Gemäß dem Buch Mormon wanderten die Jarediten, die Nephiten und die „Mulekiten“ (Siehe Mulek) im Altertum vom Nahen Osten in die westliche Hemisphäre, ein Anspruch, der in Frage gestellt worden ist. Während Buch Mormon-Forscher bereitwillig zugeben, dass derzeit keine direkten, konkreten Beweise dafür existieren, die Verbindungen mit dem Nahen Osten des Altertums zu belegen, die in dem Buch angeführt werden, können Beweise erbracht werden—zum Großteil externe und Indizienbeweise—die Respekt für die Ansprüche des Buches Mormon in Bezug auf seinen Hintergrund im altertümlichen Nahen Osten erheischen (CWHN 8:65-72). Einige Beispiele zeigen die Art und Stärke dieser Verbindungen, besonders weil solche Details Joseph Smith, dem Übersetzer des Buches Mormon, aus keinerlei Quellen zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zur Verfügung standen (Siehe Buch Mormon Übersetzung von Joseph Smith).
1. Lehi (ca. 600 vor Chr.) war ein rechtschaffener und wohlhabender Mann aus guter Familie vom Stamm Manasse, der in oder nahe Jerusalem lebte. Er reiste viel, hatte einen reichen Grundbesitz auf dem Lande und besaß ein Auge für feine Metallarbeit. Seine Familie wurde stark von der zeitgenössischen ägyptischen Kultur beeinflusst. Zu einem Zeitpunkt zunehmender Spannungen in Jerusalem (die Beamten hielten geheime Versammlungen bei Nacht ab) bevorzugte er die religiöse Reformpartei des Jeremia, während Angehörige seiner Familie zwischen geteilten Loyalitäten hin- und hergerissen waren. Als einer von vielen Schwarzsehern im Land, „ein visionärer Mann“, war er gezwungen mit seiner Familie zu fliehen, weil er die Verfolgung durch die Truppen eines gewissen Laban fürchtete, eines hochrangigen Militärbeamten der Stadt. Wichtige Aufzeichnungen, die Lehi benötigte, wurden im Hause Labans aufbewahrt (1 Ne. 1-5, CWHN 6:46-131, 8:534-35). Dies ähnelt sehr der Situation in Lachisch zu jener Zeit, wie es in 1934-1935 entdeckten zeitgenössischen Berichten beschrieben wird (H. Torczyner, The Lachish Letters, 2 Bände, Oxford, 1938, weiter CWHN 8:380-406). Die 1965-1966 entdeckten Bar Kokhba Briefe beschreiben ausführlich die Art und Weise, auf die die Wohlhabenden aus Jerusalem unter ähnlichen Umständen in sowohl früheren als auch späteren Jahrhunderten entkamen (Y. Yadin, Bar Kokhba, Kapitel 10 und 16, Jerusalem, 1971, weiter CWHN 8:274-88).
2. Lehis Flucht erinnert an den späteren Rückzug der Wüsten-Sektarier vom Toten Meer, beide waren dazu entschlossen, „die Gebote des Herrn zu halten“ (weiter 1 Ne. 4:33-37; Battle Scroll [1QM] x. 7-8). Unter den Wüsten-Sektariern wurden alle Freiwilligen durch ein Bündnis eingeschworen (Battle Scroll [1QM] vii. 5-6). Nephi I, Sohn Lehis, wurde vorgeworfen, er habe „sich angemaßt, unser Herrscher und Lehrer zu sein…. Jetzt sagt er, der Herr habe mit ihm gesprochen…[um] uns in irgendeine fremde Wildnis zu führen“ (1 Ne. 16:37-38). Später führten in der Neuen Welt Nephi, dann Mosia I und danach Alma I (ca. 150 vor Chr.) mehr Anhänger hinaus—der zuletzt Genannte zum Beispiel zu einem Baumbestand bei „den Wassern Mormon“ (2 Ne. 5:10-11, Omni 1:12-13, Mosia 18). Die von Alma angeregte Organisation und Praktiken ähneln jenen in Gemeinschaften in der Alten Welt: Einschwören, Taufe, ein Priester für fünfzig Mitglieder, reisende Lehrer oder Inspektoren, ein besonderer Tag für Versammlungen, alle arbeiten und teilen gleichermaßen miteinander, werden „die Kinder Gottes“ genannt, alle unterwerfen sich einem überragenden Lehrer und so fort (Mosia 18, 25). Parallelen zu den Gemeinschaften der Schriftrollen von Qumran sind auffallend, selbst zu den rivalisierenden, von dem Falschen Lehrer geführten am Toten Meer (CWHN 6:135-44, 157-67, 183-93, 7:264-70, 8:289-327).
3. „Und mein Vater wohnte in einem Zelt“ (1 Ne. 2:15). Das Zelt des Scheichs wird vierzehn Mal im 1 Nephi erwähnt und ist das Zentrum für alles. Als Lehis Söhne sicher aus Jerusalem zurückkehrten, nachdem sie vor Labans Männern geflohen waren und sich in Höhlen versteckt hatten, „freuten sie sich…und brachte[n] dem Herrn ein Opfer dar…auf einem Altar aus Steinen…und dankte[n] dem Herrn“ (1 Ne. 2:7, 5:9). Sie nehmen „Samen von jeder Art“ für eine langwierige Siedlung, „halten sich an die fruchtbareren Teile der Wildnis“, sie jagen unterwegs, machen „nicht viel Feuer“, leben von rohem Fleisch, werden zuzeiten durch einen „Liahona“ geführt-einen Messingball von „eigenartiger Machart“ mit zwei Weissagungspfeilen, die den Weg anzeigen. Ein langer Lageraufenthalt war an einem Ort namens Schazer (weiter arabisch shajer, Bäume oder Baumbestand), und sie begruben Ischmael bei Nahom, wo seine Töchter trauerten und Lehi scholt (1 Ne. 16, weiter arabisch Nahm, ein gemeinsames Stöhnen oder Seufzen, ein Schelten). Lehi beschreibt lebhaft ein Sayl, eine flutartige Überschwemmung „schmutzigen Wassers“ aus einem Wadi oder Flussbett, die einem das Lager wegschwemmen kann (1 Ne. 8:13,32,12:16), eine häufige Erscheinung in dem Gebiet, wo er reiste. An ihrem ersten „Fluss“ rezitierte Lehi eine formale „Qasida“, eine alte Form von Wüstenpoesie, für seine Söhne Laman und Lemuel und drängte sie, wie der Strom und das Tal im Halten von Gottes Geboten zu sein (1 Ne. 2). Er beschreibt den Schrecken jener, die in „einem finsteren Nebel…ihren Weg verloren, abirrten und verlorengingen“. Er sieht „ein großes und geräumiges Gebäude“, das „in der Luft, hoch über dem Erdboden“ zu stehen schien…voll von Menschen,…und sie waren auf das feinste gekleidet“ (1 Ne. 8, auch die „Wolkenkratzer“ in Südarabien, z.B. die Stadt Shibam). Das Gebäude fiel in all seinem Stolz wie die legendäre Burg von Ghumdan. Weitere Wüstenmetaphorik ist zahlreich (CWHN 5:43-92).
4. Unter längeren verbundenen Berichten finden wir einen über Moroni I (ca. 75 vor Chr.). Er führte einen Aufstand gegen einen Unterdrücker und „ging hinaus unter sein Volk, schwenkte das abgerissene Stück seines Kleides in der Luft, so dass alle die Schrift sehen konnten“ (Alma 46:19-20). Der legendäre persische Held Kawe tat dasselbe mit seinem Gewand. Moronis Volk „lief zusammen… Sie zerrissen ihre Kleider…zum Bund [und sagten]…möge [Gott] uns unseren Feinden vor die Füße werfen…sodass wir zertreten werden“ (Alma 46:21-22). Sowohl das Zerreißen als auch das Treten der Kleider waren altertümliche Praktiken (CWHN 6:216-18, 7:198-202, 8:92-95). Die Inschrift auf dem Banner, „Zur Erinnerung an unseren Gott, unsere Religion und Freiheit und unseren Frieden, unsere Frauen und Kinder“ (Alma 46:12), ähnelt den Bannern und Trompeten der Armeen in der Schlachten Schriftrolle von Qumran ([IQM] iii. 1-iv.2). Vor der Schlacht tritt Moroni vor die Armee und weiht das Land im Süden als Verwüstung, und den Rest nennt er „ein erwähltes Land und das Land der Freiheit“ (Alma 46:17). In der Schlachten Schriftrolle ([1QM] vii.8ff.) tritt der Hohepriester in ähnlicher Weise vor das Heer und weiht das Land des Feindes zur Zerstörung und das Land Israel zur Erlösung (CWHN 6:213-16). Moroni vergleicht sein Banner aus einem zerrissenen Gewand mit dem Rock Josephs, der halb bewahrt und halb zerfallen war: „Lasst uns an die Worte Jakobs vor seinem Tod denken...wie dieser Überrest des Kleides ...bewahrt geblieben ist, so soll ein Überrest der Nachkommen [Josephs] ...bewahrt bleiben“. So hatte Jakob zur gleichen Zeit sowohl „Kummer…[als auch] Freude“ (Alma 46:24-25). Eine fast identische Geschichte erzählt im zwanzigsten Jahrhundert der Gelehrte Tha'labi, der Sammler von Traditionen jüdischer Flüchtlinge in Persien (CWHN 6:209-21, 8:249, 280-81).
5. Eine detaillierte Beschreibung einer Krönung im Buch Mormon findet ihre einzige Parallele in alten außerbiblischen Quellen, die Beschreibung des bemerkenswerten Nathan haBablil von der Krönung des Prinzen der Gefangenschaft. Die Buch Mormon-Version in Mosia 2-6 (ca. 125 vor Chr.) ist ein klassischer Bericht des gut dokumentierten alten „Jahres-Ritus“: (a) Das Volk sammelt sich beim Tempel, (b) bringt Früchte und Opfergaben (Mosia 2:3-4), (c) sie zelten als Familien, alle Zeltöffnungen weisen zum Tempel, (d) ein besonderer Turm wird errichtet, (e) von dem aus der König zum Volk spricht, (f) sie legen ihnen „die Mysterien“ offen (der echte Herrscher ist Gott etc.), (g) alle akzeptieren den Bund mit gewaltigem Beifall, (h) es ist der universale Geburtstag, alle werden wieder geboren, (i) sie empfangen einen neuen Namen, werden ordnungsgemäß gesiegelt und in einem landesweiten Zensus erfasst, (j) man singt ergreifende Chormusik (weiter Mosia 2:28, 5:2-5), (k) sie halten einen Festschmaus als Familien (weiter Mosia 2:5) und kehren nach Hause zurück (CWHN 6:205-310). Dieses „Musterverfahren“ ist erst seit den 1930er Jahren erkannt worden.
6. Der literarische Beweis von Verbindungen der Alten Welt mit dem Buch Mormon konzentriert sich auf ägyptische Einflüsse, die eine genaue Besprechung erfordern. Der einführende Absatz zu Nephis Autobiographie im Buch Mormon ist charakteristisch: „Ich Nephi…ich mache ihn mit eigener Hand“ (1 Ne. 1:1, 3). Die Schriftzeichen der ursprünglichen Buch Mormon Schrift ähneln am meisten Meroitisch, einem aus einer am oberen Nil errichteten ägyptischen Kolonie derselben Ära bekannten „reformierten Ägyptisch“ (Siehe Anthon Transkript; Buch Mormon Sprache). Unter den Eigennamen im Buch Mormon findet sich Ammon (der häufigste Name in sowohl der 26. Dynastie in Ägypten [664-525 vor Chr.] als auch im Buch Mormon), Alma, der lange schon wegen seiner Anwendung als Männername verhöhnt wird (heutzutage in den Bar Kokhba Briefen als „Alma, Sohn Judas“ gefunden), Aha, ein nephitischer General (weiter ägyptisch aha, „Krieger“), Paankhi (ein wichtiger königlicher Name der spätägyptischen Ära [525-332 vor Chr.]), Hermounts, ein Land wilder Bestien (weiter ägyptisch Hermonthis, Gott wilder Orte), Laman und Lemuel, „hängende Namen“, die gewöhnlich den ältesten Söhnen gegeben wurden (weiter Qabil und Habil, Harut und Marut), Lehi, ein Eigenname (um 1938 auf einer alten Scherbe in Ebion Gezer gefunden), Manti, eine Form des ägyptischen Gottes Month, Korihor (weiter ägyptisch Herhor, Horihor) und Giddianhi (weiter ägyptisch Djhwti-ankhi, „Thoth ist mein Leben“) etc. (CWNH 5:25-34, 6:281-92, 7:149-52, 168-72, 8:281-82, Siehe Buch Mormon Namen).
7. Die Authentizität der goldenen Tafeln, auf denen das Buch Mormon geschrieben wurde, ist bis zum Fund der „Darius Plates“ im Jahre 1938 oft in Frage gestellt worden. Viele andere Beispiele sakraler und historischer Schriften auf Metalltafeln sind seitdem gefunden worden (C. Wright in By Study and Also by Faith, 2:273-334, Hg. J. Lundquist und S. Ricks, Salt Lake City, 1990). Die Messing-(Bronze-)Tafeln erinnern an die Kupferschriftrollen der Schriftrollen von Qumran. Dieses Metall wurde benutzt, um besonders wertvolle Informationen aufzubewahren, namentlich die Verstecke für Schätze-Schriftrollen, Geld, heilige Utensilien-verborgen vor dem Feind. Die Nephiten erhielten den Auftrag: „Sie werden ihre Schätze verbergen, wenn sie vor ihren Feinden fliehen“, aber wenn solche Schätze danach zu privaten Zwecken benutzt werden, „weil sie sie nicht für [Gott] verbergen, seien sie und auch ihre Schätze verflucht“ (Hel. 13:19-20, CWHN 5:105-107, 6:21-28: 7:56-57, 220-21, 272-74).
8. Im scharfen Kontrast zu anderen Kulturen in dem Buch setzten die Jarediten die Kriesführungsart der Steppen Asiens „in diesem nördlichen Land“ fort (Ether 1, 3- 6). Beginnend beim wohlbekannten Verbreitungszentrum der großen Völkerwanderungen im westlichen Asien nahmen sie alle Freiwilligen in einer Massenvölkerwanderung auf (Ether 1:41-42). Bei ihrer Wanderung durch Zentralasien überquerten sie seichte Meere in Barkassen (Ether 2:5-6). Solche großen Inlandmeere waren Überreste der letzten Eiszeit (CWHN 5:183-85, 194-96). Als sie das „große Meer“ (möglicherweise den Pazifik) erreichten, bauten sie Schiffe mit bedeckten Decks und spitz zulaufenden Enden „wie die Arche Noachs“ (Ether 6:7), die den prähistorischen „Magurbooten“ in Mesopotamien sehr glichen. Die acht Schiffe wurden von leuchtenden Steinen erleuchtet, wie es nach dem palestinensischen Talmud auch bei Noachs Arche der Fall war. Die im Talmut und anderweitig erwähnten Steine wurden durch einen ungewöhnlichen Vorgang produziert, der in alten Legenden beschrieben wird. Solche Vorkehrungen waren nötig wegen des „ungestümen“ Windes, der nie aufhörte zu blasen (Ether 6:5, 8). In diesem Zusammenhang finden wir viele alte Berichte über die „Windflut“—über längere Zeit anhaltende enorme Winde—die der Sintflut folgten und den Turm zu Babel zerstörten (CWHN 5:359-79, 6:329-34, 7:208-10).
9. Die Gesellschaft im Buch Ether gehört zum „Epischen Milieu“ oder „Heroischen Zeitalter“, einem Produkt von Weltumwälzungen und erzwungenen Völkerwanderungen (weiter Beschreibungen in H. M. Chadwick, The Growth of Literature, 3 Bände, Cambridge, 1932-1940). Auf den grenzenlosen Ebenen muss Loyalität durch Eide gesichert werden, die gebrochen werden, wenn einzelne nach immer mehr Macht streben und sie erlangen. Söhne oder Brüder eines Königs rebellieren, um neue Armeen und Reiche zu formen, manchmal stellen sie den König und seine Familie unter lebenslangen Hausarrest, während sie Anhänger mit Geschenken und Ländereien nach feudaler Art „abziehen“. Königlicher Prunk basiert auf Zwangsarbeit, es gibt Verschwörungen und Gegenanschläge, Fehden und Blutrachen. Krieg wird wie ein Schachspiel gespielt—mit bestimmten Zeiten und Orten für die Schlacht und Herausforderungen durch Trompeten und Boten, alles gipfelt im persönlichen Duell der Herrscher, der Gewinner bekommt alles. Dies führt zu Vernichtungskriegen und totalem sozialen Zusammenbruch, wo „jedermann mit seiner Bande für das kämpfte, was er wünschte“ (Ether 7-15, CWHN 5:231-37, 285-307).
10. Elemente des archaischen Matriarchats wurden von Völkern im Buch Mormon aus der Alten Welt mitgebracht (Ether 8:9-10). Zum Beispiel plant eine jareditische Königin, einen jungen Nachfolger durch Verrat oder ein Duell auf den Thron zu setzen, und ersetzt ihn dann mit einem anderen, wobei sie wie die altertümliche, immer wiederkehrende Große Mutter an einem Königshof weiterhin das Sagen hat (weiter CWHN 5:210-13). Die Mutter-Göttin erschien anscheinend auch unter den Nephiten an einer Kultstätte (Siron), wo die Hure Isabel und ihre Gefährtinnen von unzähligen Anhängern aufgesucht wurden (Alma 39:3-4, 11), Isabel war der Name der großen Hierodule [Tempelsklavin] der Phönizier (CWHN 8:542).
HUGH W. NIBLEY