Das Buch Mormon vermittelt Informationen über drei prähispanische amerikanische Völker. Obwohl die Schreiber des Buches Mormon kein detailliertes Bild der wirtschaftlichen und materiellen Kultur ihrer Gesellschaften bieten, sind zahlreiche Details in dem Bericht enthalten. In vielen Fällen, wenn auch nicht in jedem Einzelfall, bestätigt die Archäologie die allgemeinen Einzelheiten. Die verbleibenden Probleme, das Buch Mormon mit seinen angenommenen altertümlichen Schauplätzen in Einklang zu bringen, ergeben sich zweifellos aus sowohl dem spärlichen Informationsangebot im Buch Mormon selbst als auch aus der Unvollständigkeit der archäologischen Berichte.
Das zu prüfen, was das Buch Mormon über die präkolumbianische materielle Kultur aussagt, ist schwieriger, als es auf den ersten Blick aussieht. Zum Beispiel ist es eine historisch bewiesene Tatsache, dass Handwerkstechniken verloren gehen können. So kann man also nicht einfach annehmen, dass Technologien, die für bestimmte Bevölkerungen im Buch Mormon erwähnt werden, nach der Zerstörung der Nephiten weiter bestanden haben. Auch kann man nicht Vermutungen darüber anstellen, welche Technologien der Alten Welt erfolgreich in die Neue Welt übertragen wurden. Viele Handwerkstechniken sind den kleinen Koloniengruppen bestimmt nicht bekannt gewesen, und selbst unter den Fertigkeiten, die übers Meer mitgebracht wurden, mögen sich viele in der neuen Umgebung als nicht nützlich oder anpassbar erwiesen haben. So gesehen kann man auch von Dingen, die in frühen Teilen des Buches Mormon verzeichnet sind, nicht sicher annehmen, dass sie bis in spätere Geschichtsabschnitte desselben Berichts überlebt haben.
Die Wirtschaft von Völkern im Buch Mormon scheint im Ganzen betrachtet relativ einfach gewesen zu sein. Obwohl viele Nephiten und Jarediten in nicht sehr großen Städten lebten (ein Punkt, dessen Glaubwürdigkeit durch neuere Studien erhöht wurde), basierten ihre Gesellschaften auf der Landwirtschaft. Handel wird für manche Zeitabschnitte erwähnt, aber war durch häufige Kriege eingeschränkt. In den selten erwähnten Zeiten des freien Reisens fielen die Handelsbarrieren, und die Lamaniten und Nephiten gediehen erwartungsgemäß (z.B. He. 6:7-9).
Trotz der landwirtschaftlichen Grundlage der Wirtschaft zeigte sich der Wohlstand eher in bewegbaren Herden, kostbarer Kleidung, Gold, Silber und „kostbaren Dingen“ als in Landbesitz (Jakob 2:12-13, Enos 1:21, Jarom 1:8, Mosia 9:12, Alma 1:6, 29, 17:25, 32:2, Ether 10:12). Die Ideologie der führenden Völker im Buch Mormon trugen zweifellos zu diesem Phänomen bei: Sie bezeichneten sich selbst als einen rechtschaffenen Überrest. Sie mussten ihre bequemen Heime verlassen und ihrer religiösen Überzeugungen wegen in die Wildnis ziehen. Da gesamte Bevölkerungen anscheinend oft umgezogen sind, war Landbesitz vielleicht keine stabilie Quelle des Wohlstands (2 Ne. 5:5-11, Omni 12-13, 27-30, Mosia 9, 18:34-35, 22, 24:16-25, Alma 27, 35:6-14, 63:4-10, He. 2:11, 3:3-12, 4:5-6, 19, 3 Ne. 3:21-4:1; 7:1-2). Im Idealfall sollte der Reichtum mit den Armen und zum allgemeinen Wohl geteilt werden. Aber starke Kontraste zwischen Reich und Arm zeigen sich eher öfter als selten.
Die Landwirtschaft im Buch Mormon umfasste Vieh und Feldfrüchte. Zum Beispiel „bebaute das Volk Nephi [im fünften Jahrhundert vor Christus] das Land und zog allerart Getreide und Früchte und Mengen von Vieh und allerart Herden von Rindern jeder Gattung und Ziegen und Wildziegen und auch viele Pferde“ (Enos 1:21). Im zweiten Jahrhundert vor Christus baute das Volk von Zeniff Mais, Weizen, Gerste, „Neas“ und „Scheum“ an (Mosia 9:9, Siehe weiter Alma 11:7). Dieser „Mais“ im Buch Mormon bedeutete mit aller Sicherheit indianischen Mais, der zu den Hauptnahrungsmitteln in den meisten Gegenden von Nord- und Südamerika zählte und immer noch zählt. Über einige der anderen angeführten Gegenstände ist man sich nicht so sicher. Erst 1982 wurden Beweise veröffentlicht, die das Vorhandensein kultivierter präkolumbischer Gerste in der Neuen Welt belegen (Sorenson, 1985, S. 184). „Neas“ kann nicht identifiziert werden. Aber das Wort „Scheum“ scheint mit dem früh-akkadischen Wort she-um verwandt zu sein, einem wahrscheinlich der Gerste ähnlichen Getreide (siehe F.A.R.M.S. Redaktion, „Weights and Measures“).
Erwähnungen im Buch Mormon von Pferden im präkolumbischen Amerika haben viel Kritik hervorgerufen und es gibt derzeit keine definitive Antwort auf diese Frage. Linguistische Daten deuten darauf hin, dass das Wort „Pferd“ im Buch Mormon sich nicht unbedingt auf equus beziehen muss. Aber es könnte irgendein anderes vierbeiniges Tier bedeuten, dass zum Reiten geeignet war, wie mesoamerikanische Kunst es nahelegt (Sorenson, 1985, S. 295). Darüber hinaus deuten einige wenig beachtete archäologische Funde darauf, dass in bestimmten Gebieten das amerikanische pleistozäne Pferd bis in Buch Mormon Zeiten hinein überlebt haben könnte (Update, June 1984).
Meistens wurden Dinge anscheinend auf dem Rücken von Menschen transportiert. In den zwei Zusammenhängen, wo das Buch Mormon „Streitwagen“ erwähnt, scheint ihr Gebrauch sehr beschränkt gewesen zu sein (Alma 18:9-12, 20:6, 3 Ne. 3:22). Streitwagen werden nie in militärischen Situationen erwähnt. Räder werden nirgendwo im Buch Mormon erwähnt (außer in einem Zitat aus Jesaja). So ist uns unbekannt, wie nephitische „Streitwagen“ ausgesehen haben mögen. Die Nephiten sollen „Landstraßen“ und „Straßen“ gehabt haben (3 Ne. 6:8). Einige Heilige der Letzten Tage meinen diese in den weitläufig dokumentierten Straßensystemen des alten Mexiko wiederzuerkennen. „Schiffe“ von unbekannter Machart wurden während der Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus für Reisen an der „westlichen Meeresküste“ (Alma 63:6) und zum Verschiffen von Holz in den Norden benutzt (He. 3:10). Auch scheint zu bestimmten Zeiten das Reisen zu Wasser sehr weitläufig gewesen zu sein (He. 3:14). Feine Perlen werden ebenfalls als wertvolle Gegenstände erwähnt (4 Ne. 1:24).
Man liest von „Seide und fein-gezwirntem Leinen“ (z.B. Alma 1:29, Ether 10:24) und auch gewöhnlichem Stoff (Baumwolle?). Die „Seide“ wurde höchstwahrscheinlich nicht von Seidenraupen wie in China produziert. Aber ähnliche Stoffe waren bekannt, zumindest in Mesoamerika. Zum Beispiel dienten in Guatemala Fasern der wilden Ananaspflanze und unter den Azteken Hasenhaar dazu, seidenähnliche Stoffe herzustellen. Obwohl Flachs vor der Ankunft der Spanier in Amerika anscheinend unbekannt war (Leinen wurde in der Alten Welt aus Flachs hergestellt), sind mehrere auf Gemüse basierende Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften im alten Amerika klar bescheinigt (Update, Nov. 1988).
Man muss beim Lesen des Buches Mormon, oder jedes anderen Textes, der einer fremden oder alten Kultur entspringt, sich davor hüten Unbekanntes im Licht dessen, was einem bekannt ist, misszuverstehen. Zum Beispiel sollen die Nephiten „Geld“ benutzt haben, aber weil die Israeliten in Lehis Tagen keine Münzen besaßen, war das nephitische „Geld“ wahrscheinlich auch münzenlos.
Ein gut integriertes System von Trockenmaßen und Metallgewichtseinheiten wird in Alma 11 beschrieben. Einige Analytiker haben darauf aufmerksam gemacht, dass das angeführte System bestechend einfach, effizient und sinnvoll ist (Smith). Mit der binären mathematischen Konfiguration und dem Gebrauch von Gerste und Silber als Grundtauschmittel erinnert das nephitische System an ähnliche Systeme, die in Ägypten und in den babylonischen Gesetzen von Eschnunna bekannt waren (F.A.R.M.S. Redaktion, „Weights and Measures“, Update, März 1987).
Das Fertigen von Waffen aus „Stahl“ und „Eisen“ wird von den Nephiten nur während der ersten paar Generationen erwähnt (2 Ne. 5:15, Jarom 1:8, Eisen wird nur als „wertvolles“ dekoratives Metall während der Zeit von Mosia 11:8 erwähnt). Was genau diese Ausdrücke ursprünglich bedeuteten, bleibt unklar. Jareditischer „Stahl“ und „Eisen“ und andere Metalle werden zweimal erwähnt, aber nicht beschrieben (Ether 7:9, 10:23). Die Waffen des gemeinen Soldaten waren deutlich einfacher: Steine, Keulen, Speere und Pfeil und Bogen (z.B. Alma 49:18-22).
Die verhältnismäßige Eifachheit der Geselschaft im Buch Mormon bedeutet nicht unbedingt einen Mangel an Kultiviertheit, gemessen an altertümlichen Standards. Zum Beispiel hat es den Anschein, dass die Lese- und Schreibfähigkeit unter den Nephiten und Jarediten nicht ungewöhnlich war. Die mitbegründenden Führer der Völkerwanderungen waren bestimmt fähig zu lesen und zu schreiben. Und die Nephiten in der mittleren Ära sollen „viele Bücher und viele Aufzeichnungen jeder Art“ hervorgebracht haben (He. 3:15). Die Lamaniten und Mulekiten andererseits waren weniger konsequent im Berichteführen (Omni 1:17-18, Mosia 24:4-6, He. 3:15). Die Jarediten und Nephiten führten ihre heiligsten Bericht auf fast unverwüstlichen Metalltafeln, obwohl einige ihrer Bücher aus brennbarem Material gefertigt waren (Alma 14:8). Die Tafeln, die Joseph Smith in seinem Besitz hatte und die er und andere Augenzeugen beschrieben, scheinen durchaus innerhalb der Fertigkeiten prähispanischer Metallurgen gelegen zu haben (Putnam. Sorenson, 1985, S. 278-88), und ihre Art der Bestattung hat bedeutungsvolle Präzedenzfälle in der östlichen Hemisphäre (Wright).
BIBLIOGRAPHIE
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F.A.R.M.S. Updates (Provo, Utah), enthält nützliche Diskussionen, einschließlich Bibliographien, über präkolumbianische Pferde (Juni 1984), Metallurgie goldener Platten (Okt. 1984), prähispanische domestizierte Gerste (Dez. 1984), den Verlust von Technologien (Juli 1985), the legal implementation of the Nephite system of weights and measures (März 1987), and possible silks and linens (Nov. 1988).
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Nibley, Hugh W. The Prophetic Book of Mormon, in CWHN 8:245-46, 385-86, and Since Cumorah, in CWHN 7:220-27. Bespricht Metallplatten, Stahl, Zement, Geld und Fauna.
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DANIEL C. PETERSON