von Kulturen gehen über geschlossene ethische Systeme hinaus. Heilige der Letzten Tage treten für eine Ethik göttlicher Zustimmung ein, um den Willen Gottes zu erkennen und die Zusicherung zu empfangen, dass sie mit Gottes Zustimmung handeln. Dabei handelt es sich um ein ständiges Streben der Jüngerschaft. Dies kann man vom Geist geführte Moral nennen.
Die Schriften bestätigen, dass Fragen nach dem Guten und Rechten mit Fragen nach dem Heiligen und mit dem ursprünglichen jüdisch-christlichen Imperativ, „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1 Petrus 1:16; vgl. Leviticus 11:44) verknüpft sind. Tägliche Spannungen zwischen Heiligem und Weltlichem sind Teil des ethischen Dilemmas. Heilige der Letzten Tage trachten in den Schriften und klassischen Quellen nach Hilfe.
Was Ethik betrifft, unterscheiden Philosophen häufig zwischen zwei Ansätzen: Teleologie und Deontologie. Der teleologische Ansatz bewertet die Moral einer Handlung durch ihre Beziehung zu einem Ende oder Zweck, während der deontologische Ansatz die Moral zunächst als Pflicht oder als Antwort auf das Gesetz versteht. In christlicher Ethik zeigten sich diese Ansichten als schwer vereinbar. Für Heilige der Letzten Tage sind jedoch Gehorsam gegenüber göttlichen Imperativen und die Suche nach ultimativer Glückseligkeit zusammenhängende Elemente in der Reifung von Menschen. Der Konflikt zwischen Pflicht und Verlangen wird überwunden, wenn man durch Glauben und Dienst Gott näher kommt und sich daran erfreut göttliche Ratschläge und Gebote zu achten.
Ethiker sehen dementsprechend einen Gegensatz zwischen Verhalten und Beweggrund im religiösen Leben. Beispielsweise betont die rabbinische Tradition das fortwährende Studium und die peinlich genaue Beachtung der Thora, während der Reformatorische Protestantismus den Beweggrund betont. Wie bereits erwähnt lehnen Heilige der Letzten Tage diese anhaltende Trennung ab, denn beide sind im religiösen Leben von Bedeutung. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Matthäus 7:16). Gnade verwandelt Menschen, so dass ihre Natur Christus ähnlicher wird. Ein reines Herz äußert sich in den Schriften als Teil der Jüngerschaft und des freudevollen Lebens.
Klassisches, christliches Denken fördert die Kultivierung von Gewohnheiten und Einstellungen, die sowohl mit intellektuellen als auch moralischen Tugenden verbunden sind. Alte und neuzeitliche Offenbarungen befürworten solche Tugenden als „Erkenntnis, Selbstbeherrschung, Geduld, Brüderlichkeit, Göttlichkeit, Nächstenliebe, Bescheidenheit, Eifer“ (2 Petrus 1:5-7; vgl. LuB 4:5) und alle Christus ähnlichen Merkmale der Bergpredigt. Es gibt zusammenhängende Warnungen vor plagenden Lastern: Stolz, unrechtschaffene Herrschaft, Lust, Zorn, Unversöhnlichkeit, Habsucht, Trägheit und Halbherzigkeit. Die Heiligen werden ständig daran erinnert, „nicht nach den Dingen dieser Welt, sondern zuerst danach zu trachten, das Reich Gottes und seine Rechtschaffenheit aufzubauen“ (JSÜ Matthäus 6:38). Nephi 1 and Moroni 2 sind beide Propheten aus dem Buch Mormon. Sie lehren wie der Apostel Paulus die Bedeutung von Glauben, Hoffnung und Nächstenliebe, welche als „die reine Christusliebe“ definiert wird (1 Korinther 13:1-13; 2 Nephi 31:20; Moroni 7:21-48).
Viele ethische Diskussionen von heute drehen sich darum, ob es äußerliche und bindende Sanktionen für Ethik und Moral gibt. Im theologischen Zusammenhang gibt es das klassische Dilemma, ob Gottes Wille richtig ist, weil er es will, oder ob er es will, weil es richtig ist. Heilige der Letzten Tage sind nicht gegenüber bestimmten Theorien von Naturgesetzen verpflichtet. Neuzeitliche Schriften deuten an, dass ethische Gesetze und „Grenzen“ und Bedingungen unabhängig von Gott existieren (LuB 88:3-40; Siehe Gesetz: Göttliches und Ewiges Gesetz). Sie lehren auch, dass Gott Gesetze einrichtet als auch anpasst (LPJS, S. 320). Die Bedeutung und Anwendung des Gesetzes bei der Änderung von Umständen erfordern Offenbarungen von dem gegenwärtigen Willen Gottes.
Ethik der HLT ist weder extrem atomistisch noch sozialkommunitaristisch, sondern erkennt die Bedeutung individueller und sozialer Aspekte menschlicher Existenz. „Und die gleiche gesellschaftliche Beziehung, die unter uns hier vorhanden ist, wird auch dort unter uns vorhanden sein [die ewige Welt], nur wird sie mit ewiger Herrlichkeit verbunden sein, welcher Herrlichkeit wir uns jetzt noch nicht erfreuen“ (LuB 130:2).
Nie endende Diskussionen konzentrieren sich oft darauf, wie man zu der Erkenntnis kommt, was gut und recht ist. Radikales Festhalten setzt sich gegen Berufungen auf Intuition oder das Gewissen ein. Dies lässt vermuten, dass Werte auf Gebrauch reduziert werden können und dass die Sitten einer gegebenen Gruppe oder eines Einzelnen nicht bekannt (erforscht), sondern einfach bevorzugt sind. Heilige der Letzten Tage respektieren das Gewissen. Die Schriften wiederholen ständig, dass das Gewissen veredelt und vom Geist geführt werden muss. Sie glauben, dass ethische Reife sich von Erfahrung herleitet. Dazu zählt religiöse Erfahrung, von rationaler und praktischer Absicht; und von den Mandaten, sowohl generell als auch spezifisch, die sich in der Schrift und den Ratschlägen der Propheten wiederholen.
BIBLIOGRAPHIE
Hill, Donald G., Jr., ed. Perspectives in Mormon Ethics. Salt Lake City, 1983.
F. NEIL BRADY