Eine Menge Forschungsarbeiten haben die Verfasserschaft des Buches Mormon untersucht, eben weil es aus Beiträgen vieler Autoren voralters besteht. Diejenigen die Joseph SMITHS Behauptung ablehnen, dass er das Buch Mormon durch göttliche Macht übersetzt hat, unterstellen stattdessen, dass er, oder einer seiner Zeitgenossen, das Buch geschrieben hat. Verschiedene Auffassungen oder Argumente sind mit der Zeit in Form von Zustimmungen oder Dementierungen dieser konkurrierenden Annahmen zum Ausdruck gekommen.
Meinungsstreitigkeiten in Bezug auf die Verfasserschaft des Buches erhoben sich seit sein Bestehen in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Die erste allgemeine Reaktion war Verhöhnung. Modernem Denken scheint die Vorstellung, dass möglicherweise ein Engel alte Aufzeichnungen einem ungeschulten Jungen zum Übersetzen ausgehändigt hat als nahezu unannehmbar. Hinzu käme noch, dass Christen um 1830 den biblischen KANON als vollständig betrachteten; somit entheiligte der bloße Gedanke zusätzlicher Schriften eine grundlegende Anmaßung ihrer Glaubensstruktur.
Joseph Smiths Opponenten, wie z. B. Alexander Campbell, argumentierten, dass das Buch Mormon ein offensichtliches Plagiat der Bibel sei, und dass es Themen und Redewendungen benutze, die in New York in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts gängig waren. Zahlreiche Kritiker spekulierten, dass Sidney RIGDON oder Solomon Spaulding eine Rolle bei der Bewirkung dieses Buches gespielt haben sollen ( Siehe SPAULDING MANUSKRIPT). Auch unterstellte man das Joseph Smith das Gedankengut einem anderen Buch entnommen hat (Siehe VIEW OF THE HEBREWS). Obwohl diese Einwändungsvarianten und Theorien in gewissen Quartieren immer noch als gerechtfertigt gelten, sind sie nach dem Stand heutiger Verfassensstudien lange nicht mehr tragbar und erheben mehr Fragen, wie sie beantworten (z.B. CWHN 8:54-206).
Andere deuteten an, dass Joseph Smith zugegeben haben soll „Autor und Eigentümer“ des Buches Mormon gewesen zu sein, weil die Titelseite der ersten Auflage ihn als solchen benennt. Jedoch enstammt dieser Ausdruck den staatlichen Satzungen des federalen Urhebergesetzes und anverwandten Rechtsformularen der Vereinigten Staaten, die 1829 im Umgang waren (1 Stat. 125[1790], amended 2 Stat. 171 [1802]). Im Geleitwort derselben Auflage von 1830 heißt es, dass Joseph die Aufzeichnungen des Propheten Mormon “durch die Gabe und Macht Gottes” übersetzt hat (Siehe DAS BUCH MORMON: ÜBERSETZUNG). Der Standpunkt der Kirche ist immer schon der gewesen, dass die Wahrheit von Joseph Smiths’ Zeugnis durch die Eingebung des Heiligen Geistes bestätigt werden kann. Verfasser gelehrter Werke haben eine Vielfalt von Beweisen erstellt, die die Behauptung rechtfertigen, dass das Buch Mormon tatsächlich von meheren Autoren voralters geschrieben worden ist. Wegen diesen Forschungsarbeiten nimmt die Glaubwürdigkeit von Josephs Beteuerung in Bezug auf den Ursprung des Buches deutlich zu. Auch wird des öfteren erwähnt, dass die interne Komplexität des Buches Mormon ein starker Hinweis zugunsten vielfältiger Autoren ist. Diese Vielfalt von Aufzeichnungen, von denen, wie verlautet, Mormon einen Auszug anfertigte, sind unzertrennlich miteinander verwoben und werden im Text ausdrücklich kenntlich gemacht (Siehe DAS BUCH MORMON: TAFELN UND AUFZEICHNUNGEN). Obwohl die verschiedenen Bücher innerhalb des Buches Mormon sich in ihrer historischen Herkunft, dem Stil, und bezeichnenden Charaktereigenschaften voneinander unterscheiden, sind sie dennoch exakt und bis ins kleinste Detail konstant.
Geschichtliche Forschungen haben erwiesen, dass gegen 1829 viel über den antiken Nahen Osten entweder total unbekannt war oder sich nicht ohne Weiteres aufgreifen ließ, die aber einer akkuraten Widerspiegelung im Buch Mormon entsprechen. Dieser Korpus historischer Untersuchungen war insofern durch die Bemühungen des Gelehrten Hugh W. Nibley erweitert worden (Siehe BOOK OF MORMON STUDIES), indem er vor kurzem entdeckte, dass bei gewissen Gemeinschaften voralters – Gemeinschaften wie Qumran – viele Charaktereigenschaften mit denen der Völker des Buches Mormon parallel liefen (Siehe CWHN, 5-8). Die Juden, die damals in Qumran lebten (ca. 125 v. Chr. – 68 n. Chr.) waren „Sekterier“, Puristen, die Jerusalem verlassen hatten, um die Korruption ihrer Bündnisse zu vermeiden. Schon vor der Zeit Christi übten sie Ablutionen (Waschungen) aus, eine Art Taufe, und gravierten einen ihrer Berichte auf eine Kupferrolle, die sie hernach versiegelten und verbargen, so dass sie irgendwann ans Tageslicht treten würde. Eine von Nibleys kritischen Auswertungen erweist, dass König Benjamins Abschiedsrede an sein Volk im Buch Mormon (Mosia 2-5) ein gutes Beispiel für die in der Antike gehaltenen Neujahrsriten und Zeremonien ist (CWHN 6:295-310). Nachträgliche Studien deuten an, dass König Benjamins Volk in aller Wahrscheinlichkeit das all-herbstliche israelitische Sukkot (Laubhüttenfest) so feierte, wie es das damalige jüdische Gesetz verlangte; Vorgangsweisen, die erst nach der Übersetzung des Buches Mormon auf Englisch veröffentlicht worden waren (Tvedtnes, 1990).
Strukturenanalysen haben einen literarischen Kunstgriff enthüllt, der in reicher Vielfältigkeit sowohl in der Bibel wie auch im Buch Mormon vorhanden ist: der sogenannte Chiasmus (Siehe DAS BUCH MORMON: LITERATUR). Die bedeutsamsten Strukturenanalysen über dieses Phänomen in Hinsicht auf das Buch Mormon rühren von John W. Welch her (Reynolds, pp. 33-52). Diese rhetorische Figur, die 1829 fast noch unbekannt war, bewirkt invertierte Parallelen, wie sie zum Beispiel im Levitikus 24:17-21 ersichtlich sind:
Wer einen Menschen erschlägt.../ Wer ein Stück Vieh erschlägt.../ Wenn jemand einen Stammesgenossen verletzt.../ Bruch um Bruch,/ Auge um Auge,/ Zahn um Zahn.// Den Schaden, den er einem ... zugefügt hat.../ Wer ein Stück Vieh erschlägt.../ Wer einen Menschen erschlägt...
Und im Buch Mormon heißt es in Alma 41:13-14 (vgl. Welch, pp. 5-22):
Gutes für das, was gut ist;/ Rechtschaffenes für das, was rechtschaffen ist;/ Gerechtes für das, was gerecht ist;/ Barmherziges für das, was barmherzig ist.// Darum sieh zu mein Sohn, /daß du...barmherzig bist;/ handle gerecht,/ ... tue beständig Gutes;/ ...dann wirst du deinen Lohn empfangen...
Obwohl Chiasmus literarisch gesehen in fast allen Sprachen auftaucht, lag sein Vorrang im biblischen Zeitalter, besonders Anfangs des siebten Jahrhunders v. Chr., genau die Zeitspanne, in der die Propheten Lehi und Nephi1 lebten. Die besonders präzisen und formvollendeten Beschreibungen einiger Texte innerhalb des Buches Mormon geben der Idee, dass ihr Autor absichtlich und sorgfältig vorhandenen antiken Vorschriften Folge leistete, noch stärkeren Halt. Somit widerspricht diese Tatsache dem Vorwurf, dass der in Neuengland geborene Joseph Smith, der Autor dieser Texte sei.
Weitere stilistische Studien untersuchten die Frequenzerscheinung hebräischer Stammwörter, sowie idiomatischer Ausdrücke im Buch Mormon und dessen Syntax (Tvedtnes, 1970). Verschiedene Namen im Buch Mormon, die im Englischen keine Äquivalenten verzeichnen, erscheinen im Hebräischen als Koknate (verwandte Wörter; Hoskisson, CWHN, 6:281-94). Ferner bestehen deutliche Unterschiede im Wortschatz und in den Verfahrensweisen von Mormons Auszügen und die seines Sohnes Moroni (Siehe Keller).
Auch sind umgfangreiche statistische Forschungsarbeiten, einschließlich Stilometrie (Wordprinting), am Buch Mormon durchgeführt worden (Reynolds, S 157-58; vgl. Hilton). Ganze Teile seines Textes sind analysiert worden, um die unterschwelligen Tendenzen von kontextlosen Wortschemen in ihren bezeichnenden Kombinations- und Verhältnisseigenschaften zu identifizieren. Stilometrie war z.B. instrumental in der Ermittlung der echten Autorenschaft von zwölf umstrittenen amerikanischen Föderalistenartikel (Federalist Papers) und einem Roman von Jane Austen, der erst nach ihrem Tode veröffentlicht worden war. Als man das Buch Mormon, sowie das persönliche Schreibgut von Joseph Smith, Solomon Spaulding, Sidney Rigdon und Oliver Cowdery, der als Josephs Schreiber gedient hatte, derselben Stilometriemethodik unterwarf, stellte man fest, dass sich das persönliche Schreibgut dieser Männer deutlich von der Stilometrie des Buches Mormon abhob.
Darüber hinaus erkannte man, dass die Wortschemen von Nephi1 als Einzelverfasser seiner Aufzeichnungen mit sich selbt übereinstimmend sind, und dass sie sich deutlich von anderen Propheten wie Alma2 abheben. Die Bewertungen an Hand dieser objektiven Messtechnik in Bezug auf diese Schriften und das obenbenannte Schreibgut haben erwiesen, dass die statistische Wahrscheinlichkeit eines einzigen Autoren, der das Buch Mormon geschrieben haben soll, fast unmöglich ist. Die Einführung von neuen Vokabeln in diesen Text ist auch sehr niedrig, etwas was von Josephs einheitlicher Funktion als Übersetzer erwartet werden sollte.
BIBLIOGRAPHIE
Hilton, John L. “On Verifying Wordprint Studies: Book of Mormon Authorship.” BYU Studies 30 (Summer 1990):89-108.
Hoskisson, Paul. “An Introduction to the Relevance of and a Methodology for a Study of the Proper Names of the Book of Mormon.” In By Study and Also by Faith, ed. J. Lundquist and S. Ricks, Vol. 2, pp. 126-35. Salt Lake City, 1990.
Keller, Roger R. “Mormon and Moroni as Authors and Abridgers.” F.A.R.M.S Update, Apr. 1988.
Reynolds, Noel B., ed. Book of Mormon Authorship: New Light on Ancient Origins. Provo, Utah, 1982.
Tvedtnes, John. “Hebraisms in the Book of Mormon: A Preliminary Survey.” BYU Studies 2 (Autumn 1970):50-60.
Tvedtnes, John. “King Benjamin and the Feast of Tabernacles.” In By Study and Also by Faith, ed. J. Lundquist and S. Ricks, Vol. 2, pp. 197-237. Salt Lake City, 1990.
Welch, John W. “Chiasmus in Biblical Law.” In Jewish Law Association Studies IV, ed. B. Jackson, pp. 5-22. Atlanta, 1990.
Wirth, Diane E. A Challenge to the Critics: Scholarly Evidences of the Book of Mormon. Bountiful, Utah, 1986.
D. BRENT ANDERSON
DIANE E. WIRTH