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BERUFUNGEN

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist so organisiert, dass sie all ihren teilnehmenden Mitgliedern zugute kommt. Dabei wird von allen erwartet, dass sie bei den Aufgaben helfen (siehe Aktivität in der Kirche; Teilnahme von Laien und Führerschaft; Gemeinde Organisation). Die Kirche wird gemäß den Prinzipien der individuellen Einbeziehung, Dienstleistung und Autonomie verwaltet. Es gibt kein bezahltes Geistliches Amt in den örtlichen Gemeinden oder Pfählen. Die Arbeit in der Kirche wird durch den freiwilligen Dienst der Mitglieder verrichtet, die von Priestertumsführern berufen werden, um in verschiedenen Funktionen einen Beitrag zu leisten. Berufungen können allgemeine Aufforderungen oder Aufträge sein, bestimmte Anweisungen im Interesse der Kirche zu befolgen. Es kann sich auch um Aufträge zum Dienst im Priestertum, oder Aufforderungen zur Ausübung spezifischer Positionen in der Verwaltung, im Lehren, oder im Dienen handeln. Diese Berufungen bekommt man gewöhnlich auf unbestimmte Zeit. Pflichtbewusste Heilige der Letzten Tage nehmen eine oder mehrere Berufungen jeder Zeit an und erfüllen diese. Mitglieder empfangen ihre Berufung von Kirchenführern, welche von Heiligen der Letzten Tage als inspirierte Stellvertreter des Herrn unterstützt werden, und dienen in ihrer Berufung bis sie entlassen werden. Oft werden sie aufgrund des Bedarfs ihrer Talente zu anderen Positionen berufen, oder gemäß der Inspiration des Heiligen Geistes.

Die häufigsten Berufungen sind Aufträge für Kirchenmitglieder, gewisse Maßnahmen zu ergreifen oder spezifische Funktionen auszuüben. Frühe Beispiele dafür lassen sich in den Offenbarungen des Herrn (ab 1830 in Lehre und Bündnisse) finden, welche zur Sammlung seines Volkes aufrufen (LuB 29:7-8; 57:1-2). Diese Berufungen entzündeten die dynamischen Missionsbemühungen der Kirche, die Völkerwanderung und die Sammlung der Heiligen, um eine neue Gesellschaft derer zu bilden, die nach einem reinen Herzen trachteten (LuB 97:21) sowie die Entwicklung unterstützender Organisationen, um diese Aktivitäten zu ermutigen und zu finanzieren.

Führungspersonen können alle Mitglieder, die gesamte Gemeinde, oder einen Einzelnen zum Handeln aufrufen. Diese Berufungen können beständig oder vorrübergehend andauern. Dies hängt von den Bedürfnissen der Kirche und der Mitglieder ab. Eine andere Art von Berufung ist die Wahl eines Mitglieds, welches das Priestertum empfangen soll. Jedes würdige männliche Mitglied der Kirche im Alter von zwölf oder älter kann zum Empfang des Aaronischen Priestertum und später zum Melchisedekischem Priestertum berufen werden. Diese Person wird daraufhin zum Amt des jeweiligen Priestertums ordiniert (LuB 20:60; siehe auch Priestertumsämter). Jemand, der das Priestertum trägt, hat eine permanente Berufung und Verpflichtung, würdig zu bleiben, um beim Aufbau des Reiches Gottes auf Erden mitzuhelfen. Verantwortungen in der Familie stehen dabei im Mittelpunkt dieser Berufung. In einer Botschaft „An die Heimlehrer der Kirche“ im Ensign von Mai 1989 schrieb Präsident Ezra Taft Benson, dass die Unterstützung von Familien in der Kirche durch den Heimlehrauftrag eine notwendige Berufung im Priestertum ist, welche ebenso wichtig ist wie jede andere in der Kirche. Alle Ämter und Berufungen in der Kirche erlangen ihre „Rechte, Mächte und Vorrechte“ vom Priestertum (McConkie, S. 353).

Zur dritten Art von Berufung, die extrem typisch ist, zählen Positionen in örtlichen Gemeinden entweder im Priestertums- oder im Hilfsprogramm der Kirche. Heilige der Letzten Tage glauben, dass eine Berufung als Beamter oder Lehrer eine Treuhandschaft darstellt, womit diejenigen gesegnet werden sollen, denen man berufen wurde zu dienen (Matthäus 20:26-28).

Die Mehrheit der Berufungen sind unentgeldlich und temporär. Berufungen in gewissen führenden Kollegien in der Kirche erfordern jedoch einen vollzeitigen Dienst. In einigen Fällen sind sie von permanenter Dauer und bei Bedarf inklusive finanzieller Unterstützung (siehe Generalautoritäten). Jedes würdige Mitglied kann eine vollzeitige, unbezahlte Berufung zum Dienst als Missionar, Missionspräsident, oder Tempelpräsident und Matrone erhalten. Diese Berufungen verbleiben jedoch nur für eine begrenzte Anzahl von Monaten oder Jahren. Im Jahre 1990 wurde beispielsweise von jedem würdigen, männlichen, unverheirateten jungen Mann (ab dem 19. Lebensjahr) erwartet, für einige Zeit als Vollzeitmissionar zu dienen, ohne Entschädigung von der Kirche. Würdige junge Frauen, die sich dazu entscheiden, können ab dem 21. Lebensjahr eine Missionsberufung empfangen.

Ein Zweck der Kirchenberufungen ist, dass einzelne Mitglieder davon profitieren, dass sie die Arbeit der Kirche tun. Verantwortlichkeit und Autorität werden lokal aufgeteilt. Führungspersonen beauftragen Beamte und Lehrer mit der Verantwortung des Erhalts, der Planung, Vorbereitung und Durchführung der Aktivitäten, die zu ihrer Berufung gehören (LuB 107:99). Diese dezentralisierte Organisation fördert Initiative und persönliches Wachstum unter den Mitgliedern örtlicher Gemeinden und Pfählen. Durch den Dienst lernen Mitglieder ihre Verantwortung und ihre Funktion, erweitern ihr Verständnis und steigern ihre Verpflichtung gegenüber dem Evangelium (LuB 58:26-28; Matthäus 10:39).

Berufungen werden durch einen geordnete Vorgang ausgesprochen. Der erste Schritt ist die Wahl derer, die berufen werden sollen. Beispielsweise soll die präsidierende Autorität (der Pfahlpräsident oder Bischof) gedankenvoll und gebetserfüllt mögliche Kandidaten für jedes Amt oder jede Lehrerverantwortung auswerten. Andere Führungspersonen, die schließlich mit der Person eng zusammenarbeiten werden, können gebeten werden, die Namen einiger Kandidaten vorzuschlagen, welche ihrer Meinung nach fähig dienen könnten. Neuberufene Präsidenten von Kollegien oder Hilfsorganisationen haben das Recht und die Verantwortung, die Namen derer weiterzuleiten, die sie gerne als ihre Ratgeber hätten. Außer wenn es Probbleme mit der Verfügbarkeit oder Würdigkeit gibt, haben solche Kandidaten Priorität. Persönliche Würdigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft zu dienen, individuelle und familiäre Umstände, ob die Berufung denen zum Guten gereicht, die den Dienst empfangen, sowie der mögliche Einfluss auf das Leben des Mitglieds und das Leben der Familie des Mitglieds müssen sorgsam bedacht werden. Während eine Führungsperson abwägt, wen er für eine Berufung auswählen soll, ist die Bestätigung durch den Heiligen Geist unauslässlich, dass die schließliche Wahl richtig ist. Wenn Kirchenführer auf diese Weise Mitglieder auswählen, damit sie Berufungen erfüllen, verstehen Mitglieder, dass Berufungen mit einer göttlichen Zustimmung kommen.

Der zweite Schritt bei der Berufung verlangt ein privates Interview, welches der autorisierte Kirchenführer mit dem Mitglied abhalten muss, um die Berufung auszusprechen und zu erläutern. Wenn eine Ehefrau, ein Ehemann, oder ein Kind eine Berufung empfangen soll, wird empfohlen, dass der Ehemann, die Ehefrau, oder die Eltern des Kandidaten bezüglich der Berufung mit zu Rate gezogen werden. Die Unterstützung von Familienmitgliedern desjenigen, der eine Berufung entgegennimmt, ist eine wichtige Berücksichtigung.

Alle Berufungen respektieren die Entscheidungsfreiheit des Mitglieds, dem eine Berufung ausgesprochen wird, bei der Entscheidung diese anzunehmen oder abzulehnen. Es wird als eine Gelegenheit und Ehre betrachtet, wenn man zum Dienst aufgefordert wird. Allerdings erfordern Berufungen Opfer und können zu ungünstigen Zeiten kommen. Darum wird den berufenen Personen geraten, ihre Entscheidung zu treffen, indem sie ihre Umstände betrachten und die Angelegenheit vor den Herrn im Gebet bringen. Eine Berufung anzunehmen erfordert Demut, regt das persönliche Gebet an und inspiriert eine gänzlichere Verpflichtung. Viele der Segnungen, die im Zusammenhang mit Berufungen kommen, sind das Ergebnis eines freiwilligen Dienstes. Wenn man die Berufung als eine heilige Treuhandschaft ansieht, widmet man sich der Berufung mit großer Hingabe. Entscheidet sich ein Mitglied aufgrund seiner Widerwilligkeit, eine Berufung von Gott nicht anzunehmen, bedauern diejenigen, welche die Berufung ausgesprochen haben, diese Entscheidung (Widtsoe, S. 199).

Der dritte Schritt dieses Vorgangs ist die Vorlegung des Namens der berufenen Person. Er wird der den Mitgliedern der Gemeinde oder des Pfahls vorgelegt, welche zur Bestätigung ihre Hand heben, um ihre Zustimmung zu geben. Gemäß dem Prinzip der allgemeinen Zustimmung in der Kirche kann niemand ohne die Zustimmung der Mitgliedschaft in einer offiziellen Berufung dienen (LuB 20:65). Die Beamtenbestätigung ist keine Wahl, sondern ein Zeichen dafür, dass Mitglieder keinen Grund kennen, warum die Person nicht zum Dienst qualifiziert sein sollte. Sie zeigen dadurch, dass sie willens sind, ihre Zusammenarbeit und Unterstützung anzubieten (Arrington und Bitton, S. 2008). Mitglieder werden angehalten, Glauben zu haben und diejenigen, die zum Dienst berufen sind, zu unterstützen. Mindestens einmal im Jahr haben Mitglieder die Gelegenheit im Rahmen einer Gemeinde- oder Pfahlkonferenz ihre gesamte allgemeine und lokale Führerschaft der Kirche offiziell zu bestätigen.

Nach dem Erhalt der Zustimmung der Kirche wird die Berufung durch das Händeauflegen bevollmächtigter Priestertumsträger schließlich übertragen. Dieser Akt der Ordinierung oder Einsetzung überträgt die Vollmacht des jeweiligen Amtes oder der jeweiligen Position und bezeugt „sichtbar und ohne Frage, dass der Empfänger mit den Mächten oder Schlüsseln ausgestattet ist“ (McConkie, S. 326). Dem Berufenen wird ein Priestertumssegen gegeben, dessen Erfüllung glaubensvolles Dienen bedingt. Im Allgemeinen erhalten Mitglieder in freudiger Erwartung die Verordnung der Einsetzung und werden geistig gestärkt.

Sind Mitglieder einmal in einer Berufung bestätigt und eingesetzt worden, so erhalten sie durch ihre Kirchenführer und von der Kirche herausgegebene Leitfäden oder Handbücher sowie während innerbetrieblicher Versammlungen und besonderer Konferenzen (siehe Führerschaftsschulung) eine Schulung für ihre neuen Verantwortlichkeiten. Es versteht sich, dass Einzelne in bestimmten Berufungen für einige Zeit dienen und dann entlassen werden. Somit wird ihnen die Gelegenheit gegeben, andere in der Position zu unterstützen, von denen sie einst selbst unterstützt wurden. Üblicherweise treten Mitglieder nicht von ihren Berufungen zurück, sondern werden von der präsidierenden Instanz entlassen. Allerdings kann ein Mitglied zur präsidierenden Instanz gehen und darum bitten, dass neue Umstände in Betracht genommen werden und, wenn nötig, eine Entlassung ausgesprochen wird. Entlassungen werden der Gemeinde bekanntgegeben und alle heben ihre Hand, um ihre Dankbarkeit und Anerkennung für den Dienst des Mitglieds auszudrücken.

Die Dauer des Dienstes in einer Berufung hängt von den Lebensumständen des Mitglieds, den Belangen und Mitteln der Kirche und den Flüsterungen des Heiligen Geistes zur präsidierenden Instanz ab. Die Kirche „befördert“ niemanden von einer Position zur anderen. Alle Positionen werden als gleichwichtig betrachtet (1 Korinther 12:12-31) und zu Positionen, die besonders sichtbar sind, zählen oft eine höhere Verantwortung und eine größere zeitliche Verpflichtung. Gleichermaßen melden sich Mitglieder nicht freiwillig, führen keine Werbekampagne oder berufen sich nicht selbst zu Positionen. Präsident J.Reuben Clark, Jr., erklärte, dass es „im Dienst des Herrn nicht darauf ankommt, wo oder in welcher Berufung man dient, sondern wie man dient“ (IE 54 [Juni 1951]:412). Jedes Mitglied, welches eine breitgefächerte Erfahrung in verschiedenen Berufungen macht, steigert die kollektive Stärke der Kirche.

BIBLIOGRAPHIE

Arrington, Leonard R., and Davis Bitton. The Mormon Experience, pp. 207-208. New York City, 1979.

McConkie, Bruce R. A New Witness for the Articles of Faith, pp. 305-354. Salt Lake City, 1985.

Widtsoe, John A. Priesthood and Church Government, pp. 193-205, 233-45. Salt Lake City, 1939.

BRIAN L. PITCHER